FG Münster: Nachversteuerung nach § 13a Abs. 5 ErbStG, wenn der Beschenkte den Veräußerungsgewinn aus den erworbenen GmbH-Anteilen in eine neue GmbH-Beteiligung reinvestiert
FG Münster, Urteil vom 20.11.2017 – 3 K 1879/15 Erb
ECLI:DE:FGMS:2017:1120.3K1879.15ERB.00
Volltext:BB-ONLINE BBL2018-22-6
Sachverhalt
Streitig ist, ob die Schenkungsteuer wegen des nachträglichen Wegfalls des Verschonungsabschlags und des Abzugsbetrags infolge der Veräußerung des begünstigten Vermögens anderweitig festgesetzt werden konnte (§ 13a Abs. 5 ErbStG).
Der Kläger erhielt einen Anteil an der im Bereich der Solarenergie tätigen A GmbH von seinem Bruder im Wege der Schenkung (notarieller Vertrag vom 11.08.2010). Der Anteilswert wurde zum Übertragungsstichtag auf 660.469 Euro festgestellt.
Um LED-Produkte der Marke B vermarkten zu können, erwarben der Kläger und sein Bruder bereits im Juni 2012 die C AG im Wege eines Mantelkaufs (vgl. Schreiben des Klägers an seinen Steuerberater vom 13.06.2012, Blatt 72 der Gerichtsakte). Das Grundkapital der Gesellschaft von 50.000 Euro hielten der Kläger und sein Bruder zu je 25.000 Euro. Die Gesellschaft firmierte in der Folge als D AG.
Zur Aufbringung des weiteren Kapitalbedarfs für den Geschäftsbetrieb der D AG (vgl. Blatt 73 der Gerichtsakte) veräußerten der Kläger und sein Bruder mit notariellem Vertrag vom 15.10.2012 ihre Anteile an der A GmbH zum Preis von insgesamt 425.839,68 Euro an die E, vertreten durch ihren Gesellschafter-Geschäftsführer F. Zu den Einzelheiten wird auf den Vertrag (Blatt 43 ff der Gerichtsakte) Bezug genommen. Nach Abzug des Stammkapitals entfiel auf den Kläger ein Erlös in Höhe von 200.419,84 Euro. Da die so aufgebrachten Mittel noch nicht ausreichend waren, mussten weitere Investoren gewonnen werden. Außerdem war bereits im Dezember 2012 eine weitere Kapitalerhöhung vorgesehen, die dann auf März 2013 verschoben wurde, um zunächst den Sitzwechsel der D von G nach H handelsregistermäßig abarbeiten zu lassen. Auf den vom Kläger dazu vorgelegten Schrift- und Emailverkehr mit dem Notar, dem Steuerberater und einem weiteren Investor (Blatt 72 bis 81 der Gerichtsakte) wird Bezug genommen.
Die D AG erhöhte dann aufgrund eines Beschlusses der Hauptversammlung vom 27.03.2013 ihr Grundkapital um 112.000 Euro von 50.000 Euro auf 162.000 Euro, wobei auf den Kläger 50.000 Euro entfielen, so dass seine Beteiligung danach 75.000 Euro (= rd. 46 %) betrug. Am 15.04.2013 erging die schriftliche Einladung zu einer weiteren Hauptversammlung am 05.06.2013. Durch Beschluss vom 05.06.2013 wurde das Grundkapital auf 1.100.000 Euro erhöht. An dieser Erhöhung war der Kläger mit 144.000 Euro und danach mit einer Quote von 19,91 % am Stammkapital beteiligt.
Der Sachverhalt ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
Für die Übertragung des Anteils an der A GmbH laut notariellem Vertrag vom 11.08.2010 hatte der Beklagte die Schenkungsteuer zuletzt durch Bescheid vom 18.07.2013 aufgrund des festgestellten Anteilswertes in Höhe von 660.469 Euro unter Berücksichtigung des Verschonungsabschlags und des Abzugsbetrages gemäß § 13a ErbStG auf 0 Euro festgesetzt. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid in der Schenkungsteuerakte Bezug genommen.
Nachdem der Beklagte aufgrund der Mitteilung eines Prüfungsfinanzamtes von der Anteilsveräußerung am 15.10.2012 erfahren hatte, setzte er die Schenkungsteuer durch Änderungsbescheid vom 01.09.2014 auf 168.300 Euro fest und versagte dabei die Gewährung des Verschonungsabschlags und des Abzugsbetrags unter Hinweis auf § 13a Abs. 5 Satz 1 ErbStG.
Dagegen wandte sich der Kläger mit Einspruch vom 16.09.2014. Der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass der Wegfall des Verschonungsabschlags gemäß § 13a Abs. 5 Satz 2 ErbStG nur anteilig erfolge. Im Übrigen sei der gesamte Veräußerungserlös reinvestiert worden, indem daraus die Kapitalerhöhungen in der D AG finanziert worden seien. Deshalb sei von einer Nachversteuerung gemäß § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG abzusehen. Dass die sechsmonatige Frist i. S. d. § 13a Abs. 5 Satz 4 ErbStG geringfügig überschritten worden sei, sei unschädlich. Es handele sich nicht um eine Ausschlussfrist, sondern lediglich um eine Orientierung bzw. eine widerlegbare Vermutung für den Zusammenhang zwischen Verkauf und Reinvestition. Der Kläger verweist in diesem Zusammenhang auf die Kommentierungen bei Moench/Weinmann ErbStG § 13a Rz. 147, Kapp/Ebeling ErbStG § 13a Rz. 120, Troll/Gebel/Jülicher ErbStG §13a Rz. 359 und Wilms/Jochum ErbStG § 13a Rz. 236.
Durch Einspruchsentscheidung vom 20.05.2015 setzte der Beklagte die Schenkungsteuer auf 61.650 Euro fest und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Dem Kläger sei in Bezug auf den anteiligen Wegfall des Verschonungsabschlags und die die Nachversteuerung ausschließende Reinvestition infolge der Kapitalerhöhung vom 27.03.2013 zu folgen. Die weitere Kapitalerhöhung vom 05.06.2013 schließe jedoch die Nachversteuerung nicht gemäß § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG aus. Ausweislich der den Beklagten bindenden Verwaltungsanweisungen (R E 13a. 11 Satz 4 ErbStR) müsse die Investition innerhalb von 6 Monaten erfolgen. Selbst wenn man davon ausgehen sollte, dass die Frist des § 13a Abs. 5 Satz 4 ErbStG überschritten werden dürfe, schließe die Reinvestition in die Kapitalerhöhung vom 05.06.2013 die Nachversteuerung nicht aus, da die Verzögerung um zwei Monate vom Kläger zumindest mit zu vertreten sei. Denn die Ladung zur Hauptversammlung sei erst am letzten Tag der sechsmonatigen Frist erfolgt. Probleme der Gesellschafter untereinander bzw. Zustellungsprobleme bei ausländischen Gesellschaftern führten zu keiner anderen Beurteilung.
Mit der dagegen gerichteten Klage vom 17.06.2015 verfolgt der Kläger sein Begehren auf Aufhebung des Änderungsbescheides vom 01.09.2014 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 20.05.2015 weiter und wiederholt und vertieft dazu seine Argumentation aus dem Einspruchsverfahren. Soweit der Beklagte nunmehr davon ausgehe, dass die Kapitalerhöhung vom 05.06.2013 unabhängig von der Frage der Reinvestitionsfrist nicht als eine die Nachversteuerung ausschließende Reinvestition im Sinne des § 13a Abs. 5 Satz 4 ErbStG anzusehen sei, sei dem entgegenzutreten. Das Herabsinken der Beteiligungsquote auf unter 25 % dürfe nicht zur Nachversteuerung führen. Denn § 13a Abs. 5 ErbStG solle verhindern, dass der Umfang des begünstigten Vermögens nachträglich eingeschränkt werde. Dazu komme es im vorliegenden Fall aber gerade nicht. Das Absinken der Beteiligungsquote sei lediglich ein Reflex aus der Erweiterung des Gesellschaftsvermögens durch die Kapitalerhöhung. Der Kläger verweist dazu auf Stimmen in der Literatur (Korezkij, DStR 2011, 1733). Außerdem sei der Kläger nicht lediglich Kapitalanleger, sondern bestimme das operative Geschäft der D AG maßgeblich als Vorstand. Ein Missbrauchsfall liege nicht vor.
Der Kläger beantragt,
den Schenkungsteuerbescheid vom 01.09.2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.05.2015 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.
Er hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig, da er mit der Rechtslage und den bestehenden Verwaltungsanweisungen im Einklang stehe. Eine die Nachversteuerung ausschließende Reinvestition im Sinne des § 13a Abs. 5 Satz 4 ErbStG liege nur vor, wenn der Veräußerungserlös in dieselbe begünstigte Vermögensart gemäß § 13b ErbStG investiert werde. Begünstigt gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG seien jedoch nur Beteiligungen an Kapitalgesellschaften mit einer Mindestquote von 25 %. Diese Mindestquote habe das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 07.11.2006 1 BvL 10/02, BStBl. 2007 II, 192) für verfassungsgemäß gehalten.
Der Senat hat in der Sache am 20.11.2017 mündlich verhandelt. Zu den Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.
Aus den Gründen
21 Die Klage ist begründet. Der angefochtene Bescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Wegen der Veräußerung des Anteils des Klägers an der A GmbH ist eine Nachversteuerung gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 4 ErbStG nicht durchzuführen, da der Kläger den Veräußerungserlös auch im Rahmen der Kapitalerhöhung der D AG vom 05.06.2013 gemäß § 13 Abs. 5 Nr. 4 Satz 4 ErbStG in einer die Nachversteuerung ausschließenden Weise reinvestiert hat.
22 Durch die Veräußerung des Anteils an der A GmbH hat der Kläger grundsätzlich den Nachversteuerungstatbestand i. S. d. § 13a Abs. Abs. 5 Nr. 4 ErbStG erfüllt. Zur Nachversteuerung kommt es jedoch gemäß § 13 Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG nicht, wenn der Veräußerungserlös innerhalb der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigungsfähigen Vermögensart verbleibt und das Vermögen, in das investiert wird, nicht zum Verwaltungsvermögen gehört. Davon ist auszugehen, wenn der Veräußerungserlös innerhalb von sechs Monaten in entsprechendes Vermögen investiert wird. Zum Verwaltungsvermögen gehören gemäß § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 ErbStG Anteile an Kapitalgesellschaften, wenn die unmittelbare Beteiligung am Nennkapital dieser Gesellschaften 25 % oder weniger beträgt.
23 I.
24 Der vom Kläger erzielte Veräußerungserlös ist in der nach § 13b Abs. 1 ErbStG begünstigten Vermögensart verblieben, § 13a Abs. 5 Satz 3 ErbStG. Soweit der Beklagte die Auffassung vertritt, die Investition im Rahmen der zweiten Kapitalerhöhung am 05.06.2013 hindere die Nachversteuerung nicht, weil durch diese weitere Kapitalerhöhung der Kapitalanteil des Klägers an der D AG auf unter 25 % gesunken und deshalb eine Investition in Verwaltungsvermögen erfolgt sei, teilt der Senat diese Sichtweise nicht.
25 Im vorliegenden Fall hat der Kläger in zwei Schritten in seine Beteiligung an der D AG reinvestiert, die von Beginn an eine Beteiligung i. S. d. § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG war und erst in Folge der disquotalen Kapitalerhöhung im Juni 2013, im deren Rahmen der Kläger reinvestiert hat, unter die 25 % Grenze gesunken und von da an als Verwaltungsvermögen zu qualifizieren ist. Im Investitionszeitpunkt selbst lag sein Kapitalanteil an der D AG bei rund 46 % und war damit als gemäß § 13b Abs. 1 Nr. 3 ErbStG begünstigtes Vermögen einzuordnen.
26 Nach Auffassung des Senats würde es dem Grundgedanken der Verschonungsregelungen in §§ 13a, 13b ErbStG zuwiderlaufen, wenn dem schlichten Absinken einer Kapitalbeteiligung unter die 25 %-Grenze eine begünstigungsschädliche Wirkung zukommen würde. Im Rahmen der Behaltensregelungen des § 13a Abs. 5 ErbStG lösen nach Nr. 4 nur die Veräußerung von Kapitalanteilen, die verdeckte Einlage von Kapitalanteilen, die Auflösung der Kapitalgesellschaft und die Nennkapitalherabsetzung die Nachversteuerung aus. Das Herabsinken der Beteiligung unter die 25 % - Grenze löst die Nachversteuerung dagegen nicht aus (vgl. auch Geck in Kapp/Ebeling ErbStG § 13a Rz. 115 und 154). Dieser Wertung würde es widersprechen, ginge man bei der Anwendung des § 13a Abs. 5 Satz 3 und 4 ErbStG von einer die Nachversteuerung nicht ausschließenden Reinvestition aus, wenn als Folge der Investition im Rahmen einer disquotalen Kapitalerhöhung die Beteiligungsquote unter die 25 % - Grenze sinkt.
27 II.
28 Die die Begünstigung erhaltende Reinvestition scheitert auch nicht deshalb, weil sie erst am 05.06.2013 und damit mehr als sechs Monate nach Veräußerung des Anteils an der A GmbH erfolgt ist. An die Richtlinienregelung in R E 13a. 11 Satz 4 ErbStR ist der Senat im Gegensatz zum Beklagten nicht gebunden.
29 Nach Auffassung des Senats ist § 13a Abs. 5 Satz 4 ErbStG keine Ausschlussfrist für die eine Nachversteuerung ausschließende Reinvestition zu entnehmen. Ein derartiger Ausschluss ergibt sich weder aus dem Wortlaut noch aus dem Zusammenhang mit Satz 3 der Vorschrift. Danach ist vielmehr davon auszugehen, dass jedenfalls bei einer Reinvestition innerhalb von sechs Monaten von einer Nachversteuerung abzusehen ist; es handelt sich insoweit um ein Regelbeispiel (vgl. auch Geck in Kapp/Ebeling ErbStG § 13a Rz. 120). Bei einer Veräußerung innerhalb dieser Frist ist davon auszugehen, dass ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Veräußerung begünstigten Vermögens und der Reinvestition besteht.
30 Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass die Reinvestition im konkreten Einzelfall auch später erfolgen kann, denn bei komplexen wirtschaftlichen Sachverhalten dürfte eine ins Auge gefasste Reinvestition häufig auch mehr Zeit in Anspruch nehmen. Insbesondere wenn – wie im vorliegenden Fall – die Reinvestition von Anfang an geplant war, entfällt der zeitliche Zusammenhang zwischen der Veräußerung des begünstigten Vermögens und der Reinvestition nicht deshalb, weil sich die Vorgänge länger als sechs Monate hinziehen. Hier haben der Kläger und sein Bruder ihre Anteile an der A nur deshalb veräußert, weil sie den Erlös zur wenigstens teilweisen Deckung des Kapitalbedarfs der D AG benötigten. Dabei war bereits zumindest kurz nach der Veräußerung klar, dass der erzielte Erlös nicht ausreichend sein würde und deshalb weitere Investoren gewonnen werden mussten (vgl. Blatt 74 der Gerichtsakte). Dass sich die Suche nach weiteren Investoren sowie die im Rahmen der Sitzverlegung erforderlichen registerrechtlichen und die für die Kapitalerhöhungen erforderlichen gesellschaftsrechtlichen Vorgänge bei der D GmbH bis zur Reinvestition am 05.06.2013 dann über insgesamt acht Monate erstreckt haben, ist nach Auffassung des Senats für die vom Kläger vorgenommene Reinvestition nicht schädlich.
31 Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 Satz 1 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus § 151 Abs. 3 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
32 Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen, § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO.