FG Köln: Keine Befreiung für Subunternehmer von Einrichtungen mit sozialem Charakter; Art. 132 Abs. 1h MwStSystRL
FG Köln, Urteil vom 22.10.2014 – 4 K 2056/11
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin eine von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG – MWSTSystRL – ist.
Die Klägerin ist eine am ....7.2001 gegründete GmbH, die nach ihrem Gesellschaftsvertrag (§ 2 Abs. 1) ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt. Nach § 2 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages ist Zweck der Gesellschaft u.a. die Förderung der Jugend in Bildung und Erziehung, der Jugendhilfe nach §§ 27 ff. KJHG (Kinder- und Jugendhilfegesetz). Der Satzungszweck wird insoweit nach § 2 Abs. 3 Buchst. a des Gesellschaftsvertrages insbesondere durch Hilfen zur Erziehung nach §§ 27 ff. KJHG, hier insbesondere die Unterhaltung einer Kinder- und Jugendhilfeeinrichtung für stationäre und ambulante Hilfen, zur Bekämpfung von Verwahrlosung, unter anderem bei Drogenmissbrauch, körperlicher und seelischer Misshandlung, verwirklicht.
Die Klägerin erbringt u.a. Betreuungsleistungen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches – Kinder- und Jugendhilfe – (SGB VIII). Entsprechende Betriebserlaubnisse gemäß § 45 SGB VIII sind ihr durch den Landschaftsverband C – Landesjugendamt – mit Bescheiden vom 18.2.2002 und 2.3.2007 erteilt worden. Die Entgelte für diese Betreuungsleistungen stellte die Klägerin als Subunternehmerin gegenüber der als Trägerin der freien Jugendhilfe nach § 75 in Verbindung mit § 45 SGB VIII anerkannten A GbR in Rechnung. Diese rechnete die unter Einschaltung der Klägerin erbrachten Leistungen mit den öffentlichen Trägern der Kinder- und Jugendhilfe ab.
Als Ergebnis einer am 8.2.2010 begonnenen und mit Bericht vom 15.4.2010 abgeschlossenen Betriebsprüfung vertrat das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung B die Auffassung, dass die von der Klägerin im Jahr 2007 erbrachten Leistungen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem SGB VIII i.H.v. 137.230 € brutto (115.319 € netto) umsatzsteuerpflichtig seien. Die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWSTSystRL lägen nicht vor, da die Klägerin keine vom nationalen Gesetzgeber anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter sei. In § 4 Nr. 25 des Umsatzsteuergesetzes in der bis zum 1.1.2008 geltenden Fassung – UStG –habe der nationale Gesetzgeber den Begriff der anerkannten Einrichtung mit sozialem Charakter nicht definiert. Der BFH habe mit Urteil vom 8.11.2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634, entschieden, dass nur die Einrichtungen als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt seien, die unmittelbar mit den öffentlichen Trägern der sozialen Sicherheit abrechneten. Folglich gelte die Steuerbefreiung nicht, wenn – wie im Streitfall – eine Einrichtung als Subunternehmer nicht unmittelbar mit den öffentlichen Trägern abrechne. Der Steuersatz betrage 19 %, da der Klägerin wegen Verstoßes gegen die Anforderungen der Selbstlosigkeit nach § 55 der Abgabenordnung – AO – die Gemeinnützigkeit und damit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG zu versagen sei. Hierzu werde auf die Feststellungen in Tz. 2.2, 2.3 und 2.5 des Betriebsprüfungsberichtes verwiesen. Auf der Grundlage der Aufteilung der Eingangsleistungen im Schätzungswege nach § 15 Abs. 4 UStG könnten im Jahr 2007 Vorsteuern i.H.v. 1.944 € abgezogen werden.
Der Beklagte setzte dieses Ergebnis der Außenprüfung mit dem Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 15.6.2010 um, indem er im Rahmen einer erstmalig durchgeführten Veranlagung die Umsatzsteuer auf 19.966,61 € festsetzte.
Den hiergegen gerichteten Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 9.6.2011 als unbegründet zurück. Eine Steuerbefreiung der Umsätze der Klägerin nach § 4 Nr. 25 UStG komme nicht in Betracht, da die Klägerin weder anerkannter (§ 75 SGB VIII) noch förderungswürdiger (§ 74 SGB VIII) Träger der freien Jugendhilfe sei. Voraussetzung sei hierfür u.a., dass der jeweilige Träger gemeinnützige Ziele verfolge. Der Klägerin sei die Gemeinnützigkeit aber für das Streitjahr aberkannt worden. Wie im Betriebsprüfungsbericht zutreffend ausgeführt, lägen auch die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWSTSystRL nicht vor. Die Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit sozialem Charakter könne auch nicht daraus abgeleitet werden, dass der nationale Gesetzgeber nach § 4 Nr. 25 UStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 (UStG n.F.) hierfür die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII als ausreichend ansehe. Denn diese Neuregelung gelte erst ab dem 1.1.2008 und könne daher erst ab diesem Zeitpunkt eine Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit sozialem Charakter begründen. Eine rückwirkende Anwendung der in § 4 Nr. 25 UStG n.F. normierten Voraussetzungen für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter auf Leistungen, die vor diesem Zeitpunkt erbracht worden seien, sei ausgeschlossen, wie der BFH mit Urteil vom 8.11.2007 V R 2/06, BStBl II 2008, 634, entschieden habe.
Mit der vorliegenden Klage macht die Klägerin geltend, dass sie als anerkannte Einrichtung mit sozialem Charakter die Voraussetzungen der Steuerbefreiung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWSTSystRL erfülle. Diese Anerkennung folge aus der ihr gemäß § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII erteilten Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten. Zwar sei § 4 Nr. 25 UStG in der Fassung des Jahressteuergesetzes 2008 für das Streitjahr nicht rückwirkend anwendbar. Die hierin enthaltene Begriffsdeutung der „anderen Einrichtung mit sozialem Charakter“ sei indessen für alle Kalenderjahre von gleicher Bedeutung. Die Umsetzung dieses Begriffes in nationales Recht entspreche der maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Grundlage des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWSTSystRL. Auf der Grundlage der dort eingeräumten Befugnis der Mitgliedstaaten seien nunmehr bestimmte Einrichtungen, soweit sie für ihre Leistungen eine im SGB VIII geforderte Erlaubnis besäßen, als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannt. Eine solche Erlaubnis sei auch die ihr erteilte Erlaubnis nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII.
Aus dem BFH-Urteil in BStBl II 2008, 634 folge nichts anderes. Dieses betreffe eine Einzelperson, nämlich einen selbstständig tätigen Sozialarbeiter in der ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe. Eine solche Einzelperson könne die Eigenschaft einer Einrichtung mit sozialem Charakter dadurch erlangen, dass er die begünstigten Leistungen aufgrund vertraglicher Vereinbarungen mit Trägern der Sozialversicherung erbracht und unmittelbar mit diesen abgerechnet habe. Im Unterschied dazu sei sie, die Klägerin, keine Einzelperson, sondern eine soziale Einrichtung, die vom Landschaftsverband C als zugelassener Träger für den Betrieb einer Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII anerkannt worden sei.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid 2007 vom 15.6.2010 und die Einspruchsentscheidung vom 9.6.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Klägerin sei im Streitjahr nicht nach § 75 SGB VIII als Träger der freien Jugendhilfe anerkannt gewesen. Ihr sei lediglich die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung nach § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII erteilt worden. Eine solche Erlaubnis genüge aber erst für Umsätze, die nach dem 1.1.2008 getätigt wurden, den Voraussetzungen der Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWSTSystRL.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
Der angegriffene Umsatzsteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO –). Der Beklagte hat zu Recht die von der Klägerin erbrachten Leistungen im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach dem Achten Buch des Sozialgesetzbuches – SGB VIII – der Umsatzbesteuerung unterworfen.
I. Die streitbefangenen Leistungen der Klägerin sind nicht nach § 4 Nr. 25 UStG in der im Streitjahr geltenden Fassung (UStG) von der Umsatzsteuer befreit. Denn die Befreiung nach § 4 Nr. 25 UStG kommt im Streitfall schon deshalb nicht in Betracht, weil die Klägerin keine der in Nr. 25 bezeichneten Tätigkeiten ausführt.
II. Für die begehrte Steuerbefreiung kann sich die Klägerin auch nicht auf Art. 132 Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem vom 28. November 2006 - MwStSystRL - berufen.
1. Durch das UStG in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung ist Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL (bis zum 31.12.2006: Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG) nicht hinreichend in innerstaatliches Recht umgesetzt worden, so dass zu prüfen ist, ob die Klägerin die Befreiung aufgrund unmittelbarer Anwendung des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL beanspruchen kann (vgl. BFH-Urteil vom 8. November 2007 V R 2/06, BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, m.w.N.). Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH kann sich ein Einzelner in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich als unbedingt und hinreichend genau erscheinen, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen (vgl. z.B. Urteil vom 10. September 2002 Rs. C-141/00, Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2002, 513). Er kann sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann. Ein Mitgliedstaat kann einem Steuerpflichtigen, der beweisen kann, dass er steuerrechtlich unter einen Befreiungstatbestand der Richtlinie fällt, nicht entgegenhalten, dass er die Vorschriften, die die Anwendung eben dieser Steuerbefreiung erleichtern sollen, nicht erlassen hat (EuGH-Urteil Ambulanter Pflegedienst Kügler GmbH in UR 2002, 513).
2. Die Steuerbefreiung gemäß Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL ist an zwei Voraussetzungen geknüpft:
Zum einen muss es sich um Leistungen handeln, die eng mit der Kinder- und Jugendbetreuung verbunden sind. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin. Sie hat an eine GbR, die ihrerseits im Auftrag des Jugendamtes im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfe nach Maßgabe der §§ 27 bis 41 SGB VIII tätig wird und die Entgelte für diese Leistungen vom Jugendamt erhält, die entsprechenden Leistungen erbracht.
Die genannten Leistungen sind jedoch nur steuerfrei, wenn sie von "Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder anderen (privaten) Einrichtungen, die von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit im wesentlichen sozialen Charakter anerkannt worden sind", erbracht werden (EuGH-Urteile vom 26. Mai 2005 Rs. C-498/03, Kingscrest Associates Ltd. und Montecello Ltd., UR 2005, 453, und vom 15. November 2012 C-174/11 – Zimmermann, UR 2013, 35). Diese Voraussetzungen erfüllt die Klägerin nicht.
a. Nach den genannten EuGH-Urteilen legt Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. h der Richtlinie 77/388/EWG bzw. der gleich lautende Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MwStSystRL die Voraussetzungen und Modalitäten der Anerkennung nicht fest. Es ist daher Sache des innerstaatlichen Rechts jedes Mitgliedstaats, die Regeln aufzustellen, nach denen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Die Mitgliedstaaten verfügen insoweit über ein Ermessen. Dabei haben die nationalen Behörden im Einklang mit dem Unionsrecht und unter der Kontrolle der nationalen Gerichte die für die Anerkennung maßgeblichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Zu diesen gehören das Bestehen spezifischer Vorschriften, bei denen es sich um nationale oder regionale Rechts- oder Verwaltungsvorschriften, Steuervorschriften oder Vorschriften im Bereich der sozialen Sicherheit handeln kann, das mit den Tätigkeiten des betreffenden Steuerpflichtigen verbundene Gemeinwohlinteresse, die Tatsache, dass andere Steuerpflichtige mit den gleichen Tätigkeiten bereits in den Genuss einer ähnlichen Anerkennung kommen, und die Übernahme der Kosten der fraglichen Leistungen zum großen Teil durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit. Es ist Sache des nationalen Gerichts, anhand aller maßgeblichen Umstände zu bestimmen, ob der Steuerpflichtige eine als Einrichtung mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtung im Sinne dieser Bestimmung ist. Insoweit haben die nationalen Gerichte zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die Grenzen des ihnen eingeräumten Ermessens unter Beachtung der Grundsätze des Unionsrechts eingehalten haben, zu denen insbesondere der Grundsatz der Gleichbehandlung gehört, der im Mehrwertsteuerbereich im Grundsatz der steuerlichen Neutralität zum Ausdruck kommt.
Für die Anerkennung eines Unternehmers als eine Einrichtung mit sozialem Charakter aufgrund der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit reicht es für sich allein jedoch nicht schon aus, dass der Unternehmer lediglich als Subunternehmer für eine vom Mitgliedstaat ausdrücklich oder zumindest aufgrund unmittelbarer vertraglicher Beziehungen zu dem örtlichen Träger der Sozialversicherung anerkannte Einrichtung tätig geworden ist (vgl. BFH-Urteile in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634, und vom 30. Juli 2008 V R 66/06, BFHE 223, 381, BStBl II 2010, 507, jeweils m.w.N.). Die Anerkennung durch den betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtung mit sozialem Charakter setzt zumindest eine unmittelbare vertragliche --Inhalt, Umfang sowie Verantwortung für die vertragsgemäße Durchführung konkretisierende-- Beziehung zwischen diesem bzw. seinen Untergliederungen und dem Unternehmer voraus (BFH-Urteile vom 1. Dezember 2010 XI R 46/08, BFHE 232, 232, und in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634).
b. Die Erlaubnis zum Betrieb einer Einrichtung im Sinne des § 45 SGB VIII kann nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und Funktion nicht einer staatlichen Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gleichgesetzt werden. Insbesondere ist § 45 SGB VIII keine spezifische nationale Vorschrift im Bereich der sozialen Sicherheit im Sinne der Rechtsprechung des EuGH, die außerhalb eines förmlichen Anerkennungsverfahrens die Anerkennung eines freien Trägers der Jugendhilfe als Einrichtung mit sozialem Charakter bezweckt.
§ 45 SGB VIII in der bis zum 31.12.2011 geltenden Fassung statuiert zunächst – mit den in § 45 Abs. 1 S. 2 SGB VIII genannten Ausnahmen – einen Erlaubnisvorbehalt für den Träger einer Einrichtung, in der Kinder oder Jugendliche ganztägig oder für einen Teil des Tages betreut werden oder Unterkunft erhalten. Zu diesem Zweck sollen die Konzeption der Einrichtung geprüft, Vereinbarungen über die Voraussetzungen der Eignung der Einrichtung getroffen und ggf. nachträgliche Auflagen erteilt werden. Die Erlaubnis ist zu versagen, zurückzunehmen oder zu widerrufen, wenn die Betreuung der Kinder oder Jugendlichen durch geeignete Kräfte nicht gesichert oder in sonstiger Weise gefährdet ist.
§ 45 SGB VIII regelt damit die Heimaufsicht über die Einrichtungen des Jugendhilferechts. Diese Erlaubnispflicht und die Einbindung einer Einrichtung in die Leistungserbringung des Jugendhilferechts nach § 3 Abs. 2 und 3, 75 ff., 78a ff. SGB VIII bestehen allerdings unabhängig voneinander (Busse in: jurisPK-SGB VIII, 1. Aufl. 2014, § 45 SGB VIII, Tz. 13). Die Voraussetzungen einer solchen Einbindung der Träger der freien Jugendhilfe in die Leistungserbringung des Jugendhilferechts unter Übernahme der Kosten für die erbrachten Leistungen durch die Träger der öffentlichen Jugendhilfe regeln unter den dort näher bezeichneten Voraussetzungen vielmehr §§ 75 ff. SGB VIII für anerkannte Träger der freien Jugendhilfe und für sonstige Einrichtungen die Vorschriften über die Entgeltfinanzierung der §§ 78a ff. SGB VIII. In dieser unmittelbaren Einbindung in die Leistungserbringung des Jugendhilferechts aufgrund einer den Inhalt, den Umfang sowie die Verantwortung für die Durchführung der übertragenen Aufgabe konkretisierenden Rechtsbeziehung zwischen dem freien und dem öffentlichen Träger der Jugendhilfe, sieht der Senat - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des BFH zur Anerkennung eines Unternehmers als Einrichtung mit sozialem Charakter aufgrund der Übernahme der Kosten für seine Leistungen durch Einrichtungen der sozialen Sicherheit (BFH-Urteil in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634) - das entscheidende Merkmal für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter aufgrund der nationalen Rechtsvorschriften des Jugendhilferechts. Ebenso wenig, wie die Anerkennung der Klägerin als Einrichtung mit sozialem Charakter mangels ihrer unmittelbaren Einbindung in die Erfüllung der Aufgaben des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe aus ihrer Tätigkeit als Subunternehmerin für eine von dem Landesjugendamt anerkannte Einrichtung abgeleitet werden kann, kann die nicht mit einer solchen unmittelbaren Einbindung einhergehende bloße Erlaubnis zum Betrieb einer Betreuungseinrichtung für Kinder und Jugendliche bereits eine solche Anerkennung rechtfertigen. Es handelt sich vielmehr um eine aufsichtsrechtliche Maßnahme des Landesjugendamtes, die nicht die Funktion einer nach Inhalt, Umfang und Verantwortungsbereich konkretisierten Aufgabenübertragung hat.
Diesem Auslegungsergebnis kann nicht entgegengehalten werden, dass die am 1.1.2008 in Kraft getretene nationale Vorschrift des § 4 Nr. 25 S. 2 b) aa) UStG i.d.F. des JStG 2008 als anerkannte Einrichtungen mit sozialem Charakter nunmehr auch Einrichtungen definiert, die für ihre Leistungen eine im SGB VIII geforderte Erlaubnis besitzen, und diese gesetzliche Definition den Fall der Erlaubnis für den Betrieb einer Einrichtung im Sinne des § 45 Abs. 1 S. 1 SGB VIII umfasst. Zwar bezieht sich diese Neuregelung nach der Begründung des Gesetzentwurfs in BT-Drs. 16/6290 S. 77 f. auf den Begriff der „anderen Einrichtung mit sozialem Charakter“ in Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWStSystRL und die dort eingeräumte Befugnis der Mitgliedstaaten zur Anerkennung solcher Einrichtungen. Indessen bringt die Gesetzesbegründung bereits nicht zum Ausdruck, dass Einrichtungen, die für ihre Leistungen eine im SGB VIII geforderte Erlaubnis besitzen, zwingend dem Begriff der „anderen Einrichtung mit sozialem Charakter“ im Sinne des Gemeinschaftsrechts unterfielen. Vielmehr bewegt sich der Gesetzgeber erkennbar im Bereich des ihm nach der EuGH-Rechtsprechung zustehenden Ermessens, wenn er ausführt, dass bestimmte Einrichtungen „auf der Grundlage der Befugnis der Mitgliedstaaten insoweit anerkannt“ würden. Aus der gesetzlichen Anerkennung von Einrichtungen mit einer Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII als Einrichtung mit sozialem Charakter ab dem 1.1.2008 kann daher nicht der Schluss gezogen werden, dass eine solche Anerkennung in gleicher Weise aus dem im Streitjahr 2007 bestehenden innerstaatlichen Recht folgt. Unabhängig davon sind die Erwägungen des Gesetzgebers anlässlich einer Gesetzesänderung nicht geeignet, den der vorher bestehenden Gesetzeslage zu Grunde liegenden Willen des Normgebers im Sinne einer historischen Auslegung zu ermitteln.
c. Da die Klägerin im Streitfall lediglich als Subunternehmer für eine von dem Landesjugendamt anerkannte Einrichtung tätig geworden ist, kann ihre Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter auch nicht aus der mittelbaren Übernahme der Kosten für ihre Leistungen durch Krankenkassen oder andere Einrichtungen der sozialen Sicherheit abgeleitet werden. Denn auch insoweit ist nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil in BFHE 219, 428, BStBl II 2008, 634; a.A. allerdings Hölzer in: Rau/Dürrwächter, § 4 Nr. 25 UStG, Rn. 101), der der Senat folgt, Voraussetzung für eine Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zumindest eine unmittelbare vertragliche Beziehung zwischen dem Mitgliedstaat bzw. seinen Untergliederungen und dem Unternehmer, die den Inhalt, den Umfang sowie die Verantwortung für die vertragsgemäße Durchführung der übertragenen Aufgabe konkretisiert. Aus § 4 Nr. 25 S. 2 b) bb) UStG i.d.F. des JStG 2008, wonach auch die Leistungserbringung durch Subunternehmer im Auftrag anerkannter Träger der freien Jugendhilfe die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter rechtfertigen kann, folgt nichts anderes, da diese gesetzliche Neuregelung erst zum 1.1.2008 in Kraft getreten ist. Diese Neuregelung kann auch für zurückliegende Zeiträume keine andere Beurteilung der Voraussetzungen der Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter gebieten. Hierfür kann auf die Ausführungen unter II. 2. b) verwiesen werden.
III. Einwendungen gegen die mit 19 % bemessene Höhe des Steuersatzes wegen des von der Betriebsprüfung festgestellten gemeinnützigkeitsschädlichen Verstoßes gegen die Anforderungen der Selbstlosigkeit nach § 55 der Abgabenordnung – AO – und der daraus folgenden Nichtanwendung des ermäßigten Steuersatzes gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 8 a UStG (Tz. 2.2, 2.3 und 2.5 des Betriebsprüfungsberichtes) sind von der Klägerin nicht erhoben worden und auch sonst nicht ersichtlich.
IV. Der Senat lässt im Hinblick auf die Frage, welche Bedeutung eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter im Sinne des Art. 132 Abs. 1 Buchst. h MWStSystRL hat, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.