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Steuerrecht
26.07.2018
Steuerrecht
FG Münster: Ist eine „Deed of Variation“ eine freigiebige Zuwendung durch den Erben?

FG Münster, Urteil vom 12.4.20183 K 2050/16 Erb

ECLI:DE:FGMS:2018:0412.3K2050.16ERB.00

Volltext BB-Online BBL2018-1750-2

Sachverhalt

Streitig ist, ob eine freigebige Zuwendung im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 Erbschaftsteuergesetz (ErbStG) vorliegt und, wenn ja, ob englische Nachlasssteuer nach § 21 ErbStG anzurechnen ist.

Die Großmutter des Klägers, O, war Britin. Sie wohnte in Spanien. Am 00.00.2012 verstarb sie. In ihrem Testament vom 11.09.2007 hatte sie als Alleinerben ihren Sohn M 2 eingesetzt. Der Kläger ist der Sohn des Alleinerben, also der Enkel der Erblasserin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Testament in englischer Sprache und die beglaubigte Übersetzung Bezug genommen.

Zum Nachlass gehörten zwei Grundstücke in Großbritannien sowie Geldvermögen einschließlich Versicherungen in Höhe von X GBP.

Der Vater des Klägers machte von der nach englischem Recht bestehenden Möglichkeit Gebrauch, den Willen der Erblasserin durch eine sog. Deed of Variation zu ändern.

Eine Deed of Variation ist eine sog. Post-Death-Variation, das bedeutet eine Änderung des Erblasserwillens nach dem Tod des Erblassers, die der Besteuerung zu Grunde gelegt wird. Solche Verfügungen sind nach englischem Recht im Todesfall zugelassen und stellen einen großen Vorteil im Vergleich zur deutschen Erbschaftsteuer dar (vgl. Odersky in Süß, Erbrecht in Europa, 3. Auflage 2015, Seite 626, Randnummer 128); weiter wird dort ausgeführt: „Sofern sich die Begünstigten (und der personal representative, sofern dadurch eine höhere Steuer entsteht) einig sind und ohne weitere Gegenleistungen eine von der Erbfolge abweichende schriftliche Vereinbarung über die Verteilung des Nachlasses innerhalb von zwei Jahren nach dem Tod des Erblassers als verbindlich bei den Steuerbehörden einreichen, wird das Ergebnis dieser Vereinbarung der Besteuerung zu Grunde gelegt.“ In Fußnote 183 wird dort auf 142 IHTA (Inheritance Tax Act = Erbschaftsteuergesetz) verwiesen, wobei zu beachten sei, dass seit 2002 die Vereinbarung ausdrücklich auf diesen Absatz des IHTA Bezug nehmen müsse.

Der Vater des Klägers errichtete gemeinsam mit dem personal representative am 28.02.2013 eine solche Deed of Variation. Nach dieser Verfügung behält der Vater des Klägers einen Anteil von jeweils 28 % an den beiden im Nachlass befindlichen Grundstücken, seine Söhne, der Kläger und sein Bruder, erhalten Eigentum zu jeweils 36 % (zusammen 72 %)

Außerdem ist dem Kläger und seinem Bruder ein Anspruch auf den Betrag zugesprochen worden, der in Großbritannien – mittelbar als Nachlasssteuer – auf die Zuwendung an den Kläger und seinen Bruder zu zahlen war. Dies sei gemacht worden, trägt der Kläger vor, da im englischen Recht eine Nachlasssteuer aus dem Nachlass zu begleichen sei, demgegenüber sei die deutsche Erbschaftsteuer als Erbanfallsteuer vom jeweiligen Erben zu zahlen. Der Betrag ist beziffert mit X GBP, auf den Kläger entfällt die Hälfte (X GBP, das entspricht X Euro).

Nach den Angaben des Klägers betrug der Wert des Immobilienvermögens X GBP, wovon 36 % auf den Kläger entfielen, das sind X GBP (entspricht X Euro).

In dem Abänderungsvertrag wird folgendes ausgeführt (in der Übersetzung):

•1. „DASS die im Testament gemachten Verfügungen abgeändert werden und dass das Testament so gelesen und durchgeführt werden soll, als hätte die Erblasserin die folgenden letztwilligen Zuwendungen und die folgende Zuwendung eines Geldbetrages mit eingeschlossen:

(a)   Eine letztwillige Zuwendung der Erblasserin von 72 % ihrer Beteiligung an dem im HM Kataster unter den Titel-Nummern 1, 2 und 3 eingetragenen Eigentum (das der Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs und der Erbschaftsteuer Deutschlands unterliegt) soll erfolgen zu absolut gleichen Teilen an M 1, Deutschland, und M 3.

(b)   Eine letztwillige Zuwendung der Erblasserin von 72 % ihrer Beteiligung an dem Eigentum bekannt unter A-Street 1 C und eingetragen im HM Kataster unter der Titel-Nummer LT 1 (das der Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs und der Erbschaftsteuer Deutschlands unterliegt) soll erfolgen zu absolut gleichen Teilen an M 1 und M 3 …

(c)    Eine Zuwendung eines Geldbetrags durch die Erblasserin an die vorstehend genannten M 1 und M 3 zu absolut gleichen Teilen von £ X oder des Betrags (falls, und nur dann, dieser Betrag von £ X abweicht), der den fälligen Beträgen der gesamten Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs und der Erbschaftsteuer Deutschlands entspricht, die im Zusammenhang mit den letztwilligen Zuwendungen zu zahlen sind, die in vorstehend genannten Unterklauseln (a) und (b) enthalten sind, und die durch die vorstehend genannten M 1 und M 3 zu zahlen sind in Übereinstimmung mit den vorstehend genannten Unterklauseln (a) und (b).

•2. In Übereinstimmung mit dem englischen Gesetz wird die Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs auf die Zuwendung eines Geldbetrags, wie vorstehend in Klausel 1 (c) dargelegt, vollständig aus dem Restnachlass des Eigentums der Erblasserin gezahlt, dahingehend, dass die gesamte Erbschaftsteuer des Vereinigten Königreichs, die aus der Existenz der Zuwendung eines Geldbetrags gemäß der vorstehenden Klausel 1 (c) vollständig durch das Eigentum der Erblasserin gezahlt wird.

•3. M 2 und Y übernehmen es hiermit, alle nötigen Dokumente durchzuführen, um diese Urkunde wirksam werden zu lassen.

•4. Durch die Durchführung dieser Urkunde durch die an dieser Urkunde beteiligten Parteien erklären die Parteien, dass sie die Absicht haben, die Bestimmungen des Paragrafen 142 (1) Erbschaftsteuergesetz von 1984 und Paragraf 62 (6) Gesetz über die Besteuerung von steuerpflichtigen Gewinnen von 1992 auf diese Urkunde Anwendung finden zu lassen, so dass die durchzuführenden Abänderungen der Verfügungen der Erblasserin, die durch diese Urkunde durchgeführt werden, als durch die Erblasserin durchgeführte Abänderungen erachtet werden sollen.

•5. Es wird hierdurch bestätigt, dass diese Urkunde in Kategorie M der Stempelsteuerliste (Dokumente über Steuer-/Gebührenbefreiung) Regulierung 1987 fällt.“

Der gesamte Nachlass wurde in Großbritannien versteuert.

Der Kläger vertrat zunächst in einem an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 30.04.2013 die Auffassung, dass in Deutschland keine Erbschaftsteuer zu zahlen sei, weil die anzurechnende britische Erbschaftsteuer höher als die in Deutschland festzusetzende Erbschaftsteuer sei. Der Kläger führt dazu aus, dass auf ihn ein Anteil von X GBP (X Euro) entfalle (Immobilien X GBP, Zuwendung für die Steuer X GBP). Die Erbschaftsteuer in Deutschland betrage danach X Euro, während die auf den Kläger entfallende britische Erbschafsteuer X GBP (X Euro) betrage.

Der Beklagte folgte dem Vortrag des Klägers nicht. Bei dem Erwerb des Klägers handle es sich um eine Schenkung seines Vaters. Er setzte Schenkungsteuer in Höhe von X Euro fest. Dabei berücksichtigte er einen Wert des Erwerbs mit X Euro.

Eine Anrechnung der britischen Erbschaftsteuer erfolgte nicht. Die Festsetzung erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 Abs. 1 Abgabenordnung (AO). Wegen der Einzelheiten wird auf den Schenkungsteuerbescheid vom 08.05.2015 Bezug genommen.

Der Kläger legte Einspruch ein. Es liege keine Schenkung seines Vaters an ihn vor. Die Deed of Variation sei im Streitfall mit dem deutschen Rechtsinstitut der Ausschlagung gegen Abfindung vergleichbar, so dass die Besteuerung auf der Ebene zwischen der Erblasserin und dem Kläger gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG bzw. auf der Ebene Erblasserin und Vater des Klägers gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 4 ErbStG zu erfolgen habe. Selbst wenn man eine Schenkung gemäß 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG annehmen würde, sei lediglich der Wert der Immobilie zu berücksichtigen, nicht aber die in Großbritannien anfallende Erbschaftsteuer. Dies beruhe darauf, dass die Regelung zur Übernahme von Erbschaftsteuer in der Deed of Variation lediglich vor dem Hintergrund getroffen worden sei, dass es sich bei der deutschen Erbschaftsteuer um eine persönliche Steuer handele. Dies sei nur im deutschen Steuerrecht so, nicht jedoch im englischen Steuerrecht. Dort handele es sich bei der Erbschaftsteuer nicht um eine personenbezogene, sondern um eine Nachlasssteuer mit der Folge, dass der Nachlass die Steuer schulde. Wenn aus deutscher Perspektive keine Erbschaft des Klägers von der Erblasserin angenommen würde, würde die Regelung der Deed of Variation ins Leere gehen, so dass sie gar nicht zur Anwendung komme. Dies führe dazu, dass zumindest keine Erbschaftsteuer geschenkt sei und deswegen der auf die britische Erbschaftsteuer entfallende Betrag aus dem Wert der Zuwendung herauszurechnen sei.

Auch wenn man den vorigen Ausführungen nicht folgen könne, handle es sich bei den Erbschaftsteuern um Kosten der Erlangung der Schenkung, die unmittelbar mit dieser verbunden wäre. Die Erbschaftsteuer würde also von Anfang an den Wert dieser Schenkung mindern, so dass für den Fall, dass diese als Zuwendung verstanden würde, sie gleichzeitig wieder als Kosten zum Abzug gebracht werden müsste, da gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG die Bereicherung des Erwerbers maßgeblich und diese um die Erbschaftsteuer reduziert sei.

Der Beklagte setzte die Erbschaftsteuer auf X Euro herab. Als Wert des Erwerbs berücksichtigte er nur noch den Wert der Immobilien mit X Euro. Im Übrigen wies er den Einspruch als unbegründet zurück. Der Kläger sei bereichert. Der Zuwendende, sein Vater, habe nach eigenem Wunsch und eigenen Erwägungen von den Gestaltungsmöglichkeiten des englischen Rechts Gebrauch gemacht und abweichend vom testamentarischen Willen der Erblasserin im Bewusstsein, ohne Verpflichtung und ohne rechtlichen Zusammenhang mit einer Gegenleistung zu handeln, Vermögen hingegeben. Es handele sich deswegen um eine freigebige Zuwendung des Vaters an den Kläger im Sinne von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

Entgegen der Auffassung des Klägers liege kein Erwerb von Todes wegen des Klägers nach der Erblasserin vor. Ein Rechtsinstitut, durch welches ein Vermögensübergang ganz oder teilweise innerhalb von 24 Monaten nach dem Erbfall umgangen werden könne, wie dies nach englischem Recht möglich sei, existiere im deutschen Erbrecht nicht. Die Gleichsetzung mit der Ausschlagung der Erbschaft gegen eine Abfindung scheitere im Streitfall. Die Ausschlagung nach deutschem Recht habe innerhalb einer Frist von 6 Monaten nach Kenntniserlangung des Todesfalls unwiderruflich zu erfolgen, wenn der Erblasser seinen letzten Wohnsitz nur im Ausland gehabt habe (§ 1944 Abs. 3 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB).

Darüber hinaus sei nach deutschem Erbrecht eine Teilausschlagung der Erbschaft nicht vorgesehen. Der Vater des Klägers habe sich laut der Regelung vom 28.02.2013 einen Teil des Nachlasses vorbehalten.

Es fehle darüber hinaus an einer Abfindung, da keine eigenständige Verfügung durch den Kläger zu Gunsten des Ausschlagenden erfolgt sei. Der Rückbehalt „eines Erbteils“ durch den Vater könne nicht als verkürzter Ausschlagungs- und Abfindungsvorgang gewertet werden. Es liege damit weder ein Erwerb von Todes wegen im Sinne von § 3 Abs. 1 ErbStG vor, noch greife eine der gesetzlichen Fiktionen nach § 3 Abs. 2 ErbStG.

Eine Anrechnung der englischen Steuer nach § 21 Abs. 1 ErbStG komme im Streitfall nicht in Betracht. Nach englischem Erbrecht erlange der Kläger eine Rechtsposition als Nachlassbegünstigter. Gemäß dem deutschen Steuerrecht sei der Kläger nicht am Nachlass begünstigt, sondern Beschenkter. Nach der Systematik des deutschen Erbschafsteuer- und Schenkungsteuerrechts habe die Anrechnung der englischen Nachlasssteuer allein bei der Erbfallbesteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG zu erfolgen. Der Vermögensanfall, der der englischen Nachlassbesteuerung entspreche, falle nach deutscher Rechtsordnung in vollem Umfang allein dem Erben zu, so dass eine Anrechnung der Nachlassanfallsteuer nach § 21 ErbStG nur bei dem Erwerb von Todes wegen nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht komme.

Die Anrechnung ausländischer Steuern diene der Vermeidung von Doppelbesteuerungen; die zweifache Anrechnung der englischen Nachlasssteuer – im Erbfall und der nachfolgenden Schenkung – sei nicht gerechtfertigt. Ein Wahlrecht bestehe nicht.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Einspruchsentscheidung vom 01.06.2016 Bezug genommen.

Mit der Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und vertieft dieses.

Es liege keine freigebige Zuwendung seines Vaters an ihn vor. Voraussetzung für eine freigebige Zuwendung sei u. a., dass die steuerbare Zuwendung aus dem Vermögen des Zuwendenden erbracht werde. So sei es im Streitfall aber nicht, denn durch die Deed of Variation habe der Vater des Klägers nicht sein eigenes Vermögen zugewandt, sondern Vermögen der Erblasserin, so dass Zuwenderin die Erblasserin gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG sei. Nach der Deed of Variation sei die Zuwendung so zu behandeln, wie wenn sie die Erblasserin selbst getroffen hätte.

Im Übrigen sei bei einem Vergleich der Erwerbsvorgänge des deutschen Erbschaftsteuergesetzes mit den ausländischen privatrechtlichen Instituten die Ausschlagung gegen Abfindung das der Deed of Variation am nächsten kommende Rechtsinstitut, da das deutsche Recht keine Deed of Variation kenne. Bei einer Ausschlagung des Erbes durch den Vater des Klägers mit entsprechender Abfindungsvereinbarung wäre die durch die Deed of Variation eingetretene Aufteilung des Nachlasses in exakt der gleichen Weise möglich gewesen, da der Kläger und sein Bruder bei Ausschlagung als Einzige in die Erbenstellung nachgerückt wären. Eine Ausschlagung des Erbes sei wiederum nach englischem Recht nicht möglich.

Zu berücksichtigen sei insbesondere auch, dass durch die Deed of Variation kein Zwischenerwerb des Nachlasses für den Vater des Klägers eingetreten sei. Der Nachlass gelte als von der Erblasserin stammend, der dann nach Abschluss des Nachlassverwaltungsverfahrens durch den Executor verteilt wurde. Es liege also ein Erwerb des Klägers von der Erblasserin vor.

Der Kläger beantragt,

den Schenkungsteuerbescheid vom 08.09.2015 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 01.06.2016 aufzuheben,

hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen,

              hilfsweise für den Fall des Unterliegens, die Revision zuzulassen.

Zur Begründung bezieht er sich auf seine Einspruchsentscheidung.

Der Senat hat am 12.04.2018 mündlich verhandelt; wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Aus den Gründen

49        Die Klage ist nicht begründet.

50        Der angefochtene Schenkungsteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs.1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung, FGO). Der Beklagte hat zu Recht das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung an den Kläger bejaht.

51        1. Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG gilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert ist. Im Streitfall liegt eine unentgeltliche Zuwendung an den Kläger von seinem Vater vor. Entgegen der Auffassung des Klägers liegt kein Erwerb des Klägers gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG von Todes wegen von seiner Großmutter, der Erblasserin, vor.

52        Nach englischem Recht können die Erben durch eine sog. Deed of Variation das Testament nach dem Tod des Erblassers unter bestimmten Umständen ändern. Voraussetzung ist u. a., dass alle von der Änderung nachteilig Betroffenen zustimmen und dass die Regelung innerhalb von zwei Jahren nach dem Todesfall erfolgt. Zweck einer solchen Regelung ist es insbesondere, Erbschaftsteuer (inheritance tax) zu sparen. Die Besonderheit besteht darin, dass die Deed of Variation Rückwirkung entfaltet. Nach englischem Erbschaftsteuerrecht wird der Erblasserwille durch die durch die Deed of Variation getroffene Regelung ersetzt, d. h. die Regelung durch die Deed of Variation wird auf den Todestag zurückbezogen.

53        Nach dem deutschen Erbschaftsteuergesetz gilt grundsätzlich aber das Stichtagsprinzip, so dass die für das englische Recht geltende Rückwirkung auf den Todestag grundsätzlich nicht möglich ist.

54        Da es eine Regelung, die der Deed of Variation vergleichbar ist, im deutschen Erbschaftsteuerrecht nicht gibt, muss geprüft werden, ob dieses Rechtsinstitut Ähnlichkeiten mit einem Rechtsinstitut nach deutschem Recht aufweist.

55        Nach der Rechtsprechung des BFH ist für die Beantwortung der Frage, ob ein die steuerrechtliche Zurechnung rechtfertigender Erwerb aufgrund eines Rechtsinstituts ausländischen Rechts vorliegt, die Rechtsstellung nach ausländischem Recht an die Strukturen des deutschen Rechts anzupassen. Dabei ist eine vergleichende Betrachtung zwischen dem ausländischen und dem deutschen bürgerlichen Recht nicht schlechthin ausgeschlossen und das ausländische Rechtsinstitut rechtlich in das inländische Rechtssystem einzuordnen. Sofern das deutsche Steuerrecht, wie in den §§ 4 ff. BewG, an Begriffe des inländischen bürgerlichen Rechts anknüpft, erfordert die Einordnung nach der sog. lex fori eine Prüfung, ob in dem ausländischen Sachverhalt die Voraussetzungen erfüllt sind, wie sie das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) vorschreibt. Die Einordnung nach diesen Grundsätzen führt dazu, dass die Zurechnung im Ausland erworbener Wirtschaftsgüter genauso behandelt wird wie der entsprechende Erwerb im Inland. Beim Erwerb von Vermögenswerten aufgrund ausländischen Rechts ist weiterhin nicht dessen formale Gestaltung maßgebend, sondern die wirtschaftliche Bedeutung des ausländischen Rechtsinstituts (vgl. BFH-Urteil vom 08.06.1988 II R 243/82, BStBl II 1988, 808 unter Hinweis auf BFH-Urteile vom 07.05.1986 II R 137/79, BStBl II 1986, 615; vom 20.07.1960 II 262/57 U, BStBl III 1960, 385 und vom 26.05.1972 III R 61/71, BStBl II 1972, 693; vgl. auch BFH-Urteil vom 04.07.2012 II R 38/10, BStBl II 2012, 782).

56        Die in der Deed of Variation enthaltene Regelung ist ein ähnliches Rechtsinstitut wie die Abtretung. Nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB kann jeder Miterbe über seinen Anteil an dem Nachlass verfügen, nicht aber über seinen Anteil an den einzelnen Nachlassgegenständen (§ 2033 Abs. 2 BGB). Die Abtretung erfolgt wie die Regelung in der Deed of Variation durch Vertrag. Durch die Abtretung kann auch über einen Teil der Erbschaft verfügt werden. Der Erbteil kann durch Abtretung einer bestimmten Person zugewandt werden. Auch in der Literatur wird die Deed of Variation als Abtretungsvertrag nach § 2033 BGB qualifiziert (vgl. S. 160 der Studie für die Europäische Kommission, Generaldirektion Justiz und Inneres, des Deutschen Notarinstituts vom 18.09./08.11.2002 „Rechtsvergleichende Studie der erbrechtlichen Regelungen des Internationalen Verfahrensrechts und Internationalen Privatrechts der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union“; ebenso Schmeizel, www.cross-channel-lawyers.de unter Was ist eine Deed of Variation im englischen Erbrecht? vom 10.03.2016; Frank, www.wf-kanzlei.de unter „Englisches Recht – Deed of Variation“, 2009). Auch die Kommentierung von Jülicher kann so verstanden werden: „Bei Weitergabe eines Erwerbs innerhalb von zwei Jahren entfällt die (sog. „deed of transfer“), was wegen der Weitergabe an einen bestimmten Empfänger in Deutschland wohl nicht als ebenfalls zum erbschaftsteuerlichen Wegfall des Zwischenerwerbers führende Ausschlagung z. B. einer Erbschaft qualifiziert wird.“ (Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher/Gottschalk, ErbStG, Kommentar, § 21 ErbStG Tz. 102))

57        Dieses Ergebnis entspricht auch der Auffassung des BFH, dass der Erwerb der equity ownership durch den Erbbegünstigten bereits den steuerbaren Erwerb von Todes wegen darstellt und es damit nicht auf die Verteilung des Nachlasses durch den personal representative ankommt (vgl. BFH-Urteil vom 06.08.1988 II R 243/82,  BStBl II 1988, 808).

58

Zu berücksichtigen bei dieser Prüfung ist auch, dass es sich bei der Deed of Variation nicht um ein zivilrechtliches Rechtsinstitut nach englischem Recht handelt, sondern darum dass eine bestimmte Gestaltung (Abtretung) nach englischemRecht steuerlich wie ein Erwerb vom Erblasser behandelt wird. Eine solche Regelung sieht das deutsche Steuerrecht nicht vor.

59        Da die Deed of Variation mit der Abtretung nach § 2033 BGB vergleichbar ist, liegen zwei getrennt zu behandelnde Erwerbe vor, zum einen der Erwerb von Todes wegen (Erblasserin an Erben, d.h. Vater des Klägers) und die freigebige Zuwendung an den Kläger von dem Zuwendendem, seinem Vater.

60        2. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Deed of Variation nicht als Ausschlagung gegen Abfindung zu qualifzieren. Die Erbschaft kann nur im Ganzen ausgeschlagen werden, denn die Ausschlagung kann nicht auf einen Teil der Erbschaft beschränkt werden (§ 1950 Satz 1 BGB), so dass die Annahme oder Ausschlagung eines Teils der Erbschaft unwirksam ist (1950 Satz 2 BGB). Mit der Ausschlagung kann darüber hinaus nicht bestimmt werden, dass ein anderer die Erbschaft erhalten soll, d. h. es sind keine Regelungen über die Ausschlagung hinaus möglich. Denn die Ausschlagung zu Gunsten Dritter ist nach § 1947 BGB unzulässig. Unabhängig davon ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass auch das englische Recht eine Ausschlagung (disclaimer oder renounviation) kennt, so dass die Deed of Variation etwas anderes als eine Ausschlagung regelt.

61        Die Deed of Variation entspricht auch nicht einem Erbvertrag oder einem Erbvergleich. Denn in einem Erbvertrag oder Erbvergleich werden Regelungen zwischen den Erben getroffen, soweit darin Dritte beteiligt sind und bedacht werden, kann das nur durch eine unentgeltliche Zuwendung des oder der Erben geschehen, die Dritten werden dadurch aber nicht zu Erben.

62        3. Eine Anrechnung der ausländischen Erbschaftsteuer nach § 21 ErbStG kommt im Streitfall nicht in Betracht. Nach dem deutschen Steuerrecht ist der Kläger Beschenkter, während er nach englischem Steuerrecht als Erbe behandelt wird. Nach der Systematik des deutschen Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuerrechts kann die englische Nachlasssteuer allein bei der Erbfallbesteuerung nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG angerechnet werden.

63        4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

64        Die Revision war zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da bisher zu dieser Rechtsfrage keine höchstrichterliche Rechtsprechung vorliegt (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

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