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Steuerrecht
29.05.2019
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Mindestwert bei der Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren ist der Substanzwert

FG Düsseldorf, Urteil vom 3.4.2019 – 4 K 2524/16 F

ECLI:DE:FGD:2019:0403.4K2524.16F.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1302-2

Sachverhalt

Streitig ist die gesonderte Feststellung des Wertes eines Kommanditanteils der Klägerin an der A GmbH & Co. KG (KG) zum Stichtag des 21.12.2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer.

Der Ehemann der Klägerin war als Kommanditist zu 25,25 % an der KG beteiligt. Er erhielt seit dem Jahr 2008 eine monatliche Vergütung als Berater der KG.

Der Ehemann der Klägerin verstarb am 21.12.2012 und wurde von der Klägerin beerbt. Die Klägerin schied im August 2015 aus der Gesellschaft aus, indem sie ihren Kommanditanteil auf den anderen Kommanditisten der KG und X als neuen Kommanditisten der KG übertrug.

Das beklagte Finanzamt (FA) forderte die KG zur Abgabe einer Feststellungserklärung gem. § 153 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf. Die KG wählte in ihrer Feststellungserklärung das vereinfachte Ertragswertverfahren und erklärte den Ertragswert des gesamten Betriebsvermögens mit a EUR, den Substanzwert mit b EUR und den gemeinen Wert des Kommanditanteils mit c EUR.

Das FA stellte den Wert des Kommanditanteils der Klägerin davon abweichend mit d EUR gesondert fest. Es ging dabei von einem Substanzwert als Mindestwert des Betriebsvermögens in Höhe von e EUR aus. Der Feststellungsbescheid wurde der Klägerin und der KG bekannt gegeben.

Gegen den Feststellungsbescheid legte die Klägerin Einspruch ein. Sie reichte zur Begründung des Einspruchs einen Kurzbericht über eine betriebswirtschaftliche Analyse inklusive Kurzbewertung vom Juli 2015 ein, in dem der Gutachter zu dem Ergebnis kam, der Unternehmenswert sei unter Going-Concern-Gesichtspunkten mit 0 EUR zu bewerten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Kopie des Kurzberichts (Bl. 8-22 d.A.) Bezug genommen.

Die Klägerin führte aus, der anteilige Substanzwert, wie vom FA berechnet, hätte von ihr nicht am Markt erzielt werden können. Der Wert errechne sich aus dem 2015 tatsächlich erzielten Kaufpreis zuzüglich der bis zum 30.06.2015 „aufgelaufenen“ Beraterhonorare.

Das FA wies den Einspruch als unbegründet zurück. Es führte aus: Die Bewertung mit dem Substanzwert als Mindestwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG sei zwingend. Im Streitfall habe der gemeine Wert nicht aus Verkäufen an fremde Dritte ermittelt werden können, die zum Bewertungsstichtag weniger als ein Jahr zurückgelegen hätten. Die Klägerin habe ihren Kommanditanteil erst 2½ Jahre nach dem Bilanzstichtag verkauft. Weiterhin erläuterte es die abweichende Ermittlung des Substanzwertes. Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

Die Einspruchsentscheidung vom 26.07.2016 wurde mit einfacher Post bekanntgegeben. Als Absendedatum ist der 26.07.2016 (Dienstag) vermerkt.

Dagegen richtet sich die Klage. Die an das Finanzgericht adressierte Klageschrift vom 29.08.2016 ist am 31.08.2016 (Mittwoch) bei Gericht eingegangen. Der Eingangsstempel des Gerichts ist mit dem Zusatz „Über OFD Post“ versehen. Das Eingangsdatum beim FA ist nicht dokumentiert. Der Briefumschlag ist nicht zu den Akten gelangt.

Die Klägerin trägt zur Begründung der Klage vor, sie habe die Klage am 29.08.2016 bei dem beklagten FA eingereicht. Sie ist der Auffassung, die Bewertung mit dem Substanzwert würde zu einem offensichtlich unzutreffenden Wert führen. Die für das vereinfachte Ertragswertverfahren vorgesehene Einschränkung, dass das Verfahren nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führen dürfe, gelte entsprechend für die Bewertung mit dem Substanzwert. Dafür spreche auch R B 199.1 Abs. 6 Satz 2 EStR 2011. Weiterhin verweist die Klägerin auf Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 13.03.1991 IV ZR 52/90 und vom 14.10.1992 IV ZR 211/91).

Bei der Bewertung des Kommanditanteils müsse statt auf den Substanzwert auf den später tatsächlich erzielten Verkaufspreis abgestellt werden. Der Verkauf sei im Streitfall faktisch noch von ihrem Ehemann eingeleitet worden. Dieser habe den Wunsch gehabt, aus der KG auszuscheiden. Stattdessen habe man im Jahr 2008 die Idee eines „Verkaufs in Raten“ entwickelt, weshalb ihr Ehemann fortan beratend für die KG tätig geworden sei und das Beraterhonorar bezogen habe. Diese Honorare hätten auf den Kaufpreis des Kommanditanteils angerechnet werden sollen.

Bereits im Dezember 2014 habe X ihr zugesagt, ein Kaufangebot zu machen. Schließlich habe man sich geeinigt. Unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen sei dies zweifellos als zeitnah in Bezug auf den Bewertungsstichtag anzusehen.

Die Klägerin beantragt,

den Feststellungsbescheid vom 30.06.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.07.2016 dahingehend abzuändern, dass der Wert des Anteils des Erblassers an der A GmbH & Co. KG anderweitig festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das FA trägt vor, der von der Klägerin behauptete Postlauf sei zutreffend. Für klärungsbedürftig hält das FA, ob eine mit der Anschrift des Finanzgerichts versehene Postsendung durch den Einwurf in den Briefkasten des FA in Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angebracht worden ist.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die Klage ist fristgerecht erhoben worden. Die Klagefrist beträgt gem. § 47 Abs. 1 Satz 1 FGO einen Monat. Sie begann mit der Bekanntgabe der der Einspruchsentscheidung am Freitag, dem 29.07.2016 (§ 54 Abs. 1 FGO i.V.m. § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung – AO), und endete am Montag, dem 29.08.2016 (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 der Zivilprozessordnung und §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches – BGB).

Die Klagefrist gilt durch die Anbringung der Klage bei dem FA innerhalb der Klagefrist als gewahrt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 FGO). Die Klageschrift ist am 29.08.2016 in den Briefkasten des FA eingeworfen worden. Gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO gilt die Frist für die Erhebung der Klage u.a. als gewahrt, wenn die Klage bei der Behörde, die den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, innerhalb der Frist angebracht wird. Die Behörde hat die Klageschrift in diesem Fall unverzüglich dem Gericht zu übermitteln (Satz 2).

Der Einwurf der an das Finanzgericht adressierten Klageschrift in den Briefkasten des FA genügte dabei, um die Klage im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 FGO anzubringen (vgl. BFH-Urteil vom 26.04.1995 I R 22/94, BStBl. II 1995, 601; Steinhauff in Hübschmann/ Hepp/ Spitaler, AO/FGO, § 47 FGO Rn. 153; Levedag in Gräber, 8. A. 2015, § 37 Rn. 22). Maßgebend ist allein, dass die Klage als solche erkannt wird und an das zuständige Finanzgericht weitergeleitet werden kann (BFH-Beschluss vom 14.02.1997 I B 80/96, BFH/NV 1997, 675). Diese Voraussetzungen liegen vor, da die Klage tatsächlich an das Finanzgericht weitergeleitet wurde.

2. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtmäßig. Gem. § 109 Abs. 2 Satz 1 BewG ist der Wert eines Anteils am Betriebsvermögen einer in § 97 BewG genannten Personenvereinigung oder Vermögensmasse mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Für die Ermittlung des gemeinen Werts gilt gem. § 109 Abs. 2 Satz 2 BewG die Vorschrift des § 11 Abs. 2 BewG entsprechend. Die KG als Gesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes stellt einen Gewerbebetrieb im Sinne des § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG dar.

Das FA hat den gemeinen Wert des Kommanditanteils zutreffend nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG mit dem Substanzwert bewertet. Lässt sich der gemeine Wert nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten ableiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen, so ist er unter Berücksichtigung der Ertragsaussichten der Gesellschaft oder einer anderen anerkannten, auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methode zu ermitteln; dabei ist die Methode anzuwenden, die ein Erwerber der Bemessung des Kaufpreises zu Grunde legen würde (§ 11 Abs. 2 Satz 2 BewG). Die Summe der gemeinen Werte der zum Betriebsvermögen gehörenden Wirtschaftsgüter und sonstigen aktiven Ansätze abzüglich der zum Betriebsvermögen gehörenden Schulden und sonstigen Abzüge (Substanzwert) der Gesellschaft darf gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG nicht unterschritten werden. Gem. § 11 Abs. 2 Satz 4 BewG sind die Vorschriften über das vereinfachte Ertragswertverfahren, §§ 199 bis 203 BewG, zu berücksichtigen.

a) Im Streitfall konnte der gemeine Wert des Kommanditanteils nicht aus Verkäufen unter fremden Dritten abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Bewertungsstichtag zurücklagen. Der gemeine Wert kann grundsätzlich nicht aus Verkäufen abgeleitet werden, die erst nach dem Bewertungsstichtag abgeschlossen worden sind. Dies ist ausnahmsweise nur dann möglich, wenn der formelle Vertragsabschluss kurz nach dem Stichtag liegt und die Einigung über den Kaufpreis schon am Bewertungsstichtag herbeigeführt war (BFH-Urteil vom 30.01.1976 III R 74/74, BStBl. II 1976, 280). Der Vertragsschluss muss in diesen Fällen kurz nach dem Stichtag, d.h. innerhalb einer nach Wochen zu bemessenden Zeitspanne, erfolgen (BFH-Beschluss vom 16.05.2003 II B 50/02, BFH/NV 2003, 1150 m.w.N.). Eine Einigung über den Kaufpreis ist auch dann vor dem Feststellungszeitpunkt zustande gekommen, wenn sich die Verhandlungen durch Festlegung eines Preisrahmens soweit verdichtet haben, dass der Kaufpreis durch den Kaufvertrag nur noch dokumentiert wird (BFH-Urteil vom 02.11.1988 II R 52/85, BStBl. II 1989, 80).

Die Veräußerung des Kommanditanteils erfolgte im Streitfall erst ca. 2½ Jahre nach dem Bewertungsstichtag. Auch die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Berücksichtigung eines Verkaufs nach dem Bewertungsstichtag zulässig wäre, liegen nicht vor: Zum einen ist der formelle Vertragsabschluss nicht kurz nach dem Stichtag erfolgt. Zum anderen ergibt sich aus dem klägerischen Vortrag zu einem „Verkauf in Raten“ nicht, dass der spätere Kaufpreis zum Stichtag schon festgestanden hätte.

b) Gem. § 199 Abs. 2 BewG kann das vereinfachte Ertragswertverfahren angewandt werden, wenn es nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt. Der Senat kann offen lassen, ob aus dem Umstand, dass der Kommanditanteil 2015 für einen erheblich über dem Ertragswert liegenden Kaufpreis veräußert worden ist, folgt, dass das vereinfachte Ertragswertverfahren im Streitfall zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führte und deshalb eine Bewertung nach einem üblichen Ertragswertverfahren oder einer anderen gebräuchlichen Methode hätte erfolgen müssen (vgl. Eisele in Rössler/ Troll a.a.O. § 199 BewG Rn. 11). Denn eine abweichende Bewertung mittels eines anderen Bewertungsverfahrens kann der Senat nicht vornehmen: Einerseits kann der Senat den Wert des Kommanditanteils im Klageverfahren nicht zum Nachteil der Klägerin erhöhen, andererseits aber – wie nachfolgend ausgeführt wird – auch keine Bewertung unter dem Substanzwert vornehmen (§ 11 Abs. 2 Satz 3 BewG).

c) Der Substanzwert im Sinne des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG stellt den Mindestwert auch bei der Bewertung nach dem vereinfachten Ertragswertverfahren dar. In der Literatur ist dies allerdings umstritten. An der Auslegung des Gesetzes bestehen Zweifel, weil der Gesetzgeber die Regelung über den Mindestwert in Satz 3, die Verweisung auf die Bestimmungen über das vereinfachte Ertragswertverfahren aber in Satz 4 der Vorschrift getroffen hat. Das Gesetz könnte daher in dem Sinne verstanden werden, dass die Regelung über den Mindestwert (Satz 3) nicht für das vereinfachte Ertragswertverfahren (Satz 4) gelten solle (in diesem Sinne: Lorenz in DStR 2016, 2453).

Der Senat legt das Gesetz in dem Sinne aus, dass die Mindestwert-Regelung des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG auch bei der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens anzuwenden ist (so auch R B 11.3 Abs. 1 Satz 1 ErbStR 2011; Wollny in DStR 2014, 2089; zustimmend Eisele in Rössler/ Troll, BewG, § 11 Rn. 39). Der Wortlaut der Regelung und die Gesetzessystematik sind zwar nicht eindeutig. Aus den Gesetzgebungsmaterialien ergibt sich aber hinreichend deutlich, dass der Substanzwert stets der Mindestwert sein sollte (Bundestagsdrucksache 16/7918, S. 38). Der Mindestwert sollte damit auch für das vereinfachte Ertragswertverfahren gelten (so ausdrücklich Bundesratsdrucksache 16/11107, S. 22 zu § 199 BewG). Für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit der Einführung des vereinfachten Ertragswertverfahrens auch dadurch Aufwand vermeiden wollen, dass im Rahmen dessen auf die Ermittlung des Substanzwerts verzichtet werden könnte (so wohl Lorenz a.a.O. S. 2455), finden sich in den Gesetzgebungsmaterialien keine Anhaltspunkte. Die Auslegung des Gesetzes in dem Sinne, dass der Substanzwert für alle Bewertungsverfahren die Untergrenze darstellt, ist letztlich auch geboten, um die Gleichmäßigkeit der Besteuerung sicherzustellen (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 85 Satz 1 AO).

d) Der Substanzwert ist im Streitfall als Mindestwert anzusetzen, obwohl die Klägerin ihre Anteile nach dem Bewertungsstichtag zu einem niedrigeren Kaufpreis veräußert hat.

aa) Nach der Verwaltungsauffassung soll der Ansatz des Substanzwerts ausgeschlossen sein, wenn der gemeine Wert aus tatsächlichen Verkäufen ermittelt wird (R B 11.3 Abs. 1 Satz 2 EStR 2011). In diesen Fällen soll nämlich der reale Kaufpreis, der sich nachweisbar am Markt gebildet hat, den gemeinen Wert abbilden (vgl. dazu Eisele in Rössler/ Troll a.a.O. § 11 BewG Rn. 39 m.w.N.).

Es kann im Streitfall offen bleiben, ob dieser Ansicht zu folgen wäre. Jedenfalls konnte im Streitfall der gemeine Wert, wie bereits ausgeführt, nicht als „realer Kaufpreis“ aus tatsächlichen Verkäufen ermittelt werden, weil der Verkauf des Kommanditanteils erst etwa 2½ Jahre nach dem Bewertungsstichtag erfolgte.

bb) Kein anderes Ergebnis ergibt sich aus dem Hinweis der Klägerin darauf, dass in den Gesetzgebungsmaterialien von dem Substanzwert als dem Mindestwert die Rede ist, „den ein Steuerpflichtiger am Markt erzielen könnte“ (Bundestagsdrucksache 16/7918, S. 38). Der Gesetzgeber ging vielmehr typisierend davon aus, dass ein Steuerpflichtiger am Markt mindestens den Substanz- oder im Liquidationsfalle den Liquidationswert erzielen könnte (so auch Immes in Wilms/ Jochum, ErbStG/ BewG/ GrEStG, § 11 BewG, Rn. 47).

Das Gesetz sieht dementsprechend auch keine Möglichkeit vor, ausnahmsweise einen Kommanditanteil mit einem Wert unterhalb des Substanzwertes zu bewerten, wenn dieser später zu einem niedrigeren Preis verkauft wird. Einen Vorbehalt hinsichtlich offensichtlich unzutreffender Ergebnisse wie in § 199 Abs. 1 und 2 BewG sieht § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG gerade nicht vor.

Aus der von der Klägerin zur Begründung ihrer Klage angeführten Richtlinie (R B 199.1 Abs. 6 Satz 2 ErbStR 2011) ergibt sich nichts anderes. Diese Verwaltungsvorschrift betrifft Fälle, in denen nach Auffassung der Finanzverwaltung begründete Zweifel an der Anwendbarkeit des vereinfachten Ertragswertverfahrens bestehen. Die Vorschrift besagt, dass in bestimmten Fällen – bei Neugründungen und Branchenwechseln – keine Bedenken gegen den Ansatz des Mindestwerts nach § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG bestehen, „sofern dies nicht zu offensichtlich unzutreffenden Ergebnissen führt“. Die Vorschrift stellt nicht in Frage, dass der Substanzwert gem. § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG den Mindestwert für die Bewertung auch bei der Anwendung des vereinfachten Ertragswertverfahrens darstellt. Der letzte Halbsatz der Vorschrift ist allerdings missverständlich, da sie gerade solche Sachverhaltskonstellationen betrifft, bei denen von einem offensichtlich unzutreffenden Bewertungsergebnis auszugehen ist (so auch Kreutziger in Kreutziger/ Schaffner/ Stephany, BewG, 4. Aufl. 2018, BewG § 199 Rn. 7; Eisele in Rössler/ Troll a.a.O. § 199 BewG Rn. 14 a.E.). Die Vorschrift kann dementsprechend nicht in dem Sinne verstanden werden, dass eine Bewertung unterhalb des Substanzwertes zulässig wäre.

Auch die von der Klägerin angeführten Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zum Pflichtteilsrecht (Urteil vom 13.03.1991 IV ZR 52/90, NJR-RR 1991, 900 und vom 14.10.1992 IV ZR 211/91, NJW-RR 1993, 131), stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.  Diesen Urteilen zufolge musste der Nachlasswert (§ 2311 BGB) von Nachlassgrundstücken jeweils anhand von – ggf. mehrere Jahre – nach dem Stichtag liegenden Veräußerungen ermittelt werden. Die Regelungen sind nicht vergleichbar: § 2311 BGB enthält anders als § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG keine Regelung über einen Mindestwert.

e) Gegen die Ermittlung des Substanzwertes hat die Klägerin keine substantiierten Einwendungen erhoben. Sie basiert im Wesentlichen auf der Feststellungserklärung der KG. Der Senat hält die Bewertung für zutreffend.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

 

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