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Steuerrecht
07.02.2019
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Keine Anwendung der Konzernklausel des § 8 c Abs. 1 S. 5 Nr. 3 KStG auf eine zu gleichen Teilen an übertragenden und übernehmenden Rechtsträger beteiligte Personengruppe

FG Düsseldorf, Beschluss vom 15.10.201812 V 1531/18 A (G,F)

ECLI:DE:FGD:2018:1015.12V1531.18A.G.F.00

Volltext BB-Online BBL2019-341-5

Aus den Gründen

Die GmbH 1 war im Streitjahr 2010 Tochtergesellschaft (100 %) der GmbH 2, die Tochter (100 %) der B- GmbH, der Antragstellerin, war, die im Jahr 2017 auf ihren jetzigen Namen umfirmierte.

Alleinige Gesellschafter der Antragstellerin sind die Eheleute D je zur Hälfte. Mit Wirkung zum 3.12.2010 wurden die Anteile an der GmbH 1 und der GmbH 2 an die GmbH 3 veräußert, an der die Eheleute D ebenfalls zur Hälfe beteiligt waren. Mit Vertrag vom 16.8.2012 wurde die GmbH 3 auf die Antragstellerin verschmolzen. Mit Vertrag vom 11.8.2016 wurde die GmbH 1 auf die Antragstellerin verschmolzen. Die Antragstellerin macht als Gesamtrechtsnachfolgerin der GmbH 1 die Rechtswidrigkeit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages und der Feststellung des auf den 31.12.2010 verbleibenden vortragsfähigen Gewerbeverlustes geltend.

Die GmbH 1 erzielte im Jahr 2010 ausweislich einer im Jahr 2015 für die Wirtschaftsjahre 2008 bis 2011 durchgeführten Betriebsprüfung einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von 3.310.688 Euro, was nach Berücksichtigung von Hinzurechnungen und Kürzungen für die Gewerbesteuer zu einem verbleibenden (Verlust) - Betrag von 2.925.586 Euro und einer Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages mit Bescheid vom 24.5.2017 auf Null Euro führte. Der Prüfer und dem folgend der Antragsgegner ging ferner davon aus, dass die Veräußerung zum 3.12.2010 schädlich im Sinne von § 8 c Abs. 1 Satz 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) gewesen sei und infolgedessen der nichtausgleichsfähige Verlust des Jahres 2010 von 2.925.586 Euro in Höhe von 11/12 gem. § 10 a Satz 10 Gewerbesteuergesetz (GewStG) i.V.m § 8 c KStG untergegangen sei. Mit Bescheid vom 24.5.2017 wurde auf den 31.10.2010 ein verbleibender vortragsfähiger Gewerbeverlust in Höhe von 243.799 Euro (= 1/12 von 2.925.586 Euro) gesondert festgestellt.

Im Jahr 2011 wurde über das Vermögen der GmbH 1 das Insolvenzverfahren eröffnet. Durch Insolvenzplan vom 29.8.2012 wurde die GmbH 1 saniert. Die GmbH 1 setzte ihre werbende Tätigkeit fort. Auf den 31.12.2011 erhöhte sich der für sie gesondert festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust auf 762.313 Euro, auf den 31.12.2012 verminderte sich der festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust auf 505.828 Euro. Im Jahr 2013 erzielte die GmbH 1 einen Gewinn aus Gewerbebetrieb von 2.713.554 Euro, von dem der auf den 31.12.2012 festgestellte vortragsfähige Gewerbeverlust in Höhe von 505.828 Euro in Abzug gebracht wurde. Mit Bescheiden vom 12.6.2017 wurde für das Jahr 2013 ein Gewerbesteuermessbetrag von 77.269 Euro und ein verbleibender vortragsfähiger Gewerbeverlust von 0 Euro festgestellt.

Gegen die Bescheide vom 24.5.2017 über den Gewerbesteuermessbetrag für das Jahr 2010 und die Feststellung des verbleibenden vortragsfähigen Gewerbeverlustes auf den 31.12.2010 wurden Einsprüche eingelegt, über die der Antragsgegner bisher nicht entschieden hat. Einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung dieser Bescheide hat der Antragsgegner mit Verfügung vom 22.5.2018 abgelehnt.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz durch das Gericht und begründet ihren Antrag im Wesentlichen wie folgt:

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes sei inhaltlich an die im Gewerbesteuermessbescheid ausgewiesenen Besteuerungsgrundlagen gebunden, deshalb müsse der Messbescheid trotz eines Steuermessbetrages von Null Euro neben dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes angefochten werden.

Zugunsten der Eheleute D als Konzernspitze müsse die Konzernklausel von § 8 c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG greifen, denn nach dem Zweck der Vorschrift sollten nur solche Umstrukturierungen verhindert werden, durch die ein bei der übertragenen Gesellschaft entstandener Verlust wirtschaftlich auf eine dritte Person übergehe. Entsprechend privilegiere das Gesetz ausdrücklich Umstrukturierungen, wenn dieselbe natürliche oder juristische Person oder Personenhandelsgesellschaft an übertragenden und übernehmenden Rechtsträger zu 100 % beteiligt sei. Der vorliegende Fall, in dem die Eheleute D zu je 50 % an übertragenden und übernehmenden Rechtsträger beteiligt gewesen seien, unterscheide sich von den ausdrücklich im Gesetz geregelten Fällen nicht in einem Maße, das sachlich eine Ungleichbehandlung rechtfertigen würde. Es liege ersichtlich eine planwidrige Regelungslücke vor, die in ergänzender Auslegung zu schließen sei, indem § 8 c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG auch auf die Veräußerung der Anteile der GmbH 1 an die GmbH 3 angewendet werde. Es bestünden zudem Zweifel, ob § 8 c Abs. 1. Satz 2 KStG verfassungsgemäß sei. Das Finanzgericht (FG) Hamburg habe mit Beschluss vom 29. August 2017 (2 K 245/17) dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die Frage vorgelegt, ob die Vorschrift von § 8 c Abs. 1 Satz 2 KStG verfassungsgemäß sei. Das BVerfG habe bereits mit Beschluss vom 29. März 2017(2 BvL 6/11) die Vorschrift von § 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG für verfassungswidrig erklärt. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Blick auf den Vorlagebeschluss des FG Hamburg ein anhängiges Verfahren mit Beschluss vom 28. Oktober 2011 (I R 31/11) ruhend gestellt. Das FG Hamburg habe mit Beschluss vom 11. April 2018 (2 V 20/18) wegen des Vorlagebeschlusses vom 29. August 2017 Aussetzung der Vollziehung gewährt.

Die Vollziehung des Bescheides stelle eine unbillige Härte dar, denn der im Jahr 2013 entstandene Gewinn sei ein Sanierungsgewinn gewesen, der unter Geltung des sogenannten Sanierungserlasses steuerbefreit gewesen wäre.

Die Antragstellerin beantragt,

die Vollziehung des Bescheides für 2010 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 24.5.2017, soweit in den Besteuerungsgrundlagen ein nicht ausgleichsfähiger Gewerbeverlust des laufenden Erhebungszeitraumes in Höhe von 2.681.787 Euro in die Ermittlung miteinbezogen wird, sowie des damit inhaltlich verbundenen Bescheides auf den 31.12.2010 über die gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes vom 24.05.2017, soweit dort eine Kürzung des festzustellenden Gewerbeverlustes um 2.681.787 Euro erfolgt ist, bis einen Monat nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung oder anderweitiger Erledigung des Einspruchsverfahrens, auszusetzen (wörtlicher Antrag Blatt 2 Gerichtsakte – GA-).

Der Antragsgegner beantragt,

              den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung trägt er vor:

Der Gewerbesteuermessbescheid für das Jahr 2010 habe aufgrund der Festsetzung eines Steuermessbetrages von Null Euro keinen vollziehbaren Inhalt, auch nicht in Bezug auf die Bindungswirkung seiner Besteuerungsgrundlagen für eine Feststellung des verbleibenden Gewerbeverlustes. § 35b Abs. 2 Satz 2 GewStG ordne nur die entsprechende Anwendung der §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO an; nicht aber die entsprechende Anwendung von § 361 Abs. 3 Satz 1 AO und § 69 FGO. Auf die Ausführungen im BMF Schreiben vom 18. Juni 2018, IV A 3 – S 0338/17/100007 – (BStBl I 2018, 2) zu § 165 AO werde verwiesen, dortselbst Abschnitt A Nr. 1 a und 1 b zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages nach § 10 d EStG.

Sollte § 8 c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG tatsächlich eine planwidrige Regelungslücke enthalten, könne diese nur durch eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 Abgabenordnung (AO) geschlossen werden, für die aber nicht der Antragsgegner, sondern die Gemeinde zuständig sei. Da gültige Gesetze grundsätzlich anzuwenden seien, könne der Vorlagebeschluss des FG Hamburg nur dann ein Grund sein, Aussetzung der Vollziehung zu gewähren, wenn der Antragstellerin bei Nichtgewährung irreparable Nachteile wie etwa eine Insolvenz drohten. Solche Nachteile habe die Antragstellerin nicht vorgetragen. Ob der Sanierungsgewinn aus Billigkeitsgründen begünstigt zu besteuern sei, sei nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Den sogenannten Sanierungserlass und das nachfolgende Schreiben des Bundesministers der Finanzen (BMF) habe der BFH mit dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung für unvereinbar gehalten (Urteile vom 23. August 2017, I R 52/14, BStBl. II 2018, 232 und X R 38/15, BStBl II 2018, 236). Erst wenn der Gesetzgeber eine neue Regelung getroffen habe, könne für die Steuerfestsetzungen des Jahres 2013 geprüft werden, ob und in welchem Umfang ein Sanierungsgewinn steuerbefreit sei.

II.

1. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Gewerbesteuermessbescheides ist unzulässig.

Die Antragstellerin ist durch die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags 2010 auf Null Euro nicht i.S. des § 40 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) beschwert. Nur ausnahmsweise ist ein Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtung eines Null Euro festsetzenden Gewerbesteuermessbescheids zu bejahen, etwa wenn der Steuerpflichtige seine Gewerbesteuerpflicht bestreitet und deshalb die ersatzlose Aufhebung des angegriffenen Bescheids erstrebt (z.B. BFH- Urteil vom 9. September 2010 IV R 38/08, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH - BFH/NV - 2011, 423; vom 25. September 2008 IV R 80/05, Bundessteuerblatt - BStBl - II 2009, 266; beide m.w.N.). Ein solcher Fall liegt nicht vor. Es ist auch sonst keine Interessenlage ersichtlich, die ausnahmsweise ein Rechtsschutzbedürfnis für eine derartige Anfechtung eröffnet. Zwar ist die Auffassung der Antragstellerin grundsätzlich zutreffend, dass die in § 35 b Abs. 2 Satz 2 GewStG normierte Bindung der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs an die Besteuerungsgrundlagen, die der Steuerfestsetzung des Steuermessbetrags zugrunde gelegen haben, die Anfechtung eines auf Null Euro lautenden Gewerbesteuermessbescheides erforderlich machen kann. Ein Rechtschutzbedürfnis dafür besteht aber nur insoweit, wie es Besteuerungsgrundlagen betrifft, die der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde gelegt werden. Nur für diese Besteuerungsgrundlagen ist die sinngemäße Anwendung der §§ 171 Abs. 10, 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO angeordnet (vgl. § 35 Abs. 2 Satz 2 GewStG). Das Ergebnis der Prüfung, ob und in welchem Umfang ein im Veranlagungszeitraum entstandener und nach Hinzurechnungen und Kürzungen (vgl. §§ 8, 9 GewStG) verbleibender Verlustbetrag wegen § 8 c KStG zu kürzen ist, fließt in die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags des Verlustentstehungsjahres aber nicht ein, sondern ist für diese Festsetzung irrelevant. Mangels Bindung für die nachfolgende Verlustfeststellung gibt es kein Rechtsschutzbedürfnis für eine Anfechtung etwa im Bescheid über die Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrages enthaltener Ausführungen zu § 8 c KStG. Die Entscheidung über die steuerliche Abzugsfähigkeit dieses verbleibenden Verlustbetrages in nachfolgenden Veranlagungszeiträumen erfolgt (erst) im Rahmen der gesonderten Feststellung der Höhe der vortragsfähigen Fehlbeträge gem. § 10 a Satz 6 GewStG (BFH- Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 18/02, BStBl. II 2004, 468; Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, Kommentar, 8 Auflage 2014, § 10 a Rz. 117 mit weiteren Nachweisen; Olbig in Streck, KStG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 8 c Rz. 71 für die vergleichbare Problematik des verbleibenden vortragsfähigen Verlustes bei Körperschaften; R 10 a.1 Abs. 2 GewStR 2009).

2. Der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des Bescheides über die gesonderte Feststellung des auf den 31.12.2010 verbleibenden vortragsfähigen Gewerbeverlustes ist unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 FGO kann das Gericht Aussetzung der Vollziehung gewähren, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Dies ist dann der Fall, wenn eine summarische Prüfung ergibt, dass neben der für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umstände gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Umstände zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen auslösen. Dabei muss der Erfolg in der Hauptsache nicht wahrscheinlicher sein als der Misserfolg (Seer in Tipke/ Kruse, AO/FGO Kommentar, § 69 FGO, Rz. 89 mit weiteren Nachweisen).

a) Im Streitfall bestehen keine ernsthaften Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids, soweit es die unmittelbare Anwendung von §§ 8c Abs. 1 Satz 2, 8 c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG betrifft. Zwischen den Beteiligten herrscht Einigkeit darüber, dass die Vorschrift ihrem Wortlaut nach zutreffend angewendet worden ist.

b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides ergeben sich auch nicht daraus, dass die Vorschrift des § 8c Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG nach Auffassung der Antragstellerin eine planwidrige Regelungslücke aufweisen soll, die in ergänzender Auslegung zu schließen sei, indem die Konzernklausel entgegen ihrem Wortlaut auch auf eine zu gleichen Teilen an übertragenden und übernehmenden Rechtsträger beteiligte Personengruppe angewendet wird. Von einer versehentlichen Nichtprivilegierung dieser Konstellation kann entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht ausgegangen werden. Der Gesetzgeber hat sich bewusst anders entschieden. § 8 c Abs. 1 Satz 5 KStG ist durch das Steueränderungsgesetz 2015 für Beteiligungserwerbe nach dem 31.12.2009 neu gefasst worden. In § 8 c Abs. 1 Satz 5 KStG wurden mit der Nummer 1 und Nr. 2 zwei weitere, den hier zu beurteilenden Fall nicht betreffende Privilegierungen geschaffen. Die bisherige Privilegierung, “wenn an dem übertragenden und an dem aufnehmenden Rechtsträger dieselbe Person zu jeweils 100 % mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist“, wurde wörtlich zu Nr. 3 der Vorschrift. Der hier zu beurteilende Fall ist trotz Neufassung nicht in die Nr. 3 der Konzernklausel einbezogen worden, obwohl vor der Neufassung des Gesetzes in der Literatur kontrovers darüber diskutiert wurde, ob eine zu gleichen Teilen an übertragenden und übernehmenden Rechtsträger beteiligte Personengruppe genauso behandelt werden müsse, wie eine zu 100 % an beiden Rechtsträgern beteiligte Person (vgl. z. B. die Nachweise bei Olbing in Streck, KStG, Kommentar, 8. Auflage 2014, Rz. 37; bei Franz Betriebsberater – BB – 2010, 997; bei Unterberg, GmbH – Rundschau – GmbHR – 2015, 1190 ff ,1192 und bei Neumann, GmbHR 2014, 673ff, 676f). Trotzdem hat der Gesetzgeber die bisherige Konzernklausel unverändert in § 8 Abs. 1 Satz 5 Nr. 3 KStG übernommen.

c) Rechtsschutz im Wege der Aussetzung der Vollziehung kann nach ständiger Rechtsprechung auch bei ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken gegen eine dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtsnorm gewährt werden (vgl. BFH-Beschluss vom 10. Juli 2002 XI B 68/02, BStBl II 2003, 341; vom 5. März 2001 IX B 90/00, BStBl II 2001, 405). An die ernstlichen Zweifel hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind, wenn die Verfassungswidrigkeit von Normen geltend gemacht wird, keine strengeren Anforderungen zu stellen, als im Fall der fehlerhaften Rechtsanwendung (BFH Beschluss vom 26. August 2010 I B 49/10, BStBl II 2011, 826; vom 10. Februar 1984 III R 40/83, BStBl II 1984, 454). Das Finanzgericht (FG) Hamburg hat mit Beschluss vom 29. August 2017 (2 K 245/17, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2017,1906) dem Bundesverfassungsgericht die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG in der Fassung des Unternehmenssteuerreformgesetzes 2008 vom 14. August 2007 mit Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) insoweit vereinbar ist, als bei der unmittelbaren Übertragung innerhalb von fünf Jahren von mehr als 50 Prozent des gezeichneten Kapitals an einer Körperschaft an einen Erwerber die bis zum schädlichen Beteiligungserwerb nicht genutzten Verluste vollständig nicht mehr abziehbar sind. Der erkennende Senat hält es aus den in dem vorzitierten Beschluss genannten Gründen ernsthaft für möglich, dass die hier maßgebliche Vorschrift des § 8c Abs. 1 Satz 2 KStG, ebenso wie die bereits zuvor vom BVerfG überprüfte Vorschrift von § 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG verfassungswidrig sein könnte und der Gesetzgeber zu einer Änderung mit für die Antragstellerin günstigeren Rechtsfolgen verpflichtet werden könnte.

Allerdings reichen nach der Rechtsprechung des BFH, der der erkennende Senat folgt, verfassungsmäßige Zweifel allein zur Gewährung einer Aussetzung der Vollziehung nicht aus. Vielmehr muss der Steuerpflichtige ein besonderes berechtigtes Interesse an der Aussetzung der Vollziehung darlegen, das gegen das öffentliche Interesse an der Fortgeltung jedes formell verfassungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes bis zu einer Entscheidung des BVerfG und gegen das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung abzuwägen ist (vgl. de Rechtsprechungsnachweise im BFH- Beschluss vom 1.April 2010 II B 168/09, BStBl II 2010, 558, 559, Rz. 8; im BFH- Beschluss vom 18 Dezember 2013 I B 85/13, BStBl. II 2014, 947, 951, Rz. 32).

Der BFH hat in verschiedenen Fallgruppen dem Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen den Vorrang vor den öffentlichen Interessen eingeräumt, und zwar wenn das zu versteuernde Einkommen abzüglich der darauf zu entrichtenden Einkommensteuer unter dem sozialhilferechtlich garantierten Existenzminimum liegt (Fallgruppe 1, BFH-Beschluss vom 25. Juli 1991 III B 555/90, BStBl II 1991, 876; vom 29. Oktober 1991 III B 83/91, BFH/NV 1992, 246), wenn ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Beschränkung des bisher zulässigen Abzugs von laufenden erwerbsbedingten Aufwendungen als Werbungskosten bestehen (Fallgruppe 2, BFH-Beschluss vom 23. August 2007 VI B 42/07, BStBl II 2007, 799, zu den Aufwendungen für Wege zwischen Wohnung und Arbeitsstätte; vom 25. August 2009 VI B 69/09, BStBl II 2009, 826, zu den Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer), wenn es um das aus verfassungsrechtlichen Gründen schutzwürdige Vertrauen auf die Beibehaltung der bisherigen Rechtslage geht (Fallgruppe 3, BFH-Beschluss vom 5. März 2001 IX B 90/00, BStBl II 2001, 405), wenn es um ausgelaufenes Recht geht (Fallgruppe 4, BFH-Beschluss vom 31. Januar 2007 VIII B 219/06, BFH/NV 2007, 914; vom 2. August 2007 IX B 92/07, BFH/NV 2007, 2270), wenn das zur Entscheidung über die Aussetzung der Vollziehung zuständige Gericht die vom Kläger als verfassungswidrig angesehene Vorschrift bereits dem BVerfG gemäß Art. 100 Abs. 1 GG zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit vorgelegt hat (Fallgruppe 5, BFH-Beschluss vom 11. Juni 2003 IX B 16/03, BStBl II 2003, 663; vom 22. Dezember 2003 IX B 177/02, BStBl II 2004, 367; vom 30. November 2004 IX B 120/04, BStBl II 2005, 287; ebenso FG Hamburg, Beschluss vom 11. April 2018, 2V 20/18, EFG 2018, 1128), wenn das erkennende Gericht selbst schwerwiegende Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Norm hat und der Gesetzgeber in Kenntnis der Problematik über Jahre untätig geblieben ist (Fallgruppe 6, BFH- Beschluss vom 25. April 2018 IX B 21/18, BStBl II 2018, 415), wenn das BVerfG eine ähnliche Vorschrift für nichtig erklärt hatte (Fallgruppe 7, BFH-Beschluss vom 15. Dezember 2000 IX B 128/99, BStBl II 2001, 411) oder wenn dem Steuerpflichtigen durch den sofortigen Vollzug irreparable Nachteile drohen (Fallgruppe 8, BFH-Beschluss vom 9. November 1992 X B 137/92, BFH/NV 1994, 324; vom 19. August 1994 X B 318/93, X B 319/93, BFH/NV 1995, 143; BFH- Beschluss vom 9. März 2012 VII B 171/11, BStBl. II 2012, 418; wohl auch Beschluss vom 21. November 2013 II B 46/13, BStBl. II 2014, 263).

Die Voraussetzungen der hier allein in Betracht kommenden Fallgruppen 7 und 8 sind nicht erfüllt, weshalb das öffentliche Interesse an der Vereinnahmung der auf formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzen beruhenden Steuerzahlungen zum Zweck einer geordneten Haushaltsführung das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt.

Als ähnliche Vorschrift im Sinne der Fallgruppe 7 kommt § 8 c Abs. 1 Satz 1 KStG in Betracht. Das BVerfG hat diese Vorschrift aber nicht für nichtig erklärt, sondern dem Gesetzgeber aufgegeben, den Verfassungsverstoß bis zum 31.12.2018 rückwirkend mit Geltung ab dem 1.1.2008 zu beseitigen; nur im Falle, dass der Gesetzgeber dieser Verpflichtung nicht nachkommen sollte, tritt die Nichtigkeit der Norm ein (Beschluss des BVerfG vom 29. März 2017  2 BvL 6/11, BStBl. II 2017, 1082, unter D, II, Rz. 162 ff).

Dass ihr im Falle des sofortigen Vollzugs irreparable, über den Fakt der Steuerzahlung hinausgehende Nachteile im Sinne der Fallgruppe 8 drohen, hat die Antragstellerin selbst nicht behauptet. Demgegenüber besteht wegen der finanziellen Auswirkungen ein hoch zu bewertendes öffentliches Interesse am Vollzug von auf der Anwendung von § 8 c Abs. 1 Satz 2 KStG beruhender Steuerbescheide. Nach dem Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes ergeben sich aus der mit § 8 Abs. 4, § 8 c KStG einzuführenden anteiligen Kürzung des Verlustausgleichspotentials beim Erwerb bzw. der Übertragung von Gesellschaftsanteilen an Kapitalgesellschaften von § 8 c Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 KStG Mehreinnahmen in Höhe von 1.475.000.000 Euro p.a.(Deutscher Bundestag 16. Wahlperiode, Drucksache 16/4841, Tabelle auf Seite 43). Auch wenn dieser Betrag ersichtlich nicht allein mit der Anwendung von § 8 c Abs. 2 Satz 2 KStG generiert werden kann, handelt es sich unter Berücksichtigung der Tatsache, dass sich die finanziellen Auswirkungen bis zum Vorliegen einer Entscheidung des BVerfG über etliche Jahre aufsummieren könnten, um Steuereinnahmen gewichtigen Ausmaßes (a.A. FG Hamburg, Beschluss vom 11. April 2018  2 V 20/18, EFG 2018, 1128).

c) Die Vollziehung des Bescheides ist auch nicht deswegen auszusetzen, weil die auf den Gewinn des Jahres 2013 entfallende Steuer möglicherweise abweichend festzusetzen ist oder zu erlassen ist. Eine Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbescheids des Jahres 2013, einer etwa beantragten, aber bisher nicht erfolgten abweichenden Steuerfestsetzung des Jahres 2013 aus Billigkeitsgründen oder eines etwa beantragten, aber bisher nicht gewährten Erlasses der Gewerbesteuer des Jahres 2013 ist nicht Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens. Entsprechend kann in diesem Verfahren keine vorläufige Regelung dazu getroffen werden; auch nicht mittelbar, indem mit Blick auf die Ungewissheit des Ausgangs des dortigen Verfahrens hier im Wege des einstweiligen Rechtschutzes vorläufig ein den nach dem Vortrag der Antragstellerin entstandenen Sanierungsgewinn neutralisierender Verlustabzug gewährt wird. Ob und in welchem Umfang der Gewinn des Jahres 2013 der Gewerbesteuer unterliegt, ist allein in dem für dieses Jahr zu führenden Veranlagungsverfahren, Verfahren über eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen gem. § 163 AO, Verfahren über den Erlass der Gewerbesteuer gem. § 227 AO zu entscheiden.

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3. Die Beschwerde wird gem. § 128 Abs. 3, 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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