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Steuerrecht
17.11.2011
Steuerrecht
FG Münster: Keine Tarifermäßigung für Umsatzsteuererstattung

FG Münster, Urteil vom 20.10.2011 - 6 K 2201/09 F

Sachverhalt

Streitig ist, ob für Umsatzsteuer(USt)-Erstattungen für die Jahre 1996 bis einschließlich 2002, welche auf Grund einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshof (EuGH) aus dem Jahr 2005 im Jahr 2005 zu aktivieren sind, die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu gewähren ist.

Die Klägerin (Klin.) ist eine Personengesellschaft in der Rechtsform einer Kommanditgesellschaft (KG). Sie hat ihren Geschäftsbetrieb zum 02.01.2003 begonnen, nachdem sie durch Formwechsel nach dem Umwandlungsgesetz aus der A GmbH mit Sitz in B (Amtsgericht B HRB ) hervorgegangen ist. Die Klin. ist zudem Gesamtrechtsnachfolgerin der Einzelunternehmen der Herren C und D A, welche ihre jeweiligen Einzelunternehmen mit Einbringungsverträgen vom 02. Jan. 2003 nach dem Umwandlungsgesetz gegen Gewährung von Gesellschafterrechten in die Klin. eingebracht haben. Die Klägerin betreibt Geldspielautomaten.

Der Beklagte (Bekl.) hat den Betrieb der Klin. und ihrer Gesamtrechtsvorgänger hinsichtlich der Geldspielautomaten bis zu einer Entscheidung des EuGH vom 17.02.2005 (RSt-453/02 und C-462/02) in Verbindung mit dem Urteil des BFH vom 12.05.2005 (BStBl 2005 II 617) als umsatzsteuerpflichtig behandelt. Mit Urteil vom 12.05.2005 hat der BFH im Anschluss an das EuGH-Urteil vom 17.02.2005 entschieden, dass sich ein Aufsteller von Geldspielautomaten in dem Sinne auf die Steuerfreiheit seiner Umsätze nach Art. 13 Teil B Buchst. F der Richtlinie 77/388/EWG berufen kann, dass § 4 Nr. 9 b UStG keine Anwendung findet. Die Klin. und ihre Rechtsvorgänger hatten gegen die USt-Festsetzungen der Jahre 1996 bis einschließlich 2002 jeweils Einspruch erhoben, so dass die Steuerfestsetzungen zum Zeitpunkt der genannten Gerichtsentscheidungen noch nicht bestandskräftig waren. Das Bundesministerium der Finanzen hat am 05.07.2006 ein Schreiben zu der Umsetzung der genannten Entscheidungen erlassen (IV B 2-S 2141-7/06), wonach die aus den Entscheidungen folgenden Umsatzsteuererstattungen erstmals in den Schlussbilanzen des ersten nach dem Datum der Gerichtsentscheidungen endenden Wirtschaftsjahres zu aktivieren seien. Für davor liegende Wirtschaftjahre dürfe die Forderung als bestrittene Forderung nicht aktiviert werden. Entsprechend dem BMF-Schreiben vom 05.07.2006 (IV B 2-S 2141-7/06) aktivierte die Klin. im Jahr 2005 die auf Grund der Rechtsprechungsänderung zu erwartenden USt-Erstattungen für die Jahre 1996 bis 2002 in Höhe von insgesamt 512.015 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von insgesamt 183.408,42 EUR. Im Rahmen der einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte des Jahres 2005 beantragte die Klin. für den Gesamtbetrag in Höhe von 695.423,42 EUR die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu gewähren.

Mit Bescheid vom 10.07.2007 stellte der Bekl. den Gewinn aus Gewerbebetrieb der Klin. für 2005 auf insgesamt 949.266,72 EUR fest und gewährte antragsgemäß die Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in Höhe von insgesamt 695.423,42 EUR.

In der Zeit vom 15.10.2007 bis zum 04.12.2007 fand sodann bei der Klin. eine Betriebsprüfung (Bp) statt, welche auch die USt und die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften der Jahre 2003 bis 2005 zum Gegenstand hatte. Im Rahmen der Bp vertrat der Bekl. die Auffassung, dass die beantragte Tarifbegünstigung mit Bescheid vom 10.07.2007 zu Unrecht gewährt worden sei. Im Bp-Bericht vom 11.02.2008 führt der Bekl. diesbezüglich aus, dass eine Tarifermäßigung nach § 34 EStG bei Steuerpflichtigen, welche ihren Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG ermitteln würden, nicht in Betracht käme. Im Übrigen sei in der Steuererstattung keine Vergütung für eine Tätigkeit zu sehen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bp-Bericht vom 11.02.2008 verwiesen.

Mit Bescheid vom 03.03.2008 änderte der Bekl. die einheitliche und gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen der Klin. für 2005 dahingehend, dass die Tarifer-mäßigung nicht mehr gewährt wurde. Gegen diesen Bescheid legte die Klin. mit Schreiben vom 04.04.2008 Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, dass sie die Steuererstattungen für mehrere Jahre auf Grund des BMF-Schreibens vom 05.07.2006 zwingend im Jahr 2005 hätte aktivieren müssen. Insofern sei eine Zusammenballung von Einkünften gegeben. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Einspruchsbegründung vom 11.04.2008 verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung (EE) vom 25.05.2009 wies der Bekl. den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es sich bei der USt-Erstattung um keine Vergütung i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG handele. Die Erfassung der USt-Erstattung sei im Übrigen in dem BMF-Schreiben abschließend geregelt. Eine Tarifermäßigung sei hier nicht vorgesehen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die EE vom 25.05.2009 verwiesen.

Mit der am 26.06.2009 erhobenen Klage verfolgt die Klin. ihr Begehren zur Anwendung der Tarifermäßigung weiter. Sie ist der Auffassung, dass es sich bei der Steuererstattung um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG handele. Der BFH habe entschieden, dass die USt in den vorangegangenen Jahren zu Unrecht erhoben worden sei. Insofern zahle der Bekl. dem Kl. die von den Spielern an die Klin. gezahlte Vergütung zurück. Eine Beschränkung der Vorschrift auf Steuerpflichtige, welche ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelten, sei im Gesetz nicht angelegt. Es sei zwar richtig, dass eine Zusammenballung der Einkünfte eher im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG vorkomme, wie der vorliegende Fall zeige, könne jedoch auch im Rahmen der Bilanzierung eine Zusammenballung erfolgen. Diese Zusammenballung beruhe darauf, dass das BMF-Schreiben vorschreibe, dass die Aktivierung der Erstattungsbeträge im Jahre 2005 erfolgen müsse und eine Korrektur vorrangegangener Jahre unzulässig sei, weil die Forderungen erst auf Grund der Rechtsprechung im Jahr 2005 unzweifelhaft geworden seien. Auch nach Sinn und Zweck sei der § 34 EStG einschlägig, da durch die tarifliche Begünstigung Härten im Rahmen der Periodenbesteuerung durch die Progressionswirkung beseitigt werden sollten. Die gemäß BMF-Schreiben zwingende Aktivierung der Steuererstattungen allein im Jahr 2005 führe aufgrund der Progression zu einer Mehrbelastung der Klin., welche nicht eingetreten wäre, wenn die Bekl. die Umsatzbesteuerung von vornherein europarechtskonform vorgenommen hätte. In Bezug auf die Erstattungszinsen gemäß § 233a AO hat die Klägerin die Klage in der mündlichen Verhandlung fallengelassen.

Die Klin. beantragt,

den Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche

Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechen-

baren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG vom 03.03.2008 in

Gestalt der EE vom 25.05.2009 dahingehend abzuändern, dass

für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb für 2005 mit einem Teilbe-

trag in Höhe von 512.015,00 EUR die Tarifermäßigung gemäß § 34

Abs. 2 Nr. 4 EStG gewährt wird,

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren

für notwendig zu erklären,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Bekl. beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Der erkennende Senat hat am 20.10.2011 mündlich in der Sache verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Der angefochtene Bescheid für 2005 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG ist rechtmäßig und verletzt die Klin. nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Bei den Umsatzsteuererstattungen für die Jahre 1996 bis einschließlich 2002 handelt es sich nicht um Vergütungen für eine mehrjährige i.S.d. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG.

Es ist bereits sehr fraglich, ob § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf bilanzierende Steuerpflichtige mit Einkünften aus Gewerbebetrieb Anwendung findet. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung zu der Vorgängervorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG, dem § 34 Abs. 3 EStG a.F., vertreten, dass diese Tarifbegünstigung bei Gewinneinkünften grundsätzlich keine Anwendung findet (vgl. BFH-Urteil vom 28.06.1973, IV R 77/70, BStBl. II 1973, 729; Urteil vom 17. Febr. 1993, I R 119/91, BFH/NV 1993, 593). Im Urteil vom 14.12.2006 hat der BFH die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG allerdings auch auf Einkünfte aus selbständiger Arbeit und damit auf Gewinneinkünfte (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 1 i. V. m. Abs. 1 Nr. 3 EStG) angewandt und ausgeführt, dass die Norm bewirken soll, dass die steuerliche Belastung bei Einkünften, die dem Steuerpflichtigen für eine mehrjährige Tätigkeit zufließen, möglichst nicht höher ist, als wenn ihm in jedem der mehreren Jahre ein Anteil zugeflossen wäre (BFH, Urteil vom 14.12.2006, IV R 57/05, BStBl II 2007, 180). Insofern ist zweifelhaft, ob § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG schon deshalb nicht anwendbar ist, weil die Klägerin Einkünfte aus Gewerbebetreib erzielt. Allerdings wird weiterhin vertreten, dass die Tarifbegünstigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG keine Anwendung findet, wenn ein Steuerpflichtigen seinen Gewinn durch Bestandsvergleich gemäß § 4 Abs. 1 EStG ermittelt hat, weil insofern bereits im Rahmen der Gewinnermittlung eine hinreichende periodengerechte Abgrenzung erfolgt ist (Mellinghoff in Kirchhoff/Söhn, EStG, § 34 Rd. 41, Lindberg in Blümich, EStG, § 34 Rd. 59). Vorliegend kann jedoch dahingestellt bleiben, ob die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG auf bilanzierende Gewerbetreibende anwendbar ist, weil nach Auffassung des Senats jedenfalls deren Voraussetzungen nicht vorliegen.

Wie bereits das FG Düsseldorf mit Urteil vom 16.04.2009 in einem sehr ähnlich gelagerten Fall eines Spielsalonbetreibers entschieden hat, handelt es sich bei der Umsatzsteuererstattung nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit (11 K 1764/08 F, EFG, 2009, 1569). Dem schließt sich der Senat an.

Die Umsatzsteuererstattungen beruhen auf den für die Jahren 1996 bis einschließlich 2002 zu viel gezahlten Umsatzsteuern. Eine Steuererstattung ist ebenso wie eine Steuerzahlung kein Entgelt für eine Tätigkeit. Ein Entgelt setzt eine Leistung und eine Gegenleistung voraus. Dies ist bei Steuern und Steuererstattungen gemäß § 3 AO gerade nicht der Fall, denn Steuern sind Geldleistungen, die nicht eine Gegenleistung für eine besondere Leistung darstellen und von einem öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen zur Erzielung von Einnahmen allen auferlegt werden, bei denen der Tatbestand zutrifft, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft. Der Klägerin ist zwar zuzugestehen, dass die (fehlerhaften) Umsatzsteuerzahlungen wirtschaftlich ein Anteil der Spielerumsätze waren. Dennoch sind die erzielten Spielerumsätze und die anteilige Weiterleitung an den Beklagten als Umsatzsteuer nicht identisch. Durch die Abführung der anteiligen Umsätze als Umsatzsteuer ändert sich der Charakter der Gelder von einer entgeltlichen Vergütung aus der Leistungsbeziehung zwischen den Spielern und der Klägerin in eine Steuer in der Leistungsbeziehung zwischen der Klägerin und der Beklagten.

Ferner hat das FG Düsseldorf zu Recht darauf hingewiesen, dass es bei gewerbetreibenden Steuerpflichtigen - beispielsweise nach einer Betriebsprüfung - nicht ungewöhnlich ist, dass Steuererstattungen und Steuernachzahlungen für mehrere Veranlagungszeiträume in einem Veranlagungszeitraum festgesetzt werden und entsprechend zu bilanzieren sind. Auch hier kommt es zu Schwankungen bei den Einkünften, ohne dass hier eine Tarifermäßigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG gewährt wird (FG Düsseldorf, Urteil vom 16.04.2009, a.a.O.). Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass § 34 EStG mit "Außerordentliche Einkünfte" überschrieben ist. Der Erlass geänderter Steuerbescheide für mehrere Jahre im Anschluss an eine Betriebsprüfung ist kein außerordentlicher Vorgang.

Schließlich fehlt es auch an dem Tatbestandswerkmal der Mehrjährigkeit. Gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG ist eine Tätigkeit mehrjährig, soweit sie sich über mindestens zwei Veranlagungszeiträume erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst. Nach Auffassung der Klägerin soll es sich vorliegend um eine Vergütung für eine (mehrjährige) Tätigkeit handeln, weil es sich bei den Umsatzsteuererstattungen wirtschaftlich um einen zusammengeballten Rückfluss der anteiligen Automatenspielereinsätze der Jahre 1996 bis 2002 handeln soll. Abgesehen davon, dass - wie ausgeführt - die Umsatzsteuerzahlungen mit den Spielerumsätzen nicht gleichzusetzen sind, ist die zu jedem einzelnen Spielerumsatz durchgeführte Tätigkeit nicht mehrjährig. Das Entgelt, welches der Spieler für die Automatennutzung in den Spielautomaten einwirft, berechtigt jeweils zum Spiel am Automaten über einen Zeitraum von einigen Minuten oder allenfalls Stunden und nicht über einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war zuzulassen. In Bezug auf die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Vergütung" im Rahmen der Vorschrift des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG hat die Entscheidung Bedeutung über den Einzelfall hinaus (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

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