FG Köln: Keine Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Zweifel am Zinssatz nach § 238 AO
FG Köln, Beschluss vom 29.1.2018 – 15 V 3279/17
ECLI:DE:FGK:2018:0129.15V3279.17.00
Volltext: BB-Online BBL2018-469-3
→ Das FG hat die Beschwerde zugelassen.
Aus den Gründen
I.
Die Beteiligten streiten über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bezüglich der Festsetzung von Zinsen gem. § 233a der Abgabenordnung (AO) zur Einkommensteuer 2009. Zwischen ihnen ist insbesondere streitig, ob verfassungsrechtliche Zweifel an dem in § 238 Abs. 1 AO geregelten Zinssatz von 6 % p.a. eine Aussetzung gebieten oder ob – unabhängig von eigenständigen Einwendungen gegen die Zinsfestsetzung – eine Aussetzung der Vollziehung der Zinsen jedenfalls wegen geltend gemachter Einwendungen gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 geboten ist, wenn gegen diesen Bescheid zwar Einspruch eingelegt worden ist, jedoch kein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung gestellt worden ist und insoweit keine Aussetzung begehrt wird.
Die Antragsteller sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Eheleute. Im September 2010 reichten sie ihre Einkommensteuererklärung 2009 beim Antragsgegner ein. Der Antragsteller (Ehemann) erklärte hierbei u.a. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von ca. … €. Gewerbliche Veräußerungsgewinne (nach §§ 16, 17 des Einkommensteuergesetzes – EStG) wurden nicht erklärt. Die Antragsteller wurden zunächst betreffend der hier streitigen Punkte ohne Vorbehalt der Nachprüfung antragsgemäß mit Bescheid vom 23. November 2010 zu einer Einkommensteuer von … € veranlagt. Unter dem 15. Juni 2011 erging ein aus anderen Gründen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO geänderter Einkommensteuerbescheid 2009 mit einer festgesetzten Einkommensteuer von … €.
Im Jahre 2017 fand beim Antragsteller eine für die Einkommensteuer 2009 sowie die Einkommensteuer und Umsatzsteuer 2013 angeordnete steuerliche Außenprüfung (Betriebsprüfung) statt. Anlass der Betriebsprüfung war ein Erwerb von Anteilen an der A GmbH („…“) durch den Antragsteller im Jahre 2004 sowie eine vom seinerzeitigen Veräußerer gegenüber dem Antragsteller im Jahre 2009 geltend gemachte (Rück-)Veräußerungspflicht der Beteiligung. Mit notarieller Beurkundung vom 8. September 2009 erfolgte ausweislich der Feststellungen der Betriebsprüfung eine (Rück-)Übertragung der Anteile durch den Antragsteller an den ursprünglichen Veräußerer, wobei jedoch der Antragsteller eine Ertragsbeteiligung durch Gewährung von Genussrechten ohne Mitbestimmungs- und Stimmrechte auch in der Folgezeit behielt. Die Betriebsprüfung vertrat deshalb die zwischen den Beteiligten im Einzelnen streitige Auffassung, dass im Jahre 2009 ein Veräußerungsgewinn – vor Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – gem. § 17 EStG i.H.v. insgesamt … € erzielt worden sei und dieser Veräußerungsgewinn nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO als rückwirkendes Ereignis verfahrensrechtlich in einer geänderten Einkommensteuerfestsetzung 2009 noch berücksichtigt werden könne. Für die Berechnung der Zinsen sei – so die Betriebsprüfung – ein bei rückwirkenden Ereignissen abweichender Zinslauf nach § 233a Abs. 2a AO zu berücksichtigen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 13. November 2017 (vom Antragsgegner im Änderungsbescheid vom 13. November 2017 versehentlich auf den 15. Oktober 2017 datiert) nebst dort benannten Schriftsätzen verwiesen. Zu den hiergegen von den Antragstellern erhobenen vielfältigen verfahrensrechtlichen und materiell-rechtlichen Einwendungen wird auf die Schriftsätze der Antragsteller vom 15. Dezember 2017 sowie vom 12. Januar 2018 nebst Anlagen verwiesen.
Der Antragsgegner folgte den Feststellungen der Betriebsprüfung und erließ unter dem 13. November 2017 einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO gestützten Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2009, in welchem er – nach Anwendung des Teileinkünfteverfahrens – einen gewerblichen Veräußerungsgewinn nach § 17 EStG i.H.v. … € der Besteuerung zugrunde legte. In dem Einkommensteuerbescheid 2009 vom 13. November 2017 wurde nunmehr eine Einkommensteuer von … € (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) festgesetzt, woraus – bezogen auf die Einkommensteuer – für die Antragsteller eine Zahllast von … € resultierte.
Für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2015 kam es nach Aktenlage zu nach § 174 Abs. 1 AO oder § 164 Abs. 2 AO zugunsten der Antragsteller geänderten Einkommensteuerfestsetzungen, in welchen zuvor versteuerte Einnahmen (Gewinnbeteiligungen) nach § 20 EStG (nebst hierzu abgezogener Kapitalertragsteuern) um … € in 2013, …€ in 2014 und …€ in 2015 korrespondierend nicht mehr berücksichtigt wurden.
Mit einem gem. § 233a Abs. 4 AO mit der Steuerfestsetzung verbundenen Zinsbescheid setzte der Antragsgegner ferner die hier im Aussetzungsverfahren streitigen Zinsen i.H.v. … € fest. Die Zinsfestsetzung beruht auf einer Zinslaufberechnung nach § 233a Abs. 2a AO (Fälle der Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses). Neben teilweise errechneten Erstattungszinsen werden aufgrund der zunächst als Kapitaleinkünfte versteuerten Zahlungen in den Jahren 2013 bis 2015 verschiedene Teilbeträge mit Zinsläufen ab dem 1. April 2015, 1. April 2016 und 1. April 2017 jeweils bis zum 16. November 2017 verzinst. Wegen der genauen Teilbeträge, der einzelnen errechneten Zinsen und der Berechnung der sich aus Saldierung von Nachzahlungs- und Erstattungszinsen ergebenden Zinslast von 240.831 € wird auf den Bescheid verwiesen.
Sowohl gegen die Festsetzung der Einkommensteuer 2009 (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag), als auch gegen die Festsetzung der Zinsen zur Einkommensteuer 2009 legten die Antragsteller fristgerechte Einsprüche ein, über die der Antragsgegner bislang nicht entschieden hat. Der Antragsgegner teilte den Antragstellern mit, dass ein Ruhen des Einspruchsverfahrens gegen die Zinsfestsetzung gem. § 363 Abs. 2 AO wegen des beim Bundesverfassungsgerichts anhängigen Verfahrens mit dem Aktenzeichen 1 BvR 2237/14 möglich sei. Einem solchen Ruhen haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2017 zugestimmt.
Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 2009 selbst ist von den Antragstellern beim Antragsgegner oder beim Gericht ausdrücklich nicht erhoben worden. Die Antragsteller haben die nachgeforderte Einkommensteuer (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) fristgerecht entrichtet. Die Antragsteller erläutern den wirtschaftlichen Hintergrund dieser Vorgehensweise sinngemäß damit, dass die Verzinsung von ausgesetzten Steuerforderungen nach §§ 237, 238 AO mit6 % p.a. bei einem späteren (etwaigen) Unterliegen ein erhebliches, von ihnen nicht gewolltes wirtschaftliches Risiko bedeute, weil der Zinssatz von 6 % p.a. (bzw. 0,5 % pro Monat) nicht marktgerecht sei und einen Liquiditätsvorteil nicht realitätsgerecht abschöpfen würde.
Aus diesem Grunde beantragten die Antragsteller mit Schreiben vom 15. Dezember 2017 ausdrücklich nur eine Aussetzung der Vollziehung der von ihnen nicht entrichteten Zinsen zur Einkommensteuer 2009. Diese lehnte der Antragsgegner mit Schreiben vom 19. Dezember 2017 ab und führte unter Verweis auf den Nichtannahmebeschluss des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 2539/07 sowie diverse BFH-Rechtsprechung aus, dass keine ernstlichen Zweifel an der Zinsfestsetzung dem Grunde oder der Höhe nach bestünden. Außerdem führte er unter Verweis auf BFH-Rechtsprechung aus, dass das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung höher zu bewerten sei als das Interesse des Steuerpflichtigen an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes. Eine Aussetzung der Vollziehung von Zinsen alleine wegen verfassungsrechtlichen Zweifeln an dem Zinssatz komme daher nicht in Betracht.
Mit ihrem gerichtlichen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung von Zinsen zur Einkommensteuer 2009 führen die Antragsteller ihr auf die Zinsen beschränktes Aussetzungsbegehren fort. In der Antragsschrift führen sie einerseits unter Verweis auf diverse finanzgerichtliche Rechtsprechung sowie hierzu anhängige Revisionsverfahren beim BFH an, dass Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes nach§ 238 AO und damit an der Zinsfestsetzung dem Grunde und der Höhe nach bestünden. Andererseits machen sie eingehend verfahrensrechtliche und materiell-rechtliche Einwendungen gegen den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2009 vom 13. November 2017 geltend und sehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung, welche auch bei der Zinsfestsetzung zu berücksichtigen seien.
Die Antragsteller beantragen sinngemäß,
1. die Vollziehung des Bescheids über Zinsen zur Einkommensteuer 2009 vom 13.11.2017 auszusetzen
2. soweit Aussetzung der Vollziehung gewährt wird, die Verwirkung von Säumniszuschlägen bis zum Ergehen der gerichtlichen Entscheidung über den Aussetzungsantrag aufzuheben.
Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen,
hilfsweise, die Beschwerde zuzulassen.
Zur Begründung verweist er darauf, dass die verfassungsrechtlichen Bedenken allein eine Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung nicht gebieten würden. Soweit die Antragsteller hingegen mit ernstlichen Zweifeln an der Einkommensteuerfestsetzung argumentieren, könne dies im hiesigen Aussetzungsverfahren nicht berücksichtigt werden. Unter Verweis auf § 361 Abs. 3 Satz 1 AO, § 171 Abs. 10 AO und § 351 Abs. 2 AO sowie des Grundlagen-Folgebescheid-Verhältnisses zwischen Einkommensteuerfestsetzung und Zinsfestsetzung könne im hiesigen AdV-Verfahren gegen die Zinsfestsetzung keine isolierte (inzidente) Prüfung der Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerfestsetzung erfolgen. Die Antragsteller hätten – was in tatsächlicher Hinsicht zwischen den Beteiligten unstreitig ist – keinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuerfestsetzung gestellt und die nachgeforderte Einkommensteuer (nebst Zuschlagsteuer; ohne Zinsen) auch gezahlt.
Für den Fall einer Stattgabe des Antrags beantragt der Antragsgegner, die Beschwerde nach § 128 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen. Der Rechtsfrage, ob im Aussetzungsverfahren ernstliche Zweifel gegen die Einkommensteuer auch auf die Zinsfestsetzung durchgreifen, wenn ausschließlich eine Aussetzung der Vollziehung der Zinsfestsetzung begehrt wird, sei grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 FGO beizumessen.
In Reaktion hierauf führen die Antragsteller an, im Streitfall sei es zulässig, im Aussetzungsverfahren des Folgebescheids (Bescheid über Zinsen zur Einkommensteuer 2009) auch Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid (Einkommensteuerbescheid 2009) geltend zu machen. Das Grundlagen-Folgebescheid-Verhältnis der Einkommensteuerfestsetzung zur Zinsfestsetzung werde nicht bestritten, auch sei es unstreitig, dass keine Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 2009 (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) beantragt und begehrt worden sei und das hiesige Verfahren sich nur auf die Zinsen zur Einkommensteuer 2009 beziehe. Dies sei jedoch unschädlich. Zum einen könne aus den gesetzlichen Regelungen (insbes. § 361 Abs. 3 Satz 1 AO und § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO), wonach bei der Aussetzung des Grundlagenbescheids von Amts wegen auch die Folgebescheide auszusetzen seien, nicht geschlossen werden, dass im AdV-Verfahren des Folgebescheids niemals Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid geltend gemacht werden könnten. Ein Rechtsschutzbedürfnis ergebe sich im Streitfall daraus, dass die Antragsteller nur eine Aussetzung der Zinsen begehren und folglich gegen jenen Bescheid vorgingen. Dass der Grundlagenbescheid (Einkommensteuerbescheid 2009) in der Sache nicht akzeptiert werde, sei hinreichend an dem anhängigen Einspruchsverfahren in der Hauptsache erkennbar. Insgesamt zeige die hiesige Verfahrenssituation hinreichend, dass die Antragsteller die Festsetzungen insgesamt nicht akzeptieren und eine Aufhebung des Grundlagenbescheids (in der Hauptsache) „in toto“ beantragt haben. Die hiesige differenzierte Antragstellung zur Aussetzung habe ihren Grund nicht darin, dass die zugrunde liegende Steuerschuld (Einkommensteuer 2009) akzeptiert werde, sondern sei allein durch die bereits dargelegte Risikoabwägung bezüglich etwaiger Aussetzungszinsen bedingt.
Soweit die in diesem Kontext ergangene BFH-Rechtsprechung (insbes. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987, VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240) eine inzidente Prüfung von Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid bei einem AdV-Verfahren gegen den Folgebescheid nicht zulasse, gelte dies nur für „typische Fälle“, jedenfalls nicht für den Streitfall. Der BFH habe im vorgenannten Urteil selbst die Ausnahme zugelassen, wenn vorläufiger Rechtsschutz gegen den Grundlagenbescheid wegen Tilgung nicht mehr möglich sei. Der hiesige Streitfall sei so gelagert, weil die nachgeforderte Einkommensteuer 2009 (nebst Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer) unstreitig gezahlt worden sei. Aus den im Einzelnen dargelegten Einwendungen gegen die geänderte Einkommensteuerfestsetzung 2009 ergäben sich insgesamt ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Steuernachforderung, welche eine AdV der Zinsen gebieten.
Im Übrigen bestünden – so die Antragsteller – jedenfalls wegen des Zinssatzes von 6 % p.a. eigenständige hinreichende Zweifel an der Zinsfestsetzung dem Grunde nach, wie sich etwa aus dem beim BFH anhängigen Verfahren I R 77/15 sowie einer Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags vom16. Februar 2017 (WD 4 – 3000 – 011/17) ergebe.
II.
Der Antrag hat keinen Erfolg. Die von den Antragstellern durch Verweis auf anhängige Verfahren dargelegten verfassungsrechtlichen Zweifel an dem in § 238 AO geregelten Zinssatz gebieten keine Aussetzung der Vollziehung (hierzu 1.). Anderweitige spezifische Einwendungen (z. B. gegen die Zinsläufe und Teil(zins)beträge) werden gegen den Zinsbescheid zur Einkommensteuer 2009 nicht geltend gemacht und sind nach Aktenlage auch nicht erkennbar; insbesondere bewirken die vom Antragsgegner nach § 233a Abs. 2a AO errechneten Zinsläufe (in Fällen rückwirkender Ereignisse) einen günstigeren Zinslauf als die reguläre Berechnung nach § 233a Abs. 2 AO. Soweit die Antragsteller hingegen im hiesigen AdV-Verfahren Einwendungen gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 (als Grundlagenbescheid zur Zinsfestsetzung) geltend machen, ist ihr Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig (hierzu 2.).
1. Eine Aussetzung der Vollziehung der Zinsen zur Einkommensteuer 2009 kommt wegen der geltend gemachten verfassungsrechtlichen Zweifel an dem in § 238 AO geregelten Zinssatz nicht in Betracht.
a. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel liegen nach ständiger Rechtsprechung des BFH vor, wenn neben den für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182; seither ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 3. Juni 2009 IV B 48/09, BFH/NV 2009, 1641). Nicht erforderlich ist, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (vgl. BFH-Beschluss vom 6. Februar 2009 IV B 125/08 BFH/NV 2009, 760 m.w.N.). Eine Aussetzung der Vollziehung ist vielmehr bereits dann zu gewähren, wenn es auf Grund des vorliegenden Prozessstoffes und der von den Beteiligten beigebrachten Beweismittel ernstlich möglich erscheint, dass sich der angegriffene Bescheid bei einer abschließenden Prüfung der Sach- und Rechtslage als rechtswidrig erweist.
Für die Bejahung einer unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte ist entscheidend, ob die sofortige Vollziehung (vor Unanfechtbarkeit des Verwaltungsakts) unbillig erscheint. Das ist der Fall, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts wirtschaftliche Nachteile drohen, die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (st. Rspr., vgl. Stapperfend in Gräber, FGO, 8. Aufl., § 69 Rn. 170 m.w.N.).
Für beide Fallgruppen (ernstliche Zweifel / unbillige Härte) gelten jedoch Besonderheiten, wenn verfassungsrechtliche Zweifel an einer Norm geltend gemacht werden und über das AdV-Verfahren faktisch eine einstweilige Suspendierung der gesetzlichen Regelung bewirkt werden soll. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. etwa Beschluss vom 25. November 2014, VII B 65/14, BStBl II 2015, 207, als Reaktion auf stattgebende AdV-Beschlüsse des FG Hamburg wegen Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit und Unionsrechtmäßigkeit des Kernbrennstoffsteuergesetzes, siehe hierzu auch Beschluss des FG Hamburg vom 11. April 2014, 4 V 154/13, EFG 2014, 1172) ist zwar bei bestehenden ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts oder einer für den Betroffenen bestehenden unbilligen, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotenen Härte im Regelfall die Vollziehung des Verwaltungsakts auszusetzen oder im Fall eines bereits vollzogenen Verwaltungsakts die Vollziehung wieder aufzuheben (§ 69 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 3 FGO). In besonders gelagerten Ausnahmefällen kann jedoch trotz Vorliegens solcher Zweifel die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes abgelehnt werden. Ein solcher atypischer Fall kommt in Betracht, wenn die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts auf Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Gesetzesvorschrift beruhen (BFH-Beschluss vom 10. Februar 1984 III B 40/83, BStBl II 1984, 454). Ist dies der Fall, setzt die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wegen des Geltungsanspruchs jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes (d.h. im Sinne eines ordnungsgemäßen Gesetzgebungsvorgangs) zusätzlich ein (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers voraus (BFH-Beschlüsse vom 1. April 2010 II B 168/09, BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558; vom 27. August 2002 XI B 94/02, BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 6. November 2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 30. Januar 2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031, und vom 17. März 1994 VI B 154/93, BFHE 173, 554, BStBl II 1994, 567). Bei der Prüfung, ob ein solches berechtigtes Interesse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzugs und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (BFH-Beschlüsse vom21. November 2013 II B 46/13, BFHE 243, 162, BStBl II 2014, 263; in BFHE 199, 566, BStBl II 2003, 18; vom 20. Juli 1990 III B 144/89, BFHE 162, 542, BStBl II 1991, 104, und vom 20. Mai 1992 III B 100/91, BFHE 168, 174, BStBl II 1992, 729). Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des BVerfG bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung bzw. Aufhebung der Vollziehung eines Steuerbescheids im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führen würde, die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind und der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (BFH-Beschluss in BFHE 228, 149, BStBl II 2010, 558).
b. Bei Übertragung der vorgenannten Grundsätze auf den Streitfall kann dahinstehen, ob hinreichende verfassungsrechtlich begründete, ernstliche Zweifel an dem gesetzlichen Zinssatz von 6 % bestehen oder ob der Zinsbescheid für die Antragsteller, welche ausweislich der Zahlung der Einkommensteuer nebst Zuschlagsteuern über ausreichend Liquidität verfügen, eine unbillige Härte darstellt. Nach Überzeugung des Senats ist jedenfalls das öffentliche Vollzugsinteresse, sowie das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung höher zu gewichten als ein mit Verweis auf anhängige Verfahren begründetes Aussetzungsinteresse der Antragsteller.
Gegen die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes von 6 % p.a. nach § 238 AO sind derzeit mehrere Revisionsverfahren beim BFH anhängig (BFH X R 15/17, zuvor Urteil des FG München vom 30. Juni 2016, 11 K 406/15, Juris; BFH III R 15/17, zuvor Urteil des FG Baden-Württemberg vom 18. April 2016, 6 K 3082/15, EFG 2017, 1408; BFH III R 10/16, zuvor Urteil des FG Düsseldorf vom 10. März 2016, 16 K 2976/14 AO, EFG 2016, 1053; BFH III R 16/16, zuvor Urteil des FG München vom 21. Juli 2015, 6 K 1144/15, Juris; BFH III R 25/17, zuvor Urteil des FG Münster vom 17. August 2017, 10 K 2472/16, EFG 2017, 1638; zweifelnd auch der 1. Senat des FG Köln im Urteil vom 27. April 2017, 1 K 3648/14, EFG 2017, 1493, rkr.). Ferner ist gegen eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 10. Juli 2014, 14 A 1196/13, Juris) derzeit die von den Beteiligten benannte Verfassungsbeschwerde unter dem Aktenzeichen 1 BvR 2237/14 beim Bundesverfassungsgericht anhängig.
Die vorgenannten anhängigen Verfahren führen nach Überzeugung des beschließenden Senats nicht dazu, dass ein Aussetzungsinteresse der Antragsteller so hoch zu gewichten wäre, dass dieses eine – faktisch auch über den entschiedenen Einzelfall hinaus wirkende – Suspendierung der Verzinsungsregelung bewirkt. Angesichts der früheren Nichtannahmebeschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur Verzinsungsregelung (vgl. Beschlüsse vom 3. September 2009, 1 BvR 2539/07, BFH/NV 2009, 2115 sowie 1 BvR 1098/08, HFR 2010, 66) ist ungewiss, ob das Bundesverfassungsgericht den Zinssatz von 6 % p.a. bei einer neuerlichen Prüfung unter Berücksichtigung der weiteren Marktzinsentwicklung in den jüngeren Jahren als verfassungswidrig einstufen wird. Auch ist fraglich, ob etwaige durchgreifende verfassungsrechtliche Einwendungen zur Nichtigkeitserklärung durch das BVerfG führen würden, oder ob der Gesetzgeber zur Anpassung des konkreten Zinssatzes oder Schaffung eines variablen Berechnungssystems aufgefordert werden würde. Der Senat kann bei dieser Sach- und Rechtslage keine so große Bedeutung oder Schwere der Zinsfestsetzung erkennen, dass diese bereits in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes eine Aussetzung gebietet. Vielmehr erscheint es dem Senat unter Berücksichtigung des Geltungsanspruchs eines formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes, unter dem Gesichtspunkt der Gewaltenteilung, unter Beachtung der Verwerfungskompetenz des Bundesverfassungsgerichts nach Art. 100 des Grundgesetzes sowie unter Berücksichtigung des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung zumutbar, dass die Antragsteller die Zinsen entrichten und erst bei einem etwaigen Obsiegen im Hauptsacheverfahren zurückerstattet bekommen.
2. Soweit die Antragsteller ihren gegen die Zinsen zur Einkommensteuer 2009 gerichteten Aussetzungsantrag mit Einwendungen gegen die Einkommensteuerfestsetzung begründen, ist der Antrag mangels Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Einkommensteuerbescheid und Zinsbescheid stehen – was zwischen den Beteiligten auch unstreitig ist – in einem Verhältnis von Grundlagenbescheid und Folgebescheid zueinander (vgl. nur BFH-Beschluss vom 14. Juli 2008 VIII B 176/07, BStBl II 2009, 117). Eine inzidente Prüfung von Einwendungen gegen einen (in der Hauptsache angefochtenen) Grundlagenbescheid ist jedoch auf Folgebescheidebene auch in Aussetzungsverfahren nicht vorgesehen.
a. Gegen eine solche inzidente Prüfung spricht bereits eine systematische und an Sinn und Zweck orientierte Auslegung der § 361 Abs. 3 AO und § 69 Abs. 2 Sätze 4 ff. FGO. Hiernach sind bei der Aussetzung von Grundlagenbescheiden von Amts wegen auch die Folgebescheide auszusetzen. Auf Folgebescheidebene (beispielsweise bei der Gewerbesteuerfestsetzung der Gemeinde als Folgebescheid zum Gewerbesteuermessbetragsbescheid des Finanzamts) ist lediglich über eine Sicherheitsleistung zu entscheiden, soweit diese nicht ausdrücklich auf Ebene des Grundlagenbescheids ausgeschlossen ist. Das Gesetz macht damit im Umkehrschluss und im Einklang mit der Bindungswirkung in § 182 Abs. 1 AO sowie der Regelung in § 351 Abs. 2 AO deutlich, dass die sachliche Prüfungskompetenz auch im vorläufigen Rechtsschutz auf Ebene des Grundlagenbescheids liegt.
Entgegen der Ansicht der Antragsteller ist insoweit nicht zwischen Hauptsacheverfahren und Aussetzungsverfahren zu unterscheiden, insbesondere ist es nicht möglich, im Hauptsacheverfahren auch den Grundlagenbescheid und im Aussetzungsverfahren isoliert den Folgebescheid (vorbehaltlich spezifischer gegen diesen gerichteter Einwendungen) anzugreifen. Ein solches Verständnis würde dazu führen, dass im vorläufigen Rechtsschutz (Aussetzung der Vollziehung; einstweilige Anordnung) eine (inzidente) Prüfung des Grundlagenbescheids auf Folgebescheidebene, im Hauptsacheverfahren jedoch wieder auf Grundlagenbescheidebene erfolgen würde. Eine solche Verfahrensweise würde zu vielfältigen verfahrensrechtlichen Friktionen führen. So könnte beispielsweise gegen Gewerbesteuerbescheide eine Aussetzung der Vollziehung bei der Gemeinde (und in der Folge bei der Verwaltungsgerichtsbarkeit) mit Einwendungen gegen den Messbetragsbescheid geführt werden, obwohl die Gemeinden und die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Hauptsache hierfür nicht zuständig sind. Es käme dann zu der paradoxen Situation, dass im Einspruchsverfahren gegen den Folgebescheid eine Abweisung wegen Unbegründetheit nach § 351 Abs. 2 AO erfolgen würde, die im Aussetzungsverfahren jedoch unbeachtet bliebe. Das Aussetzungsverfahren wäre damit von den Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens – jeweils bezogen auf die Folgebescheidebene – „entkoppelt“, weil Aussetzung der Vollziehung für einen Folgebescheid gewährt werden würde, obwohl der gegen den Folgebescheid in der Hauptsache gerichtete Einspruch evident nach § 351 Abs. 2 AO als unbegründet (BFH-Rechtsprechung) oder unzulässig (Teile der Literatur) zurückgewiesen werden müsste bzw. eine entsprechende Klage abgewiesen werden müsste. Die gesetzgeberische Konzeption des § 361 AO und § 69 FGO (vgl. Einleitungssatz in Absatz 1: „…Durch Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts…“) sieht jedoch gerade vor, dass ein zulässiger Aussetzungsantrag einen in den Hauptsache (mit entsprechenden Erfolgsaussichten eines „ernstlichen Zweifels“) angefochtenen Verwaltungsakt verlangt.
b. Der beschließende Senat sieht sich hierzu im Grundsatz im Einklang mit der Rechtsprechung des BFH und der Finanz- und Verwaltungsgerichte.
Der IV. Senat des BFH hat bereits im Urteil vom 21. März 1985 (IV R 277/84, BFH/NV 1986, 709) die Aussetzung eines Einkommensteuerbescheids im Hinblick auf einen (gesondert festzustellenden) erwarteten Verlustanteil des Steuerpflichtigen an einer Personengesellschaft abgelehnt. Er hat unter Verweis auf § 182 Abs. 1 AO sowie § 361 Abs. 3 AO ausgeführt, dass nach Ergehen eines Gewinnfeststellungsbescheids die Vollziehung des Einkommensteuerbescheids nicht wegen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Feststellungen (gegen die im Streitfall ein Einspruchsverfahren anhängig war) ausgesetzt werden darf.
Hieran anschließend hat der VIII. Senat des BFH mit Urteil vom 29. Oktober 1987(VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240) ausgeführt, dass nach Ergehen eines positiven oder negativen Gewinnfeststellungsbescheids vorläufiger Rechtsschutz gegen die Folgen der im Grundlagenbescheid getroffenen Feststellungen nur durch Aussetzung der Vollziehung dieses (Grundlagen-)Bescheids gewährt werden kann. Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids, der mit Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Entscheidungen im Gewinnfeststellungsbescheid begründet wird, sei mangels fehlendem Rechtsschutzbedürfnis unzulässig. Zur Begründung verweist der BFH auf das Verhältnis zwischen Grundlagen- und Folgebescheid und die Regelungen insbesondere in §§ 179 ff. AO, 351 Abs. 2 AO, 361 Abs. 3 AO sowie§ 42 FGO. Eine Verfahrensaussetzung nach § 74 FGO bis zur Entscheidung über einen – im dortigen Streitfall beim Grundlagenbescheid gestellten und auf jener Ebene noch anhängigen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes – hielt der BFH aufgrund der summarischen Natur der Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes für unvereinbar.
Dieser Rechtsprechung sind der X. Senat des BFH mit Beschluss vom 6. Dezember 2000 (X B 89/00, Juris) sowie der IX. Senat des BFH mit Beschluss vom 24. August 2004 (IX S 7/04, Juris) gefolgt.
In gleicher Weise hat auch die finanzgerichtliche Rechtsprechung wiederholt die Aussetzung der Vollziehung von Folgebescheiden mit gegen den Grundlagenbescheid gerichteten Einwendungen abgelehnt (vgl. etwa Beschluss des FG Düsseldorf vom26. Juli 1995, 14 V 3298/95 A (E), Juris; ausdrücklich auch zu Zinsfestsetzungen nach § 233a AO (!); Beschluss des FG München vom 12. April 2001, 13 V 422/01, Juris; Beschluss des FG Hamburg vom 30. August 2001, VII 105/01, EFG 2002, 94; Beschluss des FG München vom 15. September 2003, 13 V 2612/03, Juris; Beschluss des FG Hamburg vom 13. Mai 2005, I 130/05, EFG 2005, 1282; ausdrücklich für Zinsfestsetzungen nach § 233a AO (!): Beschluss des FG Berlin-Brandenburg vom15. Oktober 2008, 12 V 12192/07, EFG 2009, 212; Beschluss des FG München vom1. Dezember 2009, 6 V 1411/09, Juris; Beschluss des FG München vom 14. August 2009, 13 V 1628/09, Juris; Beschluss des FG München vom 8. Januar 2014, 6 V 2116/13, EFG 2014, 2161; noch weitergehender Beschluss des FG Baden-Württemberg vom 16. April 2002, 3 V 12/01, EFG 2002, 997, wonach selbst ein Antrag auf Ausschluss der Sicherheitsleistung auf Folgebescheidebene nicht auf angebliche hohe Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs gegen den Grundlagenbescheid gestützt werden kann). Die Rechtsprechung verweist hier insbesondere auf das fehlende Rechtsschutzbedürfnis einer Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids, weil im gerichtlichen Verfahren nach § 69 Abs. 2 Satz 4 FGO bei Aussetzung eines Grundlagenbescheids die Vollziehung des Folgebescheids von Amts wegen erfolgt. Dementsprechend lehnt beispielsweise auch die verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung eine Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuerbescheids als Folgebescheid des Gewerbesteuermessbetragsbescheids ab, wenn Einwendungen ausschließlich gegen den Grundlagenbescheid erhoben werden (vgl. etwa Beschluss des VG München vom 23. Juli 2009, M 10 S 09.2583, Juris).
c. Soweit sich die Antragsteller auf eine in der BFH-Rechtsprechung angeführte „Ausnahme“ berufen, kann dem nicht gefolgt werden.
Im vorgenannten BFH-Urteil vom 29. Oktober 1987 (VIII R 413/83, BStBl II 1988, 240) verweist der BFH auf einen Beschluss vom 31. Januar 1968 (I B 49/67, BStBl II 1968, 350). Dort führte der I. Senat des BFH zu einer Aussetzung eines Gewerbesteuermessbescheids an, dass der Einkommensteuerbescheid als Grundlagenbescheid anzusehen sei und § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO (in der damals geltenden Fassung der FGO vom 6. Oktober 1965, BGBl I 1965, 1477: „Wird die Vollziehung eines angefochtenen Feststellungsbescheides oder Steuermessbescheides ausgesetzt, so ist auch die Vollziehung eines auf Grund dieser Bescheide etwa ergangenen Bescheides auszusetzen.“) einer Aussetzung des Gewerbesteuermessbescheids nicht entgegenstehe. In jenem Streitfall bestehe die Besonderheit, dass der Einkommensteuerbescheid als Grundlagenbescheid nicht ausgesetzt sei, weil die Einkommensteuerschuld getilgt worden sei. Die Vorschrift des § 69 Abs. 2 Satz 3 FGO a.F. bringe – so seinerzeit der I. Senat des BFH – den Willen des Gesetzgebers zum Ausdruck, dass dann, wenn die Entscheidung über den angefochtenen Bescheid sich unmittelbar auf andere Bescheide auswirke, die Aussetzung der Vollziehung sich nicht auf den angefochtenen Bescheid beschränken, sondern sich auf die von ihm abhängigen Bescheide erstrecken solle. Werde festgestellt, dass die materiellen Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung des Grundlagenbescheids gegeben wären, so bestehe nach dem Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung kein Hinderungsgrund für eine Aussetzung auf Folgebescheidebene. Die Vollziehung eines Folgebescheids sei auch dann auszusetzen, wenn die Vollziehung des Grundlagenbescheids nur deshalb nicht ausgesetzt ist, weil die festgesetzte Steuer bereits entrichtet ist (ebenso in diese Richtung BFH-Beschluss vom 6. Juli 1972 VIII B 48/71, BStBl II 1972, 955).
Nach Überzeugung des beschließenden Senats ist der über 50 Jahre alte Beschluss des I. Senats über den Einzelfall hinaus nicht anwendbar. Er beruht bereits auf einer anderen Rechtslage. Dem beschließenden Senat ist wegen der Möglichkeit der Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 2 Satz 7 FGO zudem nicht verständlich, weshalb eine Zahlung auf Grundlagenbescheidebene (im BFH-Fall: der Einkommensteuer) einen dortigen vorläufigen Rechtsschutz auf Grundlagenbescheidebene ausschließen soll. Bei Zahlung der streitigen Steuer muss lediglich eine Aufhebung statt eine Aussetzung der Vollziehung beantragt werden. Nach gefestigter BFH-Rechtsprechung ist dies auch bei freiwilliger vorheriger Zahlung statthaft (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Mai 1993, VIII S 3/93, BFH/NV 1994, 113, m.w.N. aus der BFH-Rechtsprechung).
Insgesamt ist für den beschließenden Senat auch kein Grund ersichtlich, weshalb eine (ggf. freiwillige) Zahlung der Steuer eines Grundlagenbescheids die Möglichkeit eines AdV-Antrags auf Folgebescheidebene mit gegen den Grundlagenbescheid gerichteten Einwendungen eröffnen sollte. Ein solches Vorgehen würde faktisch zu einem Optionsrecht des Steuerpflichtigen führen, durch Zahlung einer Steuer auf Grundlagenbescheidebene den vorläufigen Rechtsschutz auf die Folgebescheidebene zu ziehen. Bei einer Vielzahl von Grundlagen-Folgebescheid-Regelungen (z. B. Gewinnfeststellungsbescheide, Einheitswertbescheide, Messbetragsbescheide, Feststellung von Eigenkapitalbeträgen, etc.) gäbe es auf Grundlagenbescheidebene zudem keine Zahlungsmöglichkeit, wodurch diese Konstellationen ausgenommen wären.
Für den Streitfall mit Festsetzungen im Einkommensteuerbescheid und im Zinsbescheid ist den Antragstellern zwar zuzugeben, dass beide Bescheide separate Zahlungspflichten begründen. Ein vernünftiger Grund, in diesen Fällen eine Aussetzungsmöglichkeit auf Folgebescheidebene (Zinsfestsetzung) mit inhaltlichen Einwendungen gegen die Grundlagenbescheidebene zu ermöglichen, ist für den Senat gleichwohl nicht erkennbar. Die vom Antragsteller angeführten wirtschaftlichen Überlegungen, die Einkommensteuer (nebst Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag) zu zahlen, bezüglich der Zinsen wegen des fehlenden Zinseszins-Risikos dagegen eine Aussetzung zu begehren, führen aus Sicht des Senats nicht zur Bejahung eines Rechtsschutzinteresses auf Folgebescheidebene für Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid. Nach Auffassung des beschließenden Senats hätten die Antragsteller eine Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer beantragen können (bzw. gegen die Ablehnung ein gerichtliches Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung der Einkommensteuer 2009 führen können) und eine etwaige dann gewährte Aussetzung durch freiwillige Zahlung nicht nutzen müssen. Hiermit hätten sie jedenfalls den Zinslauf bezogen auf die Einkommensteuer (und ggf. die Kirchensteuer und den Solidaritätszuschlag) nach § 237 AO stoppen können (vgl. zur Möglichkeit der Tilgung der Steuerschuld trotz AdV etwa BFH-Urteil vom 25. April 2013, V R 29/11, BStBl II 2013, 767). Bei einer so gewährten AdV auf Grundlagenbescheidebene (hier: Einkommensteuer) hätten sie dadurch eine von Amts wegen erfolgende (ggf. nur gegen Sicherheitsleistung zu gewährende) Aussetzung auf Folgebescheidebene (hier: Zinsen) erreichen können und diese AdV – vorbehaltlich der Frage der Festsetzung einer Sicherheitsleistung auf Folgebescheidebene – isoliert nutzen können.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Beschwerde ist gem. § 128 Abs. 3 i.V.m. § 115 Abs. 2 Nr. 1, 2 FGO zuzulassen. Angesichts der Vielzahl von anhängigen Revisionsverfahren zur Verfassungsmäßigkeit des Zinssatzes nach§ 238 AO sowie der anhängigen Verfassungsbeschwerde erscheint eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Aussetzung der Vollziehung geboten. Eine Zulassung der Beschwerde erscheint auch wegen der Frage der inzidenten Prüfung von Einwendungen gegen einen Grundlagenbescheid bei Aussetzungsanträgen gegen einen Folgebescheid wegen möglicher Divergenz und grundsätzlicher Bedeutung geboten. Der beschließende Senat weicht mit seiner Entscheidung möglicherweise von tragenden Ausführungen im BFH-Beschluss vom31. Januar 1968 (I B 49/67, BStBl II 1968, 350) ab. Hier ist aus Sicht des beschließenden Senats klarstellungsbedürftig, ob in Ausnahmefällen Einwendungen gegen den Grundlagenbescheid im AdV-Verfahren des Folgebescheids berücksichtigt werden können und ob im Streitfall die bloße Zahlung der Steuer des Grundlagenbescheids (Einkommensteuer 2009) es ausnahmsweise ermöglicht, bei der Zinsfestsetzung Einwendungen zulässigerweise gegen die Einkommensteuerfestsetzung geltend machen zu können.