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Steuerrecht
29.08.2019
Steuerrecht
FG Baden-Württemberg: Leistungsort bei Vermittlung von Sportwetten an eine belgische Gesellschaft

FG Baden-Württemberg, Urteil vom 9.5.2019 – 1 K 412/17

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-2070-2

Leitsätze der Redaktion

1. Kann der Unternehmer nicht nachweisen, dass er seine Vermittlungsleistungen im Ausland erbracht hat, richtet sich der Ort der Leistung nach dem inländischen Empfängerort (hier § 3a Abs. 2 S. 1 UStG) Empfängerort.

2. Aus der sich nach § 1 Abs. 2 S. 1 und 2 UStG ergebenden Unterscheidung zwischen In- und Ausland und der Definition des Auslands „als das Gebiet, das ... nicht Inland ist“, folgt, dass die Annahme einer Leistungserbringung in einem dritten Gebiet, das weder In- noch Ausland ist, nicht in Betracht kommt.

→Gegen das Urteil wurde Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt (Az. BFH XI B 50/19).

Sachverhalt

Streitig ist die Umsatzbesteuerung von (Vermittlungs-)Leistungen im Zusammenhang mit Sportwetten in den Jahren 2014 und 2015 (Streitjahre).

1. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Betrieb von Gaststätten, Kioske, Wettannahmestellen und -büros u.a., sowie Internet-Terminals (Handelsregisterauszug des Amtsgerichts   AG   Y, HRB [ ___ ]).

2. Die Klägerin trägt hierzu zuletzt vor, dass sie in Geschäftsbeziehungen mit einer belgischen C SPRL (Société privée à responsabilité limitée, vergleichbar einer GmbH, nachfolgend: C) und -ab deren Umfirmierung- ab Dezember 2014 mit einer D SPRL (nachfolgend: D) gestanden habe.

Laut den von der Klägerin vorgelegten als Vermittlungsverträge bezeichneten Schriftstücke vom 1. Februar 2014, 1. März 2014 und 1. August 2015 (wobei das letztgenannte Schriftstück von der Klägerin nicht unterschrieben wurde) verpflichtete sich die Klägerin --als sog. Vermittler--, Wettangebote für den Abschluss von Sportwetten, die seitens abschlusswilliger Kunden erstellt werden, an eine C -dem sog. Wetthalter- weiterzuleiten. Für den Fall der Annahme des jeweiligen Wettangebots komme die Wette mit dem Wetthalter am Sitz des Vermittlers zustande, wobei die jeweils gültigen Allgemeinen Wettbedingungen des Wetthalters zur Anwendung kämen (jeweils § 1 der angeblichen Vermittlungsverträge, Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 6. Mai 2019, Anlage 1). Der Vermittler erhalte vom Wetthalter entweder eine fixe Provision von 2.500 Euro für den Standort Z oder eine prozentuale Provision von entweder 60 % aus dem Gewinn (sog. Hold) für den Standort T oder 45 % für den Standort S (jeweils § 5 der angeblichen Vermittlungsverträge). Die angeblichen Vermittlungsverträge wurden seitens einer C von einem N U, den der Senat in der mündlichen Verhandlung als Zeugen (nachfolgend: N U) vernommen hat, unterschrieben.

3. Am 30. April 2015 richtete der Beklagte hinsichtlich der Geschäftstätigkeiten von D ein Auskunftsersuchen an die belgische Finanzverwaltung.

Mit Schreiben vom 1. Juli 2015 wurde dem Beklagten daraufhin in einem Feststellungsprotokoll vom 25. Juni 2015 mitgeteilt, dass D (USt-ID [ ___ ]) ursprünglich bei ihrer Gründung am 22. Juni 2009 den Namen C getragen habe. Sie sei von einem ME und einer N SARL (Société à responsabilité limitée, vergleichbar einer GmbH), Place [ ___ ] x, xxxxx S /Frankreich, deren Geschäftsführer ebenfalls ME gewesen sei, gegründet worden. Alle Gesellschaftsanteile und die Geschäftsleitung seien am 26. Juni 2009 an einen A B --den Generalbevollmächtigten der Klägerin- übertragen worden, der zu diesem Zeitpunkt im ___ weg x, X gewohnt habe. Am 10. Juli 2009 seien zunächst 250 Geschäftsanteile sowie „ein Teil der Geschäftsführung“ an N U, wohnhaft in Rue ____ xx, L /Belgien, übertragen worden. NU sei erstmalig am 7. November 2011 in H /Belgien in das Nationalregister eingetragen, jedoch am 10. Februar 2015 von Amts wegen wieder ausgetragen worden. Am 21. Mai 2012 seien dann alle Geschäftsanteile an NU übertragen worden. Am 1. April 2014 habe NU alle Gesellschaftsanteile und die Geschäftsführung sodann an einen D W (nachfolgend: D W), wohnhaft in x Rue ____, xxxxx R (Frankreich) übertragen. Dieser habe sich auch am 3. Juni 2015 bei einem Besuch als Geschäftsführer vorgestellt.

Am 2. Dezember 2014 seien die „vollständig“ überarbeiteten Statuten der C, wie die Änderung des Gesellschaftszwecks, des Gesellschaftssitzes und des Gesellschaftsnamens, veröffentlicht worden. Sie trage jetzt den Firmennamen D.

Die Auskunft der belgischen Finanzbehörde führt des Weiteren aus, dass die D keine Glückspiellizenz in Belgien habe und keine Lotteriesteuer zahle. „Auf den ersten Blick“ übe sie ihre Tätigkeit nur in Deutschland aus. Die Klägerin habe von der D in 2014 Provisionen i.H. von 39.683,55 Euro erhalten (Gerichtsakte, Band I, Bl. 28).

4. Am 29. Oktober 2014 wurde eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung (USt-Sp) für die Voranmeldungszeiträume Januar bis August 2014 angeordnet (Bp-Akte, Bl. 5). Mit Anordnung vom 3. Dezember 2015 wurde der Prüfungszeitraum auf die Voranmeldungszeiträume September 2014 bis September 2015 ausgedehnt (Bp-Akte, Bl. 6).

Nach den Feststellungen des Beklagten wurden von der Klägerin Umsatzerlöse für die Vermittlung von Sportwetten als nicht steuerbare Umsätze erklärt (Bericht über die USt-Sp vom 3. Dezember 2015, S. 3 f, Tz. 15, Bp-Akte, Bl. 10 f.). Die Klägerin gehe davon aus, dass sich die Wetthalter der vermittelten Wetten im Ausland befänden. Im Rahmen der USt-Sp sei diesbezüglich bei den Finanzbehörden aller ausländischen Unternehmen die Wetthalterschaft mittels Amtshilfeersuchen angefragt. Bei den Firmen P Sport GmbH, S Sportwetten GmbH und F Ltd. sei nach Auskunft der jeweiligen ausländischen Behörden die Wetthalterschaft bestätigt worden. Allerdings sei C (später D) aufgrund der Auskunft der belgischen Finanzbehörde nur in Deutschland ansässig, da sie ihre eigentliche Tätigkeit nur hier ausübe.

Aufgrund dessen seien die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin in den USt-Voranmeldungen für Dezember 2014 um 32.865 Euro (netto) und für September 2015 um 22.500 Euro (jeweils netto) zu erhöhen (USt-Sp-Bericht vom 3. Dezember 2015, S. 4, Tz. 15, Bp-Akte, Bl. 11).

Mit Prüfungsanordnung vom 18. Oktober 2016 wurde eine weitere USt-Sp für die Voranmeldungszeiträume Oktober 2015 bis August 2016 angeordnet. Nach dem Bericht des Beklagten hierzu vom 3. November 2016 seien die steuerpflichtigen Umsätze der Klägerin für Dezember 2015 um 6.303 Euro und für August 2016 um 16.807 Euro (jeweils netto) zu erhöhen (Tz. 15, Bp-Akte, Bl. 17). Zur Erläuterung der Prüfungsfeststellungen wurde im Wesentlichen die Begründung im Bericht über die USt-Sp vom 3. Dezember 2015, Tz. 15 wiedergegeben.

Am 4. Januar 2017 wurde zudem bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Nachschau durchgeführt. Daraus ergaben sich keine Abweichungen zu den durchgeführten Umsatzsteuer-Sonderprüfungen (Vermerk über die Feststellungen vom 5. Januar 2017, Bp-Akte, Bl. 18 f.).

5. Die Klägerin folgte zunächst der Auffassung des Beklagten und gab in ihrer Umsatzsteuererklärung für 2014 -unter Einbeziehung von Umsätzen an C (später D)- steuerpflichtige Umsätze i.H. von insgesamt 61.453 Euro an (USt-Akte, Bl. 13). Mit Bescheid vom 11. März 2016 stimmte der Beklagte dem zu (Rb-Akte, Bl. 10).

Im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für Dezember 2015 vom 14. November 2016 ging der Beklagte -entsprechend dem Ergebnis des USt-Sp-Berichts vom 3. November 2016- von weiteren steuerpflichtigen Umsätzen i.H. von 6.303 Euro aus (Rb-Akte, Bl. 11).

Im Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für August 2016 vom 14. November 2016 rechnete der Beklagte, ebenfalls dem USt-Sp-Bericht vom 3. November 2016 folgend, der Klägerin weitere steuerpflichtige Umsätze i.H. von 19.204 Euro (netto) zu (Rb-Akte, Bl. 12).

6. Hiergegen legte die Klägerin jeweils Einspruch ein. Sie ist der Auffassung, dass Umsätze an C (später D) nicht umsatzsteuerbar seien.

7. Die Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2017 als unbegründet zurückgewiesen (Rb-Akte, Bl. 18 ff.). Bei der C (später D) handele es sich um eine Gesellschaft, die ihre Geschäftsleitung im Inland habe. Anhaltspunkte dafür, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse nach der Umfirmierung geändert hätten, seien nicht ersichtlich. Somit seien Vermittlungsleistungen an inländische Unternehmer für deren Unternehmen erbracht worden. Damit befinde sich der Ort der Ausführung der Vermittlungsleistungen im Inland, so dass die streitbefangenen Umsätze steuerbar seien.

8. Am 14. Februar 2017 erhob die Klägerin hiergegen Klage.

9. Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über die Umsatzsteuer

- für das Kalenderjahr 2014 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2017 und

- für das Kalenderjahr 2015 vom 26. Mai 2017

zu ändern und dabei die Vermittlungsprovisionen der C (später D) als nicht steuerbare Umsätze zu behandeln und deshalb die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer wie folgt zu mindern:

für das Kalenderjahr           um   

2014                                     32.865 Euro

2015                                      29.803 Euro

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

10. In der Umsatzsteuererklärung für 2015 vom 11. April 2017 gab die Klägerin -gleichfalls unter Einbeziehung von Umsätzen an C (später D)- zwar steuerpflichtige Umsätze i.H. von insgesamt 89.759 Euro an (USt-Akte, Lasche 2015, Bl. 2 und Gerichtsakte, Bl. 104). Dem stimmte der Beklagte mit Bescheid vom 26. Mai 2017 zu (Rb-Akte, Bl. 11a).

Die Klägerin führt aber nunmehr aus, dass diese Umsätze bei ihr nicht zu erfassen seien. So zeige die Bemerkung der belgischen Finanzverwaltung im Feststellungsprotokoll, dass die D „auf den ersten Blick“ ihre Tätigkeit nur in Deutschland ausübe, dass eine wirkliche Überprüfung des Sachverhalts nicht stattgefunden habe. Zudem sei bei der Prüfung vor Ort am 3. Juni 2015 der Gesellschafter-Geschäftsführer DW angetroffen worden. Auf dieser Basis könne eine Sitzverlagerung in das Inland nicht begründet werden. Selbst wenn jedoch die C ihre Tätigkeit nur im Inland ausgeübt haben sollte, bedeute dies keine Verlegung des Ortes der Geschäftsleitung bzw. des Geschäftssitzes nach Deutschland. Gerade in der Wettbranche, aber auch in anderen Branchen, sei eine solche Konstellation sehr verbreitet. So befänden sich bspw. auf Malta mehr als 300 Wettanbieter mit maltesischem Geschäftssitz. Tatsächlich würde auf Malta aber nur „eine Handvoll“ Wettbüros betrieben. Das bedeute, dass fast alle diese Wettanbieter ihre Tätigkeit nicht auf Malta, sondern auf dem europäischen Festland, überwiegend in Deutschland, ausübten. Dieser Umstand habe allerdings keinen Einfluss auf den Geschäftssitz bzw. den Ort der Geschäftsleitung. Ob die C selbst eine eigene Glückspiellizenz habe, sei ebenfalls nicht relevant, weil sich die Bestimmung des Leistungsortes nach dem Umsatzsteuergesetz (UStG) bestimme, welches auf den Sitz der Geschäftsleitung abstelle (Schriftsatz vom 6. April 2017, S. 2 f, Gerichtsakte, Band I, Bl. 17 f.).

Mit Schriftsatz vom 20. März 2018 trägt die Klägerin des Weiteren vor, dass es neben der D -die aus der C hervorgegangen sei- eine (weitere) C SPRL gebe, die NU gegründet habe. Diese habe ihren Sitz allerdings weder in Deutschland noch –etwa- in den Räumlichkeiten der D (Gerichtsakte, Band I, Bl. 87).

Der Beklagte richtet daraufhin ein weiteres Auskunftsersuchen im Hinblick auf eine (weitere) C (USt-ID [ ___ ]) an die belgische Finanzverwaltung. Es wurden folgende Angaben erbeten:

- vertragliche Vereinbarungen,

- Beginn und ggfs. Beendigung der Geschäftsbeziehung zur Klägerin,

- Aufstellung der bezahlten Provisionen und

- Benennung der verantwortlichen Personen.

Zudem wurde angefragt, ob es sich unter der angegebenen Anschrift um ein tatsächlich existierendes Unternehmen mit unternehmerischer Tätigkeit vor Ort handele und ob eine gültige Wettlizenz vorliege. Die belgische Finanzverwaltung teilte mit, dass die angefragte C „Bankrott“ gegangen und am 17. Mai 2016 „abgeschlossen“ worden sei. Demzufolge sei es nicht mehr möglich, die erbetenen Überprüfungen durchzuführen (Gerichtsakte, Band II, Bl. 237).

Der Beklagte hält im Verfahren im Übrigen an seiner bisherigen Auffassung fest (Schriftsatz vom 28. April 2017, S. 1 ff, Gerichtsakte, Band I, Bl. 36 f.). Ergänzend weist er darauf hin, dass die Klägerin die objektive Feststellungslast aus der Nichterweislichkeit eines Auslandssitzes zu tragen habe, da sie sich vorliegend auf eine Ausnahme zum Grundsatz des § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG berufe (Schriftsatz vom 24. Juli 2018, Gerichtsakte, Band II, Bl. 241). Im Hinblick auf den Vortrag, dass es eine namensgleiche (zweite) C gebe, trägt er vor, dass insofern eine Briefkastenfirma vorliege, die ihren Sitz in Deutschland habe (Schriftsatz vom 12. April 2018, Gerichtsakte, Band I, Bl. 110 f.).

Am 6. April 2018 fand ein Erörterungstermin gemeinsam mit dem Verfahren 1 K 522/17 statt, dessen Akten beigezogen wurden. Mit der Niederschrift hierzu vom 6. April 2018 (Gerichtsakte, Band I, Bl. 105 f.) forderte der Berichterstatter weitere Unterlagen und Nachweise über die C an.

Am 2. Oktober 2018 erging ein Gerichtsbescheid (Gerichtsakte, Band II, Bl. 243 ff.). Hiergegen beantragte die Klägerin die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (Gerichtsakte, Bl. 254).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die vorgelegten Unterlagen sowie auf die Behördenakten (USt-, Bp und Rb-Akte) und die Gerichtsakten Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Dabei geht das Gericht im Streitfall im Anschluss an den Schriftsatz der Klägerin vom 14. Februar 2017 (Gerichtsakte, Band I, Bl. 2) und deren Klageantrag in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass sich der Gegenstand des Klagebegehrens i. S. von § 65 Abs. 1 Satz 1, § 96 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) darauf richtet, die Umsätze in 2014 und 2015 teilweise nicht der Umsatzsteuer zu unterwerfen. Die Klage richtet sich dagegen nicht gegen die Festsetzung einer Umsatzsteuer-Vorauszahlung für August 2016 vom 14. November 2016. Diese steht allerdings unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (Rb-Akte, Bl. 12), so dass die Klägerin eine Aufhebung oder Änderung der Steuerfestsetzung jederzeit nach § 164 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) beantragen kann.

1. Die Umsatzsteuerbescheide für 2014 vom 11. März 2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Januar 2017 und für 2015 vom 26. Mai 2017 sind rechtmäßig und verletzten die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

Der Umsatzsteuer unterliegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG die Umsätze für Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt. Nach § 3a Abs. 1 Satz 1 UStG wird eine sonstige Leistung vorbehaltlich § 3a Abs. 2 bis 8 und §§ 3b, 3e und 3f UStG an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer für dessen Unternehmen ausgeführt wird, wird nach § 3a Abs. 2 Satz 1 UStG vorbehaltlich § 3a Abs. 3 bis 8 und §§ 3b, 3e und 3f an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Empfänger sein Unternehmen betreibt.

Nach Art. 44 Satz 1 der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) gilt als Ort einer Dienstleitung an einen Steuerpflichtigen, der als solcher handelt, der Ort an dem dieser Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat. Nach Art. 10 Abs. 1 der Durchführungsverordnung des Rates zur Festlegung von Durchführungsvorschriften zur MwStSystRL (VO EU Nr. 282/2011 -MwStVO-) gilt als Ort, an dem der Steuerpflichtige den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit hat, der Ort, an dem die Handlungen zur zentralen Verwaltung des Unternehmens vorgenommen werden. Zur Bestimmung werden der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, der Ort seines satzungsmäßigen Sitzes und der Ort, an dem die Unternehmensleitung zusammenkommt, herangezogen (Art. 10 Abs. 2 Satz 1 MwStVO). Kann anhand dieser Kriterien der Ort des Sitzes der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens nicht mit Sicherheit bestimmt werden, so wird der Ort, an dem die wesentlichen Entscheidungen zur allgemeinen Leitung des Unternehmens getroffen werden, zum vorrangigen Kriterium (Art. 10 Abs. 2 Satz 2 MwStVO). Allein aus dem Vorliegen einer Postanschrift kann nicht geschlossen werden, dass sich dort der Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit eines Unternehmens befindet (Art. 10 Abs. 3 MwStVO; vgl. Korn in Bunjes, UStG 17. Aufl., 2018, § 3a Rn. 10 m.w.N.).

Der Senat kann im Streitfall allerdings die Frage nach dem Ort, an dem die streitigen Leistungen ausgeführt (§ 3a Abs. 2 Satz 1 UStG; Art. 44 Satz 1 MwStSystRL) offenlassen, denn der Senat vermag sich im Streitfall allerdings schon nicht i. S. von § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO davon zu überzeugen, dass die Klägerin die streitigen -von ihr als Vermittlungsleistungen bezeichneten- Leistungen überhaupt erbracht hat.

a) Die Zweifel des Senats, dass die Klägerin die streitigen Vermittlungsleistungen überhaupt erbracht hat, stützen sich zunächst darauf, dass schon die Antwort auf die Frage ungewiss ist, ob sie, die Klägerin, die streitigen Leistungen tatsächlich an das Unternehmen ausgeführt hat, das in den Verträgen benannt ist, die sie dem Senat vorgelegt hat (Schriftstücke, die am vom 1. Februar 2014, 1. März 2014 und 1. August 2015 unterzeichnet worden sein sollen), und damit an einen Empfänger, der sein Unternehmen von einem Ort aus betreibt, der in einem anderen Mitgliedstaat -namentlich in Belgien- belegen ist:

So führt der frühere Bevollmächtigte im Schriftsatz vom 20. März 2018 (S. 1 f., Gerichtsakte, Band I, Bl. 84 f.). aus, dass man mit der C (später D) die falsche Firma „im Fokus“ habe. Seit dem 2. Dezember 2014 firmiere die C unter „Q sprl“, Rue [ ___ ] xxx, xxxx W/ Belgien. Neben dieser Gesellschaft, welche zunächst im Fokus des Verfahrens gestanden habe, bestehe zumindest eine ebenfalls von NU gegründet Firma mit dem Namen „C Intern. sprl.“, Avenue [ ___ ] xx, [ ___ ], xxx W /Belgien. Auch diese Gesellschaft sitze weder in Deutschland noch in den Räumlichkeiten der D. NU bestätigte als Zeuge diese Darstellung, dass es in den Streitjahren zwei Gesellschaften mit dem Firmennamen C gegeben habe, ausdrücklich.

Zur Klärung der Frage, wer (mögliche) Vermittlungsleistungen der Klägerin empfangen hat, können auch nicht die vom Bevollmächtigten vorgelegten als Vermittlungsverträge bezeichneten Schriftstücke beitragen (Schriftsatz vom 6. Mai 2019, Anlage 1). So wird in den Schriftstücken vom 1. Februar 2014, 1. März 2014 und 1. August 2015 lediglich eine C Intern. sprl als Wetthalter genannt. Welche der namensidentischen C-Gesellschaft gemeint ist, kann diesen angeblichen Vermittlungsverträgen nicht entnommen werden. Auch die Firmenadresse (Avenue [ ___ ] xx, [ ___ ]) führt hinsichtlich einer eindeutigen Zuordnung der behaupteten Vermittlungsleistungen nicht weiter, da beide C-Gesellschaften dort zumindest zeitweise ihren Sitz gehabt haben sollen (Auszug aus dem belgischen Handelsregister, Gerichtsakte, Band II, Bl. 221; Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 20. März 2018, S. 4, Gerichtsakte, Band I, Bl. 87 und Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 6. Mai 2019, Anlage 2). Für eine weitere C spricht ebenfalls, dass ein Vermittlungsvertrag vom 1. August 2015 --zu einem Zeitpunkt als die C bereits als D firmiert haben soll und NU nicht mehr deren Gesellschafter und Geschäftsführer gewesen sein kann (vgl. Feststellungsprotokoll der belgischen Finanzverwaltung vom 25. Juni 2015, Gerichtsakte, Band I, Bl. 27)- von NU als Vertreter des Wetthalters (einer C) unterschrieben wurde (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 6. Mai 2015, Anlage 1 - Vermittlungsvertrag für den Standort ___ Straße xx, xxxxx S). Vor diesem Hintergrund ist die Äußerung des Rechtsanwalts H T, der die Due Diligence-Prüfung einer C durchgeführt habe, ohne jeden Beweiswert (Schriftsatz des Bevollmächtigten vom 6. Mai 2019, Anlage 3).

Eine Zuordnung von Leistungen wird noch dadurch erschwert, dass nach dem Vortrag des Bevollmächtigten die C (später D) mit der USt-ID [ ___ ] die (angeblichen) Vermittlungsleistungen empfangen haben soll. Dem Senat liegt allerdings eine Gutschrift über die Abrechnung dieser Leistungen für Oktober 2015 vor, welche eine C mit der USt-ID [ ___ ] ausstellte (Gerichtsakte, Band I, Bl. 90). Weitere Gutschriften wurden von dem Bevollmächtigten nicht vorgelegt.

Überdies hatte keine der beiden C-Gesellschaften eine belgische Lizenz für das Anbieten von Sportwetten. Daher -so N U- habe er sich an der Gesellschaft V sprl (USt-ID [ ___ ]; nachfolgend: V sprl) als Gesellschafter beteiligt. Mitgesellschafter sei ein LF gewesen. Diese Gesellschaft habe über die notwendige Wettlizenz nach belgischem Recht verfügt, welche aber nicht übertragbar gewesen sei (vgl. auch Art. 4 § 1 des belgischen Gesetzes vom 7. Mai 1999 über Glücksspiele, die Glücksspieleinrichtungen und den Schutz der Spieler, abrufbar unter [ ___ ] Unter dieser Lizenz habe man lediglich „gearbeitet“. Weiter Fragen dazu konnte oder wollte NU als Zeuge jedenfalls nicht beantworten.

b) Die Zweifel des Senats werden zum einen durch die Gesamtschau der Antworten bestärkt, die NU in seiner Vernehmung als Zeuge dem Senat gegeben hat, zum anderen durch den Eindruck, den NU bei seiner Vernehmung gemacht hat, noch verstärkt.

Während sich NU auf Fragen, die sich mit Sportwetten im Allgemeinen befassten, sich auskunftsfreudig gab und insbesondere um einen äußerst sachkundigen Eindruck bemüht war, dabei auch seine große Erfahrung auf diesem Gebiet hervorhob, wich er den Fragen des Senats umso mehr aus, als diese sich auf die Einzelheiten der Geschäftsbeziehungen der Klägerin zu dem Unternehmen richteten, das jeweils in den Schriftstücken als Vertragspartner benannt ist, die am vom 1. Februar 2014, 1. März 2014 und 1. August 2015 unterzeichnet worden sein sollen. Dies gilt insbesondere zum einen für die Frage, ob die Klägerin die „Kundin“ eines seiner Unternehmen war, aber auch namentlich für die Fragen, mit denen der Senat zu erhellen versuchte, auf welchem Wege die Zahlungen getätigt wurden, die nach diesen Schriftstücken zwischen den dort genannten Vertragspartnern zu leisten gewesen sein sollen.

Bei der Würdigung der Angaben des Zeugen berücksichtigt der Senat insbesondere auch, dass der Zeuge zu Beginn seiner Vernehmung einen äußerst unsicheren Eindruck machte und zunächst äußerte, die Klägerin kenne er nicht. Offenbar hatte er seine zumindest nach außen hin gezeigte Sicherheit in der Zeit wiedererlangt, in der die Vernehmung unterbrochen war, nachdem sich der Senat im Anschluss an diese Auskunft zu Beratung zurückgezogen hatte. Jetzt bemühte er sich wie schon erwähnt darum, sich als auskunftsfreudig und sachkundig zu erweisen. Dass er allerdings Antworten zu vermeiden suchte, soweit der Senat gezielte Fragen über die Art und Weise seiner möglichen Geschäftsbeziehungen zur Klägerin stellte, entnimmt der Senat auch dem Umstand, dass der Zeuge insoweit wiederholt mitteilte, er verstünde den sachlichen Inhalt entsprechender Fragen nicht, oder vorbrachte, er treffe nur unternehmerische Entscheidungen, die sodann von seinem Steuerberater oder Buchhalter ausgeführt würden. Auch wecken die Angaben des Zeugen, einerseits den Generalbevollmächtigten der Klägerin seit Jahrzehnten zu kennen und diesen regelmäßig -wie er erst angab ihn durchschnittlich einmal im Monat, dann aber mitteilte, dies geschehe nur zwei- oder dreimal jährlich- zu treffen, anderseits sich im Verlauf der Vernehmung auf seine fehlenden Kenntnisse berief, gewichtige Zweifel an seiner Bereitschaft, sich wahrheitsgemäß zu äußern und dabei vollständige Antworten zu geben.

Die Antworten des Zeugen waren mithin eher verwirrend als erhellend. Diesen von ihm selbst erkannten Befund versuchte er im Wesentlichen damit zu erklären, dass er in den Streitjahren bei ungefähr sechs Gesellschaften als Gesellschafter und/oder Geschäftsführer tätig gewesen sei und so über 100 Spielevermittler betreut habe. Er könne im Einzelnen überhaupt nichts Genaues sagen. Die Buchhaltung und Abrechnung habe sein Steuerberater in H erledigt. Ihm hätten zwar die grundsätzlichen Entscheidungen oblegen, die er in Belgien getroffen habe. Die Gesellschaften seien aber von seinem Steuerberater „geleitet“ worden. Daher falle es ihm schwer sich an die Klägerin zu erinnern. Die Lage sei eben „unübersichtlich“. Darüber hinaus könne er zu allen finanziellen Dingen überhaupt nichts Genaues sagen. Auf den Vorhalt der dem Senat vorliegenden angeblichen Vermittlungsverträge und der Frage nach deren tatsächlicher Durchführung sagte er, dass er Verträge grundsätzlich nicht „wortwörtlich“ einhalte.

c) Der Senat kommt gemäß § 96 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 FGO aufgrund seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung unter Anwendung von § 76 Abs. 1 Satz 4 FGO i.V.m. § 90 Abs. 2 AO mithin zu dem Ergebnis, dass ein Empfängerort von (möglichen) Vermittlungsleistungen im Ausland nicht festgestellt werden kann. Der Senat geht daher davon aus, dass die streitigen Bemessungsgrundlagen das Entgelt für Leistungen sind, die die Klägerin im Inland ausgeführt hat, etwa indem sie selbst Wetten eingegangen ist.

Die Zweifel daran, an welchen Empfänger die Klägerin die von ihr behaupteten Vermittlungsleistungen ausgeführt hatte, vermag der Senat im Streitfall mithin nur mit deren Bemühen zu erklären, den inländischen Behörden vorzuspiegeln, sie selbst habe Sportwetten lediglich „vermittelt“. In der Gesamtschau vermag der Senat weiter nicht mit der erforderlichen Gewissheit auszuschließen, dass die Schriftstücke, die am vom 1. Februar 2014, 1. März 2014 und 1. August 2015 unterzeichnet worden sein sollen, lediglich den Rückfluss der Beträge erklären sollten, die sie, die Klägerin, mit den Sportwetten verdiente, die sie selbst -wenn auch unter einer „Tarnkappe“- eingegangen war.

Jedenfalls muss sich die Klägerin nach Ansicht des Senats im Streitfall an der zu ihren Lasten wirkenden Darlegungs- und Beweislastregelung festhalten lassen. Danach haben die Beteiligten bei Sachverhalten, die sich auf Vorgänge außerhalb des Geltungsbereichs der AO beziehen, den Sachverhalt aufzuklären und die erforderlichen Beweismittel zu beschaffen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 1. September 2010 V R 39/08, BStBl II 2011, 658 Rn. 31).

Daraus folgt, dass bei Leistungen, bei denen sich der Ort nach dem Empfängerort richtet, aus der Nichterweislichkeit eines ausländischen Empfängerorts auf das Vorliegen eines inländischen Empfängerorts zu schließen ist. Denn unter Berücksichtigung der sich aus § 1 Abs. 2 Satz 1 und 2 UStG ergebenden Unterscheidung zwischen In- und Ausland und der Definition des Auslands "als das Gebiet, das ... nicht Inland ist", kommt die Annahme einer Leistungserbringung in einem dritten Gebiet, das weder In- noch Ausland ist, nicht in Betracht (BFH-Beschluss vom 28. November 2017 V B 60/17, BFH/NV 2018, 353 Rn. 5 ff.).

Auf die Vertrauensschutzregelungen des Art. 18 Abs. 1 und Art. 19 Abs. 2 MwStVO kann sich die Klägerin vor diesem Hintergrund nicht berufen, da vorliegend schon nicht geklärt werden kann, wer welche Leistungen empfangen hat.

d) Der Senat sieht davon, einen I K -einen Mitarbeiter der Belgische Finanzverwaltung- ebenfalls als Zeugen vernehmen.

Dies hat der Beklagte zwar in der mündlichen Verhandlung vom 9. Mai 2019 beantragt und hierzu ausgeführt, dass dieser Zeuge das Feststellungsprotokoll der belgischen Finanzverwaltung vom 25. Juni 2015 angefertigt habe. Der Senat sieht dennoch davon ab, den Zeugen K zu laden. Zunächst handelt es sich hierbei um einen sog. Auslandszeugen, der in der mündlichen Verhandlung zu stellen gewesen wäre (BFH-Beschluss vom 9. Februar 2001 II B 9/99, BFH/NV 2001, 933 Rn. 30; Herbert in Gräber, FGO, 8. Aufl., 2015, 76 Rn. 42 m.w.N.). Überdies soll der Zeuge K dazu befragt werden, welche Unterlagen ihm vorlagen, als er das Feststellungsprotokoll hinsichtlich der ausländischen wirtschaftlichen Tätigkeit und des ausländischen Sitzes der C (später D; USt-ID [ ___ ]) fertigte. Da der Senat aber nicht zu der Überzeugung gelangte, dass die Klägerin überhaupt Vermittlungsleistungen erbrachte bzw. wenn solche vorgelegen haben sollten, wer überhaupt deren Empfänger gewesen sein soll (C [USt-ID [ ___ ]], C [USt-ID [ ___ ]] oder V sprl), kommt es auf die Beantwortung der Frage, von welchem Ort die C (später D) ihr Unternehmen betrieb, nicht mehr an.

2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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