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Steuerrecht
07.11.2019
Steuerrecht
FG Münster: Keine Steuerbefreiung für Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder eines Präsidiumsmitglieds eines privatrechtlich organisierten kommunalen Spitzenverbands (Städte- und Gemeindebund NRW)

FG Münster, Urteil vom 24.9.20193 K 2458/18 E

ECLI:DE:FGMS:2019:0924.3K2458.18E.00

Volltext BB-Online BBL2019-2710-1

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten, ob seitens des Klägers für seine Tätigkeit im Präsidium des Städte- und Gemeindebundes Nordrhein-Westfalen (StGB NRW) bezogene Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) oder gemäß § 3 Nr. 26a EStG steuerfrei sind.

Die Kläger sind Eheleute und wurden für das Streitjahr 2016 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist Bürgermeister der Gemeinde G-Dorf. Darüber hinaus ist er Präsidiumsmitglied des StGB NRW.

Der StGB NRW ist ein Zusammenschluss von 360 kreisangehörigen Kommunen in Nordrhein-Westfalen in der Form eines eingetragenen Vereins (§ 1 Abs. 2 der Satzung). Die Mitgliedschaft im StGB NRW ist freiwillig (§ 4 der Satzung). Aufgabe und Zweck des StGB NRW ist es, die verfassungsmäßigen Rechte seiner Mitglieder auf gemeindliche Selbstverwaltung zu schützen, ihre allgemeinen Belange zu fördern und sie bei der Erfüllung ihrer Aufgaben zu unterstützen. Dazu gehört insbesondere die Darlegung und Vertretung der gemeinsamen Anliegen und Belange gegenüber staatlichen Institutionen, die Beratung der Mitglieder bei der Durchführung ihrer gemeindlichen Aufgaben, Öffentlichkeitsarbeit, Weiterbildung und Informationsaustausch (§ 2 Abs. 1 der Satzung). Laut § 2 Abs. 2 der Satzung werden ausschließlich gemeinnützige Zwecke im Sinne der Abgabenordnung verfolgt. Eine Befreiung von der Körperschaftsteuer liegt nicht vor.

Die Finanzierung erfolgt unabhängig von staatlichen Zuschüssen ausschließlich aus Beiträgen der Mitglieder (§ 6 Abs. 1c der Satzung). Die Mitgliederversammlung beschließt über die Festsetzung der Beiträge (§ 9 Abs. 1c der Satzung), der Hauptausschuss beschließt u. a. über den Haushaltsplan, die Verwaltung des Vermögens und auch über die Bestimmung der Prüfer für die Haushalts-, Kassen- und Rechnungsführung (§ 10 Abs. 4 der Satzung). Die Prüfung der Finanzen des Städte- und Gemeindebundes wird von einem kommunalen Rechnungsprüfungsamt einer Mitgliedsgemeinde vorgenommen, was auf § 10 Abs. 4 der Satzung bzw. auf ständiger Übung beruht.

Für seine Tätigkeit im Präsidium bezog der Kläger im Streitjahr eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 4.800 Euro sowie Sitzungsgelder in Höhe von insgesamt 320 Euro (vgl. Bescheinigung des StGB NRW in der Steuerakte). Diese Gelder erklärte der Kläger im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2016 als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit und vertrat die Auffassung, dass diese Einkünfte gemäß § 3 Nr. 12 EStG steuerfrei zu belassen seien. Dem folgte der Beklagte nicht und erfasste Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung 2016 durch Bescheid vom 13.11.2017 als steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. Zu den Einzelheiten wird auf den Bescheid in der Steuerakte Bezug genommen.

Gegen den Bescheid legten die Kläger am 28.11.2017 Einspruch ein, mit dem sie sich gegen die Versagung der Steuerbefreiung wandten. Die Organisation des StGB NRW als eingetragener Verein rechtfertige die Versagung der Steuerbefreiung nicht, da Mitglieder nur öffentlich-rechtlich organisierte Gebietskörperschaften seien, so dass auch die geleisteten Beiträge aus öffentlich-rechtlichen Kassen stammten. Es existierten zahlreiche gesetzliche Vorschriften, wie z. B. § 27 Sparkassengesetz NRW (SpkG) (Verpflichtung zur Anhörung kommunaler Spitzenverbände bei über das Kreisgebiet hinausreichender Vereinigung von Sparkassen), zur Anhörung bzw. Beteiligung kommunaler Spitzenverbände in Gesetzgebungsverfahren oder Einzelfällen, womit den Spitzenverbänden und damit auch dem StGB NRW öffentlich-rechtliche Aufgaben zugewiesen seien.

Den Einspruch wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 04.07.2018 als unbegründet zurück. Die Voraussetzungen für die Gewährung der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG seien nicht gegeben, da die Aufwandsentschädigung nicht aus einer öffentlichen Kasse im Sinne dieser Vorschrift gezahlt werde. Als öffentliche Kasse sei nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nur eine solche anzusehen, die der Dienstaufsicht unterstehe und deren Finanzgebaren der Prüfung durch die öffentliche Hand unterliege.

Mit der Klage vom 05.08.2018 vertiefen die Kläger ihr Vorbringen aus dem Einspruchsverfahren und vertreten die Auffassung, dass die Struktur und die gesetzlich vorgesehenen Beteiligungsrechte des StGB NRW es rechtfertigten, die vom Kläger bezogene Aufwandsentschädigung und Sitzungsgelder mit einer aus einer öffentlichen Kasse gezahlten Geldern i. S. d. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG gleichzustellen. Im Übrigen sei die vom Kläger als Vizepräsident des StGB NRW ausgeübte ehrenamtliche Tätigkeit mit der ebenfalls ehrenamtlichen Ausübung kommunaler Mandate vergleichbar, bei denen die Aufwandsentschädigungen ebenfalls in beträchtlichem Maße steuerfrei seien. Die Steuerbefreiung müsse auch unter Berücksichtigung des ehrenamtlichen Charakters der Tätigkeit gewährt werden.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2016 vom 13.11.2017 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom13.04.2018 zu ändern und die vom StGB NRW gezahlten Aufwandsentschädigungen und Sitzungsgelder (5.120 Euro) steuerfrei zu belassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf seine Einspruchsentscheidung und verweist ergänzend darauf, dass Aufgaben des StGB NRW und Mittelherkunft der Beiträge bei der Qualifizierung als öffentliche Kasse i. S. d. § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG nicht maßgeblich seien. Darüber hinaus vertritt er die Auffassung, dass § 27 SpkG NRW die Beteiligung privatrechtlicher Zusammenschlüsse nicht vorsehe; gemeint sein könnten allenfalls Gemeinden oder Zusammenschlüsse von Gemeinden in der Form einer Körperschaft öffentlichen Rechts.

Die Tatsache, dass die Prüfung der Finanzen des StGB NRW durch ein kommunales Rechnungsprüfungsamt erfolge, könne die Anwendung des § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG ebenfalls nicht rechtfertigen. Denn die Prüfung sei nicht öffentlich-rechtlich angeordnet, sondern erfolge nach § 16 Abs. 4 der Satzung durch vom Hauptausschuss gewählte Prüfer (§ 10 der Satzung).

Auch eine Befreiung nach § 3 Nr. 26a EStG komme nicht in Betracht. Die Gemeinnützigkeit des StGB NRW sei nicht nachgewiesen. Darüber hinaus fehle es an einer Satzungsregelung zur Vergütung für die Tätigkeit als Vizepräsident. Auf § 27 Abs. 3 Satz 2 BGB werde hingewiesen.

Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 07.06.2019 erörtert. Auf das Protokoll über den Erörterungstermin, Blatt 42 der Gerichtsakte, wird hingewiesen.

Der Senat entscheidet im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung – FGO).

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Bescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Gewährung einer Steuerbefreiung für die vom Kläger vom StGB NRW bezogenen Gelder kommt nicht in Betracht.

Steuerfrei sind gemäß § 3 Nr. 12 Satz 2 Einkommensteuergesetz (EStG) Aufwandsentschädigungen, wenn sie aus einer öffentlichen Kasse an öffentliche Dienste leistende Personen gezahlt werden.

Öffentliche Kassen sind Kassen einer inländischen Person des öffentlichen Rechts und solche Kassen, die einer Dienstaufsicht und Prüfung des Finanzgebarens durch die inländische öffentliche Hand unterliegen (vgl. BFH, Urteil vom 07.08.1986 IV R 228/82, BStBl. II 1986, 848). Dabei hat der BFH ausgeführt, dass es vorderhand ausreichender Regelungen zum Finanzgebaren bedarf und die Prüfung dann durch eine öffentliche Stelle erfolgen muss.

Der Senat kann im vorliegenden Fall offenlassen, ob nach der Satzung des StGB NRW überhaupt ausreichende Regelungen für das Finanzgebaren vorliegen. Denn die Satzungsbestimmungen erschöpfen sich in der Verpflichtung der Mitglieder zur Beitragsentrichtung in Form von Umlagen (§ 6 Abs. 1c), wobei die Mitgliederversammlung die Festsetzung von Umlagen beschließt (§ 9 Abs. 1c). § 11 Abs. 7 bestimmt, dass den Mitgliedern des Präsidiums eine Aufwandsentschädigung gezahlt werden kann, ohne dass sich zu weiteren Kriterien der Bemessung der Aufwandsentschädigung Regelungen finden.

Jedenfalls fehlt es aber an einer Dienstaufsicht und an der Prüfung des Finanzgebarens durch die öffentliche Hand. Denn der StGB NRW ist privatrechtlich als eingetragener Verein verfasst und hat in § 16 Abs. 4 i. V. m. § 10 Abs. 4e der Satzung eine verbandsinterne Rechnungsprüfung installiert. An einer Dienstaufsicht und Prüfung durch die öffentliche Hand fehlt es deshalb. Insofern ist es auch unerheblich, dass die Rechnungsprüfung tatsächlich durch ein kommunales Rechnungsprüfungsamt vorgenommen wird. Denn dieses wird nicht als staatliche Stelle tätig, sondern von den satzungsmäßig bestimmten Organen des StGB NRW beauftragt und nimmt die Prüfung aufgrund der Satzungsbestimmungen vor. Dass dabei das Beitragsaufkommen aus öffentlichen Kassen stammt und der Aufgabenkreis des StGB NRW öffentlich-rechtlichen Bezug hat, führt ebenfalls nicht zur Gewährung der Steuerbefreiung.

Darüber hinaus scheitert die Gewährung der Steuerbefreiung daran, dass es nach Auffassung des Senats an der Leistung öffentlicher Dienste durch die satzungsgemäß tätig werdenden Personen fehlt.

Bezüglich der Tätigkeit als Vertreter des geschäftsführenden Vorstandsmitglieds in der Leitung der Geschäftsstelle des Hessischen Sparkassen- und Giroverbandes hat der BFH das Merkmal „Leistung öffentlicher Dienste“ bejaht (BFH, Urteil vom 27.02.1976 VI R 97/72, BStBl. II 1976, 418). Dabei war ausschlaggebend, dass bezüglich des Hessischen Sparkassen- und Giroverbandes für sämtliche Sparkassen des Landes eine Zwangsmitgliedschaft bestand und die Vertretung deshalb das Gesamtinteresse aller Sparkassen zu berücksichtigen und dabei ein Höchstmaß an Objektivität habe walten lassen müssen. Demgegenüber beruht der Zusammenschluss im StGB NRW auf freiwilliger Mitgliedschaft mit dem wesentlichen Ziel der Interessenvertretung gegenüber Gesetzgebung und Politik. Auch wenn der Organisationsgrad hoch und die Mitglieder selbst juristische Personen des öffentlichen Rechts sind, ist ein Unterschied zu anderen privatrechtlich organisierten Wirtschafts- und Interessenverbänden nicht so wesentlich, dass eine diesen gegenüber privilegierte Einordnung gerechtfertigt wäre.

Auch eine Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 26a EStG, die sich im Übrigen, worauf der Beklagte zu Recht hinweist, nur noch auf den noch nicht ausgeschöpften Restbetrag von 270 Euro erstrecken könnte, kommt nach Auffassung des Senats im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Steuerfrei sind nach dieser Vorschrift unter anderem Einnahmen aus einer nebenberuflichen Tätigkeit im Dienst oder Auftrag einer unter § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) fallenden Einrichtung zur Förderung gemeinnütziger, mildtätiger oder kirchlicher Zwecke (§§ 52 bis 54 der Abgabenordnung – AO) bis zur Höhe von insgesamt 720 Euro. Im vorliegenden Fall kann der Senat nicht feststellen, dass der StGB NRW tatsächlich – hier allein in Betracht kommende – gemeinnützige Zwecke i. S. d. § 52 AO verfolgt und damit eine Körperschaft i. S. d. § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG ist. Denn nach Auskunft des Klägers, deren Richtigkeit anzuzweifeln der Senat keinen Anlass hat, ist der StGB NRW nicht wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zur Fortbildung des Rechts zugelassen. Die Frage der Steuerbefreiung von Aufwandsentschädigungen gemäß § 3 Nr. 12 bzw. 26a EStG für ehrenamtliche Tätigkeiten bei einem privatrechtlich organisierten kommunalen Spitzenverband, ist – soweit ersichtlich – bislang nicht höchstrichterlich geklärt.

 

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