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Steuerrecht
15.10.2020
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Herrschendes Unternehmen und Anwendung des § 6a GrEStG

FG Düsseldorf, Urteil vom 20.5.2020 – 7 K 820/17 GE, Rev. eingelegt (Az. BFH II R 13/20)

ECLI:DE:FGD:2020:0520.7K820.17GE.00

Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2020-2402-1

Nicht Amtliche Leitsatz

1. Als herrschendes Unternehmen i.S. des § 6a GrEStG ist nicht zwingend die Konzernspitze bzw. der oberste Rechtsträger in einer Beteiligungskette anzusehen, sondern auch eine abhängige Gesellschaft innerhalb eines Unternehmensverbunds, die innerhalb der genannten Fristen in der genannten Höhe an einer anderen Gesellschaft beteiligt war.

2. Die Steuerbegünstigung wird auch dann gewährt, wenn durch die Verschmelzung einer Tochter- auf eine Muttergesellschaft bzw. auf einen Alleingesellschafter als natürliche Person der Konzern beendet wird.

3. Die Unternehmereigenschaft i. S. d. § 2 UStG der am Umstrukturierungsvorgang beteiligten Unternehmen ist für die Anwendung des § 6a GrEStG ohne Bedeutung.

GrEStG § 6a, S. 3, 4, § 1 Abs. 1 Nr. 3; UStG § 2; UmwG § 1 Abs. 1 Nr. 1–3; FGO § 100 Abs. 1 S. 1, § 135, § 139 Abs. 3 S. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten über die Bestimmung des herrschenden Unternehmens bei Anwendung des § 6a des Grunderwerbsteuergesetzes –GrEStG-.

Die Klägerin, eine aktiv tätige GmbH (u.a. Erwerb, Entwicklung und Vermarktung von Immobilien …), war bis zum 15.8.2011 zu 100% an der D GmbH („D-GmbH“) beteiligt, in deren Eigentum sich ein Grundstück befand. Gesellschafterin der Klägerin war zu 100% die E GmbH („E-GmbH“, laut Handelsregister ebenfalls im Bereich der Immobilienentwicklung, Vermarktung und deren Verwaltung tätig), deren Anteile wiederum vollständig durch die F AG gehalten wurden. Aufgrund Vertrags vom 5.8.2011 wurde zum 15.8.2011 (Eintragung ins Handelsregister) die D-GmbH als übertragende Gesellschaft auf die Klägerin als übernehmende Gesellschaft verschmolzen. Zum Zeitpunkt der Verschmelzung bestand die dargestellte Beteiligungskette mehr als fünf Jahren ununterbrochen. Alle Gesellschaften waren Organgesellschaften desselben umsatzsteuerlichen Organkreises mit F-AG als Organträgerin. Bis zum Jahr 2008 war die G-Stiftung umsatzsteuerliche Organträgerin gewesen, die im Jahr 2008 25,01% ihrer Beteiligung an F-AG verkaufte.

Im Bescheid vom 23.4.2012 über die gesonderte Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Grunderwerbsteuer (Verschmelzung i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG) verneinte der Beklagte die Voraussetzungen des § 6a GrEStG, da F-AG als oberste Rechtsträgerin aufgrund der Organschaft mit der G-Stiftung nicht während der gesamten Vorbesitzzeit von fünf Jahren vor der Verschmelzung Unternehmerin i.S.d. Umsatzsteuergesetzes –UStG- gewesen sei. Nach geändertem Erlass des Finanzministeriums NRW vom 19.6.2012 erging mit Datum vom 17.7.2012 ein Änderungsescheid, in dem der Beklagte nunmehr die Voraussetzungen des § 6a GrEStG bejahte. Als herrschendes Unternehmen sei - in Übereinstimmung mit dem Schreiben der Klägerin vom 19.3.2012 – F-AG anzusehen. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass die Steuerbefreiung mit Wirkung für die Vergangenheit u.a. dann entfalle, wenn die Mindestbeteiligung von 95% von F-AG an einer der am Umwandlungsvorgang beteiligten Gesellschaften innerhalb von fünf Jahren nach der Verschmelzung unterschritten werde.

Nachdem F-AG ab dem 5.7.2013 (Verkauf von 26,8%) seine Anteile an der E-GmbH nach und nach verkauft hatte, versagte der Beklagte im geänderten Bescheid vom 12.9.2016 die Steuerbegünstigung nach § 6a GrEStG. Diese sei nach § 6a Satz 4 GrEStG mit Wirkung für die Vergangenheit entfallen. Die Nachbehaltensfrist von fünf Jahren sei nicht eingehalten worden, da F-AG als herrschendes Unternehmen nicht länger mittelbar über die E-GmbH zu mindestens 95% an der Klägerin beteiligt sei.

Im Einspruchsverfahren trug die Klägerin vor, es sei auf die E-GmbH und nicht F-AG als herrschendes Unternehmen abzustellen. In diesem Verhältnis bestehe nach wie vor eine 100%-Beteiligung. Nach Textziffer –Tz- 2.2 des gleich lautenden Erlasses der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.6.2012 (Bundessteuerblatt –BStBl- I 2012, 662) könne auch eine umsatzsteuerliche Organgesellschaft ein herrschendes Unternehmen sein. Es sei nach dem Erlass zunächst „von unten nach oben“ der oberste Rechtsträger zu bestimmen, der die Mindestbeteiligungshöhe erfülle. Dies sei im Zeitpunkt der Verschmelzung F-AG gewesen. Sodann sei nach unten zu prüfen, welcher Rechtsträger als oberster die Unternehmereigenschaft erfülle. Dies sei nach wie vor die E-GmbH, die zwar aus umsatzsteuerlicher Sicht Organgesellschaft und damit nicht Unternehmerin gewesen sei, diese Rechtsstellung aber aus grunderwerbsteuerlicher Sicht habe einnehmen können. Erfülle der so ermittelte Rechtsträger die Vor- und Nachbehaltensfristen, sei er herrschendes Unternehmen i.S.d. § 6a GrEStG. Unbeachtlich sei, dass die Beteiligten ursprünglich rechtsirrtümlich davon ausgegangen seien, dass nicht die E-GmbH, sondern F-AG das herrschende Unternehmen sei.

Den Einspruch wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 24.2.2017 als unbegründet zurück. Streitig sei, ob innerhalb der fünfjährigen Nachbehaltensfrist das herrschende Unternehmen durch ein nachrangiges Unternehmen in der Beteiligungskette neu bestimmt werden könne. Es bleibe dabei - wie auch durch die Klägerin im Schreiben vom 19.3.2012 dargestellt -, dass F-AG und nicht die E-GmbH herrschendes Unternehmen sei. Aus dem Wortlaut des § 6a Satz 4 GrEStG, der auf „das“ herrschende Unternehmen abstelle, gehe eindeutig hervor, dass für die Vor- und Nachbehaltensfrist auf die Beteiligung des herrschenden Unternehmens im Zeitpunkt der Verwirklichung des Umwandlungsvorgangs abzustellen sei. Wäre auch die Nachbehaltensfrist in die Ermittlung des herrschenden Unternehmens einzubeziehen, hätte es in Satz 4 der Vorschrift - wie in den Sätzen 1 und 3 – „ein“ und nicht „das“ herrschende Unternehmen heißen müssen. Nach dem Ländererlass sei herrschendes Unternehmen der oberste Rechtsträger, der die Voraussetzungen des § 6a Satz 4 GrEStG erfülle und Unternehmer sei - und damit letztlich allein die „Konzernspitze“. Die E-GmbH sei letztlich nur eine durch eine andere Gesellschaft beherrschte, abhängige Gesellschaft gewesen. Bei anderer Gesetzesauslegung würden die gesamten Überprüfungs- und Überwachungsregelungen hinfällig, da immer die erste Gesellschaft, die den an der Umwandlung beteiligten abhängigen Gesellschaften in der Beteiligungsquote übergeordnet sei, als herrschendes Unternehmen zu bestimmen sei, und die Beteiligungsketten somit viel kürzer und übersichtlicher wären. Dann hätte man allerdings nur „ein“ und nicht „das“ herrschende Unternehmen bestimmt.

Am 27.3.2017 hat die Klägerin Klage erhoben.

Unter Verweis auf ihr Vorbringen im Einspruchsverfahren trägt sie nach Ruhen des Verfahrens wegen vor dem Bundesfinanzhof –BFH- anhängiger Verfahren ergänzend wie folgt vor: Da § 6a GrEStG eine begünstigende Vorschrift sei, müsse die für den Steuerpflichtigen günstigste Interpretationsmöglichkeit gewählt werden, um das Ziel des Gesetzgebers, Grunderwerbsteuern bei konzerninternen Umstrukturierungen zu vermeiden, zu erreichen. Ausgangspunkt der Prüfung sei die „abhängige Gesellschaft“ - hier also die Klägerin. Davon ausgehend sei das herrschende Unternehmen zu bestimmen; dies sei das erste Unternehmen, das eine Beteiligungsquote von mindestens 95% an der abhängigen Gesellschaft halte. Danach sei zu prüfen, ob die Beteiligung schon fünf Jahre vor Verwirklichung des Grunderwerbsteuertatbestandes bestand. Sei dies der Fall, sei das herrschende Unternehmen gefunden. Daraus folge, dass die E-GmbH dieses herrschende Unternehmen sei. Unerheblich sei dagegen, dass F-AG seine Beteiligung an der E-GmbH innerhalb der Fünfjahresfrist veräußert habe, denn § 6a GrEStG verbiete keine Veränderungen im Konzernaufbau, sondern nur im Verhältnis zwischen herrschendem Unternehmen und abhängiger Gesellschaft. Die E-GmbH sei auch Unternehmerin im grunderwerbsteuerlichen Sinne, da nach dem BFH-Urteil vom 21.8.2019 II R 19/19 eine wirtschaftliche Betätigung ausreiche. Eine Unternehmereigenschaft i.S.d UStG sei nicht erforderlich.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid vom 12.9.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.2.2017 aufzuheben;

hilfsweise die Revision zuzulassen;

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen;

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Er trägt vor, der BFH habe in seinen Urteilen vom 21.8.2019 und 22.8.2019 nicht entschieden, wie das herrschende Unternehmen in einer Beteiligungskette zu bestimmen sei und ob es in einer solchen Kette mehrere herrschende Unternehmen geben könne. Es komme auf den Zeitpunkt der Verwirklichung des Erwerbsvorgangs an; auf diesen Stichtag bezogen, könne es nur ein herrschendes Unternehmen geben. In einer Beteiligungskette könne dies nur das Unternehmen sein, das in keinem Abhängigkeitsverhältnis i.S.d. § 6a Satz 4 GrEStG zu einem anderen Unternehmen stehe - hier also F-AG.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und die vom Gericht beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Aus den Gründen

Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung –FGO-).

Die Klage ist begründet.

Der Grunderwerb ist steuerbegünstigt

Der angefochtene Verwaltungsakt ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Zwar ist der im Bescheid erfasste Grunderwerb der Klägerin steuerbar nach § 1 Abs. 1 Nr. 3 GrEStG. Er ist jedoch in voller Höhe steuerbegünstigt, da die Verschmelzung der D-GmbH auf die Klägerin vom Begünstigungsbereich des § 6a GrEStG umfasst ist.

Die Steuer wird nach § 6a GrEStG nicht erhoben, wenn an einem – wie hier - steuerbaren Umwandlungsvorgang i.S.d. Umwandlungsgesetzes –UmwG- ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sind (§ 6a Satz 3 GrEStG). Abhängig ist eine Gesellschaft gemäß § 6a Satz 4 GrEStG, an deren Kapital das herrschende Unternehmen innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang und fünf Jahre nach dem Rechtsvorgang unmittelbar oder mittelbar oder teils unmittelbar, teils mittelbar zu mindestens 95 v.H. ununterbrochen beteiligt ist. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Ob ein herrschendes Unternehmen vorliegt ist für die Steuerbegünstigung ohne Belang

Als herrschendes Unternehmen i.S. der Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Beklagten nicht F-AG anzusehen. Dabei kann für die Frage der Steuerbegünstigung dahinstehen, ob – wie die Klägerin meint – die E-GmbH als herrschendes Unternehmen anzusehen ist, oder möglicherweise die Klägerin selbst. Der BFH hat dazu entschieden, dass auch die Verschmelzung einer Tochter- auf eine Muttergesellschaft bzw. auf einen Alleingesellschafter als natürliche Person dem Anwendungsbereich des § 6a GrEStG unterfällt und zur Steuerbegünstigung führt, auch wenn dadurch der Konzern beendet wird (vgl. BFH, Urteil vom 21.8.2019 II R 15/19 (II R 50/13), Deutsches Steuerrecht –DStR- 2020, 343 [BB 2020, 405 Ls]; vom 21.8.2019 II R 20/19 (II R 53/15), DStR-Entscheidungsdienst –DStRE- 2020, 426). Da sowohl im Falle der Klägerin als auch der E-GmbH die gesetzlich nach § 6a GrEStG vorgesehenen Fristen und Mindestbeteiligungshöhen erfüllt waren, braucht der Senat diese Frage nicht zu entscheiden. Sollte die Klägerin als herrschendes Unternehmen anzusehen sein, muss die Nachbehaltensfrist nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat sich anschließt, nicht eingehalten werden. Denn die Frist von fünf Jahren nach dem Umwandlungsvorgang (Nachbehaltensfrist) muss in Bezug auf die verschmolzene abhängige Gesellschaft (hier die D-GmbH) nicht eingehalten werden, weil sie aufgrund der Verschmelzung nicht eingehalten werden kann (vgl. BFH, Urteil vom 21.8.2019 II R 15/19 (II R 50/13), DStR 2020, 343 [BB 2020, 405 Ls]; vom 21.8.2019 II R 20/19 (II R 53/15), DStRE 2020, 426).

Ohne Bedeutung ist auch, ob die Unternehmereigenschaft im umsatzsteuerlichen Sinne erfüllt ist

Unerheblich ist, dass weder die E-GmbH noch die Klägerin Unternehmer im umsatzsteuerlichen Sinne (§ 2 UStG) sind. Nach der Rechtsprechung des BFH, der der Senat sich ebenfalls anschließt, ist der Anwendungsbereich des § 6a GrEStG nicht auf Unternehmen i.S.d. UStG beschränkt (BFH, Urteil vom 21.8.2019 II R 19/19 (II R 63/14), DStR 2020, 341; so auch Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 6a Rz 84; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., § 6a Rz 43; Gottwald/Behrens, Grunderwerbsteuer, 5. Aufl., Rz 583.23; a.A. gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.6.2012, BStBl I 2012, 662, Tz. 2.2; Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl., § 6a Rz 11). Vielmehr gilt die Vorschrift mangels näherer gesetzlicher Eingrenzung für alle Rechtsträger i.S.d. GrEStG, die wirtschaftlich tätig sind (BFH, Urteil vom 21.8.2019 II R 19/19 (II R 63/14), DStR 2020, 341). An den wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb des herrschenden Unternehmens sind keine hohen Anforderungen zu stellen. Es reicht aus, wenn das herrschende Unternehmen über die Beteiligung am abhängigen Unternehmen am Markt teilnimmt (vgl. BFH, EuGH-Vorlage vom 30.5.2017 II R 62/14, BStBl II 2017, 916 [BB 2017, 1633 m. BB-Komm. Bron, RIW 2017, 541]). Sowohl die Klägerin als auch die E-GmbH (jedenfalls über ihre Beteiligung an der Klägerin) nehmen unstreitig am Markt teil.

Das herrschende Unternehmen muss nicht stets der obere Rechtsträger in der Beteiligungskette sein

Entgegen der Ansicht des Beklagten, die auch in den gleich lautenden Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder vom 19.6.2012 (BStBl I 2012, 662) - dort Tz. 2.2 – zum Ausdruck kommt, muss das herrschende Unternehmen nicht stets der oberste Rechtsträger in der Beteiligungskette (und damit in der Regel die Konzernspitze) sein. Vielmehr kann nach Überzeugung des Senats herrschendes Unternehmen auch eine weitere – von der Konzernspitze abhängige – Gesellschaft in Bezug auf nachfolgende Gesellschaften sein, wenn diese abhängige Gesellschaft ihrerseits – wie hier der Fall – die weiteren Voraussetzungen des § 6a GrEStG erfüllt. Dieses Ergebnis, das auch von einem überwiegenden Teil der Literatur vertreten wird (vgl. etwa Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 6a Rz 90; Pahlke, Grunderwerbsteuergesetz, 6. Aufl., § 6a Rz 45; Schaflitzl/Stadler, Der Betrieb –DB- 2010, 185; Neitz/Lange, Die Unternehmensbesteuerung –Ubg- 2010, 17; Behrens, Ubg 2010, 845; Wälzholz, Der GmbH-Steuerberater –GmbH-StB- 2010, 108; so wohl auch Heine in Wilms/Jochum, ErbStG/BewG/GrEStG, § 6a GrEStG Rz. 69.1) folgt aus der Auslegung der gesetzlichen Norm.

Die Steuerbegünstigungsvorschrift stellt starr auf die Beteiligungshöhe ab

Der Wortlaut der Vorschrift lässt nicht den Schluss zu – wie ihn die Finanzverwaltung zieht –, dass herrschendes Unternehmen immer die Konzernspitze bzw. der oberste Rechtsträger in einer Beteiligungskette sein muss und nicht auch abhängige Gesellschaften ihrerseits herrschende Unternehmen sein können. § 6a Satz 3 GrEStG gibt nur vor, dass ausschließlich ein herrschendes Unternehmen und ein oder mehrere von diesem herrschenden Unternehmen oder mehrere von einem herrschenden Unternehmen abhängige Gesellschaften beteiligt sein dürfen. § 6a Satz 4 GrEStG definiert dann das herrschende Unternehmen in Wechselwirkung zum abhängigen Unternehmen, indem die Vorschrift (starr) auf die Beteiligungshöhe abstellt. Dass dieses „eine“ herrschende Unternehmen zwingend die Konzernspitze sein muss, kommt darin nicht zum Ausdruck, vielmehr ist allein entscheidend – wenn man dem Wortlaut folgt –, dass ein Unternehmen innerhalb der genannten Fristen in der genannten Höhe an einer anderen Gesellschaft beteiligt war – ggf. auch innerhalb eines Konzernverbundes – quasi als „Konzern im Konzern“. Das folgt auch daraus, dass der Gesetzeswortlaut ausdrücklich sowohl auf mittelbare wie auch auf unmittelbare Beteiligungsverhältnisse abstellt. Dies führt dazu, dass bei ausreichend langen Beteiligungsketten mehrere herrschende und abhängige Rechtsträger vorliegen können (so auch Viskorf in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 19. Aufl., § 6a Rz 90). Die Wortwahl „das herrschende Unternehmen“ in § 6a Satz 4 GrEStG ist dagegen nicht dahin auszulegen, dass es nur ein einzelnes herrschendes Unternehmen geben kann, sondern ist in Bezugnahme zu Satz 3 und das dort genannte „eine“ herrschende Unternehmen zu verstehen, das sich dann nach den Voraussetzungen des Satzes 4 konkretisiert.

Die Norm soll Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher machen

Diese Auslegung entspricht auch dem in der Gesetzesbegründung wiedergegebenen und in der Überschrift des § 6a GrEStG zum Ausdruck gekommenen Sinn und Zweck des Gesetzes, „Umstrukturierungen im Konzern“ zu erleichtern. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 17/15, S. 21, 17/147, S. 10 sowie BT-Drucks 17/4510, S. 95) sollten durch die Schaffung der Norm die Bedingungen für Umstrukturierungen von Unternehmen krisenfest, planungssicherer und mittelstandsfreundlicher ausgestaltet werden, um schnell und effektiv Wachstumshemmnisse zu beseitigen, indem Unternehmen flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren können. Um dies zu erreichen, wurden, da die Grunderwerbsteuer als mögliches Hemmnis für Umstrukturierungen im Konzern erkannt wurde, Grundstücksübergänge im Rahmen von Umstrukturierungen bei Umwandlungsvorgängen, bei Änderungen des Gesellschafterbestands einer Personengesellschaft, Anteilsvereinigung bzw. -übertragung und beim Übergang der Verwertungsbefugnis grunderwerbsteuerrechtlich begünstigt, wenn es sich um einen Rechtsvorgang im Sinne des § 1 Absatz 1 Nr. 1 bis 3 UmwG handelt.

Die Auffassung der Finanzverwaltung konterkariert dieses gesetzgeberische Ziel

Dieses Ziel wird aber nach Überzeugung des Senats nicht dadurch erreicht, dass als herrschendes Unternehmen stets und zwingend die Konzernspitze anzusehen ist, auch wenn innerhalb einer Beteiligungskette mehrere abhängige Gesellschaften vorhanden sind, die ihrerseits die Beteiligungsquote und die erforderlichen Fristen erfüllen. Vielmehr wird durch eine solche Auslegung des Gesetzes das Ziel des Gesetzgebers eher gehemmt. Denn wenn immer der oberste Rechtsträger das herrschende Unternehmen wäre, müssten die Behaltensfristen sowohl in Bezug auf den obersten Rechtsträger als auch alle nachfolgenden – von diesem abhängigen – Gesellschaften eingehalten werden. Dies würde im Ergebnis Umstrukturierungen erschweren, da Unternehmen gezwungen wären, bei ihren Umstrukturierungsplänen zu beachten, dass ggf. eine Reihe von Gesellschaften über mehrere Jahre „gebunden“ wären, sich also keine Veränderung in der Gesellschaftsstruktur ergeben dürfte. Umstrukturierungen könnten so ggf. nicht umgesetzt werden bzw. Unternehmen könnten gerade nicht flexibel auf Veränderungen der Marktverhältnisse reagieren. Aus diesem Grund sind – zur Erreichung des Gesetzeszwecks – die Beteiligungsketten – wie es auch der Gesetzestext vorgibt – möglichst kurz zu halten. Ein etwaiges Missbrauchsrisiko wird dabei durch die Vorbehaltensfrist eingeschränkt, indem herrschendes Unternehmen nur ein solches sein kann, das innerhalb von fünf Jahren vor dem Rechtsvorgang zu mindestens 95 vom Hundert am Kapital oder Gesellschaftsvermögen der abhängigen Gesellschaft beteiligt war. So wird vermieden, dass kurzfristig eine Gesellschaft „zwischengeschaltet“ wird, um ein neue (kürzere) Beteiligungskette zu schaffen.

Die Tatsache, dass alle Beteiligten übereinstimmend vom Vorhandensein eines herrschenden Unternehmens ausgingen, ist ein unbeachtlicher Rechtsirrtum

Nach alldem ist F-AG nicht als herrschendes Unternehmen anzusehen und der Verkauf der Beteiligung an der E-GmbH durch F-AG unschädlich für die Steuervergünstigung nach § 6a GrEStG. Unerheblich ist dabei, dass die Beteiligten ursprünglich übereinstimmend davon ausgegangen waren, dass F-AG herrschendes Unternehmen sei. Dabei handelt es sich um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum.

Die Kostenentscheidung fußt auf § 135 Abs. 1 FGO

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war nach § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären.

Die Revision wird zugelassen

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 115 Abs.2 Nr.1 und 2 FGO). Höchstrichterliche Entscheidungen zur Frage, wie das herrschende Unternehmen in einer Beteiligungskette zu bestimmen ist, sind nicht ersichtlich.

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