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Steuerrecht
01.11.2019
Steuerrecht
EuGH: MwSt – Gewährung, Vermittlung und Verwaltung von Krediten

EuGH, Urteil vom 17.10.2019C-692/17, Paulo Nascimento Consulting, Paulo Nascimento Consulting – Mediação Imobiliária Lda gegen Autoridade Tributária e Aduaneira

ECLI:EU:C:2019:867

Volltext BB-Online BBL2019-2645-1

Tenor

Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass die Steuerbefreiung, die dort für Umsätze, die die Gewährung und Vermittlung von Krediten sowie die Verwaltung von Krediten betreffen, vorgesehen ist, nicht für einen Umsatz gilt, der für den Steuerpflichtigen darin besteht, dass er gegen Entgelt alle Rechte und Pflichten aus seiner Position in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer durch gerichtliche Entscheidung anerkannten Forderung, deren Zahlung durch ein Recht an einem beschlagnahmten und dem Steuerpflichtigen zugeschlagenen Grundstück gesichert ist, an einen Dritten abtritt.

Aus den Gründen

1       Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

2       Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Paulo Nascimento Consulting – Mediação Imobiliária Lda (im Folgenden: PNC) und der Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollverwaltung, Portugal) über die Mehrwertsteuer, die für die entgeltliche Abtretung der Position, die PNC in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer gerichtlich anerkannten Forderung innehatte, an einen Dritten geschuldet wird.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3       Nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112 unterliegen der Mehrwertsteuer „Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt“, sowie „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“.

4       Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie lautet:

„Als ‚Steuerpflichtiger‘ gilt, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort, Zweck und Ergebnis selbstständig ausübt.

Als ‚wirtschaftliche Tätigkeit‘ gelten alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen.“

5       Nach Art. 14 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt „[a]ls ‚Lieferung von Gegenständen‘ … die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“.

6       Nach Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie gilt als „Dienstleistung“ „jeder Umsatz, der keine Lieferung von Gegenständen ist“.

7       „Eine Dienstleistung kann“ nach Art. 25 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 „unter anderem in … der … Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, gleichgültig, ob in einer Urkunde verbrieft oder nicht“, bestehen.

8       Art. 135 Abs. 1 Buchst. b und d dieser Richtlinie bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten befreien folgende Umsätze von der Steuer:

b) die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber;

d) Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen.“

Portugiesisches Recht

9       Der Código do Imposto sobre o Valor Acrescentado (Mehrwertsteuergesetzbuch), mit dem die Richtlinie 2006/112 in portugiesisches Recht umgesetzt wurde, sieht in Art. 9 Nr. 27 Buchst. a und c in der auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens anwendbaren Fassung vor, dass folgende Umsätze von der Mehrwertsteuer befreit sind:

„a) die Gewährung und Vermittlung von Krediten in jeder Form, einschließlich der Umsätze im Diskont- und Rediskontgeschäft, sowie ihre Verwaltung durch die Kreditgeber;

c) Umsätze – einschließlich der Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs-, Überweisungs- und Inkassoverkehr, im Geschäft mit Schecks, Handelspapieren und anderen Instrumenten, mit Ausnahme von Umsätzen der bloßen Einziehung von Forderungen.“

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage

10      Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass PNC im November 2006 im Rahmen ihrer Immobilienmaklertätigkeit ein Exklusivauftrag über den Verkauf einer landwirtschaftlichen Fläche erteilt wurde. PNC leitete ein Kaufangebot an ihren Auftraggeber, den Eigentümer dieser Fläche, weiter. Dieser lehnte das Kaufangebot jedoch ab und weigerte sich, PNC für die erbrachte Dienstleistung zu bezahlen.

11      PNC rief das Tribunal de Família e Menores e de Comarca de Portimão (Familien-, Jugend- und erstinstanzliches Gericht von Portimão, Portugal) an, um ihren Auftraggeber verurteilen zu lassen, an sie einen Betrag von 125 000 Euro für die geschuldete Immobilienmaklerprovision zuzüglich Mehrwertsteuer und Verzugszinsen bis zur vollständigen Bezahlung zu zahlen. Das Gericht gab der Klage von PNC mit rechtskräftig gewordenem Urteil statt.

12      Des Weiteren geht aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte hervor, dass der Schuldner den ihm auferlegten Betrag nicht entrichtete und folglich PNC beim selben Gericht einen Antrag auf Zwangsvollstreckung stellte, mit dem sie die Einziehung ihrer Forderung, wie sie ihr durch das Urteil dieses Gerichts zugesprochen war, begehrte, die sich auf insgesamt 170 859,62 Euro belief.

13      Außerdem ist unstreitig, dass im Rahmen dieses Zwangsvollstreckungsverfahrens ein dem Schuldner gehörendes Grundstück beschlagnahmt wurde, um die Zahlung des geschuldeten Betrags zu sichern. Das beschlagnahmte Grundstück wurde sodann PNC für den Betrag von 606 200 Euro zugeschlagen, was etwa 70 % seines Verkehrswerts entsprach. Der Zuschlag war mit der Verpflichtung von PNC verbunden, an die Exekutivagentur den Überschuss – d. h. die Differenz zwischen dem Zuschlagsbetrag und dem Wert ihrer Forderung, zuzüglich Vollstreckungskosten – zu zahlen, der sich auf insgesamt 417 937,12 Euro belief.

14      Mit Vereinbarung vom 29. September 2010 trat PNC an die Starplant – Unipessoal Lda (im Folgenden: Starplant) gegen Zahlung eines Betrags von 351 619,90 Euro alle Rechte und Pflichten aus ihrer Position im laufenden Zwangsvollstreckungsverfahren ab.

15      Im Oktober 2010 verbuchte PNC einen Betrag von 125 000 Euro als Gegenleistung für Dienstleistungen, die sie dem genannten Auftraggeber erbracht hatte, und führte eine Summe von 26 250 Euro ab, die der insoweit geschuldeten Mehrwertsteuer entsprach. Außerdem verbuchte sie einen Betrag von 200 369,90 Euro als „andere Einkünfte ohne nähere Angaben“, der dem Restbetrag des von Starplant gezahlten Kaufpreises entsprach; auf diesen Betrag führte sie keine Mehrwertsteuer ab.

16      Am 24. Juni 2014 richtete die Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer- und Zollbehörde, Portugal) an PNC einen Bescheid über eine Mehrwertsteuernachzahlung zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 83 647,77 Euro, nachdem sie zu der Auffassung gelangt war, dass PNC in der von ihr eingereichten Mehrwertsteuererklärung für den betreffenden Zeitraum die für den Betrag von 351 619,90 Euro vorgenommene Abtretung der Verfahrensposition nicht korrekt verbucht habe. Die Behörde vertrat insoweit die Ansicht, dieser Umsatz sei von dem Umsatz zu unterscheiden, der sich auf die – der Mehrwertsteuer unterliegende – Immobilienmaklerprovision beziehe, da er die entgeltliche Abtretung eines Rechts durch einen Steuerpflichtigen als solchen darstelle, die unter den Dienstleistungsbegriff falle und von keiner im Mehrwertsteuergesetzbuch vorgesehenen Befreiung erfasst werde.

17      Das Tribunal Administrativo e Fiscal de Loulé (Verwaltungs- und Finanzgericht von Loulé, Portugal) gab der Klage von PNC auf Aufhebung des erwähnten Mehrwertsteuernachzahlungsbescheids statt.

18      Mit Urteil vom 4. Februar 2016 hob das von der Fazenda Pública (Staatskasse, Portugal) angerufene Tribunal Central Administrativo Sul (Zentrales Verwaltungsgericht [Süden], Portugal) das erstinstanzliche Urteil auf und begründete dies damit, dass die in Rede stehende Forderungsabtretung zur wirtschaftlichen Tätigkeit von PNC gehöre, als steuerbare Dienstleistung anzusehen sei und unter keine der in Art. 9 des Mehrwertsteuergesetzbuchs genannten Befreiungen falle. Es vertrat insbesondere die Ansicht, der betreffende Umsatz falle nicht unter die in Art. 9 Nr. 27 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzbuchs für Bank- und Finanzgeschäfte im Bereich der Gewährung und Vermittlung von Krediten vorgesehene Steuerbefreiung.

19      PNC legte gegen dieses Urteil Revision beim Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht, Portugal) ein und machte in erster Linie geltend, die in Art. 9 Nr. 27 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzbuchs genannte Befreiung gelte selbst dann für Forderungsabtretungsgeschäfte, wenn sie von Unternehmen getätigt würden, die keine Finanzinstitute seien. Sie stützte sich insoweit auf die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu der unionsrechtlichen Bestimmung, die durch Art. 9 Nr. 27 Buchst. a des Mehrwertsteuergesetzbuchs in portugiesisches Recht umgesetzt wurde, nämlich Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. 1977, L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie). Diese Bestimmung der Sechsten Richtlinie wurde in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 übernommen, die die Sechste Richtlinie mit Wirkung vom 1. Januar 2007 aufgehoben und ersetzt hat.

20      Unter diesen Umständen hat das Supremo Tribunal Administrativo (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Fällt für die Zwecke der Anwendung der in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112/EG vorgesehenen Steuerbefreiung unter die Begriffe „Gewährung“, „Vermittlung“ oder „Verwaltung“ von Krediten auch die entgeltliche Abtretung der Verfahrensposition eines Mehrwertsteuerpflichtigen, der Kläger in einem Verfahren ist, in dem eine durch gerichtliches Urteil zugesprochene Forderung aus Verletzung eines Immobilienmaklervertrags, zuzüglich der entsprechenden Mehrwertsteuer zu dem am Tag der Zahlung geltenden Steuersatz und der bereits angefallenen bzw. bis zur vollständigen Zahlung noch anfallenden Verzugszinsen, vollstreckt werden soll, an einen Dritten?

Zur Vorlagefrage

21      Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht sinngemäß wissen, ob Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die Steuerbefreiung, die dort für Umsätze, die die Gewährung und Vermittlung von Krediten sowie die Verwaltung von Krediten betreffen, vorgesehen ist, für einen Umsatz gilt, der für den Steuerpflichtigen darin besteht, dass er gegen Entgelt an einen Dritten seine Position in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer Forderung abtritt.

22      Zunächst ist zu prüfen, ob dieser Umsatz der Mehrwertsteuer unterliegt.

23      Hierzu ergibt sich als Erstes aus Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112, der den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer festlegt, dass lediglich diejenigen im Inland ausgeführten Tätigkeiten dieser Steuer unterliegen, die wirtschaftlicher Natur sind. Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie gilt als Steuerpflichtiger, wer eine wirtschaftliche Tätigkeit unabhängig von ihrem Ort selbständig ausübt. Nach Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 dieser Richtlinie erfasst der Begriff der wirtschaftlichen Tätigkeit alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden, insbesondere die Nutzung von körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung von Einnahmen (Urteil vom 8. November 2018, C&D Foods Acquisition, C-502/17, EU:C:2018:888, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

24      Der Gerichtshof hatte in der Rechtssache, in der das Urteil vom 13. Juni 2013, Kostov (C-62/12, EU:C:2013:391), ergangen ist, bereits Gelegenheit zur Auslegung von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112. In dieser Rechtssache ging es darum, ob Umsätze der Mehrwertsteuer unterliegen, die eine Person, die für ihre Haupttätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, gelegentlich bewirkt, wenn die Nebentätigkeit dieser Person zwar eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt und eine Nähe zu ihrer Haupttätigkeit aufweist, jedoch nicht dieser entspricht. Der Gerichtshof hat entschieden, dass eine natürliche Person, die bereits für eine dauerhaft ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit mehrwertsteuerpflichtig ist, für jede weitere, gelegentlich ausgeübte wirtschaftliche Tätigkeit als „Steuerpflichtiger“ anzusehen ist, sofern diese Tätigkeit eine Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 darstellt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. Juni 2013, Kostov, C-62/12, EU:C:2013:391, Rn. 31).

25      Außerdem geht aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass es für die Unterscheidung zwischen der nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie fallenden Tätigkeit eines für private Zwecke handelnden Wirtschaftsteilnehmers und der Tätigkeit eines Wirtschaftsteilnehmers, dessen Umsätze eine wirtschaftliche Tätigkeit darstellen, nicht auf die Zahl und den Umfang der Umsätze
ankommen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. September 2011, Słaby u. a., C-180/10 und C-181/10, EU:C:2011:589, Rn. 37 und die dort angeführte Rechtsprechung).

26      Im vorliegenden Fall hat PNC Zweifel daran geäußert, dass der Zedent in einer Situation wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden im Rahmen seiner „wirtschaftlichen Tätigkeit“ im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2006/112 gehandelt haben soll, denn ihre Beteiligung an der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Forderungsabtretung sei nur punktuell gewesen, da es sich bei der von ihr gewöhnlich ausgeübten wirtschaftlichen Tätigkeit um die Tätigkeit als Immobilienmaklerin handle.

27      Hierzu ist in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Generalanwalts in Nr. 42 seiner Schlussanträge festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Abtretung im Rahmen eines Rechtsstreits erfolgt ist, der sich auf die Zwangsvollstreckung einer Forderung aus einem Vertrag bezieht, der im Rahmen der steuerbaren wirtschaftlichen Tätigkeit von PNC – nämlich der Erbringung von Immobilienmaklerdienstleistungen – geschlossen wurde, wobei PNC nicht bestreitet, in Bezug auf den dem Zwangsvollstreckungsverfahren zugrunde liegenden Umsatz im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gehandelt zu haben. Folglich knüpft der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz tatsächlich unmittelbar an die hauptsächliche wirtschaftliche Tätigkeit von PNC an.

28      Vor diesem Hintergrund schließt der Umstand, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz einer bereits mehrwertsteuerpflichtigen Person nicht der Haupttätigkeit dieser Person entspricht und von dieser nur punktuell durchgeführt wurde, es nicht aus, dass diese Person in Bezug auf diesen Umsatz im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2006/112 gehandelt hat.

29      Als Zweites ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c der Richtlinie 2006/112 „Lieferungen von Gegenständen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt tätigt“, sowie „Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Gebiet eines Mitgliedstaats gegen Entgelt erbringt“, der Mehrwertsteuer unterliegen.

30      Die Lieferung eines Gegenstands wird in Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112 definiert als „die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen“, während die Dienstleistung in Art. 24 Abs. 1 dieser Richtlinie als „jede Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstands ist“, definiert wird.

31      Was die mehrwertsteuerrechtliche Beurteilung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Umsatzes betrifft, ist im vorliegenden Fall unstreitig, dass dieser Umsatz „gegen Entgelt“ getätigt wurde. Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte geht hervor, dass PNC alle Rechte und Pflichten, die mit ihrer Position in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer gerichtlich anerkannten Forderung verbunden waren, gegen Entgelt einheitlich und umfassend an Starplant abtrat, wobei die tatsächliche Einziehung der Forderung durch die Beschlagnahme eines dem Schuldner gehörenden Grundstücks und dessen Zuschlag an PNC gesichert war.

32      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs liegt eine einheitliche Leistung dann vor, wenn zwei oder mehr Einzelleistungen oder Handlungen des Steuerpflichtigen für den Kunden so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung wirklichkeitsfremd wäre (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 10. März 2011, Bog u. a., C-497/09, C-499/09, C-501/09 und C-502/09, EU:C:2011:135, Rn. 53, sowie vom 10. November 2016, Baštová, C-432/15, EU:C:2016:855, Rn. 70).

33      In Anbetracht der in Rn. 31 des vorliegenden Urteils erwähnten Angaben, die sich der dem Gerichtshof vorliegenden Akte entnehmen lassen, ist folglich davon auszugehen, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz nicht wirklichkeitsfremd in zwei Leistungen aufgespalten werden darf, die zum einen aus einer Forderungsabtretung und zum anderen aus der Abtretung einer Verfahrensposition betreffend die Zwangsvollstreckung einer Forderung bestehen.

34      Für den Fall, dass sich – wie vom Generalanwalt in Nr. 36 seiner Schlussanträge angenommen – herausstellt, dass unter den verschiedenen Elementen, aus denen der genannte Umsatz besteht, das wesentliche Element die Übertragung eines körperlichen Gegenstands, nämlich des dem Steuerpflichtigen zugeschlagenen Grundstücks, ist, lässt sich der Vorlageentscheidung nicht entnehmen, ob der Steuerpflichtige, dem das Grundstück zugeschlagen wurde, über dieses bereits vor Eintritt der Rechtskraft der Zuschlagsentscheidung faktisch so verfügen konnte, als wäre er dessen Eigentümer.

35      Wäre dies der Fall, bestünde die im Ausgangsverfahren fragliche Abtretung, die nach den vor dem Gerichtshof abgegebenen Erklärungen einen Tag vor Eintritt der Rechtskraft der Zuschlagsentscheidung bezüglich des betroffenen Grundstücks erfolgt ist, in der Übertragung eines körperlichen Gegenstands, nämlich eines Grundstücks, durch eine Partei, die eine andere Partei ermächtigt, über diesen Gegenstand faktisch so zu verfügen, als wäre sie sein Eigentümer, was eine Lieferung von Gegenständen darstellen würde (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. März 2019, Mydibel, C-201/18, EU:C:2019:254, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung). Wäre dies nicht der Fall, bestünde der im Ausgangsverfahren fragliche Umsatz in der Abtretung eines nicht körperlichen Gegenstands, nämlich der Rechte an einem Grundstück, und fiele gemäß Art. 25 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 unter den Begriff der Dienstleistung. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, die in diesem Zusammenhang erforderlichen Feststellungen zu treffen.

36      Der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz unterscheidet sich – ungeachtet dessen, ob er als Dienstleistung oder als Lieferung von Gegenständen eingestuft wird – angesichts seiner in den Rn. 31 bis 35 des vorliegenden Urteils dargestellten Besonderheiten vom Wesen her von dem Umsatz, der Gegenstand der Rechtssache war, in der das Urteil vom 27. Oktober 2011, GFKL Financial Services (C-93/10, EU:C:2011:700), ergangen ist. Der vom Gerichtshof in diesem Urteil geprüfte Umsatz bestand nämlich darin, dass ein Wirtschaftsteilnehmer auf eigenes Risiko zahlungsgestörte Forderungen zu einem unter ihrem Nennwert liegenden Preis kaufte. In Rn. 26 dieses Urteils hat der Gerichtshof entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der solche Forderungen erwirbt, keine entgeltliche Dienstleistung erbringt und keine in den Geltungsbereich der Sechsten Richtlinie fallende wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, wenn die Differenz zwischen dem Nennwert dieser Forderungen und deren Kaufpreis den tatsächlichen wirtschaftlichen Wert der betreffenden Forderungen zum Zeitpunkt ihrer Übertragung widerspiegelt. Dagegen besteht der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz in der entgeltlichen Abtretung aller Rechte und Pflichten aus der Position, die ein Steuerpflichtiger in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer gerichtlich anerkannten Forderung innehat, an einen Dritten.

37      Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. a oder c der Richtlinie 2006/112 der Mehrwertsteuer unterliegt.

38      Was die Frage anbelangt, ob dieser Umsatz unter die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 für „die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber“ vorgesehene Steuerbefreiung fällt, ist darauf hinzuweisen, dass sich der dem Ausgangsrechtsstreit zugrunde liegende Sachverhalt – wie die portugiesische Regierung und die Kommission in ihren Erklärungen ausgeführt haben und der Generalanwalt in Nr. 61 seiner Schlussanträge hervorgehoben hat – offensichtlich nicht auf einen „Kredit“ bezieht, der darin besteht, dass jeweils gegen Zahlung von Zinsen Kapital überlassen oder beim Erwerb eines Gegenstands ein Zahlungsaufschub gewährt wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. Juli 1996, Régie dauphinoise, C-306/94, EU:C:1996:290, Rn. 16 bis 19, vom 29. April 2004, EDM, C-77/01, EU:C:2004:243, Rn. 65 bis 70, und vom 18. Oktober 2018, Volkswagen Financial Services [UK], C-153/17, EU:C:2018:845, Rn. 36 und die dort angeführte Rechtsprechung). Aus der Vorlageentscheidung geht nämlich in keiner Weise hervor, dass der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz mit der Verpflichtung von Starplant verbunden war, für einen ihr gewährten Kredit Zinsen zu zahlen.

39      Ein solcher Umsatz würde daher – wenn er vom vorlegenden Gericht als Dienstleistung eingestuft werden sollte – nicht unter die Steuerbefreiung nach Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 fallen.

40      Im Übrigen kann der im Ausgangsverfahren in Rede stehende Umsatz – entgegen dem Vorbringen von PNC in der mündlichen Verhandlung vor dem Gerichtshof – in Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 33 und 35 des vorliegenden Urteils jedenfalls nicht als Umsatz im Geschäft mit „Forderungen“ angesehen werden und fällt daher nicht unter die in Art. 135 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2006/112 für Umsätze im Geschäft mit „Forderungen …, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen“, vorgesehene Steuerbefreiung.

41      Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 135 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass die Steuerbefreiung, die dort für Umsätze, die die Gewährung und Vermittlung von Krediten sowie die Verwaltung von Krediten betreffen, vorgesehen ist, nicht für einen Umsatz gilt, der für den Steuerpflichtigen darin besteht, dass er gegen Entgelt alle Rechte und Pflichten aus seiner Position in einem Verfahren zur Zwangsvollstreckung einer durch gerichtliche Entscheidung anerkannten Forderung, deren Zahlung durch ein Recht an einem beschlagnahmten und dem Steuerpflichtigen zugeschlagenen Grundstück gesichert ist, an einen Dritten abtritt.

Kosten

42      Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

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