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Steuerrecht
09.12.2021
Steuerrecht
VG Koblenz: Kein Grundsteuererlass bei baurechtswidriger Nutzung

VG Koblenz, Urteil vom 26.11.2021 – 5 K 256/21.KO

Volltext BB-Online BBL2021-2966-1

Sachverhalt

Die Klägerin begehrt den Erlass von Grundsteuer für das Jahr 2020.

Sie ist Eigentümerin des Objekts A***-Straße *** in B***. Das Objekt liegt in einem Gewerbegebiet und ist baurechtlich ausschließlich für eine gewerbliche Nutzung als Bürogebäude zugelassen, mit Ausnahme der vermieteten Hausmeisterwohnung. Diese Wohnung ist eine von acht vorhandenen Raumeinheiten.

Unter dem 16. November 2020 beantragte die Klägerin Grundsteuererlass für den Veranlagungszeitraum 2020. Sie gab an, von acht Einheiten sei nur eine vermietet; die Kaltmiete betrage monatlich 600 €. Beigefügt war dem Antrag eine Rechnung des Wochenblatt-Verlags C*** vom 29. Januar 2020, aus der sich drei Anzeigenschaltungen für den 15., 22. und 29. Januar 2020 ergaben.

Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 20. November 2020 ab. Die Klägerin habe den Leerstand zu vertreten. Sie habe sich nicht nachhaltig um die Vermietung des leerstehenden Objekts bemüht. Die drei Zeitungsinserate im Lokalanzeiger genügten nicht. Vielmehr sei es erforderlich, auch in überregionalen Zeitungen und auf einschlägigen Internetportalen zu inserieren sowie gegebenenfalls einen Makler einzuschalten. Je schwieriger die Vermietung sei, desto größer müssten die Vermietungsbemühungen sein.

Mit ihrem Widerspruch vom 21. November 2020 machte die Klägerin geltend, der Beklagten sei die schwierige Vermietungssituation bekannt. Sie (die Klägerin) habe mehrfach Inserate auf dem Portal ebay-Kleinanzeigen veröffentlicht. Darüber hinaus habe sie einen Makler beauftragt und selbst mehrfach Plakate an dem Objekt angebracht. Auch privat habe sie versucht, Mieter zu finden. Das Maklerbüro E*** (der Zeuge F***) habe mehrere ebay-Kleinanzeigen veröffentlicht und Besichtigungstermine durchgeführt. Zudem seien aus der „Historie“ des Maklerbüros E***, in der neben der Angabe „Büroeinheiten/gewerblich“ auch die Bezeichnung „Exposé zum Mehrfamilienhaus in B***“ und ein Kaufpreis für das Objekt aufgeführt sind, Daten über Aktivitäten am 22., 25., 26., 27. Februar sowie 12. und 25. August 2020 ersichtlich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2021 wies der Kreisrechtsausschuss bei der Kreisverwaltung des Rhein-Lahn-Kreises den Widerspruch zurück. Nachhaltige Bemühungen der Klägerin zur Vermietung des Objekts im Veranlagungsjahr 2020 seien nicht festzustellen.

Mit der am 17. März 2021 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie trägt vor, die Vermietungssituation sei mit Blick auf den Standort des Objekts sowie die allgemein schlechte Vermietungslage für Gewerberäume in B*** sehr schwierig. Der Makler habe das Objekt auf Immoscout, seiner eigenen Website und bei ebay-Kleinanzeigen angeboten. Das Objekt sei im Makler-Exposé auch mit „Büroeinheiten/Gewerblich“ ausgeschrieben gewesen. Soweit man von ihr überregionale Annoncen fordere, seien diese nicht erfolgsversprechend. Über die Einschaltung des Maklers hinaus müsse sie keine Zeitungsinserate schalten. Schließlich stelle sie klar, dass das Objekt vornehmlich hätte vermietet werden sollen. Als sie das Objekt erworben habe, sei es teilweise vermietet gewesen. Sie habe keine Kenntnisse von der Schwierigkeit der Vermietung gehabt. Schließlich sei es aufgrund der Pandemielage ohnehin schwierig, zu vermieten. Überdies seien viele Interessenten von den hohen Nebenkosten abgeschreckt worden. Auch die Vermietungsbemühungen ihrer Mutter seien erfolglos geblieben.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 20. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Februar 2021 zu verpflichten,

ihr die Grundsteuer betreffend das Objekt A***-Straße ***, B***, für den Veranlagungszeitraum 2020 zu erlassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin das Objekt über den Makler zum Kauf angeboten habe. Eine Verkaufsabsicht stelle aber einen Ausschlussgrund für ein Erlassbegehren dar. Überdies könne hinterfragt werden, ob der Umstand der Schwierigkeit der Vermietung des Objekts der Klägerin bereits bei Erwerb im Jahr 2014 bekannt gewesen sei. Zudem sei fraglich, ob sich die Räumlichkeiten beziehungsweise die Aufteilung des Objekts zur Vermietung als Büroeinheiten eigneten. Im Übrigen nimmt sie auf die Ausführungen in den ergangenen Bescheiden Bezug und vertieft diese.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen F***. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll vom 16. November 2021 verwiesen.

Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätzen und den sonstigen zu den Akten gereichten Unterlagen sowie den beigezogenen Verwaltungs- und Widerspruchsvorgängen (2 Hefte), auf die Bezug genommen wird. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet. Der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 20. November 2020 sowie der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsausschusses beim Rhein-Lahn-Kreis vom 19. Februar 2021 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf den von ihr begehrten Erlass der Grundsteuer (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –).

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 Grundsteuergesetz – GrStG –, der gemäß § 37 Abs. 2 GrStG auch für das hier zu betrachtende Veranlagungsjahr 2020 noch in der maßgeblichen Fassung vom 19. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2794) Anwendung findet, wird die Grundsteuer bei bebauten Grundstücken in Höhe von 25 Prozent erlassen, wenn der normale Rohertrag des Steuergegenstandes um mehr als 50 Prozent gemindert ist und der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrages nicht zu vertreten hat.

Vorliegend ist zwar davon auszugehen, dass der normale Rohertrag des Objekts der Klägerin im Steuerjahr 2020 um mehr als 50 Prozent gemindert war. Ein Erlass der Grundsteuer kommt aber deswegen nicht in Betracht, weil die Klägerin die Minderung des Rohertrages zu vertreten hat.

Ein Steuerpflichtiger hat eine Ertragsminderung dann nicht zu vertreten, wenn sie auf Umständen beruht, die außerhalb seines Einflussbereiches liegen, d.h. wenn er die Ertragsminderung weder durch ein ihm zurechenbares Verhalten herbeigeführt hat noch ihren Eintritt durch geeignete und ihm zumutbare Maßnahmen hat verhindern können. Welche Umstände ein Steuerpflichtiger zu vertreten hat, ist durch Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG zu ermitteln. Insbesondere der Sinnzusammenhang, in den die Vorschrift hineingestellt ist, ergibt, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Grundsteuer als ertragsunabhängige Objektsteuer eine Durchbrechung dieses Grundsatzes in Ausnahmefällen zulässt, in denen die Einziehung der unverkürzten Grundsteuer für den Abgabenpflichtigen nicht mehr zumutbar ist.

Beruft sich der Steuerpflichtige auf eine wesentliche Ertragsminderung, so kann von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung aber keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst durch ein ihm zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen hat, den Eintritt der Ertragsminderung durch solche geeigneten Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Januar 2014 – 9 B 56.13 –, juris, Rn. 6).

Vorliegend hat die Klägerin als Steuerpflichtige selbst durch ein ihr zurechenbares Verhalten die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt. Sie hat die Ertragsminderung sehenden Auges hingenommen. Schon bei Erwerb des Objekts, das zu diesem Zeitpunkt bereits rund 20 Jahre im Eigentum der Familie der Klägerin stand, war ihr bekannt, dass eine Vermietung mit Blick auf die baurechtlichen Vorgaben nur zu Gewerbezwecken (Büroräume) in Betracht kommt. Insofern hat die Klägerin bereits in ihrem Widerspruchsschreiben an die Beklagte vom 21. November 2020 (Bl. 8 des Verwaltungsvorgangs) ausgeführt:

„Ihnen ist seit Jahrzehnten bekannt, das diese Immobilie sich sehr schwer vermieten lässt, da sie als Verbandsgemeinde D*** den größten Beitrag dazu leisten, wir dürfen nur an Gewerbebetreibende vermieten, würden sie uns die Möglichkeit geben die Räumlichkeiten auch an Privatpersonen zu vermieten, hätten sie und wir nicht diese Problematik mit dem Grundsteuererlass, im Gegenteil die Stadt B*** würde von NOCH MEHR Steuern durch die Familie G*** profitieren.“

In Kenntnis der baurechtlichen Situation, auf welche die Klägerin überdies auch im Schreiben der Verbandsgemeindeverwaltung D*** vom 18. Oktober 2017 (Bl. 143 der Gerichtsakte) ausdrücklich hingewiesen wurde („Illegale Gebäudenutzung“), hat die Klägerin jedoch keine geeigneten Maßnahmen ergriffen, die Ursache für die Ertragsminderung zukünftig zu verhindern. Die Minderung des Rohertrages beruht zur Überzeugung des Gerichts nämlich in entscheidungserheblichem Maße darauf, dass die Klägerin es fortdauernd unterlassen hat, das Objekt „A***-Straße ***, B***“ in einen Zustand zu versetzen, der sich für eine der bestandkräftig erlaubten baurechtmäßigen Nutzung der Räumlichkeiten eignet. Vielmehr hat die Klägerin das als Mehrfamilienhaus errichtete Gebäude, das allerdings baurechtlich ausschließlich als Bürogebäude (mit einer Hausmeisterwohnung) genehmigt ist, im ursprünglichen Zustand belassen. Insofern weist das Objekt – nach wie vor – eine deutliche Prägung als Wohnhaus auf, die einer Vermietung als Gewerbeobjekt (Büroräume) erkennbar entgegensteht.

Das ergibt sich zunächst aus den von der Klägerin im Widerspruchsverfahren bei dem Kreisrechtsausschuss vorgelegten Lichtbildern (Bl. 33 ff. des Verwaltungsvorgangs; Bl. 10 ff. des Widerspruchsvorgangs). Darauf ist zunächst ein großzügiger Wohnraum zu erkennen, in dem ein wohnungsüblicher Fliesenbelag verlegt ist. An den Raum grenzt – wohnungstypisch – ein Balkon. In einer Zimmerecke befindet sich ein diese Ecke komplett ausfüllender offener Kamin mit einer vorgemauerten Kaminbank. Farblich ist der Raum überdies – wiederum wohnraumtypisch – in verschiedenen Wandfarben angelegt. Ein weiteres Lichtbild zeigt einen Raum mit einem ebenfalls wohnungs- bzw. küchenüblichen Bodenfliesenbelag, einem Fliesenspiegel mit Fries an der Wand sowie einem direkten Zugang zu einem Balkon. Auf weiteren Lichtbildern sind Badezimmer zu erkennen, die – wohnungstypisch – mit sogenannten Handtuchheizkörpern ausgestattet sind. Überdies verfügt zumindest ein Badezimmer über eine Eckbadewanne und eine Dusche, was ebenfalls einem für Wohnungen entsprechenden Ausstattungszustand entspricht.

Dass möglicherweise nicht in allen Raumeinheiten des Objekts Nasszellen vorhanden sind, ändert an der „Wohnungsprägung“ nichts. Bezeichnend ist insoweit allerdings, dass die Klägerin auf gezielte Nachfrage in der mündlichen Verhandlung – mit Ausnahme des ehemaligen Büros ihres Vaters – nicht konkret benennen konnte, welche Raumeinheiten über keine Bäder/Nasszellen verfügen. Hierzu substantiiert vorzutragen, wäre jedoch Sache der Klägerin gewesen. Dies umso mehr, als die Thematik, dass das Gebäude aufgrund seiner baurechtlichen Nutzungseinschränkung nur als Büroraum angeboten werden darf, mehrfach im Verfahren seitens der Beklagten angesprochen worden war. Mit Blick hierauf geht die Kammer davon aus, dass eine Vermietung als Büroraum ohne vorangehende Investitionsmaßnahmen seitens der Klägerin von Vornherein der Erfolg versagt bleiben muss. Das ist jedoch der Risikosphäre der Klägerin zuzurechnen und somit von ihr zu vertreten.

Diese Bewertung wird untermauert durch die Aussage des Zeugen F*** in der mündlichen Verhandlung vom 16. November 2021. Der Zeuge, dem als Makler die Vermarktung des Objekts – allerdings ohne Maklervertrag und ohne Courtage – „überlassen“ war, gab an, das Objekt sei wie ein Wohnhaus gebaut worden. Auch die Aufteilung zeige eine Nutzung zum reinen Wohnen. Wenn er auch den Allgemeinzustand als gut bezeichne, sei noch viel zu investieren, um das Objekt vermietungsfähig zu machen. Außerdem führte der Zeuge an, Kaufinteressenten hätten schnell Abstand genommen, weil an dem Objekt „noch viel gemacht werden muss und es im Gewerbegebiet steht“. Zudem habe er die Vermarktung nicht lange betrieben, weil er als Makler alsbald gemerkt habe, dass diese nicht zum Ziel führe.

Ist nach alledem davon auszugehen, dass die Klägerin im Bewusstsein der allein baurechtlich zulässigen Nutzung des Objekts „A***-Straße ***, B***“ als Büroraum keinerlei bauliche Maßnahmen ergriffen hat, um das seiner Art, Aufteilung und Ausstattung nach zur reinen Wohnnutzung erbaute Mehrfamilienhaus einer der Baugenehmigung entsprechenden gewerblichen Nutzung als Bürogebäude zuzuführen, hat sie die Minderung des Rohertrags zu vertreten.

Dessen ungeachtet bestehen auch durchgreifende Zweifel an nachhaltigen Vermietungsbemühungen der Klägerin im gesamten Veranlagungsjahr 2020. Darauf hat bereits der Kreisrechtsausschuss im Widerspruchsbescheid vom 19. Februar 2021 zutreffend hingewiesen. Insbesondere war ein Makler seitens der Klägerin nicht beauftragt. Vielmehr war dem Zeugen F*** das Objekt – wie bereits ausgeführt ohne Maklervertrag und ohne die Vereinbarung einer Courtage – lediglich „zur Vermarktung überlassen“ worden. Überdies hat der Zeuge F*** seine erstmals im Februar 2020 aufgenommenen Bemühungen bereits frühzeitig beendet. Der Zeuge selbst gab an, beginnend ab Februar 2020 etwa drei bis vier Monate tätig gewesen zu sein. Selbst wenn er sich mit dem Objekt punktuell noch im August 2020 befasst haben sollte, erstreckte sich seine Tätigkeit jedenfalls nicht auf das gesamte Jahr 2020. Hinzu kommt, dass das Gebäude ausweislich der von der Klägerin vorgelegten „Historien“ des Maklers, auf denen nach dessen Angaben in der Zeugeneinvernahme vom 16. November 2021 lediglich Kaufinteressenten (und gerade keine Mietinteressenten) aufgeführt sind, als Mehrfamilienhaus bezeichnet war. Vor diesem Hintergrund kann von einer zielgerichteten Bewerbung des Objekts zur Vermietung als – baurechtlich allein zulässiges – Bürogebäude nicht ausgegangen werden.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

Gründe, die Berufung zuzulassen (§§ 124, 124a VwGO), liegen nicht vor.

 

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