FG Niedersachsen: Kein Vorsteuerabzug für den Bezug selbstverbrauchter Waren im Rahmen eines Empfehlungsmarketings
Niedersächsisches FG, Urteil vom 29.11.2011 - 5 K 262/10
§ 15 Abs 1 Nr 1 UStG 2005, § 3 Abs 1b S 1 Nr 1 UStG 2005
Sachverhalt
Streitig ist der Vorsteuerabzug für den Bezug selbstverbrauchter Waren im Rahmen eines Empfehlungsmarketings.
Die Klägerin (Eheleute als GbR) erzielt seit dem Jahr 2005 Einkünfte im Rahmen eines Empfehlungsmarketings der Firma L.
Die Firma L. ist ein im Jahre 1992 gegründetes US-amerikanisches Unternehmen, das Produkte aus den Bereichen Nahrungsergänzung und Pflege entwickelt, herstellt und vertreibt. Die Europaniederlassung des Unternehmens befindet sich in Großbritannien,
L. vertreibt seine Produkte ausschließlich im sog. Empfehlungsmarketing, das sich grundlegend in der Struktur von anderen allgemein üblichen Direktmarketingsystemen unterscheidet. Der wesentliche Unterschied zu herkömmlichen Direktmarketingsystemen besteht dabei darin, dass die Ware nicht von den einzelnen Vertriebspersonen an Kunden veräußert wird, sondern die Ware direkt vom Hersteller (L.) an den „Partner", der gleichzeitig Endverbraucher ist, veräußert wird.
Das System des Empfehlungsmarketings beruht darauf, dass die Empfänger der Waren diese selbst verbrauchen und durch ihre Empfehlung andere dazu animieren, selbst Waren unmittelbar und direkt vom Hersteller zum eigenen Verbrauch zu beziehen.
In den von der Klägerin überreichten Unterlagen wird der Begriff des Empfehlungsmarketings wie folgt erläutert:
„Im Empfehlungsmarketing konsumieren wir Produkte für unseren Eigenbedarf zur Verbesserung unserer Lebensqualität und sprechen Empfehlungen für das Konzept aus, weil wir davon überzeugt und begeistert sind.
Unser Unternehmen spart sich die hohen Kosten für den Handel, für Werbung etc. und investiert stattdessen in die besten Empfehler, die es sich nur wünschen kann, die eigenen Kunden.
Durch die Empfehlungen unserer Partner und deren Weiterempfehlung entstehen große Verbrauchernetze, aus deren Umsätzen der Hersteller die Provisionen monatlich an die Empfehlungsgeber auszahlt.
Ihre Leistung besteht darin, mit einer Empfehlung etwas anzustoßen, das dann zum Selbstläufer wird. Empfehlungsmarketing ist eine besonders angesehene Form des Networkmarketings. Im Gegensatz zum klassischen Direktmarketing (Verkäufernetz) wird im Empfehlungsmarketing (Konsumentennetz) nur zum Eigenverbrauch konsumiert und weiterempfohlen.
Durch den Eigenkonsum der Mitglieder entstehen Umsätze, aus denen der Hersteller einen Bonus an diejenigen bezahlt, der weiterempfohlen haben."
Dementsprechend erhalten sämtliche Partner von L. - mithin auch die Klägerin - die Waren von L. ausschließlich zum eigenen Verbrauch oder zur unentgeltlichen Weitergabe. Es gibt keine Lagerhaltung und keinen Wareneinkauf für Dritte. Ein Weiterverkauf der Ware ist den Partnern nicht gestattet. Nach Ziffer 13 der Vertragsbestimmungen von L. sind nur Eigenbedarfsbestellungen zulässig, insbesondere nur dann, wenn versichert wird, dass 70 % der letzten Bestellung verbraucht sind.
Um überhaupt provisionsberechtigt zu sein, muss die Klägerin im Rahmen des von ihr erreichten „Bronzestatus" (Einsteigervergütung) monatlich Waren mit einem Wert von 100 Internationalen Punkten („100 IP") beziehen (sog. Mindestbestellmenge, zu den Einzelheiten siehe den Auszug aus dem L. Konzept, der von der Klägerin als Anlage 3 zum Schriftsatz vom 13.05.2011 übersandt wurde).
Die Klägerin macht Vorsteuern aus den monatlichen Eigenbedarfsbestellungen einschließlich Proben/Testmuster und aus umfangreichen sonstigen Aufwendungen (insbesondere Reisekosten) in Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit für die Fa. L. geltend.
Die Proben/Testmuster verwendete die Klägerin im Rahmen von Trainingstreffen (insbesondere Startertrainings), um neue Partner für die Geschäftsidee der Fa. L. und deren Produkte zu gewinnen. Dabei wurden die Proben/Testmuster unentgeltlich weitergegeben oder im Rahmen der Trainingstreffen verbraucht. Die Klägerin hat durch handschriftlichen Vermerk („50 % für Proben") auf den monatlichen Abrechnungen jeweils die Ware besonders gekennzeichnet, welche von ihr nicht zum Eigenbedarf sondern als Probe/Testmuster bezogen und verwendet wurde (vgl. die mit Schriftsatz der Klägerin vom 13.05.2011 als Anlage 2 übersandt Abrechnung).
Der Beklagte hat die entsprechend gekennzeichneten Aufwendungen für Proben/Testmuster im Anschluss an die gerichtliche Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 01.06.2011 zum Vorsteuerabzug zugelassen. Gegenstand der gerichtlichen Erörterung waren daneben umfangreiche sonstige Aufwendungen der Klägerin (insbesondere Reisen zu Veranstaltungen der Fa. L. wie z.B. Events, Kongresse, Sommerfeste, etc), die im Einzelnen auf ihre vorsteuerrechtliche Abzugsfähigkeit überprüft und im Einvernehmen mit den Beteiligten teilweise zum Vorsteuerabzug zugelassen wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll des Termins zur Erörterung der Sach- und Rechtslage vom 01.06.2011 und die entsprechend geänderten Umsatzsteuerbescheide vom 11.07.2011 Bezug genommen.
Nach dem Ergehen der Änderungsbescheide sind nur noch die Vorsteuern aus den Eigenbedarfsbestellungen im Streit.
Die Klägerin trägt vor, dass die Aufwendungen für den Eigenbedarf ihrem unternehmerischen Bereich zuzuordnen seien und daher zum Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG berechtigten.
Im Falle des Empfehlungsmarketings sei der Wareneinkauf zwingend notwendig, um provisionsberechtigt zu sein. Sie (Klägerin) erziele ihre Einnahmen allein daraus, dass sie Ware zum eigenen Verbrauch erwerbe und die selbst konsumierte Ware weiterempfehle. Nur aus diesem eigenen Verbrauch generiere sie ihre Umsätze.
Im Empfehlungsmarketing würden keine Waren im eigenen Namen verkauft. Die Waren müssten vielmehr zum Selbstverbrauch erworben werden. Erreiche ein Partner die notwendige Zahl von mindestens „100 IP" in einem Monat nicht, sei er überhaupt nicht provisionsberechtigt.
Die Aufwendungen für den Einkauf zum Selbstverbrauch seien mithin in diesem Umfang nicht nur durch die Erzielung der Umsätze und Einnahmen veranlasst. Sie seien vielmehr „conditio sine qua non" im Sinne einer unmittelbaren Kausalitätsbedingung. Keine Wareneinkauf zum eigenen Verbrauch heiße: keine Umsätze.
Sie (Klägerin) habe auch nicht den Vorsteuerabzug aus ihrem gesamten Wareneinkauf geltend gemacht. Vielmehr habe sie die Vorsteuern aus dem monatlichen Einkauf - nach Abzug der Proben - auf den für Provisionen erforderlichen Mindestbestellwert von „100 IP" begrenzt. Der auf „100 IP" „heruntergebrochene" Wareneinsatz sei von ihr jeweils ermittelt und mittels „Kreuzchen" auf den Eingangsrechnungen gekennzeichnet worden. Bei den gekennzeichneten Waren handele es sich um Nahrungsergänzungsmittel im Sinne von Vitamin-, Mineralstoff- und Proteinpräparaten. Sämtliche anderen Waren, insbesondere Kosmetikprodukte, seien steuerlich nicht geltend gemacht worden.
Der von ihr begehrte Vorsteuerabzug stehe auch im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des BFH und des EuGH. So habe der BFH zu den allgemeinen Grundsätzen des Vorsteuerabzug ausgeführt, dass § 15 Abs. 1 Abs. 1 UStG bei richtlinienkonformer Auslegung erfordere, dass der Unternehmer die Leistung für die wirtschaftliche Tätigkeit seines Unternehmens beziehen müsse (BFH-Urteil vom 13.01.2011 V R 12/08, DStR 2011, 465).
Im Streitfall sei der Leistungsbezug gerade für die wirtschaftliche Tätigkeit erfolgt, der Wareneinkauf zum Eigenkonsum stehe im unmittelbaren und direkten Zusammenhang mit den Ausgangsleistungen, nämlich der Erzielung von Provisionen und damit Umsätzen.
Neben dem Einkauf und der Empfehlung gebe es beim Empfehlungsmarketing kein Unternehmen. Negiere man den Umstand, dass der Einkauf im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolge, liege insgesamt überhaupt keine unternehmerische Tätigkeit und damit keine Umsatzsteuerpflicht vor.
Die Klägerin beantragt,
den Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom 11.07.2011 insoweit zu ändern, als weitere Vorsteuern in Höhe von 38,73 € berücksichtigt werden,
den Umsatzsteuerbescheid für 2006 vom 11.07.2011 insoweit zu ändern, als weitere Vorsteuern in Höhe von 109,53 € berücksichtigt werden,
den Umsatzsteuerbescheid für 2007 vom 11.07.2011 insoweit zu ändern, als weitere Vorsteuern in Höhe von 147,97 € berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Unstreitig sei, dass die Klägerin monatlich eine bestimmte Menge von Waren erwerben müsse, um provisionsberechtigt zu sein („kein Wareneinkauf" = „keine Umsätze).
Es sei jedoch nicht richtig, dass die Waren zwingend zum eigenen Verbrauch erworben werden müssten. Den Partnern von L. stehe es vielmehr frei, wie sie die gekauften Waren verwendeten. Ihnen sei lediglich untersagt, die Produkte entgeltlich weiter zu veräußern.
Streitig könne allenfalls sein, ob der eigene Verbrauch der als „Mindestmenge" bezogenen Produkte eine unentgeltliche Wertabgabe darstelle oder ob - da bzw. soweit der Eigenverbrauch bereits beim Bezug der Ware feststehe - der Klägerin von vornherein der Vorsteuerabzug hierfür nicht zustehe. Auf jeden Fall würden die Produkte durch den eigenen Verbrauch das „Unternehmen Empfehlungsmarketing" verlassen mit der Folge, dass die Vorsteuerabzugsberechtigung im Ergebnis zu korrigieren sei und zwar entweder beim Einkauf oder als Versteuerung der unentgeltlichen Wertabgabe.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
Die Klägerin ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil sie bereits im Zeitpunkt des Leistungsbezugs der hier streitigen Warenbestellungen beabsichtigte, diese ausschließlich und unmittelbar für unentgeltliche Entnahmen i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 UStG (Eigenkonsum) zu verwenden.
Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet. Diese Vorschriften beruhen auf Art. 17 Abs. 2 Buchst. a der 6. EG-Richtlinie, wonach der Steuerpflichtige (Unternehmer), der Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, befugt ist, die im Inland geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert oder erbracht werden, von der von ihm geschuldeten Steuer abzuziehen.
1. Der Unternehmer ist nach diesen Vorschriften zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 4 der 6. EG Richtlinie) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (wirtschaftliche Tätigkeiten) zu verwenden beabsichtigt (Urteil des EuGH vom 13. März 2008 C-437/06, Securenta, Slg. 2008, I-1597, Leitsatz 1; BFH-Urteil vom 6. Mai 2010 V R 29/09, BStBl II 2010, 885, unter II.1.). Im Hinblick auf den weiter erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz ist wie folgt zu differenzieren (grundlegend hierzu BFH-Urteile vom 27. Januar 2011 V R 38/09, DStR 2011, 454, vom 09. Dezember 2010 V R 17/10, DStR 2011, 460 und vom 13. Januar 2011, V R 12/08, DStR 2011 465):
a) Besteht der direkte und unmittelbare Zusammenhang zu einzelnen Ausgangsumsätzen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit, die steuerpflichtig sind kann der Unternehmer den Vorsteuerabzug in Anspruch nehmen. Die für den Leistungsbezug getätigten Aufwendungen gehören dann zu den Kostenelementen seiner zum Vorsteuerabzug berechtigenden Ausgangsumsätze (EuGH-Urteil vom 29. Oktober 2009 C-29/08, SKF, Slg. 2009, I-10413 Rdnr. 57; BFH-Urteil vom 06. Mai 2010 V R 29/09, BStBl II 2010, 885, unter II.2.a aa (1), jeweils m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung).
b) Bei einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang zu einem Ausgangsumsatz, der mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht dem Anwendungsbereich der Steuer unterliegt oder steuerfrei ist, besteht keine Berechtigung zum Vorsteuerabzug (EuGH-Urteile Securenta in Slg. 2008, I-1597 Rdnr. 30; SKF in Slg. 2009, I-10413 Rdnr. 59, und BFH-Urteil vom 06. Mai 2010 unter II.2.a aa (2), jeweils m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung).
Dies gilt auch, wenn der Unternehmer eine Leistung für einen z.B. steuerfreien Ausgangsumsatz bezieht, um mittelbar seine zum Vorsteuerabzug berechtigende wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu stärken, da "der vom Steuerpflichtigen verfolgte endgültige Zweck unerheblich ist" (EuGH-Urteile vom 6. April 1995 C-4/94, BLP, Slg. 1995, I-983 Rdnr. 19; vom 8. Juni 2000 C-98/98, Midland Bank, Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 20, und vom 22. Februar 2001 C-408/98, Abbey National, Slg. 2001, I-1361 Rdnr. 25). Hieran ist auch nach Ergehen des EuGH-Urteils SKF in Slg. 2009, I-10413, das auf diese Entscheidungen --wenn auch in anderem Zusammenhang-- ausdrücklich Bezug nimmt, festzuhalten.
c) Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und --als solche-- Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen dann direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen (EuGH-Urteil SKF in Slg. 2009, I-10413 Rdnr. 58; BFH-Urteil in BStBl II 2010, 885, unter II.2.a bb, jeweils m.w.N. zur EuGH-Rechtsprechung). Voraussetzung für den Vorsteuerabzug ist dann aber, dass die wirtschaftliche Gesamttätigkeit zu Umsätzen führt, die zum Vorsteuerabzug berechtigen (EuGH-Urteil Midland Bank in Slg. 2000, I-4177 Rdnr. 31 zu Art. 17 Abs. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, § 15 Abs. 4 UStG; BFH-Urteil in BFHE 230, 263, BStBl II 2010, 885, unter II.2.a bb). Geht der Unternehmer z.B. zugleich wirtschaftlichen und nichtwirtschaftlichen Tätigkeiten nach, ist der Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig, als die Aufwendungen der wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen i.S. des Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG zuzurechnen sind (EuGH-Urteil Securenta in Slg. 2008, I-1597, Leitsatz 1; BFH-Urteil in BStBl II 2010, 885, unter II.2.a cc).
2. Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG zu verwenden, ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.
a) § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG stellt die Entnahme eines Gegenstands durch einen Unternehmer aus seinem Unternehmen für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen (Nr. 1), die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands durch einen Unternehmer an sein Personal für dessen privaten Bedarf, sofern keine Aufmerksamkeiten vorliegen (Nr. 2) und jede andere unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands, ausgenommen Geschenke von geringem Wert und Warenmuster für Zwecke des Unternehmens (Nr. 3) einer Lieferung gegen Entgelt gleich. Voraussetzung ist weiter, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
Die Besteuerung der Entnahmen nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG beruht auf Art. 5 Abs. 6 der 6. EG-Richtlinie, der die Entnahme eines Gegenstands durch einen Steuerpflichtigen aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf einer Lieferung gegen Entgelt gleichstellt, wenn der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben.
b) Nach der Rechtsprechung des EuGH stellt Art. 5 Abs. 6 der 6-EG-Richtlinie sicher, dass ein Steuerpflichtiger, der einen Gegenstand aus seinem Unternehmen entnimmt, und ein gewöhnlicher Verbraucher, der einen Gegenstand gleicher Art kauft, gleich behandelt werden. Diese Bestimmung lässt es daher nicht zu, dass ein Steuerpflichtiger, der beim Kauf eines seinem Unternehmen zugeordneten Gegenstands die Mehrwertsteuer abziehen konnte, der Zahlung der Mehrwertsteuer entgeht, wenn er diesen Gegenstand aus seinem Unternehmen für seinen privaten Bedarf entnimmt, und dass er so gegenüber einem gewöhnlichen Verbraucher, der beim Erwerb des Gegenstands Mehrwertsteuer zahlt, einen ungerechtfertigten Vorteil genießt (EuGH-Urteil vom 6. Mai 1992 C-20/91, De Jong, Slg. 1992, I-2847 Rdnr. 15).
Dagegen handelt ein Steuerpflichtiger (Unternehmer), der "einen Gegenstand ausschließlich für seinen privaten Bedarf" erwirbt, als Privatperson und nicht als Steuerpflichtiger i.S. der Richtlinie 77/388/EWG und ist daher bereits nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt (EuGH-Urteil De Jong in Slg. 1992, I-2847 Rdnr. 17). Dies gilt für alle Leistungen, bei denen bereits bei Bezug der Leistung feststeht, dass sie ausschließlich für Entnahmen verwendet werden sollen, die --eine vorherige Zuordnung zum Unternehmen unterstellt-- nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 1 bis 3 UStG zu besteuern wären.
c) Dementsprechend hat der BFH mit Urteil vom 13. Januar 2011 (V R 12/08, DStR 2011, 465 - Änderung der Rechtsprechung) einem Unternehmer, der bereits bei Leistungsbezug beabsichtigte, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich für eine unentgeltliche Zuwendung i.S.d. § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG zu verwenden, den Vorsteuerabzug versagt. In dem vom BFH entschiedenen Fall hatte ein Unternehmer Erschließungsanlagen (Straßen u. a.) in der Absicht errichtet, diese nach Fertigstellung der Gemeinde unentgeltlich zuzuwenden. Vor dem Hintergrund dieser direkten und unmittelbaren Zuordnung der Leistungsbezüge sei es - so der BFH - unerheblich, dass der Unternehmer mit der unentgeltlichen Übertragung der Erschließungsanlagen auf die Gemeinde letztlich - mittelbar - bezweckte, seine Grundstücke im Erschließungsgebiet steuerpflichtig an Gewerbetreibende liefern zu können (siehe 1b).
3. Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den hier zu entscheidenden Streitfall waren die Vorsteuern aus den monatlichen Eigenbedarfsbestellungen nicht zum Abzug zuzulassen. Die Klägerin beabsichtigte bereits beim Bezug dieser Ware, dieselbe nicht für ihre wirtschaftliche Tätigkeit sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 1b Nr. 1 UStG zu verwenden.
Die Klägerin hat im Zeitpunkt des Empfangs der monatlichen Lieferung von L. entschieden, welche Ware sie als Proben/Testmuster und welche Ware sie für den Eigenbedarf zu verwenden beabsichtigt. Dabei wurde die Ware, die als Proben/Testmuster bezogen wurde, mittels zwei Kreuzchen (** 50 % für Proben) gekennzeichnet. Der - hier streitbefangene - Wareneinsatz für den Eigenverbrauch wurde dadurch ermittelt, dass der monatliche Wareneinkauf (ausgenommen Kosmetika) ins Verhältnis zur Mindestbestellmenge von „100 IP" gesetzt wurde. Die dementsprechende Ware (vor allem Nahrungsergänzungsmittel) wurde von der Klägerin mittels Kreuzchen auf der Abrechnung als Eigenbedarf gekennzeichnet und regelmäßig noch im selben Monat konsumiert.
Die Klägerin kann für diese Ware, die sie ausschließlich für Entnahmezwecke zu verwenden beabsichtigt, den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen. Im Hinblick auf den Grundsatz der direkten und unmittelbaren Zuordnung ist es insoweit unerheblich, dass die Klägerin mit der Eigenbedarfsbestellung - mittelbar - bezweckte, ihre Provisionsberechtigung herzustellen und damit steuerpflichtige Umsätze zu erzielen.
In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass die eigentliche unternehmerische Tätigkeit der Klägerin nicht im Eigenkonsum der Nahrungsergänzungsmittel besteht sondern darin, ihr Vertriebsnetz zu erhalten bzw. durch Anwerben neuer Partner weiter auszubauen, um dadurch Umsätze (Provisionen) zu erzielen. Dabei mag die - möglicherweise auch durch kurzzeitigen Eigenkonsum erlangte - Kenntnis vom Nutzen und der Wirkungsweise der Nahrungsergänzungsmittel von Bedeutung sein. Anders ist es jedoch, wenn die Klägerin sich entscheidet, im Rahmen der Gesundheitsvorsorge Nahrungsergänzungsmittel dauerhaft zu konsumieren, um so das eigene Wohlbefinden zu erhöhen. Diese direkt und unmittelbar privat veranlassten Leistungsbezüge können von vornherein keinen Eingang in die wirtschaftliche Tätigkeit finden.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Dabei war zu berücksichtigen, dass im Erörterungstermin vom 01.06.2011 eine einvernehmliche Regelung hinsichtlich der wesentlichen Streitpunkte (Reiseaufwendungen. Proben, etc) erzielt wurde.
5. Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen, weil es zur Problematik des Empfehlungsmarketings - soweit ersichtlich - noch keine höchstrichterliche Entscheidung gibt.