: Keine freigebige Zuwendung bewertbaren Vermögens bei Schenkung einer nicht atypischen Unterbeteiligung - Zurechnung von Betriebsvermögen bei Mitunternehmern - Verböserungsverbot - Bindung des BFH an den erstinstanzlichen Klageantrag
BFH, Urteil vom 16.1.2008 - II R 10/06
Vorinstanz: FG Münster vom 10.11.2005 - 3 K 5635/03 Erb (EFG 2006, 422)
LEITSATZ
Mit der schenkweisen Einräumung einer Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil, die nicht die Voraussetzungen einer atypischen Unterbeteiligung erfüllt, wird noch kein Vermögensgegenstand zugewendet.
BewG § 4, § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5; BGB § 518 Abs. 2, § 716 Abs. 1; ErbStG § 7 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 12 Abs. 5; EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; FGO § 96 Abs. 1 Satz 2
SACHVERHALT
I.
Dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) waren mit notariell beurkundeten Verträgen vom 16. August 1990, 22. Dezember 1995 und 3. September 1997 von seinem Vater Unterbeteiligungen an dessen Anteilen am Kommanditkapital der A GmbH & Co. KG, am Kommanditkapital der B GmbH & Co. KG sowie am Stammkapital der C GmbH geschenkt worden. Der Vater war jeweils mit 66 2/3 % an den genannten Gesellschaften beteiligt; seine Beteiligung an der C GmbH war Sonderbetriebsvermögen der A GmbH & Co. KG. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte diese Schenkungen als Übertragungen von Betriebsvermögen im Wege der vorweggenommenen Erbfolge.
In Abschn. II. § 1 des Schenkungsvertrages vom 16. August 1990 wird die Rechtsstellung des Unterbeteiligten auch mit Wirkung für spätere Anteilsschenkungen näher geregelt. Unter anderem soll danach der Hauptbeteiligte auch nach Einräumung der Unterbeteiligungen seine Gesellschafterrechte bei den Gesellschaften nach eigenem Ermessen ausüben. Er soll insbesondere befugt sein, bei Änderungen der Gesellschaftsverträge auch mit Wirkung für den Unterbeteiligten mitzuwirken oder aus den Gesellschaften auszuscheiden; er soll jedoch bei seinen Entscheidungen die Interessen des Unterbeteiligten wahren.
Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 19. Dezember 1998 schenkte der Vater des Klägers diesem unter dem Vorbehalt eines lebenslänglichen unentgeltlichen Nießbrauchs und eines befristeten freien sowie eines an bestimmte Voraussetzungen geknüpften Widerrufsrechts weitere Unterbeteiligungen an seinen oben genannten Beteiligungen.
Letztmalig mit Änderungsbescheid vom 2. Mai 2003 setzte das FA die Schenkungsteuer für den Erwerb aus der Schenkung vom 19. Dezember 1998 fest, und zwar in Höhe von ... DM. Das FA versagte hierbei den verminderten Wertansatz gemäß § 13a Abs. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG), da der Kläger aufgrund des vorbehaltenen freien Widerrufsrechts nicht Mitunternehmer der Personengesellschaft geworden sei und somit keine Übertragung von begünstigtem Betriebsvermögen vorliege.
Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 422 veröffentlichten Urteil statt. Der zeitlich begrenzte Widerrufsvorbehalt stehe der Annahme einer Mitunternehmerstellung nicht entgegen. Selbst wenn die Mitunternehmerschaft ertragsteuerlich nicht anerkannt werden könne, bleibe das übertragene Vermögen ertragsteuerlich Betriebsvermögen. Dies entspreche der gesetzgeberischen Zielsetzung und dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671), wonach der Erwerb von Betriebsvermögen bei der Erbschaftsteuer entlastet werden solle, um der verminderten Leistungsfähigkeit der Erwerber von Betriebsvermögen Rechnung zu tragen.
Mit der Revision verfolgt das FA seinen Rechtsstandpunkt weiter.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
AUS DEN GRÜNDEN
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG hat zwar verkannt, dass dem Kläger mit der Einräumung der Unterbeteiligungen keine Vermögensgegenstände zugewendet worden sind und deshalb die streitigen Rechtsvorgänge nicht der Schenkungsteuer unterliegen. § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO steht jedoch einer Aufhebung der Vorentscheidung entgegen.
1. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Sie setzt in objektiver Hinsicht voraus, dass die Leistung zu einer Bereicherung des Bedachten auf Kosten des Zuwendenden führt und die Zuwendung (objektiv) unentgeltlich ist. Dies erfordert, dass der Empfänger über das Zugewendete im Verhältnis zum Leistenden tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann. Dafür, ob dies der Fall ist, kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage an (vgl. m.w.N. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. August 2007 II R 33/06, BStBl II 2008, 28; vom 28. Juni 2007 II R 21/05, BFHE 217, 254, BStBl II 2007, 669).
a) Was Zuwendungsgegenstand ist, hängt davon ab, ob die Voraussetzungen einer atypischen stillen Unterbeteiligung erfüllt sind oder nicht.
aa) Wird schenkweise eine Unterbeteiligung an einem Gesellschaftsanteil eingeräumt, die nicht alle Voraussetzungen einer atypischen Unterbeteiligung erfüllt, wird kein Vermögensgegenstand zugewendet, über den der Empfänger schon tatsächlich und rechtlich verfügen kann. Ihm werden vielmehr lediglich Rechtsansprüche in Gestalt eines Bündels schuldrechtlicher Ansprüche gegen den Zuwendenden eingeräumt. Bereichert ist der Zuwendungsempfänger erst, wenn ihm aus der Unterbeteiligung tatsächlich Gewinnausschüttungen und Liquidationserlöse zufließen. Zivilrechtlich zeigt sich dies in dem Formerfordernis des § 518 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Weder der Abschluss eines Vertrages über die unentgeltliche Einräumung einer typischen Unterbeteiligung noch die Einbuchung einer solchen Unterbeteiligung bewirkt bereits einen Schenkungsvollzug i.S. des § 518 Abs. 2 BGB (vgl. MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 705 Rz 46; MünchKommHGB/Karsten Schmidt, § 230 Rz 103; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl., § 63 III 1, jeweils m.w.N.).
bb) Bei der Zuwendung einer atypischen Unterbeteiligung dagegen ist die Schenkung bereits mit Abschluss des Gesellschaftsvertrages oder doch spätestens mit der Einbuchung der atypischen Unterbeteiligung vollzogen (MünchKommBGB/Kollhosser, 4. Aufl., § 518 Rz 32; MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 705 Rz 45; MünchKommHGB/Karsten Schmidt, § 230 Rz 224; Baumbach/ Hopt, HGB, 32. Aufl., § 230 Rz 10; Blaurock, Unterbeteiligung und Treuhand an Gesellschaftsanteilen, 1981, S. 156, jeweils m.w.N.; a.A. aber die Urteile des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 24. September 1952 II ZR 136/51, BGHZ 7, 174; vom 29. Oktober 1952 II ZR 16/52, BGHZ 7, 378).
Denn bei einer atypischen Unterbeteiligung ist der Unterbeteiligte vermögensrechtlich über eine Teilhabe an den Betriebsergebnissen hinaus am Anteil des Hauptbeteiligten beteiligt und wirkt dergestalt an der Geschäftsführung der Innengesellschaft mit, dass er, ohne Inhaber oder Mitinhaber des Anteils zu werden, maßgeblichen Einfluss auf die Innengesellschaft nehmen kann (vgl. MünchKommHGB/Karsten Schmidt, § 230 HGB Rz 208 f.). Diese Verknüpfung mitgliedschaftlicher Rechte wie Stimm-, Verwaltungs- und Kontrollrechte mit den vermögensrechtlichen Ansprüchen auf Teilhabe am Gewinn und Liquidations- oder Abfindungserlös begründet eine Rechtsposition, über die der Zuwendungsempfänger als Gesellschafter der Innengesellschaft vergleichbar einem Stammrecht bereits rechtlich und tatsächlich verfügen kann.
b) Durch den Vertrag vom 19. Dezember 1998 zwischen dem Kläger und seinem Vater ist eine Innengesellschaft errichtet worden, durch die der Kläger eine Unterbeteiligung an den Kommandit- und GmbH-Geschäftsanteilen seines Vaters an den Hauptgesellschaften erworben hat. Diese Unterbeteiligung erfüllt jedoch nicht die Merkmale einer atypischen Unterbeteiligung. Mitgliedschaftliche Rechte wie Verwaltungs- und Stimmrechte, die eine Umqualifikation von einem bloßen Geflecht schuldrechtlicher Ansprüche zu einer einem Stammrecht vergleichbaren Rechtsposition ermöglichen, fehlen weitestgehend.
Gemäß Abschn. II. § 1 Abs. 3 des Vertrages vom 16. August 1990, der nach Abs. 5 dieser Vertragsbestimmung auch für spätere Schenkungen und somit auch für den Vertrag vom 19. Dezember 1998 gilt, verbleiben die aus den Gesellschaftsanteilen des Vaters folgenden Stimm-, Kontroll- und sonstigen Verwaltungsrechte bei diesem. Der Vater sollte seine Gesellschafterrechte nach eigenem Ermessen ausüben und in allen Angelegenheiten einschließlich der Änderung des Gesellschaftsvertrages und der Auflösung der Gesellschaft allein entscheiden können, ohne dass dem Kläger ein Widerspruchsrecht vergleichbar § 164 des Handelsgesetzbuches (HGB) verblieben wäre (vgl. auch BFH-Urteil vom 11. Oktober 1988 VIII R 328/83, BFHE 155, 514, BStBl II 1989, 762). Die Auflage in Abschn. II. § 1 Abs. 3 Satz 3 des Vertrages vom 16. August 1990, wonach der Vater die Interessen des Klägers zu wahren habe, vermag als bloßer Programmsatz die außerordentlich weitreichenden Beschränkungen der Mitwirkungsrechte des Klägers nicht auszugleichen.
Aufgrund des Vertrages vom 19. Dezember 1998 hat der Kläger lediglich schuldrechtliche Ansprüche gegen seinen Vater erworben, die ihm eine Teilhabe an künftigen Gewinnen und dem Liquidationserlös ermöglichen sollten. Diese künftigen Ansprüche können nicht zu einem einheitlichen Stammrecht zusammengefasst werden, da es an der Klammer mitgliedschaftlicher Rechte und Pflichten fehlt.
c) Die Innengesellschaft zwischen dem Kläger und seinem Vater verfügt über kein Vermögen, das dem Kläger und seinem Vater gesamthänderisch zugeordnet werden könnte. Der Vater hat seine Beteiligungen an den Hauptgesellschaften nicht in die Innengesellschaft eingebracht.
Das im Eigentum des Vaters stehende Betriebsvermögen kann dem Kläger auch nicht gemäß § 12 Abs. 5 ErbStG i.V.m. § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) zugerechnet werden.
aa) § 97 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 BewG fingiert eine Zurechnung von Betriebsvermögen. Die Vorschrift setzt jedoch voraus, dass der Beschenkte Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geworden ist. Kennzeichnend für einen Mitunternehmer i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, dass er zusammen mit anderen Personen Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfaltet und Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt (vgl. BFH-Beschluss vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; BFH-Urteile vom 16. Dezember 1997 VIII R 32/90, BFHE 185, 190, BStBl II 1998, 480; vom 20. März 2002 II R 53/99, BFHE 199, 19, BStBl II 2002, 441).
Mitunternehmerinitiative bedeutet vor allem Teilnahme an unternehmerischen Entscheidungen. Ausreichend ist die Möglichkeit zur Ausübung von Gesellschafterrechten, die wenigstens den Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechten angenähert sind, die einem Kommanditisten nach dem HGB zustehen (vgl. BFH-Urteil vom 29. April 1981 IV R 131/78, BFHE 133, 392, BStBl II 1981, 663) oder die den gesellschaftsrechtlichen Kontrollrechten nach § 716 Abs. 1 BGB entsprechen (vgl. BFH-Urteil vom 19. Februar 1981 IV R 152/76, BFHE 133, 180, BStBl II 1981, 602).
bb) Der Kläger konnte aufgrund des Vertrages vom 19. Dezember 1998 keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Gemäß Abschn. II. § 1 Abs. 3 des Vertrages vom 16. August 1990, der nach Abs. 5 dieser Vertragsbestimmung auch für die durch spätere Schenkungen erworbenen Unterbeteiligungen gilt, verblieben nämlich die Stimm-, Kontroll- und sonstigen Verwaltungsrechte bei dem Schenker. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob die Frage der Mitunternehmerstellung in Bezug auf alle von einer Person gehaltenen Anteile an einer Personengesellschaft zwingend einheitlich zu beurteilen ist. Entgegen der Auffassung der Beteiligten war nämlich der Kläger aus der vorgenannten Erwägung auch nicht aufgrund der Schenkungen der Jahre 1990, 1995 und 1997 Mitunternehmer geworden.
2. Das FG hat verkannt, dass mit dem Vertrag vom 19. Dezember 1998 und der Einräumung der Unterbeteiligung ein bewertbarer Vermögensgegenstand noch nicht zugewendet worden ist. Gleichwohl hat die Vorentscheidung im Ergebnis Bestand. Der BFH ist an den auf ... DM begrenzten erstinstanzlichen Klageantrag gebunden, da nur das FA Revision eingelegt hat (§ 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).
a) Das FA hat mit dem Vertrag vom 19. Dezember 1998 einen nicht steuerbaren Vorgang der Schenkungsteuer unterworfen. Erst die tatsächlich an den Kläger ausgezahlten Gewinnausschüttungen oder Liquidationserlöse stellen freigebige Zuwendungen i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG dar, da der Kläger erst über diese rechtlich und tatsächlich frei verfügen kann. Diese Zuwendungen sind aufschiebend bedingt und können gemäß § 4 BewG, § 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG erst berücksichtigt werden, wenn die Schenkung mit der Ausschüttung des Gewinns oder der Auskehrung der Erlöse ausgeführt ist.
b) Der BFH ist jedoch gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO an den auf ... DM lautenden erstinstanzlichen Klageantrag gebunden. Es ist ihm daher grundsätzlich verwehrt, über das Klagebegehren hinauszugehen und den Steuerbescheid in vollem Umfang aufzuheben.
Von diesen Grundsätzen kann zwar in Ausnahmefällen abgewichen werden, wenn nur eine Herabsetzung der Steuer begehrt wird, aber der angefochtene Bescheid insgesamt nicht hätte ergehen dürfen. Die Bindung muss zurücktreten, wenn andernfalls keine dem Gesetz entsprechende Entscheidung über den Streitpunkt möglich wäre (vgl. BFH-Urteile vom 20. Oktober 1970 II 167/64, BFHE 100, 56, BStBl II 1970, 826; vom 11. Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474; vom 28. März 2007 II R 57/05, BFH/NV 2007, 1537; Schmidt-Troje in Beermann/ Gosch, § 96 FGO Rz 13; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 96 FGO Rz 187; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 96 FGO Rz 100). Ein solcher Ausnahmefall liegt aber nicht vor. Zudem verfolgte der Kläger im Verfahren vor dem BFH kein über die Abweisung der Revision hinausgehendes Rechtsschutzziel. Zur Vermeidung einer doppelten Besteuerung ist jedoch die vom Kläger bereits entrichtete Schenkungsteuer anzurechnen, soweit das FA noch Schenkungsteuer wegen der vom Kläger aufgrund des Vertrages vom 19. Dezember 1998 bezogenen Gewinnausschüttungen festsetzen kann.