R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
26.07.2019
Steuerrecht
FG Köln: Kein strukturelles Vollzugsdefizit bei ausländischen Umstrukturierungen, die zur Verwirklichung des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG führen

FG Köln, Urteil vom 6.12.20175 K 1379/15

ECLI:DE:FGK:2017:1206.5K1379.15.00

Volltext: BB-ONLINE BBL2019-1750-2

Sachverhalt

Streitig ist inzwischen nur noch, ob trotz Verwirklichung des Tatbestandes des § 1 Abs. 3 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) die hierauf gestützte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer wegen eines strukturellen Vollzugsdefizits aufzuheben ist.

Die Klägerin ist entstanden aus einer durch Vertrag vom ....03.2003 durchgeführten Verschmelzung der A S.A. auf die B S.A. mit Wirkung zum 30.04.2003. Dieser Vorgang wurde dem beklagten Finanzamt am 15.09.2009 - im Anschluss an eine Betriebsprüfung bei der C Deutschland GmbH (Deutschland GmbH) - angezeigt. Die B S.A. wurde inzwischen umfirmiert in C S.A.S. (Klägerin). Die A S.A. hielt 100 % der Anteile an der Deutschland GmbH, die ihrerseits unmittelbare und mittelbare alleinige Anteilseignerin diverser GmbH‘s in Deutschland ist, die über Grundbesitz im gesamten Bundesgebiet verfügen. Die Deutschland GmbH hielt im Zeitpunkt der Verschmelzung unter anderem 100 % der Anteile an der ...gesellschaft D GmbH (D GmbH), die ihrerseits ein Erbbaurecht an einem (im Rahmen des ... genutzten) Grundstück im Inland, Gemarkung D hatte.

Der Beklagte erließ aufgrund der Verschmelzung am 30.04.2010 gegenüber der Klägerin einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO). In der Anlage zum Bescheid, in der das die Grunderwerbsteuer auslösende Grundstück/Erbbaurecht in D aufgeführt ist, wurde der Wert des Grundstückes nachrichtlich mit 95.500 € angegeben. Gleichzeitig wurde darauf hingewiesen, dass dieser Wert gemäß § 138 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) durch das zuständige Finanzamt E der Besteuerung zu Grunde zu legen ist.

Dagegen erhob die Klägerin Einspruch, im Wesentlichen begründet mit einem Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) aufgrund eines strukturellen Vollzugsdefizites.

Nach umfangreichem Schriftverkehr zwischen den Beteiligten erließ der Beklagte am 21.01.2011 einen gemäß § 164 Abs. 2 AO geänderten Bescheid zur gesonderten Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer. Der Vorbehalt der Nachprüfung sollte bestehen bleiben. Der Bescheid erging nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO teilweise vorläufig. Als Rechtsgrundlage für die Feststellung wurde weiterhin § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder 4 GrEStG genannt. Es wurde darauf hingewiesen, dass es sich um einen Fall des § 17 Abs. 3a GrEStG handele und ein Ausweis der Grundstückswerte gemäß § 138 Abs. 2-4 des Bewertungsgesetzes (BewG) entfalle. Das für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzamt werde die Feststellung des Grundstückswertes veranlassen und der Festsetzung zugrunde legen. Die Mitteilung des - nunmehr mit 105.000 € angegebenen - Grundstückswertes erfolge nur nachrichtlich.

Inzwischen liegt dem Gericht die zuletzt ergangene Feststellung des Grundbesitzwertes vom 04.05.2017 vor, wonach dieser 131.500 € beträgt. Die Grunderwerbsteuer wurde mit Bescheid vom 05.10.2010 auf dieser Basis festgesetzt.

Nach weiterem umfangreichem Schriftverkehr erließ der Beklagte am 20.04.2015 eine Einspruchsentscheidung, durch die der Einspruch der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde aufgehoben. Die Feststellung erging teilweise vorläufig bezüglich der Heranziehung des Grundbesitzwertes im Sinne des § 138 BewG.

Dagegen richtet sich die Klage.

Zur Begründung führt die Klägerin wie folgt aus: Durch die Verschmelzung der ausländischen Kapitalgesellschaften A S.A. auf die B S.A. durch Vertrag vom ....03.2003 sei der grunderwerbsteuerliche Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfüllt. Jedoch führe die Erhebung der Grunderwerbsteuer bei im Ausland verwirklichten Besteuerungstatbeständen nach § 1 Abs. 3 GrEStG wegen mangelnder Folgerichtigkeit und Vorliegen eines strukturellen Vollzugsdefizits zu einer ungerechtfertigten steuerlichen Ungleichbehandlung. Denn während bei ausländischen Umstrukturierungen, die den Tatbestand des § 1 Abs. 3 GrEStG erfüllten, zahlreiche grunderwerbsteuerbare Vorgänge nicht gegenüber der deutschen Finanzverwaltung angezeigt würden und dementsprechend keine Grunderwerbsteuer festgesetzt werde, werde gegenüber rechtskundigen und rechtskonform handelnden Steuerpflichtigen in gleich gelagerten Fällen die Grunderwerbsteuer jeweils festgesetzt und erhoben. Somit stelle die Erhebung der Grunderwerbsteuer im konkreten Falle einen Verstoß gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG dar und sei verfassungswidrig.

Im Einzelnen sei Folgendes zu beachten:

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) leite in ständiger Rechtsprechung den Grundsatz der Steuergerechtigkeit aus Art. 3 Abs. 1 GG her. Der Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebiete insbesondere die gleichmäßige Festsetzung und Erhebung von Steuern durch die Finanzbehörden sowie die Rechtsanwendungsgleichheit durch die Finanzgerichte. Dementsprechend werde der Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit aus Art. 3 Abs. 1 GG über die Finanzbehörden hinsichtlich der Erhebung von Steuern einfachgesetzlich im Rahmen des § 85 AO konkretisiert. Danach hätten die Finanzbehörden Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben und insbesondere sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergütungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt würden. Unter Berufung auf den Grundsatz der Rechtsanwendungsgleichheit könne zwar ein Steuerpflichtiger nach der Rechtsprechung grundsätzlich nicht verlangen, wie andere Steuerpflichtige entgegen dem Gesetz begünstigt zu werden (keine Gleichheit im Unrecht). In Abweichung von diesem Grundsatz könne sich der Steuerpflichtige jedoch auf die Verfassungswidrigkeit der materiellen Gesetzesnorm berufen, wenn die ungleiche Besteuerung auf einem dem Gesetzgeber zurechenbaren strukturellen Vollzugsdefizit beruhe. Nach BVerfG führe ein solcher defizitärer Gesetzesvollzug in Form eines strukturellen Vollzugsdefizits bei Durchsetzung steuerrechtlicher Vorschriften zu einer Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG und folglich zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm.

Die Voraussetzungen für ein strukturelles Vollzugsdefizit ergäben sich aus dem grundlegenden Urteil des BVerfG vom 27.06.1991 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239. Art. 3 Abs. 1 GG verlange nicht nur die Gleichheit der normativen Steuerpflicht, sondern auch Gleichheit bei deren Durchsetzung in der Steuererhebung. Hänge die Festsetzung einer Steuer zunächst von der Deklaration oder Anzeige des Steuerpflichtigen ab, müsse der Gesetzgeber die Steuerehrlichkeit des Erklärenden durch hinreichende, die steuerliche Belastungsgleichheit gewährleistende Kontrollmöglichkeiten sichern bzw. überprüfen. Daher müsse das Deklarationsprinzip um das Verifikationsprinzip ergänzt werden.

Ein strukturelles Vollzugsdefizit sei anzunehmen, wenn die Vorschriften zum Vollzug eines Besteuerungstatbestandes dazu führten, dass der Besteuerungsanspruch weitgehend nicht durchgesetzt werden könne. Setze die Besteuerung die Deklaration bzw. Mitwirkung des Steuerpflichtigen voraus, sei dies insbesondere dann der Fall, wenn keine staatlichen Kontrollmöglichkeiten bestünden, welche die tatsächliche Deklaration durch den Steuerpflichtigen gewährleiste. In diesem Fall sei die Besteuerung nicht durchsetzbar, da praktisch kein bedeutsames Entdeckungsrisiko seitens des Steuerpflichtigen bestehe, wenn er seiner Deklarationspflicht nicht nachkomme. Die mangelnde Durchsetzbarkeit des Besteuerungsanspruches sei dem Gesetzgeber zuzurechnen, wenn es in die Verantwortlichkeit des Gesetzgebers falle, dass das maßgebliche Verfahrensrecht bei der vorgesehenen Erhebungsform keine Regelungen enthalte, durch die eine wirksame Kontrolle gewährleistet werde.

Bei ausländischen Umstrukturierungen mit zahlreichen grunderwerbsteuerbaren Erwerbsvorgängen bestehe die Ungleichbehandlung darin, dass diese Vorgänge nicht gegenüber der deutschen Finanzverwaltung angezeigt würden und dementsprechend keine Grunderwerbsteuer festgesetzt werde, während gegenüber rechtskundigen rechtskonform handelnden Steuerpflichtigen in gleich gelagerten Fällen die Grunderwerbsteuer festgesetzt und erhoben werde. In der Praxis komme es häufig vor, dass bei konzerninternen Umstrukturierungen im Ausland grunderwerbsteuerliche Folgen in Deutschland nicht erkannt und nicht gegenüber der deutschen Finanzverwaltung angezeigt würden. Insbesondere aufgrund der im internationalen Vergleich außergewöhnlichen Behandlung von konzerninternen Umstrukturierungen ohne tatsächliche Änderung der Eigentümerstruktur fehle häufig das Bewusstsein, dass solche Vorgänge in Deutschland grunderwerbsteuerpflichtig sein könnten. Zum einen rechneten die Geschäftsführer der an der Umstrukturierung beteiligten ausländischen Gesellschaften in der Regel nicht damit, dass aufgrund der Umstrukturierung deutsche Grunderwerbsteuer anfallen könnte, wenn lediglich ausländische Rechtsträger an der Umstrukturierung beteiligt seien. Zum anderen wüssten die Geschäftsführer der beteiligten ausländischen Gesellschaften in größeren Konzernen häufig nicht, dass in Deutschland belegener Grundbesitz von Tochtergesellschaften der unteren Konzernebene gehalten werde. Denn wenn sich die Umstrukturierung oberhalb der deutschen Grundbesitzinnengesellschaft vollziehe, bestehe hinsichtlich einer solchen Umstrukturierung häufig keinerlei Information. Diese ungleiche Rechtsanwendung beruhe auf der mangelnden Durchsetzbarkeit der Regelung des § 1 Abs. 3 GrEStG in Fällen, in denen der Steuertatbestand infolge einer ausländischen Umstrukturierung erfüllt werde. Nach der aktuellen Gesetzeslage bestünden keine ausreichenden staatlichen Kontrollmöglichkeiten, die gewährleisteten, dass bei ausländischen Umstrukturierungen ohne Beteiligung eines deutschen Rechtsträgers, der den Steuertatbestand auslösende Sachverhalt die deutschen Finanzbehörden auch tatsächlich angezeigt werde. Dem Deklarationsprinzip stehe mithin keine Verifikation gegenüber.

Die in § 18 GrEStG geregelte Anzeigepflicht richte sich allein an inländische Notare und Gerichte. Damit sei lediglich gewährleistet, dass die meisten inländischen Sachverhalte mit Bezug zu inländischen Immobilien den Finanzbehörden mitgeteilt würden. Zusätzlich erfahre die Finanzverwaltung durch die in regelmäßigen Abständen bei deutschen Gesellschaften stattfindenden Außenprüfungen von Umstrukturierungen, die Grunderwerbsteuer auslösen. Damit sei sichergestellt, dass eine strukturierte Überprüfung der Anzeigepflichten jedenfalls bei inländischen Sachverhalten gewährleistet sei. Beide Mechanismen führten dazu, dass die Finanzbehörden mit hoher Wahrscheinlichkeit auch ohne jegliche Mitwirkung des Steuerpflichtigen aus eigener Initiative heraus von Vorgängen, die Grunderwerbsteuer im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG auslösten, Kenntnis erlangten.

Bei konzerninternen Umstrukturierungen im Ausland seien jedoch regelmäßig keine inländischen Notare involviert, mit der Folge, dass keine automatische Mitteilung an die Finanzbehörden erfolge. Ein Rückgriff auf die Hilfe ausländischer Behörden zur Aufklärung eines konkreten Sachverhaltes sei zwar grundsätzlich möglich. Eine ständige Überwachung von ausländischen Konzernen mit inländischen Immobilien sei jedoch nicht durchführbar. Im Gegensatz zu inländischen Sachverhalten seien die Finanzbehörden bei ausländischen Sachverhalten alleine darauf angewiesen, dass die Steuerpflichtigen ihrer Anzeigepflicht gemäß § 19 GrEStG nachkommen. Diesbezüglich fehle es an einer Ergänzung des Deklarationsprinzips durch die Verifikation seitens der deutschen Finanzbehörden.

Soweit der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 09.04.2008 II R 39/06 die Auffassung vertreten habe, § 1 Abs. 3 GrEStG verstoße nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da durch Auslandsbezug bedingte Vollzugsdefizite hierzu nicht ausreichten, könne dem nicht gefolgt werden. - Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Klagebegründungsschrift vom 27.07.2015 verwiesen.

Zur Zurechenbarkeit des Vollzugsdefizits auf den Gesetzgeber führt die Klägerin aus, es falle in die Verantwortlichkeit des Gesetzgebers, dass er einen Grunderwerbsteuertatbestand geschaffen habe, der auch rein ausländische konzerninterne Umstrukturierungen erfasse, die nur durch Mitwirkung der ausländischen Beteiligten gegenüber der deutschen Finanzverwaltung bekannt würden. Dass zur Durchsetzung der Anzeigepflichten keine effizienten Kontrollmöglichkeiten bestünden, habe der Gesetzgeber billigend in Kauf genommen.

Die Erhebung der Grunderwerbsteuer bei im Ausland verwirklichten Besteuerungstatbeständen nach § 1 Abs. 3 GrEStG führe wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Folgerichtigkeit zu einer ungerechtfertigten steuerlichen Ungleichbehandlung. Der Grundsatz der Folgerichtigkeit verpflichte den Gesetzgeber zu konsequenter Umsetzung bereichsspezifisch zu gewinnender sachgerechter Wertungen. Der Grundsatz bilde mithin eine strenge Begrenzungsfunktion des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes und sei vor allem in der jüngeren Rechtsprechung des BVerfG zum Einkommensteuerrecht näher abgesteckt worden. Danach habe der Gesetzgeber einen von ihm verfolgten Regelungszweck folgerichtig, konsequent und widerspruchsfrei umzusetzen.

Im Übrigen verweist die Klägerin darauf, dass der ursprüngliche Zweck des § 1 Abs. 3 GrEStG darin gelegen habe, steuerlich missbräuchliche Gestaltungen zu verhindern. Gerade bei wirtschaftlicher Betrachtung im Sinne des § 1 Abs. 3 GrEStG erfolge jedoch bei einer Umstrukturierung im Konzern keine faktische Übertragung des Grundstückes, so dass folgerichtig in solchen Fällen kein Grunderwerbsteuervorgang erfüllt sei. -

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom sieben 27.07.2015 verwiesen.

Die Klägerin beantragt,

die angefochtene Feststellung der Besteuerungsgrundlagen zur Grunderwerbsteuer durch Bescheide vom 30.04.2010 und 21.01.2011 und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung vom 20.04.2015 aufzuheben,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte verweist hierzu zunächst auf seine Einspruchsentscheidung in der er wie folgt ausgeführt hatte: Das von der Klägerin zitierte Urteil des BVerfG 2 BvL 17/02 betreffe die Besteuerung von privaten Spekulationsgewinnen aus Wertpapiergeschäften und sei daher für die Grunderwerbsteuer nicht einschlägig.

§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG erfasse auch Umstrukturierungen außerhalb des deutschen Hoheitsgebietes, soweit inländische Grundstücke betroffen seien. Die Anwendung sei nicht dahingehend einzuschränken, dass Übertragungen innerhalb einer Gesellschaftsgruppe, wie Umstrukturierungen im Konzernverbund, von der Besteuerung auszunehmen seien. Auf eine wirtschaftliche Betrachtungsweise komme es nicht an. Ausschlaggebend sei vielmehr allein die Änderung in der Rechtsträgerschaft zwischen rechtlich verschiedenen Körperschaften, was bei der Übertragung im Rahmen einer Verschmelzung der Fall sei. Nach der Rechtsprechung des BFH sei auch kein dem Gesetzgeber zuzurechnendes strukturelles Defizit in der Durchsetzung des § 1 Abs. 3 GrEStG zu erkennen. Vollzugsmängel, wie sie immer wieder vorkämen, reichten nicht zur Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm. Defizite im Erhebungsverfahren seien erst dann relevant, wenn sie darauf angelegt seien, eine gleichmäßige Durchsetzung des Steueranspruches zu verhindern. Dabei sei unter anderem zu berücksichtigen, ob Verifikationsinstrumente wie etwa die Außenprüfung regelmäßig zur Anwendung kommen oder die Ausnahme darstellten. Anders als in den Fällen der Zins- und Spekulationseinkünfte unterlägen die Beteiligten grunderwerbsteuerrechtlicher Tatbestände grundsätzlich und regelmäßig steuerlichen Außenprüfungen, so dass eine Prüfung der Erfüllung der steuerlichen Pflichten keine Ausnahme, sondern die Regel darstelle. Es handele sich bei derartigen Vorgängen gerade nicht um typische Massenverfahren, bei denen eine Kontrolle nur erschwert möglich sei. Im Übrigen erfasse die Anzeigepflicht nach § 19 GrEStG auch ausländische Gesellschaften und ihre Geschäftsführer. Diese Regelung erfasse gerade die Erwerbsvorgänge, über die allgemein keine Urkunden durch deutsche Gerichte, Behörden oder Notare errichtet würden. Zwischenstaatliche Auskunftsersuchen zeigten Zugriffsmöglichkeiten auf, insbesondere auf ausländische Datenbanken.

Ergänzend bzw. klarstellend führt er aus, dass durch die streitgegenständliche Norm sowohl rechtlich als auch tatsächlich die Steuerpflichtigen gleich belastet würden. Die rechtliche Gestaltung des Erhebungsverfahrens gewährleiste die vom BVerfG geforderte Gleichheit im Belastungserfolg. Der Finanzverwaltung stünden zur Durchsetzung der Steuererhebung effektive Kontrollinstrumente zur Verfügung, so dass relevante Vorgänge aufgedeckt und verifiziert werden könnten. Gerade Änderungen von Beteiligungsstrukturen, Anteilsverschiebungen und Anteilsvereinigungen seien Gegenstand einer jeden Konzernbetriebsprüfung. Der Hinweis auf unwissende Geschäftsführer greife nicht. Vielmehr sei zu unterstellen, dass Geschäftsführer der beteiligten ausländischen Gesellschaften in größeren Konzernen Kenntnis vom Grundbesitz der Tochtergesellschaften und prüfungsrelevanten Sachverhalten hätten. Im Übrigen verweist er erneut auf die ausländischen Datenbanken, die der Finanzverwaltung Auskunftsmöglichkeiten sicherten. Ein Vollzugsdefizit bestehe daher nicht. Schwierigkeiten bei der Erfassung grunderwerbsteuerlicher Vorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG hätten ihren Grund nicht darin, dass das Erhebungsverfahren nicht auf Durchsetzbarkeit angelegt sei, sondern darin, dass die Aufklärungsmöglichkeiten im Ausland begrenzt seien, was nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zur Verfassungswidrigkeit einer Norm führe.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die angefochtene Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

Zum Vermögen der D GmbH gehörte zum streitgegenständlichen Zeitpunkt ein Erbbaurecht an einem inländischen Grundstück. Sie war damit Inhaberin eines Grundstückes im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG. Durch die aufgrund des Vertrages vom ....03.2003 durchgeführte Verschmelzung der A S.A. auf die B S.A. , die in C S.A.S. umfirmierte Klägerin, wurde diese gemäß § 20 Nr. 1 des Umwandlungsgesetzes ohne schuldrechtliches Rechtsgeschäft unmittelbar 100%ige Anteilseignerin an der Deutschland GmbH und damit mittelbar 100%ige Anteilseignerin an der den Grundbesitz haltenden D GmbH. Durch diesen mehr als 95%igen Anteilsübergang von der A S.A. auf die Klägerin wurde der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG erfüllt.

Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.

Soweit die Klägerin gleichwohl die Aufhebung des auf § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG gestützten Bescheides zur Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer begehrt, weil ihrer Auffassung nach die Vorschrift verfassungswidrig ist, kann dem nicht entsprochen werden. Ein verfassungswidriges Vollzugsdefizit ist bei Anwendung der Vorschrift nicht gegeben.

Ein Art. 3 Abs. 1 GG verletzendes Vollzugsdefizit bei einer Gesetzesnorm setzte voraus, dass es bei Anwendung der Vorschrift zu einem Gleichheitsverstoß kommen kann, wenn die Gleichheit im Belastungserfolg durch die rechtliche Ausgestaltung des Erhebungsverfahrens prinzipiell verfehlt ist. Die empirische Ineffizienz von Rechtsnormen stellt jedoch noch keine Verletzung des Gleichheitssatzes dar (Urteil des BFH vom 09.04.2008 II R 39/06, BFH/NV 2008, 1529).

Soweit Gesellschaften mit Sitz im Ausland Erwerbsvorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG verwirklichen, mag die grunderwerbsteuerrechtliche Erfassung dieser Vorgänge mit Schwierigkeiten verbunden sein. Diese Schwierigkeiten haben aber ihren Grund nicht darin, dass das Erhebungsverfahren in Bezug auf die aus der Anwendung des § 1 Abs. 3 GrEStG resultierenden Grunderwerbsteuer nicht auf Durchsetzbarkeit angelegt wäre, sondern darin, dass die Aufklärungsmöglichkeiten im Ausland begrenzt sind. Durch den Auslandsbezug bedingte Vollzugsdefizite ergeben aber noch keine Verletzung des Gleichheitssatzes. Wollte man wegen der mit der Erhebung im Ausland verbundenen Schwierigkeiten Sachverhalte mit Auslandsbezug von der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 GrEStG ausnehmen, wäre dies unter dem Gesichtspunkt des Art. 3 Abs. 1 GG weit bedenklicher als die Hinnahme von Vollzugsdefiziten bei Auslandssachverhalten (Urteil des BFH vom 09.04.2008 II R 39/06 a.a.O.).

Soweit die Klägerin auf das Urteil des BVerfG vom 09.03.2004 2 BvL 17/02 (BStBl II 2005, 56) verweist, steht dies im Streitfalle der Annahme der Verfassungsmäßigkeit des § 1 Abs. 3 Nr. 4 GrEStG nicht entgegen. Abgesehen davon, dass dieses Urteil zur im Massenverfahren erhobenen Ertragsteuer ergangen ist (zu § 23 EStG, Spekulationsgeschäfte mit privaten Wertpapieren in den Veranlagungszeiträumen 1997, 1998) und nicht zur Grunderwerbsteuer, das heißt nicht zu einer nur anlassbezogenen Verkehrssteuer, kann bei Anwendung der dort aufgeführten Grundsätze im Streitfalle kein Vollzugsdefizit festgestellt werden.

So hat das BVerfG ausgeführt, dass für die Prüfung, ob normative Defizite einen gleichmäßigen Belastungserfolg verhindern, maßgeblich auf den Regelfall des Besteuerungsverfahrens abzustellen sei. Die Feststellung eines strukturellen Vollzugsdefizits im verfassungsrechtlichen Sinne hänge ganz wesentlich davon ab, wieweit beim Vollzug einer bestimmten materiellen Steuernorm die Erhebungsform oder die Besteuerungspraxis im Rahmen gewöhnlicher Verwaltungsabläufe im Massenverfahren der Finanzämter im Großen und Ganzen auf Gleichheit im Belastungserfolg angelegt ist und wieweit unzulängliche Erklärungen des Steuerpflichtigen mit einem angemessenen Entdeckungsrisiko verbunden sind. Dabei ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zu berücksichtigen, ob besondere Verifikationsinstrumente wie etwa die Außenprüfung regelmäßig zur Anwendung kommen oder eher die seltene Ausnahme darstellen.

Hieraus ergibt sich für den Streitfall Folgendes:

Fälle, in denen eine Anteilsvereinigung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG stattfindet, sind nicht einem ertragsteuerlichen Massenverfahren zuzurechnen, sondern werden nur bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen grunderwerbsteuerrelevant. Anders als bei einem einzelnen zur Abgabe einer Einkommensteuererklärung Verpflichteten, der in der Regel nicht von einer weiteren Person zur wahrheitsgemäßen Erfüllung seiner Erklärungspflichten angehalten wird und damit aus eigener Initiative steuerehrlich sein muss, stellen Anteilsvereinigungen Vorgänge dar, die auf einer gesellschaftlichen Ebene, sei es auf der Ebene einer Personengesellschaft oder einer Kapitalgesellschaft, stattfinden. Dort ist die verpflichtende Offenlegung des steuerbaren Vorgangs gegenüber den Finanzbehörden in der Regel nicht einer einzelnen natürlichen Person, deren Steuerpflicht zu beurteilen ist, überantwortet, sondern Gesellschaften - meistens bestehend aus mehreren Gesellschaftern - die durch einen oder mehrere Geschäftsführer vertreten werden. Der oder die Geschäftsführer hat/haben die Pflicht, steuerlich relevante Sachverhalte offen zu legen, ohne dass sie sich - ein guter Wille zur Erfüllung steuerlicher Pflichten unterstellt - auf Unwissenheit oder Unfähigkeit berufen können. Das gilt auch für ausländische Gesellschaften. Der Einwand der Klägerin, dass ausländische Unternehmen teilweise gar keine Kenntnis von im Inland liegendem Grundbesitz hätten, jedenfalls nicht von einer hierdurch im Inland ausgelösten Grunderwerbsteuerpflicht, ist unbeachtlich. Abgesehen davon, dass es kaum vorstellbar ist, dass ausländische Unternehmen keine Kenntnis von ihrem unmittelbaren oder mittelbaren Vermögen im Inland haben, sei es in Form von Beteiligungs- oder Immobilienvermögen, führt Unkenntnis von steuerrechtlichen Vorschriften und Zusammenhängen im Rahmen der Besteuerung nie dazu, diese als verfassungswidrig einzuordnen.

Im Regelfall ist jedenfalls die Verwirklichung eines grunderwerbsteuerlich relevanten Vorgangs und dessen erhebungsrechtliche Umsetzung kein solcher, der per se darauf ausgerichtet ist, unentdeckt zu bleiben. Die Nichtentdeckung in Einzelfällen ist verfassungsrechtlich unbeachtlich.

Gegen ein Vollzugsdefizit spricht insbesondere, dass Gesellschaften, bei denen Änderungen in der Beteiligungsstruktur erfolgen, in aller Regel gemäß § 193 Abs. 1 AO Außenprüfungen unterliegen, bei denen Beteiligungsveränderungen erkannt werden bzw. erkannt werden können. So war auch im Streitfalle dem Beklagten der grunderwerbsteuerlich relevante Vorgang der Verschmelzung auf die Klägerin im Ausland im Jahr 2003 durch eine Außenprüfung bei einer dem Konzern angehörenden, aber im Inland ansässigen, Gesellschaft bekannt geworden, was zur Anzeige seitens der Klägerin bzw. zum angefochtenen Feststellungsbescheid führte.

Das Entdeckungsrisiko für Gesellschaften, bei denen Anteilsvereinigungen stattgefunden haben oder die hiervon betroffen sind, ist jedenfalls ungleich höher als bei der (vom BVerfG beurteilten) Ertragsbesteuerung von Einzelpersonen, die nur in besonderen Fällen gemäß 193 Abs. 2 AO mit einer Außenprüfung rechnen müssen.

Sofern keine Außenprüfung stattfindet, weil nur ausländische Gesellschaften mit inländischem, im Inland aber nicht unternehmerisch genutztem Grundbesitz an für die Grunderwerbsteuer relevanten Vorgängen im Sinne des § 1 Abs. 3 Nr. 3 oder Nr. 4 GrEStG beteiligt sind, dürfte es sich um Einzelfälle handeln und nicht um den Regelfall des Besteuerungsverfahrens.

Unbeachtlich ist, dass es im Einzelfall für den Außenprüfer schwierig sein kann, gesellschaftsrechtliche Strukturen aufzudecken und Veränderungen dort festzustellen. Denn auch dies ist nach Einschätzung des Gerichts nicht der Regelfall, da den Steuerbehörden umfangreiche Datenbanken, insbesondere über das Internet zur Verfügung stehen, die vom inländischen (Prüfungs-)FA abgerufen werden können, sodass der Entdeckung von den Finanzbehörden zu Unrecht nicht mitgeteilten Rechtsvorgängen in der Regel nichts entgegensteht. Ob ein Prüfer diese Chance ergreift oder nicht bzw. erfolgreich umsetzt, ist dabei unbeachtlich. Objektiv besteht jedenfalls die Möglichkeit, nicht mitgeteilte Rechtsvorgänge aufzudecken.

Zudem gibt es Möglichkeiten der internationalen Zusammenarbeit, die insbesondere von der Außenprüfung der Finanzbehörden in Anspruch genommen werden können, sofern gesellschaftliche Strukturen mit Auslandsbezug erkennbar sind. Hierzu zählen nicht nur die Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen, deren Grundlagen in Art. 26 des Musterabkommens der Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD MA) geregelt sind, sondern auch internationale Vereinbarungen für den Raum der Europäischen Union (vgl. Richtlinie 77/799/EWG, Celex-Nr. 31977L0799; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25.01.2006 in BStBl I 2006, 26 und vom 23.11.2015 in BStBl I 2015, 928; Gesetz über die Durchführung der gegenseitigen Amtshilfe in Steuersachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union -EUAHIG- vom 26.06.2013, BGBl 2013, 1809).

Im Übrigen bestehen Anzeigepflichten gemäß §§ 18, 19 GrEStG. Ungeachtet dessen, dass Anzeigepflichten von Gerichten, Behörden und Notaren gemäß § 18 GrEStG nur eingeschränkt Geltung haben, sofern es sich um ausländische Gerichte, Behörden und Notare handelt, besteht die Anzeigepflicht des Steuerpflichtigen gemäß § 19 GrEStG immer. Kommt der nach § 19 GrEStG Verpflichtete seiner Anzeigepflicht nicht nach, so greift gemäß § 19 Abs. 5 Satz 1 GrEStG i.V.m. § 170 Abs. 2 Nr. 1 AO, § 169 Abs. 2 AO eine verlängerte Festsetzungsfrist, wodurch die Chance, unentdeckt zu bleiben, gering ist.

Der Gesetzgeber hat danach mit § 1 Abs. 3 GrEStG keine Norm erlassen, die durch fehlende Möglichkeiten der Steuererhebung prinzipiell zu einem ungleichen Belastungserfolg führt. Den Finanzbehörden stehen ausreichende Möglichkeiten zur Verfügung, grunderwerbsteuerlich relevante Rechtsvorgänge festzustellen und die Erhebung der nach § 1 Abs. 3 GrEStG entstandenen Grunderwerbsteuer umzusetzen.

Sofern dies im Einzelfall scheitert, weil (ausländische) Steuerpflichtige, die steuerunehrlich sind oder infolge grober Fahrlässigkeit inländische Steuergesetze außer Acht lassen - wovon immer dann auszugehen ist, wenn multinationale Unternehmen/Konzerne mit grenzüberschreitenden Strukturen es unterlassen, ihre Rechtsgeschäfte daraufhin zu überprüfen, ob und wie sich diese in einem anderen Staat, in dem unternehmerische Verflechtungen bestehen, auswirken - und deshalb Vorgänge nach § 1 Abs. 3 GrEStG nicht anzeigen, obwohl Anzeigepflichten nach § 18 und/oder § 19 GrEStG bestehen, ändert dies an der grundsätzlichen Erhebungstauglichkeit nichts.

Der Gesetzgeber ist auch nicht verpflichtet, im Hinblick auf mögliche Schwierigkeiten im Einzelfall auf die Besteuerung der in § 1 Abs. 3 GrEStG genannten rechtsgeschäftlichen Vorgänge zu verzichten, sofern sich die Rechtsgeschäfte im Ausland abgespielt haben. Vielmehr würde er gerade dann bei einer Besteuerung nur der im Inland durchgeführten Rechtsgeschäfte gegen Art. 3 GG verstoßen.

Es ist daher im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (Urteil des BFH vom 09.04.2008 II R 39/06 a.a.O.) zu entscheiden, dass § 1 Abs. 3 GrEStG nicht gegen Art. 3 GG verstößt (so auch Fumi in DStZ 2015, 432).

Der Einwand der Klägerin, die Verfassungswidrigkeit der Norm sei aufgrund fehlender Folgerichtigkeit zu bejahen, weil § 1 Abs. 3 GrEStG eine wirtschaftliche Betrachtungsweise zugrunde liege und daher bei Konzernumgestaltungen keine Änderung der Rechtszuständigkeit anzunehmen sei, ist dies im Streitfalle schon deshalb unbeachtlich, weil sich gerade aus der Verschmelzung der A S.A. auf die Klägerin und dem damit verbundenen Übergang der Anteile der A S.A. an der Deutschland GmbH auf die Klägerin eine Änderung der Rechtszuständigkeit ergibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO sind nicht gegeben.

stats