FG Düsseldorf: Keine schuldbefreiende Wirkung bei fehlerhafter Auszahlung auf ein nicht autorisiertes Konto durch FA
FG Düsseldorf, Urteil vom 5.5.2010 - 4 K 3880/09 AO
Sachverhalt
Der Kläger und seine Ehefrau wurden vom Finanzamt "N-Stadt", dessen Zuständigkeit mittlerweile auf das beklagte Finanzamt übergegangen ist, ab dem Veranlagungszeitraum 2003 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger erbrachte auf Grund eines an ihn gerichteten Vorauszahlungsbescheids vom 28. April 2004 für den Veranlagungszeitraum 2004 Vorauszahlungen von 12.877 EUR Einkommensteuer, 1.088 EUR Kirchensteuer und 665 EUR Solidaritätszuschlag.
Der Kläger und seine Ehefrau gaben am 30. Dezember 2005 eine Steuerklärung für den Veranlagungszeitraum 2004 ab, mit der sie erneut die Zusammenveranlagung beantragten. In dieser Steuererklärung gaben sie an, dass ein Erstattungsbetrag auf das Konto des Klägers Nr. "001" bei der "E-Bank" in "N-Stadt" überwiesen werden solle. Am 10. Januar 2006 rief die Ehefrau des Klägers bei der Sachbearbeiterin des Finanzamts "N-Stadt" an und teilte mit, dass die in der Steuererklärung angegebene Bankverbindung unzutreffend sei. Die Ehefrau des Klägers reichte eine Erklärung vom 10. Januar 2006 ein, mit der um Überweisung eines Erstattungsbetrags auf das Konto Nr. "002" bei der "E-Bank" in "N-Stadt" gebeten wurde. Hierbei handelte es sich um ein ausschließlich auf ihren Namen lautendes Konto. Die Erklärung war von der Ehefrau des Klägers unterschrieben worden. Hierunter befindet sich eine weitere Unterschrift ("C").
Das Finanzamt "N-Stadt" setzte mit Bescheid vom 14. Februar 2006 gegen den Kläger und seine Ehefrau für den Veranlagungszeitraum 2004 Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag fest. Die Festsetzung führte zu einem Erstattungsbetrag von insgesamt 6.958,82 EUR, der auf das Konto Nr. "002" bei der "E-Bank" in "N-Stadt" überwiesen wurde.
Nachdem sich der Kläger im Mai 2007 von seiner Ehefrau getrennt hatte, wandte er sich mit Schreiben vom 15. Juli 2009 an das beklagte Finanzamt und bat um Überweisung des in dem Bescheid vom 14. Februar 2006 ausgewiesenen Erstattungsbetrags auf sein Konto Nr. "001" bei der "E-Bank" in "N-Stadt". Er machte geltend: Der Erstattungsbetrag sei nicht auf dem von ihm in der Einkommensteuererklärung angegebenen Konto eingegangen. Seine Ehefrau habe seine Unterschrift unter die Erklärung vom 10. Januar 2006 in betrügerischer Absicht gefälscht. Das in der Erklärung genannte Konto habe sie eingerichtet, um rechtswidrig den Erstattungsbetrag zu erhalten.
Das beklagte Finanzamt stellte mit Abrechnungsbescheid vom 24. August 2009 fest, dass der Erstattungsanspruch in Höhe von insgesamt 6.958,82 EUR dadurch erloschen sei, dass dieser Betrag auf das Konto Nr. "002" bei der "E-Bank" in "N-Stadt" überwiesen worden sei.
Mit seinem hiergegen eingelegten Einspruch trug der Kläger vor: Dem Finanzamt "N-Stadt" habe keine gemeinsame Erklärung der Ehegatten vorgelegen, den Erstattungsbetrag auf das Konto Nr. "002" bei der "E-Bank" zu überweisen. Die Fälschung seiner Unterschrift unter die Erklärung seiner Ehefrau vom 10. Januar 2006 sei durch einen Vergleich mit seiner Unterschrift unter die Steuererklärung ohne weiteres erkennbar gewesen.
Das beklagte Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 1. Oktober 2009 zurück und führte aus: Der Erstattungsanspruch habe dem Kläger und seiner Ehefrau nach Köpfen zugestanden, so dass der auf seine Ehefrau entfallende hälftige Anteil mit befreiender Wirkung auf deren Konto bei der "E-Bank" überwiesen worden sei. Das Finanzamt "N-Stadt" habe auch hinsichtlich des auf den Kläger entfallenden hälftigen Anteils des Erstattungsanspruchs mit befreiender Wirkung auf das von dessen Ehefrau angegebene Konto zahlen können. Die von ihr eingereichte Erklärung vom 10. Januar 2006 habe die in der Steuererklärung enthaltene Angabe der Bankverbindung ersetzt. Das Finanzamt "N-Stadt" habe keinen Anlass gehabt, an der Echtheit der Unterschrift des Klägers unter dieser Erklärung zu zweifeln. Ein Unterschied zwischen der Unterschrift unter der Erklärung vom 10. Januar 2006 und der Unterschrift unter die Steuererklärung sei nicht zweifelsfrei feststellbar gewesen.
Der Kläger trägt mit seiner Klage vor: Der Erstattungsbetrag habe ihm allein zugestanden, weil er die Vorauszahlungen auf Grund des ausschließlich an ihn gerichteten Bescheids vom 28. April 2004 geleistet habe. Da seine Ehefrau seine Unterschrift unter die Erklärung vom 10. Januar 2006 gefälscht habe, sei das Finanzamt "N-Stadt" nicht berechtigt gewesen, den Erstattungsbetrag abweichend von den Angaben in der Steuererklärung auf das Konto seiner Ehefrau zu überwiesen.
Der Kläger beantragt,
1. den Abrechnungsbescheid vom 24. August 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2009 aufzuheben;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
1. die Klage abzuweisen;
2. hilfsweise die Revision zuzulassen.
Zur Begründung verweist es auf seine Einspruchsentscheidung.
Aus den Gründen
Die Klage ist nur zu einem Teil begründet. Der Abrechnungsbescheid vom 24. August 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2009 ist nur insoweit rechtswidrig und verletzt den Kläger nur insoweit in seinen Rechten, als ein Erlöschen des Erstattungsanspruchs von mehr als 3.479,41 EUR festgestellt worden ist. Im Übrigen ist der Abrechnungsbescheid vom 24. August 2009 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 1. Oktober 2009 rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Rechtsgrundlage für den ergangenen Abrechnungsbescheid ist § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Danach hat die Finanzbehörde über Streitigkeiten über die Verwirklichung eines Erstattungsanspruchs durch Abrechnungsbescheid zu entscheiden.
Der in dem Bescheid vom 14. Februar 2006 ausgewiesene Erstattungsanspruch ist in Höhe von 3.479,41 EUR dadurch erloschen, dass das Finanzamt "N-Stadt" diesen Betrag auf das Konto der Ehefrau des Klägers Nr. "002" bei der "E-Bank" in "N-Stadt" überwiesen hat (§ 47 AO). Hinsichtlich der restlichen 3.479,41 EUR ist der Erstattungsanspruch nicht durch diese Überweisung erloschen.
Der Erstattungsanspruch stand dem Kläger nur zur Hälfte zu. Nach § 37 Abs. 2 AO ist erstattungsberechtigt derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. Das ist nicht derjenige, auf dessen Kosten die Zahlung erfolgt ist. Es kommt daher nicht darauf an, von wem und mit wessen Mitteln gezahlt worden ist, sondern nur darauf, wessen Steuerschuld nach dem Willen des Zahlenden, wie er im Zeitpunkt der Zahlung der Behörde gegenüber erkennbar hervorgetreten ist, getilgt werden sollte (Bundesfinanzhof - BFH -, Urteil vom 30. September 2008 VII R 18/08, BStBl II 2009, 38, 39). Das gilt auch für den Fall, dass mehrere Personen als Gesamtschuldner die überzahlte Steuer schuldeten, wie es bei zusammen veranlagten Ehegatten hinsichtlich der Einkommensteuer und der daran anknüpfenden Steuern der Fall ist (§ 26b des Einkommensteuergesetzes - EStG -,§ 44 Abs. 1 AO). Auch in diesem Fall steht der Erstattungsanspruch demjenigen Ehegatten zu, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist. In Ermangelung entgegenstehender ausdrücklicher Absichtsbekundungen kann die Finanzbehörde als Zahlungsempfänger, solange die Ehe besteht und die Ehegatten nicht dauernd getrennt leben, davon ausgehen, dass derjenige Ehegatte, der die Zahlung auf die gemeinsame Steuerschuld bewirkt, mit seiner Zahlung auch die Steuerschuld des anderen mit ihm zusammen veranlagten Ehegatten begleichen will (BFH-Urteil in BStBl II 2009, 38, 39). Soweit im Zeitpunkt der Zahlung Anhaltspunkte für eine bestimmte andere Tilgungsabsicht des zahlenden Ehegatten fehlen, ist davon auszugehen, dass die Zahlung der Einkommensteuer für Rechnung beider Ehegatten als Gesamtschuldner bewirkt worden ist. Das hat zur Folge, dass im Fall einer durch die Anrechnung der Vorauszahlungen auf die festgesetzte Steuer entstandenen Überzahlung beide Ehegatten nach § 37 Abs. 2 AO erstattungsberechtigt sind. Der Erstattungsbetrag ist dann zwischen ihnen nach Köpfen aufzuteilen (BFH-Urteil in BStBl II 2009, 38, 39). Dies gilt auch dann, wenn die Vorauszahlungen nur auf Einkünften eines der Ehegatten beruhten und sie ausschließlich von dessen Bankkonto geleistet wurden (BFH-Beschlüsse vom 4. November 2003 VII B 382/02, BFH/NV 2004, 314 sowie vom 16. Mai 2008 VII B 118/07, BFH/NV 2008, 1440). Deshalb kann es auch nicht darauf ankommen, dass der Vorauszahlungsbescheid vom 28. April 2004 nur an den Kläger gerichtet war.
Anders als das beklagte Finanzamt meint, konnte das Finanzamt "N-Stadt"t hinsichtlich des dem Kläger zustehenden hälftigen Anteils an dem Erstattungsanspruch nicht mit befreiender Wirkung auf das Konto Nr. "002" bei der "E-Bank" überweisen. In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung haben der Kläger und seine Ehefrau die Auszahlung eines etwaigen Erstattungsbetrags auf das dem Kläger zustehende Konto bei der "E-Bank" beantragt. Auf Grund dieser ausdrücklichen Anweisung beider Ehegatten in der gemeinsamen Einkommensteuererklärung, einen Erstattungsbetrag auf das Konto des Klägers bei der "E-Bank" zu überweisen, durfte das Finanzamt "N-Stadt" den dem Kläger zur Hälfte zustehenden Erstattungsbetrag nicht auf ein anderes Konto leisten. Die schuldbefreiende Wirkung nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG konnte mit dieser Überweisung nicht eintreten, weil dem Finanzamt "N-Stadt" bekannt war, dass die Ehegatten den Erstattungsbetrag auf das Konto des Klägers überwiesen haben wollten. Damit war die gesetzliche Vermutung, dass sich die Ehegatten gegenseitig zur Empfangnahme des Erstattungsbetrages ermächtigen, widerlegt (BFH-Urteil vom 5. April 1990 VII R 2/89, BStBl II 1990, 719). Die Befugnis zu einer von der angegebenen Bankverbindung abweichenden Auszahlung kann auch nicht aus § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG hergeleitet werden. Mit dieser Vorschrift soll aus Gründen der Arbeitserleichterung der Finanzbehörde lediglich erspart werden, den materiell erstattungsberechtigten Ehegatten festzustellen. Die Bestimmung ermächtigt nicht dazu, bei der Auszahlung von einer ihm ausdrücklich benannten und auf einen Ehegatten beschränkten Einziehungsermächtigung abzuweichen (BFH-Urteil in BStBl II 1990, 719).
Vor dem Hintergrund der ausdrücklichen Anweisung beider Ehegatten in der Steuererklärung kann sich das beklagte Finanzamt nicht mit Erfolg auf die hiervon abweichende Erklärung der Ehefrau des Klägers vom 10. Januar 2006 berufen. Da der Kläger die Unterschrift unter dieser Erklärung nicht als von ihm stammend anerkennt und die Echtheit der Unterschrift in Abrede stellt, ist ihm der Inhalt der Erklärung nicht zuzurechnen (§ 440 Abs. 1 der Zivilprozessordnung - ZPO -). Das beklagte Finanzamt hat nicht substantiiert bestritten, dass die zweite Unterschrift unter der Erklärung vom 10. Januar 2006 gefälscht worden ist. Hieran besteht nach Überzeugung des Senats auch kein Zweifel. Ein Vergleich der zweiten Unterschrift unter die Erklärung vom 10. Januar 2006 mit der Unterschrift des Klägers unter die am 30. Dezember 2005 eingereichte Steuererklärung lässt deutlich erkennen, dass der Schriftzug der Unterschrift des Klägers völlig anders ist als derjenige, der unter die Erklärung seiner Ehefrau angebracht worden ist. Die einzelnen Buchstaben weisen überdies nicht die für die Unterschrift des Klägers typische Neigung auf.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen. Insbesondere hat die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil die entscheidungserheblichen Rechtsfragen durch die Rechtsprechung des BFH bereits geklärt sind.