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Steuerrecht
18.10.2018
Steuerrecht
FG Hamburg: Keine abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus Billigkeitsgründen für Eigentumsübergänge auf die Verwahrstelle vor Geltung des § 100a KAGB

FG Hamburg, Urteil vom 12.6.20183 K 266/17

Volltext BB-Online BBL2018-2517-1

Leitsätze

1. Billigkeitsmaßnahmen gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen. Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, vermag keine sachliche Unbilligkeit zu begründen.

2. Die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes kann nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen den betreffenden Steuerbescheid geltend gemacht werden und rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme.

3. Indem der Gesetzgeber den in § 100 Abs. 1 KAGB angeordneten Übergang des Eigentums an einem zu einem Immobilien-Sondervermögen gehörenden Grundstück auf die Verwahrstelle nach § 100a Abs. 1 S. 1 i. V. m. § 357 KAGB nur mit Wirkung ab dem 31.12.2015 von der Grunderwerbsteuer befreit hat, hat er die Besteuerung der vor diesem Zeitpunkt verwirklichten Eigentumsübergänge bewusst in Kauf genommen. Im Billigkeitswege kann diese gesetzgeberische Entscheidung weder auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin überprüft noch unterlaufen werden.

§ 163 AO, § 121 Abs 1 AO, § 1 Abs 1 Nr 3 GrEStG 1997, § 100 Abs 1 KAGB, § 100a Abs 1 S 1 KAGB, § 357 KAGB, § 39 Abs 1 InvG

Sachverhalt

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen verpflichtet ist.

Die A ... AG (im Folgenden: A-AG) verwaltete als Kapitalanlagegesellschaft im Sinne des Investmentgesetzes (InvG) das Immobilien-Sondervermögen "XXX", das im Eigentum der B ... stand. Nach dem Depotbankvertrag vom ... 2011 war die Klägerin als Depotbank für dieses Sondervermögen bestellt.

Da der Fonds wegen erheblicher Kapitalabflüsse geschlossen werden musste, erklärte die A-AG am 20.11.2012 mit Wirkung zum 21.11.2015 die Kündigung des Verwaltungsvertrages.

Das Finanzamt C stellte mit Bescheid vom 04.05.2016 gemäß § 17 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die Besteuerungsgrundlagen für den am 21.11.2015 nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklichten Übergang des Eigentums an den von der A-AG verwalteten Grundstücken auf die Klägerin als Verwahrstelle fest, u. a. an dem im D-Ring ... in Hamburg-1 belegenen Grundstück.

Die Klägerin veräußerte dieses Grundstück im Mai 2016 zum Preis von ... €.

Mit Bescheid vom 29.09.2016 stellte der Beklagte den Grundbesitzwert für das Grundstück im D-Ring auf den 21.11.2015 auf ... € fest. Durch Bescheid vom 14.03.2017 wurde die Grunderwerbsteuer für die Vermögensübertragung vom 21.11.2015 zunächst auf ... € festgesetzt. Nachdem der Grundbesitzwert durch Änderungsbescheid vom 02.06.2017 niedriger auf ... € festgestellt worden war, erließ der Beklagte am 15.06.2017 einen entsprechend geänderten Grunderwerbsteuerbescheid, in dem die Steuer auf ... € herabgesetzt wurde.

Mit Schreiben vom 13.07.2016 beantragte die Klägerin beim Beklagten die abweichende Festsetzung der Grunderwerbsteuer aus sachlichen Billigkeitsgründen in der Weise, dass eine vollständige Steuerbefreiung gewährt werde. Zur Begründung führte sie aus, dass der nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG steuerbare Erwerbsvorgang nach der durch Gesetz vom 21.12.2015 (BGBl I 2015, 2531) eingefügten Bestimmung des § 100a Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) von der Grunderwerbsteuer befreit wäre. Von dieser gesetzlichen Neuregelung seien zwar nur Übertragungen ab dem 01.01.2016 betroffen. Doch liege der vom Gesetzgeber als nicht sachgerecht eingestufte zweimalige Anfall von Grunderwerbsteuer - einmal für den Eigentumsübergang auf die Verwahrstelle und abermals für die Veräußerung durch die Verwahrstelle - auch vor bei Übertragungen vor diesem Zeitpunkt, der allein aus organisatorischen Gründen gewählt worden sei. Dies sei auch aus verfassungsrechtlicher Sicht bedenklich, zumal der steuerbare Eigentumsübergang auf sie, die Klägerin, nicht mit einem wirtschaftlichen Vorteil oder einer höheren Leistungsfähigkeit verbunden gewesen sei.

Der Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23.01.2017 ab. Ein Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit der Besteuerung komme nur in Betracht, wenn der Gesetzgeber die zu entscheidende Frage, hätte er sie geregelt, im Sinne des begehrten Erlasses entschieden hätte. Vorliegend habe der Gesetzgeber etwaige Härten bei Schaffung der Übergangsregelung jedoch gesehen und bewusst in Kauf genommen, da er den in der Zukunft liegenden Übergangstag auch für bereits in Abwicklung befindliche Fälle festgelegt habe. Zudem sei die sachliche (Un-) Billigkeit nach der bei Entstehung der Steuerschuld maßgeblichen gesetzlichen Grundlage zu prüfen. Dass eine Steuererleichterung keine Anwendung finde, weil der maßgebende Tatbestand vor deren Inkrafttreten verwirklicht worden sei, führe nicht zu einer Unbilligkeit. Im Übrigen sei der mehrfache Anfall von Grunderwerbsteuer bzgl. desselben Objektes vom Gesetzgeber im Grundsatz sogar gewollt, wie sich aus § 1 Abs. 6 GrEStG ergebe. Verfassungsrechtliche Fragen könne das Finanzamt nicht im Erlasswege entscheiden. Davon abgesehen sei die Befreiungsvorschrift im Hinblick auf die restriktiv geregelten Anzeigepflichten auch in Fällen nach dem 31.12.2015 zuweilen nicht anwendbar, woraus deutlich werde, dass der Gesetzgeber die Steuerpflicht trotz fehlenden Leistungsaustausches nicht per se als unbillig ansehe.

Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 20.02.2017 Einspruch ein. Dass der Gesetzgeber für Übertragungen vor dem 31.12.2015 keine Übergangsregelung getroffen habe, sei allein der Eile im Gesetzgebungsverfahren geschuldet gewesen. Der gesetzgeberische Wille, Doppelbelastungen mit Grunderwerbsteuer zu vermeiden, komme ungeachtet dessen zum Ausdruck, wie im Übrigen auch in der vom Beklagten angeführten Regelung in § 1 Abs. 6 GrEStG; Übertragungsvorgänge ohne Mehrwert für die Beteiligten sollten danach nicht der Grunderwerbsteuer unterliegen. Dass es auch nach der Einführung des § 100a KAGB zu Doppelbelastungen kommen könne, ändere daran nichts. In diesen Fällen basiere die Besteuerung nämlich nicht allein und unmittelbar auf der gesetzlichen Anordnung der Grundstücksübertragung auf die Verwahrstelle, sondern auf dem Verhalten des Steuerpflichtigen.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 26.10.2017 als unbegründet zurück. Es bestünden weder persönliche noch sachliche Billigkeitsgründe, die eine abweichende Steuerfestsetzung rechtfertigen könnten. Vor Geltung der gemäß § 357 KAGB erst mit Wirkung vom 31.12.2015 anwendbaren Befreiungsvorschrift des § 100a KAGB sei für vergleichbare Vorgänge regelmäßig zweimal Grunderwerbsteuer angefallen, nämlich zuerst beim Übergang des Sondervermögens von der Kapitalverwaltungsgesellschaft auf die Verwahrstelle - einem nach § 19 GrEStG anzeigepflichtigen Vorgang - und anschließend bei der Abwicklung des Sondervermögens durch die Verwahrstelle. Der Gesetzgeber habe von einer Ausweitung der Befreiung nach § 100a KAGB auf alle seinerzeit noch offenen Fälle abgesehen (vgl. BT-Drs. 18/6667) und etwaige damit verbundene Härten bewusst in Kauf genommen. Dies werde auch daran deutlich, dass nicht alle Fälle der Abwicklung hätten befreit werden sollen, denn die Befreiung sei ausdrücklich an die - hier nicht vorliegende - Einhaltung der Anzeigefrist gekoppelt worden. Ebenso seien freiwillige Kündigungen durch die Kapitalanlagegesellschaft und Übertragungen der Verwaltung des Sondervermögens auf andere Kapitalanlagegesellschaften von der Befreiung ausgeschlossen worden. Die Anwendung des § 1 Abs. 6 GrEStG scheide ebenfalls aus, da es an einer Erwerberidentität fehle.

Die Klägerin hat am 21.11.2017 Klage erhoben. Sie trägt vor:

Durch den in § 100 Abs. 1 KAGB gesetzlich angeordneten Übergang des Eigentums an Grundstücken des Sondervermögens von der Kapitalverwaltungsgesellschaft auf die Verwahrstelle werde der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG verwirklicht. Der Übergang diene der ordnungsgemäßen Abwicklung des Sondervermögens, zu der die Verwahrstelle gesetzlich verpflichtet sei. Eine sich anschließende Veräußerung des Grundstücks unterliege nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer.

Auf diese missliche Rechtslage habe der Gesetzgeber durch Schaffung des § 100a KAGB reagiert, der den hier vorliegenden Sachverhalt erfasse. Doch seien die Voraussetzungen der Übergangsvorschrift des § 357 KAGB hier nicht erfüllt, weil der Eigentumsübergang auf sie, die Klägerin, bereits vor dem 31.12.2015 stattgefunden habe.

Eine Billigkeitsprüfung nach § 163 der Abgabenordnung (AO) erfordere eine Gesamtbetrachtung aller Normen, die für die Entstehung des Steueranspruchs im konkreten Fall maßgeblich und von ihr, der Klägerin, auch vorgetragen worden seien. Dieser Anforderung genügten der Ablehnungsbescheid und die Einspruchsentscheidung des Beklagten nicht.

Darüber hinaus habe der Beklagte das Ermessen falsch ausgeübt. Entgegen der Auffassung des Beklagten sei der Umstand, dass Vorgänge vor dem 31.12.2015 nicht von der Anwendung des § 100a KAGB erfasst würden, kein Zeichen dafür, dass der Gesetzgeber in diesen Fällen eine doppelte Belastung mit Grunderwerbsteuer habe in Kauf nehmen wollen. Die Vorschrift sei während des laufenden Gesetzgebungsverfahrens sehr kurzfristig, nämlich erst zwei Wochen vor Abschluss des Verfahrens, eingeführt worden. Um Altfälle zu erfassen, hätte man regeln müssen, wie mit der Anzeigepflicht nach Satz 5 der Vorschrift zu verfahren wäre, die naturgemäß nicht habe erfüllt werden können.

Bereits im vorhergehenden Gesetzgebungsverfahren im Jahr 2013 habe der Gesetzgeber ausdrücklich erklärt, Doppelbesteuerungen wie die hier vorliegende vermeiden zu wollen (vgl. BT-Drs. 17/13562). Diesen gesetzgeberischen Willen hätte der Beklagte bei seiner Ermessensentscheidung berücksichtigen müssen.

Der Gesetzgeber habe auch in anderen Fällen Regelungen getroffen, um den Anfall doppelter Grunderwerbsteuer für ein und dasselbe Grundstück zu vermeiden, so etwa in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 GrEStG, § 67 Abs. 1 LwAnpG, § 34 Abs. 3 VermG, § 10 Abs. 1 PostUmwG und § 6 Abs. 3 EnWG. In all diesen Fällen gehe es, wie hier, um gesetzliche Umstrukturierungen und Vermögensübergänge, die sich ohne Zutun des Erwerbers realisierten.

Zudem sei der Übergang des Sondervermögens auf die Depotbank nur aus Gründen des Anlegerschutzes angeordnet worden und führe nicht zu einer Vermögensmehrung bei der Depotbank. Dem Zweck des Anlegerschutzes liefe es zuwider, wenn das Sondervermögen und damit wirtschaftlich die Anleger mit Grunderwerbsteuer für den Übergang auf die Depotbank belastet würden. Daher sei anzunehmen, dass der Gesetzgeber, hätte er diesen Fall im Auge gehabt, im Rahmen der Steuerfreistellung nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 GrEStG auch den Fall des gesetzlichen Übergangs der Immobilie eines Sondervermögens auf die Depotbank aus Gründen des übergeordneten Anlegerschutzes erfasst hätte.

Ferner verletze der Beklagte die aus § 85 AO folgende Verpflichtung zur gleichmäßigen Steuerfestsetzung und zur Gleichbehandlung nach Art. 3 des Grundgesetzes (GG). Nach § 100a KAGB sei der Eigentumsübergang auf die Verwahrstelle nur dann von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn es der Kapitalanlagegesellschaft gelinge, die Immobilie innerhalb der dreijährigen Kündigungsfrist zu veräußern, was insbesondere von der Marktlage abhänge. Ein rechtfertigender Grund für die unterschiedliche Behandlung von Anlegern durch diese allein dem Anlegerschutz dienende Regelung sei nicht ersichtlich.

Ebenso wenig sei nachvollziehbar, warum Vorgänge bis zum 31.12.2015 nach § 357 KAGB anders behandelt werden sollten als solche ab dem 01.01.2016. Der Gesetzgeber habe die Wahl dieses Datums nicht begründet und den Zeitpunkt offenbar willkürlich gewählt, was ebenfalls einen Verstoß gegen Art. 3 GG beinhalte. Dies gelte im vorliegenden Fall, in dem sich der Eigentumsübergang erst wenige Wochen vor Geltung der Befreiungsvorschrift vollzogen habe, umso mehr.

Unabhängig davon, ob der Tatbestand des § 100a KAGB erfüllt sei oder nicht, müsse die darin liegende Wertung des Gesetzgebers in eine Billigkeitsentscheidung einfließen.

Schließlich sei der Eigentumserwerb für sie, die Klägerin, mit keinerlei wirtschaftlichem Vorteil verbunden gewesen. Der Verwertungserlös habe vollumfänglich an die Fondsanleger weitergegeben werden müssen. Mit der Vorschrift des § 1 Abs. 6 GrEStG habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass Übertragungsvorgänge ohne Mehrwert nicht der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen seien. Dieser gesetzgeberische Wille sei auch im vorliegenden Fall zu berücksichtigen. Auch nach der Rechtsprechung des BFH sei die Erhebung von Grunderwerbsteuer sachlich unbillig, wenn der Erwerber den Grundstückserwerb weder wirtschaftlich noch rechtlich gewollt habe (vgl. BFH-Urteil vom 07.07.2004 II R 3/02).

Demnach sei das Ermessen des Beklagten auf Null reduziert und die Herabsetzung der Grunderwerbsteuer auf 0,00 € die einzig ermessensgerechte Entscheidung. Läge keine Ermessensreduzierung auf Null vor, wäre der Beklagte zur erneuten Ermessensausübung verpflichtet.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 23.01.2017 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26.10.2017 zu verpflichten, die mit Bescheid vom 15.06.2017 festgesetzte Grunderwerbsteuer im Billigkeitswege auf 0,00 € festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte nimmt zur Begründung auf die Einspruchsentscheidung Bezug und trägt ergänzend vor, dass die getroffene Ermessensentscheidung in Gestalt der Einspruchsentscheidung keinen Ermessensfehler aufweise.

So sei ihm, dem Beklagten, keine Ermessensüber- oder -unterschreitung zur Last zu legen. Er habe das ihm eingeräumte Ermessen ausgeübt, eine gesetzlich mögliche Rechtsfolge gewählt und den Sachverhalt hinreichend aufgeklärt und gewürdigt. Dabei habe er sich detailliert mit einzelnen Aspekten des Gesetzgebungsverfahrens, der Übergangsvorschriften und der BFH-Rechtsprechung befasst.

Ebenso wenig sei es zu einem Ermessensfehlgebrauch gekommen. Der Gesetzgeber habe bei Schaffung der Übergangsregelung bewusst in Kauf genommen, dass es Fälle gegeben habe, die von der Steuerbefreiung nicht erfasst würden.

Die Grunderwerbsteuer knüpfe als Rechtsverkehrsteuer an jede Rechtsänderung am Grundstück an. Mehrere Eigentumsübergänge am selben Grundstück könnten insbesondere bei unterschiedlichen Erwerbern selbstverständlich mehrfach besteuert werden; § 1 Abs. 6 GrEStG sei dann nicht anwendbar.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das Ermessen nicht auf Null reduziert gewesen. Im Streitfall liege keine einzelfallspezifische Konstellation vor, sondern ein Eigentumsübergang auf eine Verwahrstelle vor einer Gesetzesänderung.

Angesichts des ausführlichen vorprozessualen Schriftwechsels sei ein Begründungsmangel nicht ersichtlich.

Auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 12.06.2018 wird Bezug genommen.

Dem Gericht hat ein Band Grunderwerbsteuer-Akten vorgelegen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Die Ablehnung der abweichenden Steuerfestsetzung durch den Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Der Beklagte ist weder zu einer abweichenden Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen noch zu einer erneuten Bescheidung der Klägerin verpflichtet (§ 101 Sätze 1 und 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

1. a) Gemäß 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, können bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre.

b) Die Entscheidung über die Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO ist eine Ermessensentscheidung, die gerichtlich nur in den von § 102 FGO gezogenen Grenzen überprüft werden kann. Die gerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (BFH-Urteile vom 23.02.2017 III R 35/14, BStBl II 2017, 757; vom 04.06.2014 I R 21/13, BStBl II 2015, 293). Nur ausnahmsweise kann das Gericht eine Verpflichtung zur abweichenden Steuerfestsetzung aussprechen (§ 101 Satz 1 FGO), wenn der Ermessensspielraum so eingeengt ist, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht sein kann (sog. Ermessensreduzierung auf Null; BFH-Urteile vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11; vom 26.08.2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401).

c) Der Rahmen des pflichtgemäßen Ermessens wird durch den Begriff "unbillig" i. S. des § 163 AO abgegrenzt (vgl. Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603). Die Unbilligkeit im Sinne dieser Vorschrift kann in der Sache liegen oder ihren Grund in der wirtschaftlichen Lage des Steuerpflichtigen haben (BFH-Urteil vom 21.10.2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Die Kriterien hierfür sind im Regelungsbereich des § 163 AO dieselben wie im Rahmen des § 227 AO, weil sich diese beiden Billigkeitsvorschriften im Wesentlichen nur in der Rechtsfolgeanordnung, nicht aber in den tatbestandsmäßigen Voraussetzungen unterscheiden (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11).

2. Im Streitfall liegen weder sachliche noch persönliche Gründe für eine Unbilligkeit der Steuererhebung vor. Der Beklagte hat das ihm eröffnete Ermessen erkannt und fehlerfrei ausgeübt.

a) In der wirtschaftlichen Situation der Klägerin liegende (persönliche) Billigkeitsgründe sind im Streitfall nicht geltend gemacht worden und auch nicht ersichtlich.

b) Eine sachliche Unbilligkeit der Grunderwerbsteuerfestsetzung liegt ebenso wenig vor.

aa) aaa) Sachlich unbillig ist die Erhebung einer Steuer dann, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage - wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte - im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (BFH-Urteile vom 23.08.2017 I R 80/15, BStBl II 2018, 141; vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11). Billigkeitsmaßnahmen dienen der Anpassung des steuerrechtlichen Ergebnisses an die Besonderheiten des Einzelfalls, um Rechtsfolgen auszugleichen, die das Ziel der typisierenden gesetzlichen Vorschrift verfehlen und deshalb ungerecht erscheinen. Sie gleichen Härten im Einzelfall aus, die der steuerrechtlichen Wertentscheidung des Gesetzgebers nicht entsprechen und damit zu einem vom Gesetzgeber nicht gewollten Ergebnis führen (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 28.11.2016 GrS 1/15, BStBl II 2017, 393; BFH-Beschluss vom 30.08.2017 II B 16/17, BFH/NV 2017, 1611).

bbb) Eine Billigkeitsentscheidung darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (BFH-Urteil vom 21.08.2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11). Eine für den Steuerpflichtigen ungünstige Rechtsfolge, die der Gesetzgeber bewusst angeordnet oder in Kauf genommen hat, bzw. typische, den gesetzgeberischen Vorstellungen von einer gesetzlichen Regelung entsprechende Folgen vermögen keine sachliche Unbilligkeit zu begründen (BVerfG-Beschluss vom 28.02.2017 1 BvR 1103/15, HFR 2017, 544; BFH-Urteile vom 23.08.2017 I R 80/15, BStBl II 2018, 141; vom 21.09.2016 I R 65/14, BFH/NV 2017, 267).

ccc) Mit Billigkeitsmaßnahmen darf dementsprechend nicht die Geltung des ganzen Gesetzes unterlaufen werden. Müssten notwendige Billigkeitsmaßnahmen ein derartiges Ausmaß erreichen, dass sie die allgemeine Geltung des Gesetzes aufhöben, wäre das Gesetz als solches verfassungswidrig. Dies kann nur in dem dafür vorgesehenen Verfahren gegen den betreffenden Steuerbescheid geltend gemacht werden und rechtfertigt keine Billigkeitsmaßnahme (BVerfG-Beschlüsse vom 28.02.2017 1 BvR 1103/15, HFR 2017, 544; vom 11.05.2015 1 BvR 741/14, HFR 2015, 882). Diejenigen Fragen, welche die abstrakt-generelle Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes betreffen, sind daher zu unterscheiden von jenen, welche die Unbilligkeit im konkret-individuellen Einzelfall betreffen. Nur letztere sind im finanzbehördlichen und fachgerichtlichen Billigkeitsverfahren zu prüfen und zu entscheiden (BVerfG-Beschluss vom 11.05.2015 1 BvR 741/14, HFR 2015, 882).

bb) Im Streitfall hat der Beklagte eine abweichende Festsetzung der Steuern aus Billigkeitsgründen zu Recht abgelehnt, weil die Steuererhebung sachlich nicht unbillig ist.

aaa) (1) Nach der bis zum 21.07.2013 geltenden Regelung des § 39 Abs. 1 InvG ging, wenn das Recht der Kapitalanlagegesellschaft, ein Sondervermögen zu verwalten, erlosch, das Eigentum am Sondervermögen von der Kapitalanlagegesellschaft auf die Depotbank über. Stand das Sondervermögen im Miteigentum der Anleger, ging das Verfügungsrecht auf die Depotbank über. Die Depotbank hatte das Sondervermögen gemäß Abs. 2 der Vorschrift abzuwickeln und an die Anleger zu verteilen. Das Recht der Kapitalanlagegesellschaft zur Verwaltung des Sondervermögens erlosch u. a. gemäß § 38 Abs. 1 InvG durch Kündigung des Verwaltungsrechts. Die Vorschrift wurde durch die inhaltsgleiche, ab dem 22.07.2013 geltende Regelung des § 100 KAGB abgelöst (in der die Depotbank nunmehr als Verwahrstelle und die Kapitalanlagegesellschaft als Kapitalverwaltungsgesellschaft bezeichnet werden).

(2) Nach der durch Gesetz vom 21.12.2015 (BGBl I 2015, 2531) eingeführten Bestimmung des § 100a Abs. 1 Satz 1 KAGB werden Erwerbsvorgänge i. S. des § 1 GrEStG, die sich aus dem Übergang eines Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle gemäß § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB ergeben, - unter weiteren, in Satz 3 der Vorschrift geregelten Voraussetzungen - von der Grunderwerbsteuer befreit, wenn sie fristgerecht und vollständig i. S. der §§ 18 bis 20 GrEStG angezeigt werden. Die Befreiung entfällt rückwirkend für Grundstücke, die von der Verwahrstelle nicht innerhalb von drei Jahren durch einen der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang veräußert oder übertragen werden (Satz 4 der Vorschrift).

Da § 39 Abs. 1 InvG einen Eigentumswechsel kraft Gesetzes vorsah, wurde, wenn sich ein Grundstück im Sondervermögen befand, der die Grunderwerbsteuer auslösende Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG ausgelöst. Die Veräußerung des Grundstücks im Rahmen der Abwicklung des Sondervermögens führte zu einem abermaligen Anfall von Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG. Durch die Einführung des § 100a KAGB sollte erreicht werden, dass zumindest für inländische Grundstücke die Grunderwerbsteuer nur einmal anfällt, um eine weitere Belastung der Anleger zu vermeiden (BT-Drs. 18/6667, S. 23).

(3) Gemäß § 357 Satz 1 KAGB ist § 100a KAGB mit Wirkung vom 31.12.2015 anzuwenden. Das gilt nach Satz 2 der Vorschrift auch für Fälle des § 39 Abs. 1 InvG, sofern der Übergang des Immobilien-Sondervermögens auf die Verwahrstelle erst ab dem 31.12.2015 erfolgt ist.

bbb) (1) Soweit die Klägerin geltend macht, dass der Gesetzgeber den doppelten Anfall von Grunderwerbsteuer aus Gründen des Anlegerschutzes und wegen des fehlenden wirtschaftlichen Vorteils in Fällen wie dem vorliegenden an sich hätte vermeiden müssen und wollen, wendet sie sich gegen die vom Gesetz gemäß § 39 Abs. 1 InvG (bzw. jetzt § 100 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GrEStG generell angeordnete Grunderwerbsteuerbarkeit des Übergangs von Immobilien-Sondervermögen auf eine Verwahrstelle und macht keine Unbilligkeit der Gesetzesanwendung im Einzelfall geltend. Dieser Einwand wäre allenfalls im Rahmen der Steuerfestsetzung bzw. der Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zu würdigen, sei es bei der Prüfung einer einschränkenden Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen oder einer analogen Anwendung einer Befreiungsvorschrift, sei es im Rahmen der verfassungsrechtlichen Überprüfung des Gesetzes. Einer Billigkeitsentscheidung ist diese Argumentation hingegen nicht zugänglich.

(2) Vor allem aber nahm der Gesetzgeber dadurch, dass er die Befreiungsvorschrift des § 100a KAGB gemäß § 357 KAGB erst für Übertragungen von Sondervermögen ab dem 31.12.2015 für anwendbar erklärte, die Nichtanwendung der Befreiung und damit die zweimalige Entstehung von Grunderwerbsteuer entsprechend der zuvor geltenden Rechtslage für vor diesem Zeitpunkt verwirklichte Erwerbsvorgänge im Umkehrschluss bewusst in Kauf. Dieser ausdrückliche gesetzgeberische Wille kann durch eine Billigkeitsentscheidung nicht unterlaufen werden. Die nach Ansicht der Klägerin bestehende Verfassungswidrigkeit dieser Übergangsregelung wegen der Ungleichbehandlung innerhalb der Geltung des § 100a KAGB hätte die Klägerin ebenfalls im Rahmen der Steuerfestsetzung geltend machen müssen; im Rahmen eines Billigkeitsverfahrens kann sie hiermit nicht durchdringen.

c) Der Beklagte hat den Ablehnungsbescheid auch ausreichend begründet.

aa) Die in § 121 Abs. 1 AO vorgeschriebene Begründung eines Verwaltungsaktes erfordert bei einer ablehnenden Entscheidung nach § 163 AO, dass die Behörde hinreichend deutlich macht, aus welchen Gründen sie die Billigkeitsentscheidung abgelehnt hat (BFH-Urteil vom 20.04.1988 I R 197/84, BStBl II 1988, 983).

bb) Der Beklagte hat sowohl in dem Ablehnungsbescheid vom 23.01.2017 als auch in der Einspruchsentscheidung (§ 126 Abs. 1 Nr. 2 AO) ausführlich erläutert, dass er die Billigkeitsmaßnahme wegen der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, Fälle wie den vorliegenden nicht in den zeitlichen Anwendungsbereich des § 100a KAGB zu nehmen, abgelehnt hat.

II.

1. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

2. Gründe, die Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, liegen nicht vor.

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