BFH: Mandatsniederlegung nach Verzicht auf mündliche Verhandlung
BFH, Beschluss vom 25.6.2025 – XI B 13/25
ECLI:DE:BFH:2025:B.250625.XIB13.25.0
Volltext BB-Online BBL2025-1750-3
Amtliche Leitsätze
1. NV: Erklärt ein Prozessbevollmächtigter namens seines Mandanten, dass auf mündliche Verhandlung verzichtet wird, wird dieser Verzicht nicht durch eine spätere Mandatsniederlegung verbraucht.
2. NV: Haben die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet, ist das Finanzgericht berechtigt, „ohne weiteres“ im schriftlichen Verfahren zu entscheiden. Es ist weder verpflichtet, einen Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, noch verpflichtet, den Zeitpunkt seiner bevorstehenden Entscheidung bekannt zu geben.
FGO § 90 Abs 2
Sachverhalt
1 I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, erhob mit Schriftsatz vom 03.05.2022 Klage gegen den Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt ‑‑FA‑‑). Die Klage wurde vom Prozessbevollmächtigten der Klägerin, Steuerberater X, verfasst. Beigefügt war eine Vollmacht der Klägerin für X.
2 Mit Beschluss vom 20.09.2024 wurde der Rechtsstreit gemäß § 6 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Berichterstatterin als Einzelrichterin übertragen. Auf die Anfrage der Einzelrichterin vom gleichen Tag, ob gemäß § 90 Abs. 2 FGO auf mündliche Verhandlung verzichtet wird, verzichteten die Klägerin, vertreten durch X, mit Schriftsatz vom 27.09.2024 und das FA mit Schriftsatz vom 02.10.2024 auf mündliche Verhandlung.
3 Mit Schriftsatz vom 21.01.2025 legte X das Mandat nieder und bat darum, künftigen Schriftverkehr direkt der Klägerin zuzuleiten. Auf die Aufforderung der Einzelrichterin, die Kündigung des Mandatsvertrags nachzuweisen, legte X in elektronischer Form eine E-Mail der Klägerin vom 19.01.2025 vor, mit der die Klägerin das Mandat für das Klageverfahren gekündigt hatte. Das Finanzgericht (FG) löschte daraufhin die Vertretungsbefugnis des X und teilte dies dem X, der Klägerin und dem FA mit.
4 Die Klägerin hat mit Schreiben vom 20.01.2025, das am 27.01.2025 beim FG einging, über die Entziehung des Mandats hinaus mitgeteilt, dass sie sich ab sofort selbst vertreten werde, da X sie leider nicht pflichtbewusst und mit Sorgfalt vertreten habe.
5 Das FG hat daraufhin mit Urteil vom 30.01.2025 die Klage abgewiesen und das Urteil der Klägerin mit Zustellungsurkunde zugestellt.
6 Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision, die X mit Vollmacht der Klägerin vom 04.03.2025 eingelegt hat. Die Klägerin macht geltend, dass das FG entschieden habe, obwohl die Klägerin im Entscheidungszeitpunkt nicht vertreten gewesen sei. Außerdem habe das FG das Urteil zu Unrecht der Klägerin zugestellt. Dadurch habe das FG das rechtliche Gehör der Klägerin verletzt.
Aus den Gründen
7 II. Die Beschwerde ist unbegründet.
8 1. Soweit die Klägerin rügt, dass sie nach der Mandatsniederlegung nicht vertreten gewesen sei, greift diese Rüge nicht durch, da die Klägerin mit Schriftsatz vom 20.01.2025 ausdrücklich erklärt hat, sich zukünftig selbst vertreten zu wollen. Dies ist nach § 62 Abs. 1 FGO zulässig; die Beteiligten können danach vor dem FG den Rechtsstreit selbst führen. Von diesem Recht hat die Klägerin im Streitfall ausdrücklich Gebrauch gemacht.
9 2. Ohne Erfolg rügt die Beschwerde deshalb auch, dass das Urteil der Klägerin zugestellt worden ist. Dies entspricht nicht nur dem von X im Schreiben vom 21.01.2025 ausdrücklich geäußerten Wunsch, sondern auch § 53 Abs. 1, § 104 Abs. 3 FGO, wonach unter anderem Urteile, die ohne mündliche Verhandlung ergangen sind, den Beteiligten zuzustellen sind. Beteiligte war nach § 57 Nr. 1 FGO die Klägerin. Eine Zustellung an X (§ 53 Abs. 2 FGO i.V.m. § 172 der Zivilprozessordnung) schied aufgrund der Schreiben vom 21.01., 22.01. und 20.01.2025 (Eingang 27.01.2025) aus.
10 3. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang eine Verletzung rechtlichen Gehörs rügt, liegt diese schon aus den genannten Gründen nicht vor. Lediglich ergänzend weist der Senat deshalb darauf hin, dass die Klägerin bereits vor der Mandatsniederlegung auf mündliche Verhandlung verzichtet hatte.
11 a) Dieser Verzicht hat sich weder durch Zeitablauf noch durch die Niederlegung des Mandats verbraucht (vgl. Beschluss des Bundesfinanzhofs ‑‑BFH‑‑ vom 15.05.2024 - IX S 16/24, BFH/NV 2024, 940, Rz 13 f., m.w.N.); ein Widerruf des Verzichts wurde nicht erklärt.
12 b) Das FG war daher berechtigt, „ohne weiteres“ im schriftlichen Verfahren zu entscheiden (vgl. BFH-Urteil vom 02.04.1997 - X R 21/94, BFH/NV 1997, 547; BFH-Beschluss vom 24.08.1998 - XI B 126/97, BFH/NV 1999, 332, unter II.). Das FG ist weder verpflichtet, einen Zeitpunkt zu bestimmen, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, noch den Zeitpunkt seiner bevorstehenden Entscheidung bekannt zu geben (vgl. BFH-Beschlüsse vom 08.07.2008 - XI S 5/08 (PKH), BFH/NV 2008, 1863, unter II.2.b cc (2); vom 15.12.2008 - VII B 24/08, BFH/NV 2009, 1124, unter 4.; BFH-Urteil vom 02.04.1997 - X R 21/94, BFH/NV 1997, 547, unter II.1.).
13 4. Soweit die Klägerin vorträgt, es bestünden weitere Verfahrensmängel, welche aus dem Urteil ersichtlich seien, und um einen Hinweis bittet, falls dazu weiter vorgetragen werden soll, hat der Senat das Urteil geprüft, aber hält die Rüge nicht für durchgreifend. Verfahrensfehler des FG sind nicht ersichtlich.
14 5. Der Senat sieht gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 FGO von einer weiteren Begründung ab.
15 6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.