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Steuerrecht
17.11.2011
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Keine Pauschalsteuer auf Sachzuwendungen an nicht der Besteuerung im Inland unterliegende Empfänger

FG Düsseldorf, Urteil vom 6.10.2011 - 8 K 4098/10 L

Sachverhalt

Streitig ist die Höhe der Bemessungsgrundlage der pauschalen Einkommensteuer i.S.d. § 37b Einkommensteuergesetz (EStG).

Die Klägerin ist die Holdinggesellschaft des A-Konzerns und einer der weltweit führenden Anbieter von Industrie-Technologie.

In den Jahren 2008 und 2009 führte der Beklagte bei der Klägerin eine Lohnsteuer-Außenprüfung betreffend den Prüfungszeitraum vom 01.05.2006 bis 31.12.2007 durch. Im Rahmen der Lohnsteuer-Außenprüfung wurde u.a. festgestellt, dass die Klägerin im Oktober 2007 im Schlosshotel B. in C-Stadt ein Management-Meeting durchgeführt hatte, an dem sowohl Arbeitnehmer der Klägerin aus Deutschland als auch Arbeitnehmer ihrer Tochtergesellschaften aus dem In- und Ausland teilgenommen hatten. Die Lohnsteuer-Außenprüferin erzielte mit der Klägerin eine Einigung dahingehend, dass die Klägerin den Teilnehmern dieser Veranstaltung betrieblich veranlasste Sachzuwendungen i.H.v. insgesamt 124.197 Euro gewährt hatte. Die Klägerin beantragte die Pauschalierung der Einkommensteuer gemäß § 37b EStG.

Unter Anwendung des pauschalen Steuersatzes von 30 % ermittelte die Lohnsteuer-Außenprüferin nachzufordernde Lohnsteuer i.H.v. 37.259,10 Euro, Solidaritätszuschlag i.H.v. 2.049,25 Euro, evangelische Kirchensteuer i.H.v. 1.068,55 Euro, römisch-katholische Kirchensteuer i.H.v. 1.536,72 Euro, jüdische Kultussteuer i.H.v. 1,83 Euro und alt-katholische Kirchensteuer i.H.v. 1,04 Euro (vgl. Tz. 3 des Berichts über die Lohnsteuer-Außenprüfung vom 30.06.2009).

Der Beklagte schloss sich den Ausführungen der Lohnsteuer-Außenprüferin an und erließ am 14.07.2009 - auch aus anderen Gründen - einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid über Lohnsteuer, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer über einen Gesamtbetrag i.H.v. 124.679,43 Euro.

Am 16.10.2009 erließ der Beklagte einen aus anderen Gründen geänderten Haftungs- und Nachforderungsbescheid, mit dem er den Gesamtbetrag auf 108.685,25 Euro festsetzte.

Die Klägerin hat nach erfolglosem Vorverfahren gegen den Nachforderungsbescheid die vorliegende Klage erhoben.

Sie ist der Ansicht, dass die abgeltende Wirkung des § 37b EStG nur insoweit greifen könne, als tatsächlich deutsche Einkommensteuer anfalle. Daher seien Sachzuwendungen an Empfänger, die in Deutschland weder unbeschränkt noch beschränkt einkommensteuerpflichtig seien, bei der Anwendung des § 37b EStG von der Besteuerung auszunehmen. Entsprechend seien die Zuwendungen an die ausländischen Arbeitnehmer ihrer Tochtergesellschaften für die Besteuerung gemäß § 37b EStG nicht zu erfassen. Da nach der Teilnehmerliste 34,85 % der Teilnehmer nichtsteuerpflichtige Ausländer gewesen seien, dürfe der Besteuerung nur der auf die inländischen Teilnehmer entfallende Kostenanteil von 65,15 % zu Grunde gelegt werden.

Es sei nicht gerechtfertigt, über § 37b EStG - unabhängig von der Höhe des Steuersatzes - eine im Gesetz nicht vorgesehene Steuerpflicht zu schaffen, zumal sich keine abgeltende Wirkung der Versteuerung für den ausländischen Fiskus ergebe. § 37b EStG sei eine Erhebungsvorschrift, die nicht dazu führen könne, dass im Ausland steuerpflichtige Personen im Inland steuerpflichtig würden. Die Grenze einer gesetzlich zulässigen typisierenden Pauschalierung sei ansonsten überschritten.

Etwas anderes ergebe sich ferner nicht daraus, dass die Vorschrift des § 37b EStG eine freiwillig wählbare pauschale Versteuerungsmöglichkeit sei. Denn sie werde allein deswegen genutzt, weil sie die einzige im EStG vorgesehene Möglichkeit sei, die bei einer Sachzuwendung an einen Geschäftspartner anfallende Einkommensteuer mit abgeltender Wirkung zu übernehmen.

Auch sei aus der Gesetzesbegründung, wonach die Pauschalierung zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens eingeführt worden sei, zu folgern, dass nur Zuwendungen an inländische Empfänger zu erfassen seien. Denn für ausländische Empfänger gebe es kein Besteuerungsverfahren. Darüber hinaus würden auch nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 29.04.2008 (Bundessteuerblatt I 2008, 566) in Rn. 6 bei ausländischen Zuwendenden nur solche Zuwendungen von § 37b EStG erfasst, die unbeschränkt oder beschränkt Steuerpflichtigen im Inland gewährt werden. Dies müsse auch gelten, wenn ein Inländer eine solche Zuwendung erbringe. Im Übrigen könne die Anzahl der ausländischen Empfänger anhand der vorgelegten Liste leicht ermittelt werden.

Die Klägerin beantragt,

den Nachforderungsbescheid vom 16.10.2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 29.10.2010 dahingehend zu ändern, dass die Lohnsteuer auf 82.110,73 Euro, der Solidaritätszuschlag auf 4.516,50 Euro, die evangelische Kirchensteuer auf 2.693,13 Euro, die römisch-katholische Kirchensteuer auf 3.052,43 Euro, die altkatholische Kirchensteuer auf 0,80 Euro und die jüdische Kultussteuer auf 1,40 Euro festgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er beruft sich auf Rn. 13 des Schreibens des BMF vom 29.04.2008, aus dem sich ergebe, dass alle Zuwendungen, einschließlich der an ausländische Empfänger geflossenen Beträge, in die Bemessungsgrundlage des § 37b EStG einzubeziehen seien. Es komme nicht darauf an, ob die Zuwendungen im Rahmen einer Einkunftsart zufließen würden. Das Gebot, dass nur solche Zuwendungen der pauschalen Steuerpflicht unterliegen dürften, die zu einer Betriebseinnahme oder zu Arbeitslohn führten, gelte nicht bei einer freiwillig gewählten Versteuerung.

Außerdem verweist der Beklagte auf die Gesetzesbegründung, aus der sich ergebe, dass ausdrücklich bei der Ermittlung der Höhe des anzuwendenden Steuersatzes berücksichtigt worden sei, dass sich unter den Empfängern auch Geringverdiener und Steuerausländer befinden könnten. Der Gesetzgeber sei auch zu dieser Vereinfachung und Typisierung berechtigt gewesen, ohne gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Denn der Gesetzgeber habe zu Recht davon ausgehen können, dass sich trotz der Pauschalierung durch den günstigen Steuersatz im Vergleich zur bisherigen Regelung eine wesentlich geringere Lohnsteuer ergebe. Zudem seien die unter Zugrundelegung der Auffassung der Klägerin auftauchenden Abgrenzungsprobleme nicht mit dem Wesen der Pauschalierung zu vereinbaren.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Der Nachforderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.

Der Beklagte hat zu Unrecht unter Anwendung des § 37b EStG eine Pauschalierung der Einkommensteuer hinsichtlich der betrieblich veranlassten Sachzuwendungen im Zusammenhang mit dem Management-Meeting im Oktober 2007 im Schlosshotel B. vorgenommen, soweit diese auf die Empfänger entfielen, die nicht der Besteuerung im Inland unterliegen. Denn die pauschalierte Steuer gemäß § 37b EStG ist nicht in den Fällen zu entrichten, in denen keine steuerpflichtige Einnahme vorliegt und das Besteuerungsrecht nicht der BRD zusteht. Bei 34,85 % der Teilnehmer des Management-Meetings führen die Sachzuwendungen - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - zu keinen steuerpflichtigen Einnahmen im Inland.

Dieses Auslegungsergebnis entspricht dem im Gesetz zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers. Der Feststellung des Willens des Gesetzgebers dienen die Auslegung aus dem Wortlaut der Norm (grammatikalische Auslegung), aus dem Zusammenhang (systematische Auslegung), aus ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte (historische Auslegung).

Unter Anwendung dieser Auslegungsmethoden kann § 37b EStG nur dahin verstanden werden, dass Zuwendungen an Empfänger, die nicht der Besteuerung im Inland unterliegen, von der Vorschrift nicht erfasst werden.

Hierfür spricht bereits die Gesetzessystematik. § 37b EStG ist in Abschnitt VI des EStG, in dem die Steuererhebung geregelt ist, enthalten. Eine die Steuererhebung regelnde Vorschrift setzt das Vorhandensein steuerpflichtiger Einkünfte voraus, sie kann nicht - darauf läuft aber die Rechtsansicht des Beklagten hinaus - einen Steuertatbestand schaffen.

Das Ergebnis der systematischen Auslegung deckt sich auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber hat ab dem 01.01.2007 die Möglichkeit der Pauschalierung der Einkommensteuer für Sachzuwendungen an Arbeitnehmer und Nichtarbeitnehmer mit einem Pauschsteuersatz von 30 % eingeführt. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 37b EStG (Bundesrat (BR)-Drucksache 622/06, S. 91, 92) war Hintergrund hierfür, dass es sich für den Empfänger bei der Zuwendung regelmäßig um einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil handelt, dessen Wert häufig schwer zu ermitteln ist. Zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens wurde die Möglichkeit geschaffen, die Einkommensteuer pauschal durch den Zuwendenden zu erheben. Die Pauschalsteuer soll die Steuer auf den geldwerten Vorteil, die der Zuwendungsempfänger zu entrichten hätte, abgelten.

Entsprechend diesem Gesetzeszweck ist eine Pauschalierung nach Maßgabe des § 37b EStG nur dann geboten, wenn der Empfänger steuerlich zu erfassende Einnahmen erzielt (vgl. Steiner in Lademann, EStG-Kommentar, § 37b Rn. 4; Schmidt/ Drenseck, EStG, § 37b Rn. 4.; Lingemann in Hermann/Heuer/Raupach, EStG und KStG-Kommentar, § 37b Rn. 13; Stickan in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 37b Rn. 6; Seifert, "Neue Pauschalierung der Einkommensteuer bei bestimmten Sachzuwendungen", Deutsche Steuer-Zeitung 2007, 102, 103; Niermann, "Die Pauschalierung der Einkommensteuer auf Sachzuwendungen ab 2007 (§ 37b EStG)", Der Betrieb 2008, 1231, 1232). Denn es besteht nur dann die Notwendigkeit, statt der individuellen Einkommensteuer eine abgeltende Pauschalierung anzuwenden, wenn die Zuwendung eine Erhöhung der steuerpflichtigen Einkünfte verursacht. Der Vereinfachungszweck der Vorschrift, der sich allein auf die Ermittlung des anzusetzenden Werts der Zuwendung bezieht, kann als Rechtfertigung für das Begründen eines Besteuerungstatbestands nicht herangezogen werden. Wenn die Zuwendung nicht zu den im Inland zu besteuernden Einkünften gehört, bedarf es auch keiner Vereinfachung bei der Ermittlung des Werts der Zuwendung (vgl. Strohner und Sladek, Pauschalsteuer gemäß § 37b EStG bei Zuwendungen außerhalb einer Einkunftsart und bei Steuerausländern, Deutsches Steuerrecht 2010, 1966).

Hinzu kommt, dass eine pauschale Versteuerung im Inland von Zuwendungen an Empfänger, die nicht der Besteuerung im Inland unterliegen, eine Steuerpflicht im Ausland nicht verhindern kann. Der gesetzgeberischen Intention, durch die Pauschalierung im Wege des § 37b EStG eine Abgeltungswirkung herbeizuführen, würde nicht entsprochen (vgl. Stickan, in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 37b Rn. 6).

Die Einbeziehung in die Bemessungsgrundlage von Sachzuwendungen auch an Empfänger, die nicht der Besteuerung im Inland unterliegen, gebietet darüber hinaus nicht der Wortlaut der Vorschrift. § 37b EStG enthält keinen Hinweis darauf, dass unabhängig von dem Bestehen eines Steuertatbestandes sämtliche Zuwendungen einzubeziehen sind.

Entgegen der Auffassung des Beklagten stützt ferner eine historische Auslegung der Vorschrift des § 37b EStG nicht eine Ausdehnung der Pauschalierung auf Zuwendungen an Empfänger, die nicht der Besteuerung im Inland unterliegen. Denn ausweislich der Bundestags-Drucksache 16/2712, S. 55/56 und BR-Drucksache 622/06, S. 93 hat der Gesetzgeber zur Begründung des gewählten Durchschnittssteuersatzes, der in der ursprünglichen Gesetzesfassung noch bei 45 % liegen sollte, lediglich berücksichtigt, dass sich unter den Empfängern neben Geringverdienern auch Steuerausländer befinden könnten. Bei dem Ausdruck "Steuerausländer" handelt es sich nach Ansicht des Gerichts um eine nicht amtliche Bezeichnung für einen beschränkt Steuerpflichtigen, nicht gemeint sind - wovon anscheinend der Beklagte ausgeht - sämtliche Ausländer, die im Inland nicht steuerpflichtig sind.

Die Höhe der festgesetzten Steuern ergibt sich unter Anwendung des Pauschalsteuersatzes von 30 % auf die entsprechend den o.g. Ausführungen reduzierte Bemessungsgrundlage. Da unstreitig 34,85 % der Teilnehmer nicht im Inland steuerpflichtige Ausländer waren, beträgt die Bemessungsgrundlage für die Anwendung des § 37b EStG 65,15 % der betrieblich veranlassten Zuwendungen i.H.v. 124.197 Euro.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

Die Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache i.S.v. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.

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