R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
01.01.1970
Steuerrecht
FG Sachsen-Anhalt: Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen

FG Sachsen-Anhalt: Innergemeinschaftliche Fahrzeuglieferungen

FG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31.3.2010 3 V 1641/09

Volltext des Urteils: siehe Zusatzmaterialien rechts

Leitsatz (d. Red.)

Zur Umsatzsteuerbefreiung von innergemeinschaftlichen Fahrzeuglieferungen.

UStG § 4 Nr. 1 Buchst. b, Nr. 3, § 6a Abs. 1, Abs. 3;UStDV § 17a Abs. 2 Nr. 3, Nr. 4
Aus den Gründen

Die Beteiligten streiten über die umsatzsteuerliche Behandlung von verschiedenen Fahrzeuglieferungen der Antragstellerin in den Streitjahren, von denen die Antragstellerin behauptet, es lägen jeweils die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung vor. ...

Der Antragsgegner hat zu Recht die Steuerfreiheit für die noch streitigen Fahrzeuglieferungen als innergemeinschaftliche Lieferungen nach § 4 Nr. 1 Buchst. b, § 6a UStG verneint, weil die Antragstellerin die hierfür notwendigen Voraussetzungen für die Steuerfreiheit nicht nachgewiesen hat.

aa) Eine innergemeinschaftliche Lieferung ist gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b und § 6a Abs. 1 UStG steuerfrei, wenn der Unternehmer oder sein Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 1 UStG), wenn der Abnehmer ein Unternehmer ist, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat (§ 6a Abs. 1 Nr. 2 Buchst a UStG) und wenn der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung bei dem Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzsteuer unterliegt (§ 6a Abs. 1 Nr. 3 UStG). Diese Voraussetzungen müssen vom Unternehmer nachgewiesen sein (§ 6a Abs. 3 S. 1 UStG). Die Einzelheiten der Nachweispflicht ergeben sich aus § 6a Abs. 3 S. 2 UStG i.V. m. § 17a ff. UStDV. Danach hat der Lieferer den Nachweis durch Belege (§ 17a UStDV) und durch Bücher (§ 17c UStDV) zu führen, wobei sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben muss, dass er oder der AbnehmerJahr: 2010 Heft: 28 Seite: 1708 den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat (§ 17a Abs. 1 Satz 2 UStDV). Die Nachweispflichten sind zwar keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferungen, sondern bestimmen lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (vgl. BFH-Urteil vom 8.11.2007 - V R 72/05, BFH/NV 2008, 905). Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG nicht erfüllt sind. Eine Ausnahme ist lediglich dann zu machen, wenn auch ohne Beleg- und Buchnachweis zweifelsfrei feststeht, dass der streitige Umsatz eine innergemeinschaftliche Lieferung ist (BFH-Urteil vom 6.12.2007 - V R 59/03, BFH/NV 2008, 515, BB 2008, 594 m. Komm. Hiller).

Allerdings gilt die Lieferung trotz Einhaltung der Anforderungen der §§ 17a-17c UStDV dennoch als steuerpflichtig, wenn sich die vom Unternehmer erbrachten Nachweisangaben als unzutreffend erweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit dieser Angaben bestehen, die der Unternehmer nicht nach allgemeinen Beweisregeln und Grundsätzen ausräumt (BFH Urteil vom 12.5.2009 - V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555). Der Unternehmer trägt das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung einer als zweifelhaft erscheinenden Beförderung zum Bestimmungsort oder einer zweifelhaften Bevollmächtigung eines Abnahmebeauftragten. Beleg- und Buchnachweis kommt daher letztlich die Funktion eines widerlegbaren Anscheinsbeweises zu.

Ggf. kann der Unternehmer Vertrauensschutz nach § 6a Abs. 4 UStG beanspruchen, wobei dies grundsätzlich erfordert, dass er die nach der UStDV geforderten Beleg- und Buchnachweise vollständig und rechtzeitig erbracht hat.

bb) Sofern es bei den streitigen Lieferungen nicht ohnehin bereits an der leichten Nachprüfbarkeit bzw. Vollständigkeit des Buch- und Belegnachweises fehlt, bestehen jedenfalls im Rahmen der summarischen Prüfung begründete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Nachweise, die die Antragstellerin nicht durch präsente Beweismittel, insbesondere nicht durch mögliche eidesstattliche Versicherungen etc. ausgeräumt hat.

(1) Fahrzeuglieferungen in 2003

Hinsichtlich der Lieferungen an O... S.R.L. (Nr. 1) und I... Auto (Nr. 2) bestehen Zweifel daran, dass es sich tatsächlich um einen ausländischen Abnehmer handelt. Auf der Bestellung befindet sich lediglich ein Firmenstempel des angeblichen Abnehmers. Dieses reicht jedoch zum Nachweis der Vertretung nicht aus. Die handelnden und unterzeichnenden Personen der angeblichen Abnehmer sind nicht erkennbar. Zudem erweckt es Zweifel, wenn jeweils eine erfolgte Beförderung bereits vor der jeweiligen Abholung bestätigt wird, allerdings wiederum, ohne dass die unterzeichnenden Personen erkennbar wären. Allein ein Firmenstempel, der zudem leicht gefälscht werden kann, ohne Benennung der unterzeichnenden Person, ist nicht ausreichend als Nachweis. Auch der Bestimmungsort ist jeweils nicht zweifelsfrei durch Belege nachgewiesen. Angegeben ist in den Kaufbestätigungen jeweils nur die ausdrücklich mit "Rechnungsanschrift" bezeichnete Anschrift der O... S.R.L. und I... Auto. Auch wenn der Nachweis des Bestimmungsortes (= Anschrift, nicht lediglich das Bestimmungsland) sich auch aus der Rechnung ergeben kann (vgl. BFH-Urteil vom 7.12.2006 - V R 52/03, BStBI. II 2007, 420, BB 2007, 488 Ls), ist diese Angabe vorliegend aufgrund der ausdrücklichen Angabe als Rechnungsanschrift und nicht automatisch auch Lieferanschrift nicht ausreichend, da Rechnungs- und Lieferanschrift auseinanderfallen können. Zudem ist im Fall Nr. 1 (O... S.R.L.) in der Kaufbestätigung auch eine deutsche Fax-Nr. angegeben, die auch ein Hinweis auf eine inländische Betriebsstätte sein kann.

Eine Lieferung an die M... Car S.R.L (Nr. 3) ist ebenfalls nicht nachgewiesen. Es fehlt bereits an einer Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV. Die auf einem Vordruck ausgefüllte Bestätigung, dass das Fahrzeug nach Italien (Ort ?) importiert wurde, datiert auf den 4.3.2003 und mithin vor der Abholung und ist daher als Beleg nicht geeignet, da das Fahrzeug zu diesem Zeitpunkt zweifelsfrei noch nicht übergeben wurde.

Hinsichtlich der Lieferung an die K... Consulting SL (Nr. 6) ist es zwar hach neuerer Rechtsprechung (BFH Urteil vom 12.5.2009 - V R 65/06, BFH/NV 2009, 1555) unerheblich, dass in dem vorliegenden CMR-Frachtbrief nicht das Feld 24, d. h. die Bestätigung über den Warenempfang am Bestimmungsort enthalten ist, es ist jedoch anhand der vorliegenden Unterlagen keinerlei Zusammenhang zwischen dem in der Rechnung angegebenen Abnehmer, der K... Consulting SL und einem Herrn bzw. einem Unternehmen "R... cars" erkennbar, an welchen das Fahrzeug wohl ausgeliefert wurde und der im CMR-Frachtbrief als Empfänger ausgewiesen wird. Es bleibt der Antragstellerin jedoch unbenommen, diesen Zusammenhang ggf. im Hauptsacheverfahren nachzuweisen.

Hinsichtlich der C... S.L. (Nr. 7) ist anhand der vorliegenden Unterlagen weder zweifelsfrei ersichtlich, wer der tatsächliche Abnehmer sein soll (die Bestellung erfolgte durch die U... M... Solutions S.L. mit der Bitte, lediglich die Rechnung auf die C... S.L. auszustellen), noch ist erkennbar, ob es sich um einen Beförderungs- oder Versendungsfall handeln soll. Entsprechende Belege i. S. v. § 17a UStDV fehlen jedoch für beide Fälle.

Hinsichtlich der Fälle "R... Auto SL, Spanien (Rechnungen vom 4.8.2003 [Nr. 10] und 17.11.2003 [Nr. 18])", "Autogerman... SL" (Nr. 12), "P... Cars" (Nr. 13), "Modesto & Tavares..." (Nr. 15), "I... AG" (Nr. 16) und "Context..." (Nr. 19) fehlt es jeweils an einer zweifelsfreien Versicherung des tatsächlichen Abnehmers oder seines Beauftragen zur Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV. Entweder ist die Versicherung nicht unterschrieben, trägt kein Datum, der Unterzeichner bzw. ein wie auch immer gearteter Zusammenhang des Unterzeichners zum Rechnungsempfänger ist nicht erkennbar, ein Bestimmungsort ist nicht angegeben oder eine entsprechende Bestätigung ist gar nicht vorhanden.

Die Antragstellerin hat keine präsenten Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, diese Zweifel zu entkräften. Da bereits der Antragsgegner auf entsprechende Zweifel in der Einspruchsentscheidung hingewiesen hat, waren der Antragstellerin diese bekannt. Allein die schriftlichen Anmerkungen des Geschäftsführers der Antragstellerin zu einzelnen Lieferungen, die nicht im Rahmen einer möglichen eidesstattlichen Versicherung vorgelegt wurden, sind ohne Vorlage weiterer aussagekräftiger Unterlagen nicht geeignet, die bestehenden Zweifel zu entkräften. Es bleibt der Antragstellerin jedoch vorbehalten, ggf. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens weitere Unterlagen beizubringen.

(2) Fahrzeuglieferungen in 2004

Im Jahr 2004 wurden in einer Vielzahl von Fällen durch einen in Deutschland ansässigen Vermittler Sandro ... Käufe getätigt. Dies betrifft die Fälle Nr. 3, 8 bis 10, 12 bis 14 und 16, .... In diesen Fällen erfolgten sämtliche Kontakte per Fax über den Vermittler in Deutschland. Kaufverträge mit den ausländischen Abnehmern liegen nicht vor. Es existieren jeweils lediglich "Provisionsverträge" zwischen der Antragstellerin und dem Vermittler, in welchen sich die Antragstellerin jeweils verpflichtete, Provision "für das soeben gekaufte Fahrzeug" zu zahlen, wobei bereits der WortlautJahr: 2010 Heft: 28 Seite: 1709 des Vertrags widersprüchlich ist, da er jeweils auch dahingehend ausgelegt werden könnte, dass die Antragstellerin ein Fahrzeug von einem vermittelten Verkäufer ankauft. Jedenfalls ergeben sich anhand der Vorliegen Unterlagen Zweifel, dass es sich bei den in den Rechnungen ausgewiesenen italienischen Firmen um die tatsächlichen Abnehmer handelt. Hinsichtlich des Falles "P... Car" liegt lediglich eine Bitte des Vermittlers vor, "den Kaufvertrag auf die Firma P... Car umzuschreiben". Soweit die Fahrzeuge abgeholt wurden, fehlt es jeweils an einer notwendigen Empfangsbestätigung des Abnehmers i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV. Teilweise vorliegende Bestätigungen mit den Firmenstempeln der Rechnungsempfänger, die wiederum lediglich von dem Vermittler per Fax übermittelt wurden, das jeweilige Fahrzeug "sei nach Italien importiert worden", sind ungeeignet, da sie übermittelt wurden, bevor das Fahrzeug tatsächlich abgeholt wurde. Sie können daher nicht als Empfangsbestätigung dienen. Soweit es sich, wie in den Fällen "S... Car" und "A... S.A.S." um Versendungsfälle handelt, ist den CMR-Frachtbriefen zum Teil kein Empfänger zu entnehmen. Das Feld Nr. 2 ist schlicht nicht ausgefüllt. Soweit lediglich die Empfangsbestätigung des Empfängers in Feld 24 fehlt, steht dieses zwar der grundsätzlichen Anerkennung des Frachtbriefes nicht mehr entgegen (BFH Urteil vom 12.5.2009 - V R 65106, BFH/NV 2009, 1555), allerdings ist die Lieferung dennoch nur dann steuerfrei, wenn sich bei Prüfung der Frachtbriefangaben zwar begründete Zweifel an der Richtigkeit ergeben, der Unternehmer jedoch diese Zweifel ausräumen kann. Derartige begründete Zweifel ergeben sich vorliegend durch die Einschaltung des Vermittlers und der Tatsache, dass ein autorisiertes Handeln des Vermittlers für den Rechnungsadressaten nicht erkennbar ist. In derartigen Fällen besteht auch die Möglichkeit, dass in Wahrheit der tatsächlich handelnde, d. h. der Vermittler der tatsächliche Warenempfänger ist. Diese Möglichkeit ist so lange nicht ausgeräumt, wie eine Empfangsbestätigung nicht vorgelegt wird.

Hinsichtlich der weiteren Fälle, in denen eine Versendung erfolgt sein soll, dies betrifft die Lieferungen Nr. 6, 18, 24, 29, 30, 31 und 32, ..., stimmt der Empfänger in den vorliegenden CMR-Frachtbriefen bzw. in dem "Lettre de Voiture Europeenne" (dies betrifft den Fall V... Fusion S.L.) nicht mit dem Rechnungsempfänger überein. Bereits hieraus ergeben sich Zweifel am tatsächlichen Empfänger. Die vorgebrachten Einwände der Antragstellerin greifen insoweit nicht, da sich insbesondere aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen im Fall 24 keinesfalls ergibt, dass das Fahrzeug an den Rechnungsempfänger, die M... UAB in Vilnius/Litauen ausgeliefert wurde. In den Fällen Nr. 30131 weist der CMR-Frachtbrief Herrn P... als Empfänger aus. Es besteht daher sehr wohl die Möglichkeit, dass dieser als Privatperson der tatsächliche Empfänger der Ware ist. Es ist nicht ansatzweise ersichtlich, das Herr P... gerade als Geschäftsführer für die V... S.L. gehandelt hat. Im Fall Nr. 32 (M... Export S.L.) ist auf dem CMR-Frachtbrief keine vollständige Lieferanschrift, sondern lediglich im Feld 2 "M... Export Alicante" eingetragen, obwohl der Frachtbriefvordruck selbst Name, Adresse und Land vorsieht. Das Feld Nr. 24, d. h. die Empfangsbestätigung des Empfängers, ist nicht ausgefüllt. Zudem ist die Abholvollmacht nicht unterzeichnet. Diese Umstände in ihrer Gesamtheit führen dazu, dass begründete Zweifel an der Richtigkeit der Frachtbriefangaben und einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung bestehen, welche die Antragstellerin nicht ausgeräumt hat.

Soweit im Übrigen sog. "Abholfälle" vorliegen, dies betrifft die Fälle Nr. 4, 5, 7, 11, 15, 17, 19, 20, 21, 25, 27 und 28, ... fehlt es jeweils entweder an einer zweifelsfreien Versicherung des tatsächlichen Abnehmers oder seines Beauftragen zur Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV. Zum Teil ist die Versicherung nicht unterschrieben, trägt kein Datum, der Unterzeichner bzw. ein wie auch immer gearteter Zusammenhang des Unterzeichners zum Rechnungsempfänger ist nicht erkennbar oder eine entsprechende Bestätigung ist gar nicht vorhanden. Im Übrigen liegt eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV nicht vor.

Die Antragstellerin hat keine präsenten Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, diese Zweifel zu entkräften. Da bereits der Antragsgegner auf entsprechende Zweifel in der Einspruchsentscheidung hingewiesen hat, waren der Antragstellerin diese bekannt. Allein die schriftlichen Anmerkungen des Geschäftsführers der Antragstellerin zu einzelnen Lieferungen, die nicht im Rahmen einer möglichen eidesstattlichen Versicherung vorgelegt wurden, sind ohne Vorlage weiterer aussagekräftiger Unterlagen geeignet, die bestehenden Zweifel zu entkräften. Es bleibt der Antragstellerin jedoch vorbehalten, ggf. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens weitere Unterlagen beizubringen.

(3) Fahrzeuglieferungen in 2005

Für das Jahr 2005 sind lediglich zwei Fahrzeuglieferungen streitig, dies betrifft die Fälle "L... SRL" (Nr. 5) und "A... Limit S I" (Nr. 6). Nach Aktenlage fehlt es im Fall "... SRL" an einer zweifelsfreien Versicherung des, tatsächlichen Abnehmers oder seines Beauftragen zur Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV. Weiter ist es in beiden Fällen so, dass auch eine Empfangsbestätigung des Abnehmers oder seines Beauftragten i. S. v. § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV nicht vorliegt. Die Voraussetzungen einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung sind insoweit bei summarischer Prüfung nicht nachgewiesen.

Die Antragstellerin hat keine präsenten Beweismittel vorgelegt, die geeignet wären, diese Zweifel .zu entkräften. Da bereits der Antragsgegner auf entsprechende Zweifel in der Einspruchsentscheidung hingewiesen hat, waren der Antragstellerin diese bekannt. Allein die schriftlichen Anmerkungen des Geschäftsführers der Antragstellerin zu einzelnen Lieferungen, die nicht im Rahmen einer möglichen eidesstattlichen Versicherung vorgelegt wurden, sind ohne Vorlage weiterer aussagekräftiger Unterlagen geeignet, die bestehenden Zweifel zu entkräften. Es bleibt der Antragstellerin jedoch vorbehalten, ggf. im Rahmen des Hauptsacheverfahrens weitere Unterlagen beizubringen.

cc) Allein die Tatsache, dass mehrere der streitigen Fahrzeuge tatsächlich im Ausland zugelassen wurden, führt nicht, wie die Antragstellerin meint, bereits dazu, dass zweifelsfrei eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt. Die Zulassung allein belegt nämlich lediglich die physische Existenz des betreffenden Fahrzeuges im Ausland im Zeitpunkt der Zulassung, nicht jedoch wie dieses Fahrzeug, ggf. unter Einschaltung welcher Personen und ggf. Zwischenverkäufe dorthin gelangt ist, zumal zwischen Rechnungsdatum bzw. dem Tag der Abholung/Versendung stets eine größere Zeitspanne von bis zu mehreren Monaten liegt und die Zulassungen auch keinesfalls auf den Rechnungsempfänger lauten. Eine unmittelbare Beförderung oder Versendung des Fahrzeuges durch die Antragstellerin oder den tatsächlichen Abnehmer ist dadurch keinesfalls zweifelsfrei belegt.

c) Die Voraussetzungen des Gutglaubensschutzes i. S. v. § 6a Abs. 4 S. 1 UStG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist eine Lieferung, die der Unternehmer als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung behandelt hat, obwohl die Voraussetzungen nach § 6a Abs. 1 UStG nicht vorliegen, gleichwohl als steuerfrei anzusehen, wenn die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung auf unrichtigen Angaben des Abnehmers beruht und der Unternehmer die Unrichtigkeit dieser Angaben auch bei Beachtung derJahr: 2010 Heft: 28 Seite: 1710 Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte. Die Frage, ob der Unternehmer die Unrichtigkeit der Angaben des Abnehmers auch bei Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht erkennen konnte, stellt sich aber erst dann, wenn der Unternehmer seinen Nachweispflichten nach §§ 17a ff. UStDV vollständig nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 15.7.2004 - V R 1/04, BFH/NV 2005, 81). Das ist vorliegend aus den oben genannten Gründen aber gerade nicht der Fall. Sofern begründete Zweifel an der inhaltlichen Richtigkeit der Nachweise bestehen, hätten bei der Antragstellerin unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes selbst diese Zweifel aufkommen müssen. Dies hätte sie zu weiteren Nachforschungen veranlasst mit der Folge, dass sie, bei Erfolglosigkeit der Nachforschungen und Nachfragen, die Lieferungen nicht als steuerfrei hätte behandeln dürfen.

4. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch nicht im Hinblick auf eine "unbillige Härte" gemäß § 69 Abs. 3 S. 1 Halbsatz 2 i.V. m. Abs. 2 S. 2 FGO gewährt werden. Eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte im Sinne dieser Vorschriften liegt vor, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts Nachteile drohen, die durch eine etwaige spätere Rückzahlung des eingezogenen Betrages nicht ausgeglichen werden oder nur schwer gutzumachen sind, oder wenn die Vollziehung zu einer Gefährdung seiner wirtschaftlichen Existenz führen würde (Beschlüsse des BFH vom 21.2.1990 - II B 98/89, BStBI. II 1990, 510, BB 1990, 1471 und vom 5.3.1998 - VII B 36/97, BFH/NV 1998, 1325). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs im Hauptsacheverfahren sind auch im Fall der Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte zu berücksichtigen. Da - wie oben ausgeführt - keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, kommt eine Aussetzung wegen unbilliger Härte grundsätzlich nicht in Betracht.

BB-Kommentar
ORR Christian Sterzinger, Referent für Umsatzsteuer in der Oberfinanzdirektion Magdeburg
"Für grenzüberschreitende Lieferungen sollte ein Clearing-Verfahren eingeführt werden" Problem

Grenzüberschreitende Lieferungen sind häufig streitbefangen. Umfang und Inhalt der dem Lieferanten auferlegten Nachweispflichten waren in der jüngsten Vergangenheit Gegenstand zahlreicher Gerichtsentscheidungen. Die zwischenzeitlich hierzu ergangene Verwaltungsanweisung (BMF, 6.1.2009 - IV B 9 - S 7141/08/1001, BStBl. I 2009, 60) hat nicht zu der für die Praxis in diesem wichtigen Teilbereich erforderlichen Rechtssicherheit geführt und ist zumindest teilweise schon wieder durch entgegenstehende Entscheidungen überholt (BMF, 5.5.2010 - IV D 3 - S 7141/08/10001).

Ein Lieferant ist einerseits als Steuereinnehmer für den Fiskus tätig, da nicht er, sondern der Endverbraucher intendierter Steuerträger der Umsatzsteuer ist. Dem Unternehmer als entschädigungslos herangezogenen Fiskalgehilfen sind keine unverhältnismäßigen Risiken und Belastungen aufzubürden. Der Umfang und die Art der von ihm verlangten Belege und Nachweise müssen im Vorfeld der Lieferung bekannt sein. Unternehmen, die aufgrund ihrer geographischen Lage oder branchenbedingt häufig derartige Lieferungen erbringen, haben das praktische Problem, wie sie die vielen notwendigen Belege so aufbewahren, dass sie bei einer späteren Prüfung gefunden und der jeweiligen Lieferung zugeordnet werden können. Schließlich soll der innergemeinschaftliche Warenverkehr im Vergleich zum rein innerstaatlichen Handel nicht durch überzogene Anforderungen erschwert werden. Die Abschaffung der steuerlichen Grenzkontrollen sollte den grenzüberschreitenden Handel innerhalb des Binnenmarktes erleichtern, die Einführung zusätzlicher bürokratischer Hürden oder finanzieller Risiken war nicht beabsichtigt.

Auf der anderen Seite darf die Tatsache nicht verkannt werden, dass Steuerunehrliche häufig grenzüberschreitende Warenlieferungen fingieren, um dadurch Umsatzsteuern in erheblichem Ausmaß zu hinterziehen. Auffällig ist, dass in bestimmten Branchen manche Lieferanten geradezu magisch fast immer nur an angebliche Abnehmer im Ausland liefern, die von Anfang an tatsächlich gar nicht existent sind oder sich später "durch ein Abtauchen" der Besteuerung im Bestimmungsland entziehen. Solche Unternehmer werden ständig das vermeintliche Opfer einer nicht erkennbaren betrügerischen Handlung, obwohl tatsächlich bei kritischer Sichtung der Belege zahlreiche Ungereimtheiten erkennbar sind.

Entscheidung des FG

Das FG Sachsen-Anhalt hatte Lieferungen neuer Kraftfahrzeuge in das europäische Ausland zu beurteilen. Gerade diese Branche ist sehr betrugsanfällig und immer wieder Gegenstand einschlägiger Gerichtsurteile. Die bei der Prüfung der Lieferungen aufgefallenen Ungereimtheiten, die der Unternehmer auf Befragen nicht aufklären konnte, werden in der Praxis so oder ähnlich häufig festgestellt.

Das Gericht wendete im Rahmen seiner Beurteilung die von der Rechtsprechung entwickelte dreistufige Prüfung an, ob die Voraussetzungen der Umsatzsteuerbefreiung für eine Ausfuhr- oder innergemeinschaftlichen Lieferung erfüllt sind.

Erfüllt der leistende Unternehmer die gesetzlichen Buch- und Belegnachweise, ist er grundsätzlich berechtigt, die Lieferung als steuerfrei zu behandeln. Die Finanzverwaltung ist nicht berechtigt, in den Richtlinien oder allgemein durch eine Verwaltungsanweisung zusätzliche Nachweise zu regeln, die der Unternehmer zu erbringen hat.

Der vom Unternehmer zu führende Buch- und Belegnachweis hat nur vorläufigen Beweischarakter. Die Finanzverwaltung ist berechtigt und verpflichtet, die Angaben des Lieferanten zu überprüfen. Für den Fall, dass sich diese als unzutreffend erweisen oder zumindest berechtigte Zweifel an deren Richtigkeit bestehen, ist der Unternehmer verpflichtet, diese nach den allgemeinen Beweisregeln und -grundsätzen auszuräumen. Gelingt ihm dies nicht, ist die Lieferung als umsatzsteuerpflichtig zu behandeln und der Unternehmer trägt das Risiko einer nicht geglückten Aufklärung.

Jahr: 2010 Heft: 28 Seite: 1711

Möglich ist die Gewährung der Steuerfreiheit nach den Grundsätzen des Vertrauensschutzes, wenn der Verkäufer im Zeitpunkt der Lieferung im guten Glauben auf die Angaben seines Abnehmers vertraut hat und deren Unrichtigkeit auch unter Beachtung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes nicht erkennen konnte. Voraussetzung dafür ist, dass der gesetzlich angeordnete Buch- und Belegnachweis erfüllt ist. Im Falle einer innergemeinschaftlichen Lieferung führt dies zu einer Steuerbefreiung nach § 6a Abs. 4 UStG, während bei einer Ausfuhrlieferung eine Steuerbefreiung im Billigkeitsverfahren nach §§ 163, 227 AO in Betracht kommt.

Sind die Nachweispflichten nicht erfüllt, kommt die Gewährung der Steuerbefreiung nur in Betracht, wenn aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung oder einer Ausfuhrlieferung tatsächlich erfüllt sind (also insbesondere, wenn der Gegenstand der Lieferung das Inland tatsächlich physisch verlassen hat und im Falle einer innergemeinschaftlichen Lieferung der Abnehmer ein Unternehmer ist). Ob der Lieferant oder die Finanzverwaltung diesen Nachweis erbringt, ist unerheblich. Die Finanzverwaltung ist aber nicht verpflichtet, den grundsätzlich dem Lieferanten obliegenden Nachweis selbst zu ermitteln. Der Amtsermittlungsgrundsatz findet keine Anwendung.

Wie nicht anders zu erwarten, müssen sich die Gerichte - und so auch das FG Sachsen-Anhalt im Besprechungsfall - im Rahmen dieser Prüfung regelmäßig mit der einzelfallabhängigen Frage auseinandersetzen, ob die vom Unternehmer vorgelegten Nachweise tatsächlich Anlass zu begründeten Zweifeln geben und ob der Unternehmer diese entkräften kann bzw. die Erfüllung der in § 6 UStG bzw. § 6a UStG geregelten Tatbestandsvoraussetzungen auf andere Art und Weise nachweisen kann. Dies ist mit einem erheblichen Arbeitsaufwand verbunden, da jede einzelne Lieferung zu würdigen ist.

Praxisfolgen

Auch wenn diese Überprüfung jeweils von den Umständen des Einzelfalls abhängig ist, sind aus der Entscheidung allgemein geltende Schlussfolgerungen zu ziehen.

Zweifel an einer zutreffenden Empfangsbestätigung i. S. d. § 17a Abs. 2 Nr. 3 UStDV bestehen, wenn diese zu einem Zeitpunkt ausgestellt worden ist, an dem der vermeintlich gelieferte Gegenstand noch gar nicht übergeben worden war. Anlass zu Zweifeln ergeben sich auch, wenn nur der Firmenstempel des angeblichen Abnehmers verwendet worden ist und die für den Abnehmer tatsächlich handelnde Person nicht erkennbar und identifizierbar ist. Erhebliche Bedenken bestehen, wenn als Bestimmungsort in der Bestätigung lediglich das Bestimmungsland ohne konkrete Anschrift oder konkreten Ort vermerkt ist und sich diese Information auch nicht aus der Rechnung ergibt.

Ein nicht ausgefülltes Feld 24 in einem CMR-Frachtbrief, d. h. die Bestätigung des Warenempfangs am Bestimmungsort, führt zumindest zu berechtigten Zweifeln, wenn der in der Rechnung angegebene Abnehmer vom im CMR-Frachtbrief ausgewiesenen Empfänger abweicht und ein Zusammenhang zwischen den jeweiligen Personen nicht erkennbar ist.

Eine Versicherung über die Beförderung in das übrige Gemeinschaftsgebiet i. S. d. § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV bietet Anlass zu Zweifeln, wenn diese nicht unterschrieben ist, kein Datum trägt, ein Bestimmungsort nicht angegeben ist und der Zusammenhang zwischen dem Unterzeichner und dem vermeintlichen Empfänger nicht erkennbar ist.

Wird ein im Inland ansässiger Vermittler eingeschaltet, muss der Lieferant Kaufverträge mit ausländischen Abnehmern und entsprechende Empfangsbestätigungen vorlegen können, um nachzuweisen, dass der Vermittler tatsächlich für den ausländischen Empfänger und nicht in eigenem Namen handelt.

Der Umstand, dass die Fahrzeuge im Anschluss tatsächlich im Ausland zugelassen sind, führt nicht dazu, dass zweifelsfrei eine innergemeinschaftliche Lieferung vorliegt. Diese Zulassung belegt lediglich die physische Existenz des betreffenden Fahrzeuges im Ausland im Zeitpunkt der Zulassung, nicht jedoch, wie dieses Fahrzeug, unter Einschaltung welcher Personen und ggf. durch welche Zwischenverkäufe dorthin gelangt ist, zumal wenn zwischen Rechnungsdatum und Tag der Abholung/Versendung eine größere Zeitspanne von bis zu mehreren Monaten liegt und die Zulassung nicht auf den Namen des Rechnungsempfängers erfolgt.

Eine Zulassung ist schon deswegen wenig aussagekräftig, weil die Fahrzeuge in einigen Ländern dabei nicht körperlich vorgestellt werden müssen. Hingegen führt der Umstand, dass das Fahrzeug trotz vermeintlichem Verkauf in das Ausland weiterhin in Deutschland zugelassen geblieben ist, zu erheblichen Zweifeln, ob tatsächlich eine Warenbewegung über die Grenze stattgefunden hat.

Letztlich führen die derzeitigen Regelungen zu einer für sämtliche Beteiligte unbefriedigenden Situation: Betroffene Unternehmer müssen eine Vielzahl von Belegen sammeln und mit dem Risiko einer nachträglichen Versagung der Steuerbefreiung und den daraus resultierenden finanziellen Auswirkungen leben. Die Finanzverwaltung versucht im Gegenzug den erforderlichen Buch- und Belegnachweis durch Erkenntnisse aus aufgedeckten Betrugsmodellen so auszugestalten, dass Steuerausfälle in erheblicher Höhe vermieden werden. Die Fälle sind häufig Streitgegenstand bei Außenprüfungen und in Rechtsbehelfsverfahren, meist müssen sich im Anschluss die Finanzgerichte damit auseinandersetzen. Da jeder Geschäftsvorfall einzeln zu würdigen ist, sind die Fälle sehr arbeitsintensiv. Die erforderliche Rechtssicherheit fehlt und es ist nicht zu erwarten, dass diese in absehbarer Zeit eintreten wird.

Vor diesem Hintergrund sollte das Gemeinschaftsrecht und die nationalen Bestimmungen der Mitgliedstaaten dahingehend geändert werden, dass die bisherige Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen durch eine Steuerpflicht dieser Lieferungen verbunden mit einem grenzüberschreitenden Vorsteuerabzug und ergänzt um ein Clearing-Verfahren ersetzt wird. Führt der Lieferant die von seinem innergemeinschaftlichen Abnehmer gezahlte Umsatzsteuer an sein Finanzamt ab, wird diese in einem Clearing-Verfahren an den Bestimmungsmitgliedstaat weitergeleitet. Dort erfolgt die Überprüfung des Vorsteuerabzugs im Finanzamt des Abnehmers. Das wirtschaftliche Ergebnis bliebe im Ergebnis gleich, sämtliche aus den innergemeinschaftlichen Lieferungen resultierenden Probleme wären aber ohne nennenswerten zusätzlichen Verwaltungsaufwand gelöst. Knüpft das notwendige Clearing-Verfahren an die schon bislang bestehende Verpflichtung zur Abgabe einer Zusammenfassenden Meldung an, müsste nur eine entsprechende zusätzliche Verpflichtung des Abnehmers eingeführt werden. Der dadurch verursachte Mehraufwand würde durch die wegfallende Sammlung umfangreicher Nachweise und die nicht mehr erforderliche Würdigung eines jeden Geschäftsvorfalles ausgeglichen.

stats