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Steuerrecht
03.01.2024
Steuerrecht
FG Münster: Ist die Grunderwerbsteuer, die nach § 1 Abs. 2a GrEStG bei der Übertragung von Anteilen an einer grundbesitzenden Personengesellschaft entsteht, als Masseverbindlichkeit

FG Münster, Urteil vom 16.11.2023 – 8 K 2770/21 F

ECLI:DE:FGMS:2023:1116.8K2770.21F.00

Volltext:BB-ONLINE BBL2024-22-6

Nicht Amtliche Leitsätze

1. Die Steuerverbindlichkeit, die nicht aus einer Handlung des Insolvenzverwalters resultiert, sondern kraft Gesetzes durch einen Vorgang entstanden ist, an dem er nicht beteiligt war und nicht beteiligt sein konnte, erfordert zur Annahme einer Masseverbindlichkeit eine Auswirkung auf die Insolvenzmasse, weil dann ein Fall der Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse vorliegt.

2. Keine Masseverbindlichkeit entsteht, wenn die Insolvenzmasse unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berührt wird und der Insolvenzverwalter keinen Einfluss auf den die Steuer auslösenden Vorgang hat.

3. Die Insolvenzmasse ist durch den dem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG zugrunde liegenden fiktiven Rechtsgeschäft, Gesellschafterwechsel zwischen zwei Personengesellschaften, nicht berührt, da ein tatsächlicher Grundstücksumsatz nicht stattfindet.

 

Sachverhalt

Streitig ist, ob ein nach § 1 Abs. 2a Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) steuerbarer Erwerbsvorgang vorliegt und ob es sich bei der aus dem Erwerbsvorgang – ggf. – resultierenden Grunderwerbsteuer um eine Masseverbindlichkeit handelt.

Kommanditisten der O. GmbH & Co. KG (GmbH & Co. KG) waren ursprünglich Frau Q. (zuletzt mit einer Einlage von 484.000 EUR) und Herr G. (zuletzt mit einer Einlage von 181.000 EUR). Komplementärin war die Z. Verwaltungsgesellschaft mbH (GmbH) mit einer Kapitaleinlage von 10.000 EUR. Gesellschafter der GmbH waren Frau Q. und Herr G.. Die Geschäftsleitung der GmbH & Co. KG befand sich in J. (im Zuständigkeitsbereich des Beklagten). Zu ihrem Vermögen gehörten Grundstücke, die zum Teil im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und zum Teil in dem des Finanzamts F. lagen.

Mit Beschluss vom 26.03.2019 bestellte das Amtsgericht J. (nachdem ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG gestellt worden war) einen vorläufigen Insolvenzverwalter. Am 21.05.2019 verstarb Herr G. und vermachte seinen Kommanditanteil Frau Q.. Mit Beschluss vom 01.06.2019 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH & Co. KG eröffnet. Der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

Einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH lehnte das Amtsgericht J. mit Beschluss vom 26.07.2019 mangels Masse ab. Frau Q. und Herr A. wurden zu Liquidatoren bestellt. Eine Löschung der GmbH im Handelsregister ist bisher nicht erfolgt. Zur Insolvenz eines Gesellschafters heißt es in § 13 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags der GmbH & Co. KG vom 28.01.2004, dass ein Gesellschafter, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird, von den übrigen Gesellschaftern aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden kann. Ein entsprechender Gesellschafterbeschluss wurde nicht gefasst.

Am 27.11.2019 kam es zum Abschluss einer notariellen Vereinbarung. Frau Q., der in dem das Vermächtnis enthaltenden Erbvertrag die Vollmacht erteilt worden war, sich den Kommanditanteil selbst zu übertragen, trat den Kommanditanteil des Herrn G. mit sofortiger Wirkung an sich selbst ab. Sodann verkaufte sie (als nunmehr alleinige Kommanditistin) den gesamten Kommanditanteil an Herrn R. und trat ihn ab. Der Kaufpreis betrug 1.000 EUR. Die Abtretung erfolgte aufschiebend bedingt; Bedingung war der Eingang des vollständigen Kaufpreises bei Frau Q.. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die notarielle Urkunde (UR-Nr. […] des Notars H., in J.) verwiesen. Der Kaufpreis ging am 12.12.2019 bei Frau Q. ein. Der Kläger war an dem Vorgang nicht beteiligt.

Der Notar zeigte den Vorgang am 05.02.2020 beim Beklagten an. Dieser erließ am 09.03.2020 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, den er an Herrn R. (als „Empfangsbevollmächtigten“ für die GmbH & Co. KG) adressierte. Diesen Bescheid hob der Beklagte am 16.12.2020 auf und wies darauf hin, dass der Feststellungsbescheid demnächst dem Insolvenzverwalter bekanntgegeben werde.

Am 21.01.2021 erließ der Beklagte – gegenüber dem Kläger als Insolvenzverwalter – den angefochtenen Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Der Kläger legte Einspruch ein und machte geltend, ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG liege nicht vor. Fraglich sei bereits, ob die Grundstücke zum Vermögen der Gesellschaft gehörten. Denn die Insolvenzmasse bilde ein sog. Sondervermögen. Selbst wenn man davon ausgehe, dass § 1 Abs. 2a GrEStG seinem Wortlaut nach erfüllt sei, entspreche die Annahme eines steuerbaren Erwerbsvorgangs nicht dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Dieser liege darin, die Übertragung von Anteilen an grundbesitzenden Personengesellschaften der Grunderwerbsteuer zu unterwerfen, wenn sie im wirtschaftlichen Ergebnis einer Grundstücksübertragung gleichkämen. Die Übertragung der Anteile sei hier nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und dem damit einhergehenden Insolvenzbeschlag erfolgt, so dass die Anteilsübertragung einer Übertragung der Grundstücke im wirtschaftlichen Ergebnis nicht gleichstehe. Der Personengesellschaft stehe nach § 80 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis als wesentlicher Inhalt des Eigentumsrechts nicht zu. Es könne zudem rechtspolitisch nicht beabsichtigt gewesen sein, dass Gesellschafter einer Personengesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet sei, die Insolvenzmasse durch Anteilsübertragungen mit Grunderwerbsteuerverbindlichkeiten belasten und diese schädigen könnten. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei die Auslegung eines Gesetzes gegen seinen Wortlaut möglich, wenn die wortgetreue Auslegung zu einem sinnwidrigen Ergebnis führe, das vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sein könne. Dies sei hier der Fall.

Selbst wenn man unterstelle, dass ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG vorliege, wäre eine aus dem angefochtenen Feststellungsbescheid resultierende Festsetzung von Grunderwerbsteuer unwirksam, weil es sich bei einer solchen Steuerforderung nicht um eine Masseverbindlichkeit i.S.v. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO handeln würde. Entgegen der Annahme des Beklagten liege keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO vor (Verbindlichkeit, die nicht durch Handlungen des Insolvenzverwalters, sondern in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet wurde, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören). Nach der Rechtsprechung des BFH sei erforderlich, dass die Entstehung der Steuerverbindlichkeit ihre Ursache in einem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand habe bzw. (in jüngeren Entscheidungen weitergehend) dass eine Teilhabe der Insolvenzmasse erfolge. Vorliegend sei weder das eine noch das andere der Fall. Die Kommanditanteile, durch deren Übertragung der Tatbestand des § 1 Abs. 2a GrEStG verwirklicht würde, seien nicht Gegenstand der Insolvenzmasse. Die Entstehung der Steuerverbindlichkeit habe ihre Ursache nicht in einem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand. Eine Teilhabe der Insolvenzmasse habe nicht stattgefunden.

Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 07.10.2021 als unbegründet zurück. Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH & Co. KG habe nichts daran geändert, dass die Grundstücke grunderwerbsteuerlich zu deren Vermögen gehörten. Dass die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis gemäß § 80 Abs. 1 InsO auf den Insolvenzverwalter übergehe, bedeute keinen Übergang der Verwertungsbefugnis i.S.d. § 1 Abs. 2 GrEStG. Der Feststellungsbescheid sei zutreffend dem Kläger als Insolvenzverwalter der GmbH & Co. KG bekanntgegeben worden. Bei der Grunderwerbsteuer, die aufgrund des Feststellungsbescheids festzusetzen sei, handele es sich um eine Masseverbindlichkeit. Für eine Masseverbindlichkeit sei ausreichend, dass die Entstehung der Steuerverbindlichkeit ihre Ursache in einem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand habe. Bei den durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Masse begründeten Masseverbindlichkeiten handele es sich nicht nur um solche Verbindlichkeiten, die durch die (aktive) Amtstätigkeit des Insolvenzverwalters ausgelöst würden. Vielmehr könnten diese auch „in anderer Weise“ begründet werden, was der Fall sei, wenn die Steuerverbindlichkeit ihre Ursache in einem zur Insolvenzmasse gehörenden Gegenstand habe. Der Gesetzgeber habe § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO durch die Formulierung „in anderer Weise“ bewusst von § 55 Abs. 1 Nr. 1, 1. Fall InsO abgegrenzt. Die Auslegung nach dem Wortlaut und die systematische Auslegung ergäben, dass § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO dahin zu verstehen sei, dass alle mit einem massezugehörigen Gegenstand in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten erfasst werden sollten, die gerade nicht auf Handlungen des Insolvenzverwalters zurückzuführen seien. Der Kläger hätte im Übrigen – so der Beklagte weiter – die Möglichkeit gehabt, sich der Verpflichtung zur Entrichtung der Grunderwerbsteuer zu entziehen, indem er die betreffenden Grundstücke aus der Masse freigegeben hätte. Die Rechtsprechung des BFH, nach der keine Masseverbindlichkeit „in anderer Weise“ begründet werde, wenn der Schuldner eine Tätigkeit ohne Wissen und Billigung des Insolvenzverwalters ausübe und die entsprechenden Erträge nicht zur Masse gelangten, sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Die Ursache für die Entstehung der Grunderwerbsteuer liege darin, dass die Grundstücke zur Masse gehörten.

Der Kläger hat Klage erhoben und wiederholt zur Begründung im Wesentlichen seinen Vortrag aus dem Einspruchsverfahren. Ergänzend macht er geltend, dass es keine Option sei, die Grundstücke, wie vom Beklagten in der Einspruchsentscheidung vorgeschlagen, freizugeben. Der Insolvenzverwalter habe die Pflicht, die Insolvenzmasse bestmöglich zu verwerten. Hiermit sei es nicht vereinbar, wenn er Gegenstände von Wert, durch deren Verwertung ein erheblicher Massezufluss erzielt werden könne, freigeben müsse, um eine Schädigung der Insolvenzmasse durch Steuerverbindlichkeiten zu verhindern. Im Übrigen würde die Auffassung des Beklagten dazu führen, dass die Gesellschafter einer insolventen Personengesellschaft den Insolvenzverwalter unter Druck setzen könnten, indem sie mit der Übertragung der Gesellschaftsanteile drohten und diesen zur Freigabe des Grundstücks oder zu einer „günstigen Veräußerung an die Gesellschafter nötigen“.

Soweit der Beklagte ausführe, dass § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO nur so verstanden werden könne, dass hiervon alle mit einem massezugehörigen Gegenstand in Zusammenhang stehenden Verbindlichkeiten erfasst werden sollten, die gerade nicht auf Handlungen des Insolvenzverwalters zurückzuführen seien, sei dies unzutreffend und der vom Beklagen zitierten Rechtsprechung des BFH nicht zu entnehmen. Die Einspruchsentscheidung ignoriere, dass der BFH in jüngerer Rechtsprechung verlange, dass eine Teilhabe der Insolvenzmasse erfolge.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer vom 21.01.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 07.10.2021 aufzuheben,

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären und

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen und

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Er nimmt auf die Einspruchsentscheidung Bezug und bringt ergänzend vor: Läge keine Masseverbindlichkeit nach § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO vor, wäre § 1 Abs. 2a GrEStG „bei grundbesitzenden Personengesellschaften, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet sei, nicht anwendbar“. Eine solche Ungleichbehandlung wäre mit dem Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergebe, nicht vereinbar. Zudem träten die Vorschriften des Insolvenzrechts neben die Vorschriften des Steuerrechts; die Entstehung von Steueransprüchen, die Art der Einkünfte und deren Berechnung richteten sich aber unverändert nach steuerrechtlichen Grundsätzen und könnten daher „durch Gegebenheiten des Insolvenzrechts“ nicht außer Kraft gesetzt werden.

Der Senat hat die Sache am 16.11.2023 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird verwiesen.

Aus den Gründen

Die zulässige Klage ist begründet. Der angefochtene Feststellungsbescheid (und die Einspruchsentscheidung) wurden nicht wirksam bekanntgegeben. Der Kläger war nicht der richtige Adressat, so dass der Bescheid wegen der Bekanntgabe an den falschen Adressaten unwirksam ist und der Rechtsschein des Verwaltungsakts durch Aufhebung zu beseitigen ist (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung – FGO –). Zwar waren die Besteuerungsgrundlagen gesondert festzustellen, weil die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG erfüllt waren und ein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG vorlag. Bei der aus dem Feststellungsbescheid resultierenden Grunderwerbsteuer handelte es sich jedoch nicht um eine Masseverbindlichkeit. Sie betraf vielmehr das insolvenzfreie Vermögen der GmbH & Co. KG, so dass die Feststellung ihr gegenüber hätte erfolgen müssen.

Nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG werden Besteuerungsgrundlagen (u.a.) in Fällen des § 1 Abs. 2a GrEStG durch das Finanzamt, in dessen Bezirk sich die Geschäftsleitung der Gesellschaft befindet, gesondert festgestellt, wenn ein außerhalb des Bezirks dieses Finanzamts liegendes Grundstück betroffen wird. Zu den festzustellenden Besteuerungsgrundlagen gehören insbesondere die Steuerbarkeit des Erwerbsvorgangs dem Grunde nach, wer als Steuerschuldner in Betracht kommt und der Zeitpunkt, auf den der Grundbesitz der Personengesellschaft zu bewerten ist (vgl. Loose in Viskorf, GrEStG, 20. Aufl.2022, § 17 Rn. 63 f.).

Die Voraussetzungen des § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG liegen vor. Die GmbH & Co. KG hatte ihre Geschäftsleitung im Bezirk des Beklagten. Die zu ihrem Vermögen gehörenden Grundstücke lagen zum Teil im Bezirk des Finanzamts F.. Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Gesellschafterwechsel zur Verwirklichung eines Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG geführt.

Gehört zum Vermögen einer Personengesellschaft ein inländisches Grundstück und ändert sich innerhalb von fünf Jahren der Gesellschafterbestand unmittelbar oder mittelbar dergestalt, dass mindestens 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen auf neue Gesellschafter übergehen, gilt dies als ein auf Übereignung eines Grundstücks auf eine neue Personengesellschaft gerichtetes Rechtsgeschäft (§ 1 Abs. 2a Satz 1 GrEStG in der für den Streitfall geltenden Fassung). Steuerschuldnerin ist nach § 13 Nr. 6 GrEStG die Personengesellschaft. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2a GrEStG sind erfüllt. Dadurch, dass Frau Q. ihren Kommanditanteil auf Herrn R. übertrug, kam es zu einem unmittelbaren Gesellschafterwechsel bei der GmbH & Co. KG. Der übertragene Kommanditanteil machte mehr als 95 % der Anteile am Gesellschaftsvermögen aus. Die Übertragung wurde mit Eingang des Kaufpreises auf dem Konto der Frau Q. am 12.12.2019 wirksam. Anders als der Kläger meint, gehörten die Grundstücke zum Vermögen der GmbH & Co. KG. Die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer Gesellschaft führt dazu, dass die ihr gehörenden Grundstücke in die Insolvenzmasse fallen. Die zivilrechtliche und grunderwerbsteuerliche Zuordnung ändert sich nicht. Zivilrechtlich bleibt der Insolvenzschuldner Inhaber der ihm im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zustehenden Rechte (MüKoInsO/Vuia, 4. Aufl. 2019, InsO § 80 Rn. 11). Der Beklagte weist zudem zu Recht darauf hin, dass kein Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG vorliegt. Denn der Insolvenzverwalter hat nach § 80 Abs. 1 InsO zwar die Verfügungsbefugnis über das Vermögen des Schuldners, ist aber nicht berechtigt, dieses auf eigene Rechnung zu verwerten. Auch die vom Kläger vorgeschlagene teleologische Reduktion des § 1 Abs. 2a GrEStG dahingehend, dass Personengesellschaften, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, vom Anwendungsbereich der Vorschrift ausgenommen werden, kommt nicht in Betracht. § 1 Abs. 2a GrEStG erfasst ein auf einen Gesellschafterwechsel zurückzuführendes fiktives Grundstücksgeschäft zwischen zwei Personengesellschaften. Weshalb ein solcher Erwerbsvorgang nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht vorliegen sollte, wenn über das Vermögen der Personengesellschaft das Insolvenzverfahren eröffnet ist, ist nicht ersichtlich. Die Frage, wie sich der Umstand auswirkt, dass das fiktive Grundstücksgeschäft tatsächlich nicht hätte durchgeführt werden können, weil den beteiligten (ebenfalls fiktiven) Gesellschaften nach § 80 Abs. 1 InsO die Verfügungsbefugnis gefehlt hätte, ist nicht grunderwerbsteuerlich, sondern insolvenzrechtlich zu beantworten.

Bei der aus dem Erwerbsvorgang resultierenden Grunderwerbsteuer handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten jedoch nicht um eine Masseverbindlichkeit, sondern um eine Verbindlichkeit, die das insolvenzfreie Vermögen der GmbH & Co. KG betrifft.

Wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet, sind drei Arten von steuerlichen Verbindlichkeiten zu unterscheiden: Im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung bereits begründete Steueransprüche sind (als Insolvenzforderungen) zur Insolvenztabelle anzumelden. Nach der Insolvenzeröffnung begründete Steueransprüche, die als Masseverbindlichkeiten nach §  55 Abs. 1 InsO zu qualifizieren sind, sind gegenüber dem Insolvenzverwalter durch Steuerbescheid festzusetzen. Alle sonstigen Ansprüche sind insolvenzfrei (BFH Urteil vom 07.07.2020 X R 13/19, BStBl. II 2021, 174, zitiert nach juris, Rn. 22).

Bei der aufgrund des Erwerbsvorgangs nach § 1 Abs. 2a GrEStG entstandenen Grunderwerbsteuer handelt es sich nicht um eine Insolvenzforderung; der Gesellschafterwechsel erfolgte nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Es handelt sich jedoch auch nicht um eine Masseverbindlichkeit.

Nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (der hier für eine Masseverbindlichkeit einzig in Betracht kommenden Vorschrift) sind Masseverbindlichkeiten solche Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters (1. Fall) oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden (2. Fall), ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Zwischen den Beteiligten ist zu Recht unstreitig, dass es an einer Handlung des Klägers (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 1. Fall InsO) fehlt. Der Kläger hatte von der Absicht, die Kommanditanteile zu übertragen, keine Kenntnis und war an der Übertragung nicht beteiligt. Abgesehen davon hätte er die Übertragung auch nicht verhindern können. Die Kommanditanteile gehörten nicht zur Insolvenzmasse, so dass er nicht verfügungsbefugt war.

Die Grunderwerbsteuerschuld ist auch nicht in anderer Weise (als durch eine Handlung des Klägers) durch die Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse begründet worden (§ 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO). Nach der Rechtsprechung des BFH gehören hierzu Steuerschulden, die aus der (ertragbringenden) Nutzung von zur Insolvenzmasse gehörenden Vermögensgegenständen resultieren (BFH Urteil vom 07.04.2005 V R 5/04, BStBl. II 2005, 848, zitiert nach juris, Rn. 15). Eine Rechtshandlung des Insolvenzverwalters ist nicht erforderlich. Vielmehr kann die Steuerschuld als Masseverbindlichkeit durch eine tatsächliche Verwaltungsmaßnahme des Insolvenzverwalters oder kraft Gesetzes entstehen (BFH Urteil vom 03.08.2016 X R 25/14, BFH/NV 2017, 317, zitiert nach juris, Rn. 29). Entsteht die Steuerschuld kraft Gesetzes, kommt es darauf an, dass der ihr zugrundeliegende Gegenstand zur Insolvenzmasse gehört. Entscheidend ist, dass der Gegenstand wegen seiner Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters unterliegt und er – im Grundsatz – über die Art und Weise seiner Verwendung und Verwertung bestimmen kann. Maßgeblich ist die Zugehörigkeit des Gegenstands zur Masse; eine bloße Rechtsposition, die besteht, ohne dass der Gegenstand für die Masse genutzt werden kann, genügt nicht (BFH Urteil vom 13.04.2011 II R 49/09, BStBl. II 2011, 944, zitiert nach juris, Rn. 15, zur Kraftfahrzeugsteuer in Bezug auf ein zur Insolvenzmasse gehörendes Kraftfahrzeug [weitere Entstehung der Kraftfahrzeugsteuer kann durch Veräußerung oder Außerbetriebsetzung des Kraftfahrzeugs verhindert werden]; Aufgabe der Rechtsprechung, dass die Rechtsposition als Halter des Fahrzeugs zur Insolvenzmasse gehört [vgl. BFH Urteil vom 29.08.2007 IX R 4/07, BStBl. II 2010, 145, zitiert nach juris, Rn. 14]; BFH Urteil vom 05.04.2017 II R 30/15, BStBl. II 2017, 971: Erbschaftsteuer bei einem nach Insolvenzeröffnung eingetretenen Erbfall ist Masseverbindlichkeit, wenn der Nachlass in die Insolvenzmasse fällt; BFH Urteil vom 18.05.2010 X R 60/08, BStBl. II 2011, 429 und BFH Urteil vom 03.08.2016 X R 25/16, BFH/NV 2017, 236: ohne Zutun des Insolvenzverwalters entstehender [rechnerischer] Ertrag aus massezugehörigem Mitunternehmeranteil als Masseverbindlichkeit, da „Teilhabe“ der Masse an dem Ergebnis). Es kommt nicht darauf an, ob der Abgabentatbestand durch ein Verhalten des Insolvenzverwalters oder durch andere Tatsachen erfüllt ist. Vielmehr genügt es, dass die Abgabenforderung durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug zur Masse aufweist und erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet wurde. Wird ein zur Masse gehörender Vermögensgegenstand ohne Zutun des Insolvenzverwalters verwertet, bestehen die für die Qualifikation als Masseverbindlichkeit entscheidenden Wertungsmomente in der Massezugehörigkeit des Vermögensgegenstands und dessen fehlender Freigabe durch den Insolvenzverwalter (BFH Urteil vom 07.07.2020 X R 13/19, BStBl. II 2021, 174, zitiert nach juris, Rn.32 f.; BFH Urteil vom 14.12.2022 X R 9/20, BFHE 279, 491, zitiert nach juris, Rn. 50; [beide Urteile zur Verwertung eines zur Masse gehörenden Gegenstands durch absonderungsberechtigte Gläubiger]; vgl. auch BVerwG Urteil vom 16.12.2009 8 C 9/09, NJW 2010, 2152, zitiert nach juris, Rn. 14; BGH Urteil vom 12.01.2017 IX ZR 87/16, BB 2017, 528, zitiert nach juris, Rn. 19; BGH Urteil vom 28.04.2022 IX ZR 69/21, NJW 2022, 2185, zitiert nach juris, Rn. 20)

Umsatzsteuerlich und ertragsteuerlich führt eine (gewerbliche oder selbständige) Tätigkeit des Schuldners, von der der Insolvenzverwalter keine Kenntnis hatte und haben musste und deren Erträge nicht zur Masse gelangen, nicht zu Masseverbindlichkeiten. In diesem Fall liegt keine „Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise“ vor. Die Umsatzsteuer und die Einkommensteuer sind nicht gegenüber dem Insolvenzverwalter, sondern gegenüber dem Insolvenzschuldner festzusetzen, da dessen insolvenzfreies Vermögen betroffen ist (BFH Urteil vom 18.05.2010 X R 11/09, BFH/NV 2010, 2114, zitiert nach juris, Rn. 23; BFH Urteil vom 06.06.2019 V R 51/17, BStBl. II 2021, 52, zitiert nach juris, Rn. 12, 16). Erzielt der Insolvenzschuldner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, ist die Einkommensteuerschuld keine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO und zwar auch dann nicht, wenn ein Teil des Arbeitseinkommens zur Insolvenzmasse gelangt. Die Einkommensteuer geht vielmehr auf einen Neuerwerb zurück. Aus den §§ 80, 81 InsO folgt, dass nur noch der Insolvenzverwalter die Verfügungsmacht über die Insolvenzmasse hat. Wenn eine mit einem Neuerwerb zusammenhängende Verbindlichkeit ohne Zutun des Insolvenzverwalters zu einer Masseverbindlichkeit werden könnte, hätte es der Schuldner in der Hand, die Masse durch Eingehen von Verbindlichkeiten zu schmälern. Dies soll jedoch gegen den Willen des Insolvenzverwalters nicht möglich sein (BFH Urteil vom 24.02.2011 VI R 21/10, BStBl. II 2011, 520, zitiert nach juris, Rn. 15, 16).

Unter Berücksichtigung dieser Rechtsprechung gelangt der Senat zu dem Ergebnis, dass es sich bei der entstandenen Grunderwerbsteuer nicht um eine Masseverbindlichkeit i.S.d. § 55 Abs. 1 Nr. 1, 2. Fall InsO handelt.

Zwar gehörten die Grundstücke zur Insolvenzmasse, so dass die Grunderwerbsteuer einen Bezug zur Masse aufweist. Ohne die Grundstücke wäre durch den Gesellschafterwechsel keine Grunderwerbsteuer entstanden. Zudem ist es nach der dargestellten Rechtsprechung (worauf der Beklagte zu Recht hinweist) für eine „Verwaltung der Insolvenzmasse in anderer Weise“ nicht erforderlich, dass die Verbindlichkeit auf eine tatsächliche Verwaltungshandlung des Insolvenzverwalters zurückgeht.

Allerdings ist der dargestellten Rechtsprechung zu entnehmen, dass sich dann, wenn die Steuerverbindlichkeit nicht aus einer Handlung des Insolvenzverwalters resultiert, sondern kraft Gesetzes durch einen Vorgang entstanden ist, an dem er nicht beteiligt war und nicht beteiligt sein konnte (z.F. Nachlass, Mitunternehmeranteil), zur Annahme einer Masseverbindlichkeit eine Auswirkung auf die Masse ergeben muss (vgl. z.F. BFH Urteil vom 14.12.2022 X R 9/20, BFHE 279, 491, Rn. 54: Verwertungserlös kommt Insolvenzmasse zugute). Nur wenn dies der Fall ist, liegt eine Verwaltung, Verwertung oder Verteilung der Insolvenzmasse vor. Wenn die Insolvenzmasse von dem die Steuer auslösenden Vorgang, auf den der Insolvenzverwalter keinen Einfluss hat, unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berührt wird, besteht kein Grund, eine Masseverbindlichkeit anzunehmen. So verhält es sich hier. Einem Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2a GrEStG liegt ein fiktives Rechtsgeschäft zugrunde. Der Gesellschafterwechsel führt dazu, dass ein Rechtsgeschäft zwischen zwei Personengesellschaften fingiert wird. Tatsächlich finden kein Grundstücksumsatz und kein Rechtsträgerwechsel statt. Vielmehr gehört das Grundstück vor und nach dem fiktiven Rechtsgeschäft zum Vermögen derselben Personengesellschaft. An der zivilrechtlichen (und auch an der grunderwerbsteuerlichen) Zurechnung ändert sich nichts. Die Insolvenzmasse ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt berührt.

Vorliegend gehörten die Grundstücke vor und nach der Übertragung des Kommanditanteils, auf die der Kläger keinen Einfluss genommen hat und auch nicht nehmen konnte, zum Vermögen der GmbH & Co. KG. Die Insolvenzmasse wurde nicht berührt. Ein Bezug zur Insolvenzmasse liegt nicht vor.

Soweit der Beklagte in der Einspruchsentscheidung – im Hinblick auf das „Wertungsmoment“ der fehlenden Freigabe des zur Masse gehörenden Vermögensgegenstands – ausführt, dass der Kläger sich durch die Freigabe der Grundstücke aus der Insolvenzmasse der Grunderwerbsteuer hätte entziehen können, führt dies nicht zu einem anderen Ergebnis. Die Grunderwerbsteuer beruht auf einem fiktiven Rechtsträgerwechsel, den der Kläger weder vorhersehen noch beeinflussen konnte. Anders als Steuerverbindlichkeiten, die aus der bloßen Zugehörigkeit eines Vermögensgegenstands zur Insolvenzmasse resultieren (z.F. Kraftfahrzeugsteuer, Grundsteuer) oder bei Steuerverbindlichkeiten, die infolge einer Verwertung durch einen Dritten (z.F. Grundpfandrecht, Sicherungseigentum) entstehen, konnte der Kläger nicht abwägen, ob er den Vermögensgegenstand bzw. dessen Verwertung für die Masse nutzbar macht und die Steuern zahlt oder ihn veräußert (oder – im Falle eines Kraftfahrzeugs – außer Betrieb setzt, vgl. BFH Urteil vom 13.04.2011 II R 49/09, BStBl. II 2011, 944, zitiert nach juris, Rn. 15). Eine „Freigabe“ der Grundstücke zugunsten der GmbH & Co. KG wäre zudem aus wirtschaftlichen Gründen eher fernliegend gewesen. Der Kläger weist insoweit zutreffend darauf hin, dass einer „Freigabe“ der Grundstücke seine Pflicht, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zugunsten der Masse zu verwerten (vgl. § 159 InsO), entgegenstand.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung und die Entscheidung, die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Der Senat lässt die Revision nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zu.

 

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