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Steuerrecht
29.05.2015
Steuerrecht
FG des Saarlandes: Nichtabziehbare Betriebsausgaben bei Dividenden, die nach DBA steuerfrei sind

FG des Saarlandes, Urteil vom 24.3.2015 – 1 K 1162/13

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine im Jahr 1963 gegründete GmbH, deren Unternehmensgegenstand die ... ist. Einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Klägerin ist D.

Die Klägerin ist an der .. mit Sitz in China (HC) zu 100 % sowie an der ... mit Sitz in der Türkei (HT) zu 84,97 % beteiligt. Von diesen Tochtergesellschaften erhielt sie in den Streitjahren folgende Dividenden:

Von HC: 25 Mio. € (2009), 33,6 Mio. (2010) sowie 20 Mio. € (2011), 

von HT: 829.360 € (2009).

Die Klägerin behandelte diese in ihren Steuererklärungen als nach den Bestimmungen der einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen (DBA – vgl. Art. 10 Abs. 2, 24 Abs. 2 Buchst. a DBA-China, Art. 10 Abs. 2, 23 Abs. 1 Buchst. a DBA-Türkei 1985) steuerfreie ausländische Einkünfte. Für die Jahre 2009 und 2010 folgte der Beklagte dem und erließ entsprechende Körperschaftsteuerbescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 AO. 

Im Rahmen der Körperschaftsteuerfestsetzung für 2011 wich der Beklagte im Bescheid vom ... März 2013 (Bl. 33 ff.) von der Erklärung ab und berücksichtigte 5 % der jeweiligen Dividenden gemäß § 8b Abs. 5 KStG einkommenserhöhend als nicht abziehbare Betriebsausgaben. In diesem Zusammenhang erließ er am .... März 2013 auch entsprechende Änderungsbescheide für die Jahre 2009 und 2010, in denen er ebenfalls 5 % der jeweiligen Dividenden gemäß § 8b Abs. 5 S. 1 KStG als nicht abziehbare Betriebsausgaben einkommenserhöhend berücksichtigte (Bl. 27 ff.). Die hiergegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom ... Mai 2013 (Bl. 21 ff.) als unbegründet zurück.

Am 6. Juni 2013 hat die Klägerin Klage erhoben (Bl. 2). Sie beantragt sinngemäß (Bl. 3),

unter Änderung der Körperschaftsteuerbescheide für 2009 und 2010 vom ... März 2013 und des Körperschaftsteuerbescheides für 2011 vom ... März 2013 – alle in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom ... Mai 2013 – die Körperschaftsteuer der Streitjahre ohne Hinzurechnung von 5 % der jeweiligen Dividenden (das sind 2009: 1.291.468 €, 2010: 1.680.000 € und 2011: 1.000.000 €) gemäß § 8b Abs. 5 KStG festzusetzen.

Die Dividenden seien zu 100 % von der deutschen Besteuerung auszunehmen. Dies ergebe sich aus den jeweiligen DBA mit China bzw. der Türkei. Die dort geregelten Mindestbeteiligungsgrenzen von 10 % seien erfüllt.

§ 8b Abs. 5 KStG dürfe nicht angewandt werden. Bei dieser Norm handele es sich bezüglich Dividenden, die bereits nach DBA freizustellen sind, um ein so genanntes „Treaty Override“. Eine solche Umgehung abkommensrechtlicher Bestimmungen stelle einen Verstoß gegen Verfassungsrecht da (Bl. 16 ff.). Theoretisch bestünde sonst die Möglichkeit, dass der Gesetzgeber entgegen der DBA eine tatsächliche Besteuerung der Dividenden in beliebiger Höhe erreichen könnte, indem er den Prozentsatz der nichtabzugsfähigen Betriebsausgaben erhöhe (Bl. 16).

Die Normenkollision zwischen den Bestimmungen der DBA und § 8b KStG sei zu Gunsten des DBA zu lösen. Die DBA bzw. das jeweilige Zustimmungsgesetz stellten das jeweils speziellere Gesetz dar und genieße Anwendungsvorrang gegenüber § 8b KStG (Bl. 17).

Etwas anderes gelte nur dann, wenn der Gesetzgeber deutlich seinen Willen zum Ausdruck gebracht hätte, dass er den nationalen Regelungen den Vorrang vor DBA einräumen wolle (so etwa in § 8b Abs. 1 S. 3 KStG). Eine entsprechende Regelung fehle allerdings in § 8b Abs. 1 und Abs. 5 KStG (Bl. 18).

Daneben sei es auch verfassungsrechtlich geboten, die Dividenden vollständig freizustellen. Denn die deutschen Staatsorgane seien aufgrund des Rechtsstaatsprinzips unter anderem an völkerrechtliche Verträge der Bundesrepublik Deutschland mit anderen Staaten gebunden. Sie hätten dies im Rahmen der Gesetzgebung sowie der Auslegung der Gesetze zu beachten. Gebe es mehrere Gesetzesauslegungs-Möglichkeiten, so sei der völkerrechtskonformen Variante der Vorrang einzuräumen (Bl. 18).

Eine Ausnahme hierzu gelte wiederum nur dann, wenn dies durch tragende Grundsätze der Verfassung gerechtfertigt sei und diese Grundsätze nicht auf andere Weise geschützt werden könnten (so etwa in den vom Bundesverfassungsgericht entschiedenen Fällen – Bl. 19).

Soweit der Beklagte sich auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungsmäßigkeit von § 8b Abs. 5 KStG berufe, sei dies nicht zielführend. Denn diese Entscheidung betreffe lediglich die Vereinbarkeit des pauschalierten Abzugsverbot für Betriebsausgaben mit dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Vorliegend stehe aber nicht die Vereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG in Frage, sondern das Verhältnis der nationalen Bestimmung zum Völkerrecht (Bl. 58).

Der Beklagte beantragt (Bl. 49),

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Übrigen ist er der Ansicht, dass § 8b Abs. 5 KStG vorliegend anwendbar sei. DBA seien regelmäßig durch entsprechende Zustimmungsgesetze in nationales Recht umzusetzen. Derartige Zustimmungsgesetze könnten mit Vorbehalten versehen werden. Es sei möglich, dass der Gesetzgeber im Rahmen eines Zustimmungsgesetzes zum Doppelbesteuerungsabkommen nicht die gesamten Einnahmen von der Besteuerung ausnehmen, sondern die Anwendungen der DBA nach seinem eigenen gesetzgeberischen Willen auskleiden wolle. 

§ 8b Abs. 5 KStG verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, wie bereits das Bundesverfassungsgericht entschieden habe (Bl. 52).

Die Freistellung nach § 8b Abs. 1 KStG gehe im Vergleich zum DBA über das Doppelbesteuerungsabkommen hinaus, weil sie [in der für die Streitjahre geltenden Fassung] keine Mindestbeteiligung voraussetze. Grundsätzlich würden daher Steuerpflichtige mit der unilateralen Regelung des § 8b Abs. 1 KStG im Vergleich zu bilateralen Verträgen der DBA besser gestellt, so dass die Abkommensregelungen im Regelfall leer liefern (Bl. 53). Nur wenn die nationale Freistellung nicht eingreife, entfalle die Tatbestands- und Rechtsfolgenkonkurrenz mit der Folge, dass die bisher redundante Abkommensvergünstigung wieder auflebe (Bl. 53).

Dem entspreche es, dass gemäß § 8b Abs. 5 KStG 5 % der Dividendeneinnahmen als nicht abzugsfähige Betriebsausgaben dem Betriebsergebnis der Klägerin wieder hinzuzurechnen seien. Diese Auffassung werde auch durch das Urteil des BFH vom 29. August 2012 (I R 7/12, BStBl II 2013, 89) bestätigt.

Ein Wahlrecht der Klägerin hinsichtlich der für sie günstigeren Anwendung bestehe grundsätzlich nicht (Bl. 54).

Die Beteiligten haben übereinstimmend gemäß § 90 Abs. 2 FGO auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet (Bl. 61, 65).

Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten und auf die Verwaltungsakten des Beklagten (vgl. Bl. 70 f.) Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig, aber unbegründet. Zu Recht hat der Beklagte in den hier angefochtenen (Änderungs-)

Bescheiden gem. § 8b Abs. 5 KStG 5 % der Dividenden, die die Klägerin von HC und HT erhalten hat, dem Gewinn außerbilanziell hinzugerechnet. 

I. Nach § 8b Abs. 1 KStG in der in den Streitjahren geltenden Fassung bleiben Bezüge im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 lit. a EStG, zu denen auch Dividenden – wie etwa die hier streitigen - gehören, bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz. Von diesen Bezügen im Sinne von § 8b Abs. 1 KStG gelten 5 % als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden dürfen (§ 8b Abs. 5 S. 1 KStG). Diese „fiktiven“ Ausgaben werden dem Einkommen außerhalb der Bilanz wieder hinzugerechnet. Die Anwendung von § 3c EStG, der regelmäßig den Abzug solcher Ausgaben verbietet, die in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen steht, wird durch das pauschale Abzugsverbot des § 8b Abs. 5 S. 1 KStG „gesperrt“ (§ 8b Abs. 5 S. 2 KStG). 

Die Frage, ob das pauschale Abzugsverbot auch für solche Einnahmen gilt, die auch nach anderen Bestimmungen als § 8b Abs. 1 KStG bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben (so etwa ein Schachtelprivileg nach DBA – vgl. Art. 10 Abs. 2 S. 1 Buchst. a OECD-MA), wird in Rechtsprechung und Literatur teilweise unterschiedlich beantwortet. 

1. In der Literatur wird teilweise vertreten, dass die Befreiungsnormen nach DBA und nach § 8b Abs. 1 KStG gleichrangig seien, so dass der Steuerpflichtige die für ihn günstigere Regelung wählen könne. Wählte er die Befreiung nach § 8b Abs. 1 KStG, so sei das pauschale Ausgabenabzugsverbot des § 8b Abs. 5 KStG anzuwenden; wählte er hingegen das – für ihn günstigere- Schachtelprivileg nach DBA, so komme nicht § 8b Abs. 5 S.1 KStG, sondern § 3c Abs. 1 EStG (Abzugsverbot der tatsächlichen Aufwendungen) zur Anwendung (Lorenz, IStR 2009, 437 sowie Hageböke, IStR 2009, 473, der einen Vorrang des DBA sieht, sofern dies für den Steuerpflichtigen günstiger ist). 

2. Die Rechtsprechung sowie Teile der Literatur wenden hingegen § 8b Abs. 5 KStG auch auf das Schachtelprivileg nach DBA an. Sie begründen dies im Wesentlichen damit, dass § 8b Abs. 5 S. 1 KStG für die außerbilanzielle Hinzurechnung keine Unterscheidung nach dem Grund der Nichtabziehbarkeit treffe. So ergebe sich aus § 8b Abs. 5 KStG nicht, dass er nur anwendbar sei, wenn die Bezüge nach Abs. 1 steuerfrei gestellt seien. § 8b Abs. 5 KStG sei vielmehr bereits dann anwendbar, wenn die Bezüge bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben, ohne Rücksicht darauf, auf welcher Vorschrift die Steuerfreistellung beruhe. Eine Günstigerprüfung finde nicht statt. Das Abkommensprivileg komme dann zum Einsatz, wenn sich die Steuerfreistellung nicht bereits aus nationalem Recht ergebe. Allerdings „lebe“ die DBA-Freistellung dann wieder auf, wenn die nationale Freistellung unanwendbar sei, was – bezogen auf die 5 % bei Anwendung des § 8b Abs. 5 KStG – nicht der Fall sei, da abkommensrechtliche Vergleichsnorm allein § 8b Abs. 1 KStG und nicht § 8b Abs. 5 KStG sei (FG Düsseldorf vom 16. September 2014 6 K 2018/12 K, EFG 2015, 155 unter Hinweis auf Gosch, KStG, § 8b Rn. 483, Frotscher in Frotscher/Maas, KStG, § 8b Rn. 530 und Hauswirth in Lademann, KStG, § 8b Rn. 183; s. auch Pung in Dötsch/Pung/Mühlenbrock, KStG, § 8b Rn. 384 ff.).

Ein Verstoß gegen DBA liegt nach der Rechtsprechung des BFH darin nicht, denn die Schachtelprivilegierung werde in vollem Umfang eingeräumt (BFH vom 29. August 2012 I R 7/12, BStBl II 2013, 89 m.w.N.). Dass die daraus erwachsende Steuerfreistellung der Auslandsdividenden wirtschaftlich dann wieder um 5 v.H. der Dividenden als nichtabziehbar behandelte fiktive Betriebsausgaben zurückgenommen werde, berühre die zunächst gewährte Freistellung aus rechtlicher Sicht nicht. Kraft positiv-rechtlicher Anordnung werde lediglich dem Rechtsgedanken Rechnung getragen, dass steuerbefreite Einkommensbestandteile mit einem Abzugsverbot für damit in Zusammenhang stehenden Aufwand korrespondieren sollen (BFH vom 29. August 2012 I R 7/12, BStBl II 2013, 89 zu § 8b Abs. 7 KStG 1999). Ein unzulässiges „Treaty Override“ liege darin nicht. Denn § 8b Abs. 5 KStG quantifiziere und typisiere eine nationale Beschränkungsnorm (§ 3c Abs. 1 EStG). Das Abkommensrecht bleibe unberührt. 

II. Der Senat folgt der Auffassung der Rechtsprechung, wonach § 8b Abs. 5 KStG auch auf das Schachtelprivileg nach DBA anzuwenden ist, und hat gegen die vom Beklagten vorgenommene außerbilanzielle Hinzurechnung keine Bedenken. 

1. Der Senat gibt der Auffassung den Vorzug, dass die Freistellung der Dividenden durch das Schachtelprivileg nach DBA in einem ersten Schritt nicht durch eine in einem zweiten Schritt vorzunehmende - typisierend geregelte - Nichtabziehbarkeit von mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Aufwendungen berührt werden. Zwar ist der Klägerin darin beizupflichten, dass dies zu einer faktischen Besteuerung von 5 % der Dividendeneinnahmen führt. Dieses Ergebnis wird hingegen von den gesetzlichen Normen, an denen der Senat keinerlei verfassungsrechtliche Zweifel hat, getragen. 

Nach der gesetzlichen Systematik erfolgt die Besteuerung der Dividenden auf mehreren Stufen. So ist auf der ersten Stufe zu prüfen, ob die Einnahmen der Besteuerung unterworfen werden oder ganz bzw. teilweise bei der Einkommensermittlung außer Ansatz bleiben und zwar ungeachtet, welche Freistellungsnorm hierfür maßgeblich ist. Hiervon unabhängig ist auf der zweiten Stufe zu prüfen, ob die Ausgaben, die mit diesen Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, bei der Einkommensermittlung abzuziehen sind. Hier regelt § 3c Abs. 1 EStG, dass derartige Ausgaben in vollem Umfang nicht abzugsfähig sind. § 8b Abs. 5 KStG typisiert und pauschaliert im Wege einer Fiktion 5 % der Bezüge im Sinne des § 8b Abs. 1 KStG, der wiederum diese Bezüge als solche nach § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 lit. a EStG definiert (zu denen unstreitig die hier in rede stehenden Dividenden als Kapitaleinkünfte nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG zählen), als Ausgaben, die nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden können, womit § 8b Abs. 5 KStG auch bei Schachtelprivilegien nach DBA, wie vorliegend, Anwendung findet.

Der gegenteiligen Auffassung kann nicht gefolgt werden, da nach Wortlaut und Gesetzessystematik eine Anwendung des § 8b Abs. 5 S. 1 KStG nicht auf den Fall der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 1 KStG beschränkt ist. 

2. Aus denselben Gründen stellt § 8b Abs. 5 S. 1 KStG auch kein „Treaty Override“ dar. Dem entspricht es zudem, dass der deutsche Gesetzgeber nicht gehindert ist, das Abzugsverbot für Aufwendungen, die mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, einfachgesetzlich zu regeln, obwohl DBA eine vollständige Freistellung der Einnahmen vorsehen. Ein Verstoß gegen Verfassungsrecht liegt hierin nicht (vgl. BFH vom 29. August 2012 I R 7/12, BStBl II 2013, 89 m.w.N. zu § 9 Nr. 7 S. 1 GewStG). 

III. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten auf diese verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 FGO). 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Der Senat lässt die Revision gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtsfrage zu, ob die Hinzurechnung nach § 8b Abs. 5 S. 1 KStG auch bei ausländischen Dividendenerträgen anzuwenden ist, die nach dem Schachtelprivileg von DBA von der Besteuerung ausgenommen sind.

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