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Steuerrecht
12.07.2012
Steuerrecht
FG Hamburg: Haftung im grenzüberschreitenden Umsatzsteuerkarussell

FG Hamburg, Beschluss vom 24.4.2012 - 2 V 233/11

Sachverhalt

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen einen Haftungsbescheid für Umsatzsteuern.

Er ist Geschäftsführer der A Marketing GmbH mit Sitz in B (im Folgenden: A). Die Steuerfahndung Hamburg führte in den Jahren 2007 und 2008 gegen insgesamt 18 Personen - zu denen auch der Antragsteller gehörte - Ermittlungen aufgrund des Verdachts der gemeinschaftlichen Steuerhinterziehung im Rahmen organisierter Vorsteuererschleichung in den Jahren 2006 und 2007.

Durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2009 (...) wurde der Antragsteller wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts wirkte der Antragsteller zusammen mit anderen Angeklagten in den Veranlagungszeiträumen April 2006 bis September 2007 an einem gut organisierten Umsatzsteuerhinterziehungssystem mit, in das die Firma A einbezogen worden ist. Das Hinterziehungssystem habe aus zwei Rechnungsketten bestanden, die als Quer- und Standardgeschäft bezeichnet worden seien. Das Quergeschäft habe der eigentlichen Umsatz-und Vorsteuerhinterziehung gedient. Über das Standardgeschäft seien die Umsatzsteuergewinne aus dem Quergeschäft verdeckt an ... Täter weitergeleitet worden. Zugleich habe dieses Geschäft der Verschleierung des eigenen Beuteanteils sowie der eigenen Tatbeteiligung gedient. Der Firma A sei dabei eine Schlüsselposition zu gekommen. Bei ihr sei die Geltendmachung und zuletzt auch die Auszahlung der zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuerguthaben erfolgt. Zudem sei sie sowohl im Quer-als auch im Standardgeschäft eingebunden gewesen, so dass zugleich die Weiterleitung der aus dem Quergeschäft erlangten Vorsteuern an die ... Täterseite durch sie über die Rechnungskette des Standardgeschäfts erfolgt sei.

Im Quergeschäft hätten die Angeklagten durch die Konstruktion der Rechnungskette dafür gesorgt, dass die erste deutsche Firma in der Kette, die keine Umsatzsteuererklärungen habe abgeben sollen und auch nicht abgegeben habe, nicht der Firmengruppe A nach außen zuzuordnen gewesen sei und auch nicht dieser Firmengruppe zugehörige Firmen als Rechnungsaussteller unmittelbar vorgelagert gewesen seien. Der Antragsteller sowie andere Angeklagte hätten auf diese Weise ihre Kenntnis und damit ihre Zuordnung zu dem auf Steuerhinterziehung angelegten Betrugssystem verschleiern wollen.

Die Rechnungskette im Quergeschäft habe von Juni bis September 2007 wie folgt ausgesehen:

C GmbH (im Folgenden: C) -D GmbH - E Vertriebs-und Handels GmbH (im Folgenden: E) -A.

Die erste Firma in der Rechnungskette, die C, habe tatsächlich keinen Handel betrieben, sondern lediglich Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erstellt, ohne die dadurch entstandene Umsatzsteuer anzumelden und an das Finanzamt abzuführen. Die nachfolgenden Firmen hätten die Waren mit einem geringen Aufpreis weiterfaktuiert. Die Firma A habe die Waren dann an ... Firmen weiterfaktuiert und zu Unrecht ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge als Vorsteuerguthaben geltend gemacht, ohne - wegen des Verkaufs ins europäische Ausland - eigene Umsatzsteuern anmelden zu müssen.

Der Antragsteller habe mit der Firmengruppe A, zu der auch die Firmen F GmbH und Co. KG und die Firma G Handels GmbH gehört hätten, die Unternehmen und jeweils eine bestehende Unternehmensinfrastruktur eingebracht, mit Hilfe derer die Tat überhaupt hätte begangen werden können. Er habe zudem die Finanzplanung vorgenommen und die letzte Entscheidungsgewalt für seinen Einflussbereich gehabt.

Im Umsatzsteuerhinterziehungsystem A habe sich der Schaden auf insgesamt rund ... € zu Unrecht angemeldeter und erstatteter Vorsteuern in der Zeit von April 2006 bis September 2007 mit Ausnahme der Monate Juli und September 2006 belaufen. Der Antragsteller habe bewirkt, dass das Finanzamt zu Unrecht Vorsteuern für die Firma A in Höhe dieses Betrags festgesetzt habe.

Die Taten seien aus der Unternehmensgruppe A heraus begangen und gesteuert worden. Der Antragsteller sei Geschäftsführer sämtlicher Gesellschaften gewesen, die zu der Firmengruppe gehört hätten. Dem Antragsteller sei eine Zentralstellung zugekommen. Er sei derjenige gewesen, der die formellen Verträge mit den an dem System beteiligten Unternehmen unterzeichnet habe. Er habe die Finanzkontrolle wahrgenommen und die Verteilung des Umsatzsteuergewinns mit dem anderweitig verfolgten H abgestimmt. Hierfür habe er auch die Rechnungsbeträge des Quer-und Standardgeschäfts sowie die Anmeldung der Vorsteuern überwacht. Auch habe er sich von Anfang an mithilfe der Angeklagten J und K um eine buchhalterisch scheinbar ordnungsgemäße Beleglage der Geschäfte gekümmert.

Durch das Umsatzsteuerhinterziehungssystem habe der Antragsteller als Geschäftsführer der Firma A im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den Angeklagten L, J und K die Abgabe der Umsatzsteuervoranmeldungen der Firma A beim Finanzamt M für den Zeitraum April bis Juni 2006, August 2006 und Oktober 2006 bis September 2007 bewirkt, in denen Vorsteuern aus Eingangsrechnungen der Firma A im Quergeschäft geltend gemacht worden seien, obwohl kein Erstattungsanspruch bestanden habe, weil den Rechnungen kein Leistungsaustausch zu Grunde gelegen habe und diese Teil eines Umsatzsteuerhinterziehungssystem gewesen seien. Dies habe der Antragsteller nicht nur gewusst, sondern es sei ihm - wie den Mittätern - gerade darauf angekommen.

Die Firma E sei von Juli bis September 2007 in die Rechnungskette einbezogen gewesen. Es handle sich dabei um eine Scheinfirma, die kurz vor den Taten mit Gesellschaftsvertrag vom ... 2007 und Handelsregistereintragung vom ... 2007 gegründet worden sei. Ende 2008 sei die Gesellschaft aufgelöst worden. Formaler Geschäftsführer der Gesellschaft sei N gewesen. Aus den Eingangsrechnungen der E an die A im Quergeschäft seien folgende Beträge zu Unrecht als Vorsteuern geltend gemacht worden:

      - Juni 2007:                     ... €

      - Juli 2007:                     ... €

      - August 2007:                              ... €

      - September 2007:       ... €

      - Summe:                       ... €

Die Zahlungen der Firma A im Quergeschäft seien ausschließlich zur Verschleierung erfolgt. Sofern sie nicht direkt an ausländische Firmen, sondern unter anderem an die Firma E weitergeleitet worden seien, seien sie dort entweder bar abgehoben oder an ausländische Firmen sowie an die Firma O des Angeklagten L weitergeleitet worden. Zahlungen im Zusammenhang mit den Eingangsrechnungen der Firma E seien in Höhe von insgesamt ... € erfolgt. Davon sei der wesentliche Teil direkt an die ausländischen Domizilfirmen P Ltd. und Q Ltd. gezahlt worden. An die Firma E seien insgesamt in der Zeit vom 12. Juli bis zum 13. November 2007 etwa ... € bezahlt worden. Auch hiervon seien erhebliche Beträge an ausländische Firmen weitergeleitet oder in bar abgehoben worden. Die der Firma A vorgelagerten Firmen - wie die E - seien ihren umsatzsteuerlichen Pflichten nachgekommen, um das Entdeckungsrisiko zu mindern.

Die Revision des Antragstellers und der anderen Angeklagten ist durch Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 8. Februar 2011 (1 StrR 24/10) als unbegründet verworfen worden. Sowohl die Verfahrensrüge als auch die Sachrügen blieben erfolglos.

Der Geschäftsführer der E, N, wurde durch Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2010 (...) wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und 8 Monaten verurteilt. Der Angeklagte N sei als formaler Geschäftsführer der E im Jahr 2007 in das Umsatzsteuerhinterziehungssystem in der Rechnungskette mit der Firma A eingebunden gewesen. Bei ihm habe es sich um ein untergeordnetes Kettenmitglied gehandelt, dessen Aufgabe darin bestanden habe, als unselbständiger Strohmann in der zur Verschleierung der Taten aufgebauten Rechnungskette, an deren Ende die anvisierte Umsatzsteuerhinterziehung in Form der Auszahlung eines Guthabens bestanden habe, zu dienen. Dabei habe der Antragsteller auf der Führungsebene vor Ort mitgewirkt. Er habe die Taten mit gesteuert und sich um die Aufteilung des Umsatzsteuergewinnes gekümmert. Keine der in die Rechnungskette eingebauten inländischen Firmen sei - ungeachtet etwaiger tatsächlicher Warenlieferungen - unternehmerisch tätig gewesen. Die Firma E sei der Firma A unmittelbar vorgelagert gewesen und habe somit eine gewisse tragende Rolle zur Verschleierung der Hinterziehungstaten im Zusammenhang mit dem Vorsteueranmeldungen der Firma A gehabt. Sie habe die Waren mit geringem Aufpreis zum Schein weiterfakturiert. Der Angeklagte N habe die Funktion der Firma E als Strohfirma zur Verschleierung und Verdeckung des am Ende der deutschen Rechnungskette erlangten Umsatzsteuergewinns gekannt. Für seine Tatbeteiligung sei ihm ein Lohn in Höhe von ... € monatlich versprochen worden, den er auch drei Monate lang bekommen habe. Bei der Strafzumessung sei zu Gunsten des Angeklagten berücksichtigt worden, dass er ein umfassendes Geständnis abgelegt habe.

Für die E wurden für die Monate Juni bis August 2007 Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben, in die die Eingangs- und Ausgangsrechnungen im so genannten Quergeschäft mit der Firma A am Ende der deutschen Rechnungskette als steuerbarer Leistungsaustausch eingeflossen sind. Eine Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat September 2007 und eine Jahreserklärung 2007 wurden nicht abgegeben.

Mit Umsatzsteuerbescheid 2007 vom ... 2009 setzte der Antragsgegner gegenüber der E Umsatzsteuer in Höhe von ... € fest. Bemessungsgrundlage war dabei die ausgewiesene Umsatzsteuer in den Rechnungen der E an die Firma A in den Monaten Juni bis September 2007. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.

Nach Anhörung des Antragstellers wurde dieser mit Bescheid des Antragsgegners vom ... 2011 für die Umsatzsteuerschulden der E in Höhe von ... € in Haftung genommen. Die mit Bescheid ... 2009 gegenüber der E festgesetzten Umsatzsteuern für 2007 seien nicht entrichtet worden. Die Haftung des Antragstellers beruhe auf § 191 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) i. V. m. § 71 AO. Nach § 71 AO haftet derjenige, der eine Steuerhinterziehung begehe oder einer solchen Tat teilnehme für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO. Der Antragsteller habe den Tatbestand der Steuerhinterziehung gemäß § 370 AO erfüllt. Dies ergebe sich aus dem rechtskräftigen Beschluss des Bundesgerichtshofes vom 8. Februar 2011 sowie dem vorinstanzlichen Urteil des Landgerichts Hamburg vom ... 2009. Die Vollstreckung bei der E habe nicht zum Erfolg geführt. Die Inanspruchnahme des Antragstellers sei nicht ermessensfehlerhaft.

Der Antragsteller legte dagegen am ... 2011 Einspruch ein und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Er sei nicht Geschäftsführer der E gewesen und habe keinen Einfluss auf deren Voranmeldungen für die Monate Juni bis September 2007 genommen. Im Jahr 2007 habe die A zudem ... € an die E gezahlt. Es fehle somit auch an einem Kausalzusammenhang zwischen einer Pflichtverletzung und dem eingetretenen Steuerausfall, weil die E von der Firma A ausreichend mit Mitteln versorgt worden sei.

Mit Einspruchsentscheidung vom ... 2011 wies der Antragsgegner den Einspruch als unbegründet zurück. Mit Bescheid vom selben Tag wurde der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom Antragsgegner abgelehnt.

Der Antragsteller hat am ... 2011 Klage erhoben (2 K 232/11) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Er habe lediglich Kenntnis vom unmittelbaren Vorlieferanten gehabt, nicht jedoch von den diesem vorgeschalteten Unternehmen. An die E seien im Jahr 2007 ... € gezahlt worden. Dies sei ausreichend gewesen, damit diese Firma ihre Lieferverbindlichkeiten hätte tilgen können. Die Zahlungen ergäben sich aus einem Auszug aus der Buchhaltung der Firma A. Sie könnten auch anhand der Bankkontoauszüge belegt werden. Deshalb fehle es auch an der Kausalität zwischen einer Pflichtverletzung und dem Steuerschaden.

Die Lieferbeziehungen zur E seien in den persönlichen Zusammenhang mit J zu bringen, der in seiner aktiven Zeit bei der Firma A die Liefervorgänge mit der Firma E begleitet habe. Dieser habe auch den Kontakt zur E hergestellt. Ab Frühjahr 2007 sei J nicht mehr weiter bei der A tätig gewesen. Vom Antragsgegner werde verkannt, dass die Vorliefervorgänge getrennt beurteilt werden müssten. Der Antragsgegner habe ungeprüft die Ausführungen des Landgerichts übernommen und keine eigenen Ermittlungen durchgeführt.

Die Firma E habe entgegen der Annahme des Antragsgegners tatsächlich Liefergeschäfte durchgeführt. So seien im September 2007 medizinische Geräte von dieser Firma bezogen worden, die durch eine anerkannte Spedition in die U geliefert worden sein. Auch im Oktober 2007 seien Warenlieferungen in die U erfolgt. Das Landgericht habe den dazu angebotenen Zeugenbeweis mit dem Verweis der Unerheblichkeit nicht erhoben.

Aus einer Stellungnahme des als Haupttäter verfolgten R ergebe sich, inwieweit er, der Antragsteller, Kenntnis von den übrigen Firmen gehabt habe. Daraus gehe ebenfalls hervor, dass er, der Antragsteller, selbst in Millionenhöhe habe betrogen werden sollen.

Der Antragsteller beantragt,

die Vollziehung des Haftungsbescheides vom ... 2011 auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Es lägen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides vor. Der Antragsteller hafte für die Steuerschuld der E gemäß § 14c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) aufgrund seiner Teilnahme an der Steuerhinterziehung bezüglich dieser Schuld. Die nicht unterschriebene und nur in Aussicht gestellte Aussage des R sei kein präsentes Beweismittel. Sein Vortrag sei auch durch die Aktenlage widerlegt. Die positive Kenntnis des Antragstellers von der E ergebe sich unter anderem aus einer E-Mail von ihm, in der auf Änderungswünsche der E bezüglich einer "Proforma" Rechnung geantwortet worden sei. Dem Antragsteller habe damit klar sein müssen, dass es sich nicht um eine ordnungsgemäße Dokumentation eines tatsächlichen Warengeschäfts gehandelt habe. Zudem ergebe sich aus dem auf dem Schreibtisch des Antragstellers sichergestellten sogenannten "U-Handbuch", dass der Antragsteller Kenntnis von der gesamten vorgetäuschten Warenkette gehabt habe. Die Auswertung des Kontos der E bei der Bank-1 zeige, dass lediglich Zahlungseingänge von ... € von der A bei der E zu verzeichnen gewesen seien. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei nur ein Geschäft über die E tatsächlich abgewickelt worden, nämlich der Kauf und die Lieferung medizinischer Geräte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (2 K 232/11, 2 V 233/11) und den der beigezogenen Akten des Antragsgegners Bezug genommen.

Aus den Gründen

II.

Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen. Die Aussetzung soll erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i. V. m. § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO).

Ernstliche Zweifel im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO sind zu bejahen, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts neben für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zu Tage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Die Aussetzung der Vollziehung setzt nicht voraus, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen; eine vage Erfolgsaussicht genügt jedoch nicht (vgl. BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2011 IV B 120/10, BFH/NV 2011, 1549; vom 06. November 2008 IV B 126/07, BStBl II 2009, 156). Die Entscheidung über einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ergeht wegen dessen Eilbedürftigkeit aufgrund des Prozessstoffs, der sich aus den dem Gericht vorliegenden Unterlagen, insbesondere den Akten der Finanzbehörde und präsenten Beweismitteln ergibt. Weitergehende Sachverhaltsermittlungen durch das Gericht sind nicht erforderlich (vgl. BFH-Beschluss vom 21. Juli 1994 IX B 78/94, BFH/NV 1995, 116). Es ist Sache der Beteiligten, die entscheidungserheblichen Tatsachen vorzutragen und glaubhaft zu machen.

Daran gemessen, bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides vom ... 2011.

Er beruht auf § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 71 AO. Nach § 71 AO haftet für die verkürzten Steuern und die zu Unrecht gewährten Steuervorteile sowie für die Zinsen nach § 235 AO, wer eine Steuerhinterziehung oder eine Steuerhehlerei begeht oder an einer solchen Tat teilnimmt. Der Haftungsschuldner kann gem. § 191 Abs. 1 Satz 1 AO durch Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden.

Der Antragsgegner geht ausweislich der Einspruchsentscheidung vom ... 2011 auf der Grundlage der rechtskräftigen Verurteilungen des Antragstellers sowie des Geschäftsführers der E, N, durch das Landgerichts Hamburg vom ... 2009 und vom ... 2010 davon aus, dass die E ausschließlich für den Einsatz als Rechnungsfirma in der Rechnungskette im Quergeschäft des Umsatzsteuerhinterziehungssystems A gegründet worden sei. Sie habe im Zeitraum Juni bis September 2007 als Scheinfirma Rechnungen an die A gestellt, so dass ein erheblicher Steuergesamtschaden aus dem Umsatzsteuerhinterziehungssystem A habe entstehen können. Die Firma E habe keine Unternehmereigenschaft i. S. v. § 2 UStG gehabt, so dass weder Eingangs-noch Ausgangsrechnungen zu berücksichtigen gewesen seien. Da die Umsatzsteuer jedoch in den jeweiligen Rechnungen explizit ausgewiesen worden sei, sei sie gem. § 14c UStG geschuldet und in Höhe dieses Betrages gegenüber der E mit Bescheid vom ... 2009 festzusetzen gewesen. Die in den Voranmeldungen erklärten Vorsteuern seien nicht mehr zu gewähren gewesen. Der Antragsteller hafte für die Umsatzsteuerschuld der E nach § 71 AO wegen seiner vorsätzlichen Beteiligung an dem Umsatzsteuerhinterziehungssystem auf Organisationsebene wegen Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3 Nr. 1 AO.

In der Tat tragen die Urteile des Landgerichts Hamburg vom ... 2009 und vom ... 2010 diese Annahmen des Antragsgegners in tatsächlicher Hinsicht. Sie werden durch den Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 8. Februar 2011 (1 StR 24/10) gestützt, worin dieser auf die Sachrügen des Antragstellers und anderer Angeklagter ausgeführt hat, dass zum Schein Fakturierungsketten aufgebaut worden seien, die u. a. der Firma A den Abzug von in den Rechnungen ausgewiesener Umsatzsteuer als Vorsteuer hätten ermöglichen sollen. Zu diesem Zweck seien jeweils mindestens zwei Gesellschaften vorgeschaltet worden, deren Aufgabe im Wesentlichen darin bestanden habe, Rechnungen mit ausgewiesener Umsatzsteuer zu erstellen. Irgendeinen Spielraum hätten sie dabei nicht gehabt, die Rechnungen seien ihnen zuvor von den Angeklagten samt Papieren übersandt worden. Die Rechnungssummen seien dabei planmäßig so gewählt worden, dass ein "Umsatzsteuergewinn" erwirtschaftet worden sei, der verschleiert an Firmen im Ausland transferiert worden sei. Die in den Fakturierungsketten, u. a. der Firma A, vorgeschalteten Gesellschaften seien keine Unternehmer i. S. von § 2 Abs. 1 UStG gewesen, sondern nicht als Unternehmer einzustufende Strohmänner. Sie hätte nicht wie ein typischer Händler gehandelt, sondern weder ein Kapital- noch ein Abnahmerisiko getragen und ohne eigenen Spielraum im Wesentlichen nur vorgegebene Rechnungen auszustellen gehabt. Es lägen so genannte Strohmanngeschäfte vor, da die vorgeschaltete Firmen nicht im Rahmen eines Geschäftes, das wechselseitige Rechte und Pflichten habe begründen sollen, eigene Interessen wahrgenommen hätten. Vielmehr seien sich die Beteiligten dieser Geschäfte darüber einig gewesen, dass die vorgeschalteten Firmen ohne sonstige eigene Rechte oder Pflichten als im Lager der Firma A stehende Hilfspersonen ausschließlich der Durchsetzung von deren Interessen gedient hätten.

Unter Zugrundelegung der Feststellungen bzw. Ausführungen in diesen Gerichtsentscheidungen fehlt der Firma E als bloßer Scheinfirma die Unternehmereigenschaft im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG, so dass sie gemäß § 14c Abs. 2 Satz 2 UStG die in den Rechnungen der Monate Juni bis September 2007 an die A - unstreitigen - ausgewiesenen Umsatzsteuerbeträge in Höhe von ... € schuldet. Dieser Betrag ist mit Umsatzsteuerbescheid 2007 vom ... 2009 festgesetzt worden. Die E hat ihn nicht gezahlt. Vollstreckungsversuche des Antragsgegners blieben erfolglos.

Der nach § 14c Abs. 2 Sätzen 1 und 2 UStG geschuldete Steuerbetrag kann zwar berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist (§ 14c Abs. 2 Satz 3 UStG). Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind (§ 14c Abs. 2 Satz 4 und 5 UStG). Eine solche Berichtigung hat nicht stattgefunden. Es ist auch nicht erkennbar, dass sie möglich wäre, weil die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt ist. Die Firma A hat einen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der Firma E vorgenommen. Es ist weder vorgetragen worden noch im Übrigen erkennbar, dass die geltend gemachten Vorsteuern an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden sind.

Unter Zugrundelegung der tatsächlichen Feststellungen bzw. Ausführungen der aufgeführten Gerichtsentscheidungen haftet der Antragsteller nach § 71, § 370 Abs. 1 Nr. 1, 2 AO, § 25 Abs. 2, § 27 Abs. 1 des Strafgesetzbuches (StGB) wegen mittäterschaftlich begangener und Beihilfe zur Steuerhinterziehung für den gemäß § 14c UStG von der Firma E geschuldete Umsatzsteuerbetrag aus den Rechnungen an die Firma A in den Monaten Juni bis September 2007. Durch die Abgabe fehlerhafter Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juni bis August 2007, die Nichtabgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat September 2007 und einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2007 sind die nach § 14c UStG geschuldeten Umsatzsteuern verkürzt worden und damit die Tatbestände des § 370 Abs. Nr. 1 AO (durch Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen Juni bis August 2007) und des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (durch Nichtabgabe einer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat September 2007 und einer Umsatzsteuer-Jahreserklärung 2007) verwirklicht worden.

Nach den Feststellungen des Landgerichts Hamburg und den Ausführungen des BGH wusste der Antragsteller, dass die Firma E nur als Scheinfirma in die Rechnungskette einbezogen worden ist und nicht wie ein typischer Händler agieren sollte, sondern weder ein Kapital-noch Abnahmerisiko getragen hat und ohne eigenen Spielraum im Wesentlichen nur vorgegebene Rechnungen auszustellen hatte und ausgestellt hat.

Ihm kam nach den Feststellungen des Landgerichts eine Zentralstellung zu. Er ist danach derjenige gewesen, der die formellen Verträge mit den an dem System beteiligten Unternehmen unterzeichnet hat. Er hat die Finanzkontrolle wahrgenommen und die Verteilung des Umsatzsteuergewinns mit dem anderweitig verfolgten H abgestimmt. Hierfür hat er auch die Rechnungsbeträge des Quer-und Standardgeschäfts sowie die Anmeldung der Vorsteuern überwacht. Auch hat er sich von Anfang an mithilfe der Mittäter J und K um eine buchhalterisch scheinbar ordnungsgemäße Beleglage der Geschäfte gekümmert.

Daraus ergibt sich, dass der Antragsteller im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit den anderen Mittätern als zentrale Figur die Firma E in die Rechnungskette des Quergeschäftes mit einbezogen hat, deren Rechnungsbeträge überwacht und am Ende den Umsatzsteuergewinn in Abstimmung mit dem Mittäter H verteilt hat. Durch seine Eigenschaft als Geschäftsführer der Firma A konnte er zudem den Zahlungsfluss auf die Eingangsrechnungen der Firma E steuern und damit Einfluss auf die finanzielle Ausstattung dieser Firma nehmen. Im Rahmen der Mittäterschaft werden ihm gemäß § 25 Abs. 2 StGB die Tatbeiträge der anderen Mittäter wie eigene zugerechnet (vgl. Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 25 Rdn. 11 m. w. N.), so dass es nicht darauf ankommt, dass er mangels Geschäftsführereigenschaft nicht dazu verpflichtet war, die umsatzsteuerlichen Pflichten der E zu erfüllen.

Dies gilt aber nur, soweit für die Monate Juni bis August 2007 (fehlerhafte) Umsatzsteuervoranmeldungen für die E abgegeben worden sind. Dagegen kann bei Tatverwirklichung durch Unterlassen gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO - hier durch die Nichtabgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat September 2007 und der Jahreserklärung 2007 - Täter und Mittäter nur sein, wer selbst zur Aufklärung der steuerlich erheblichen Tatsachen verpflichtet ist (vgl. BGH-Urteil vom 07. November 2006 5 StR 164/06, NStZ-RR 2007-345; Fischer, StGB, 57. Aufl. 2010, § 25 Rdn. 16e). Der Antragsteller war nicht Geschäftsführer der E. Es ist weder vorgetragen worden, noch im Übrigen erkennbar, dass er als faktischer Geschäftsführer der E gemäß § 35, § 34 Abs. 1 AO deren steuerliche Pflichten zu erfüllen gehabt hat. Der Antragsteller hat aber insoweit eine strafbare Beihilfe gemäß § 27 Abs. 1 StGB zur Haupttat des Geschäftsführers der E begangen.

Er hat über seine mitsteuernde Lenkung des Umsatzsteuerhinterziehungssystems mit dazu beigetragen, dass die E als Scheinfirma ihre umsatzsteuerlichen Pflichten aus § 14c, § 18 Abs. 1, 3 UStG nicht erfüllt hat und es deshalb zur dargestellten Steuerverkürzung gekommen ist. Da ihm nach den Feststellungen des Landgerichts und den Ausführungen des BGH die Eigenschaft der E als Scheinfirma bekannt war, ist der Antragsteller auch zumindest bedingt vorsätzlich davon ausgegangen, dass es auch auf der Ebene der E zu einer Steuerverkürzung wegen Nichterfüllung der umsatzsteuerlichen Pflichten kommt.

Der Senat macht sich die in der Beweiswürdigung umfangreich und überzeugend begründeten Tatsachenfeststellungen des Landgerichts Hamburg zu eigen. Der Antragsteller hat dagegen keine substantiierten Einwendungen vorgetragen und glaubhaft gemacht, die ernstliche Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen begründen könnten (vgl. BFH-Urteil vom 07. März 2006 X R 8/05, BStBl II 2007, 594).

Soweit er vorgetragen hat, an die E seien im Jahr 2007 ... € gezahlt worden, kann dies die Feststellungen des Landgerichts im Urteil vom ... 2009 nicht hinreichend substantiiert erschüttern. Danach sind zwar Zahlungen im Zusammenhang mit Eingangsrechnungen der E in der vom Antragsteller genannten Höhe erfolgt. Hiervon ist aber nur ein geringer Teil von etwa ... € in der Zeit vom 12. Juli 2007 bis 13. November 2007 an die E geflossen. Der wesentliche Teil ist direkt an ausländische Domizilfirmen in einer Gesamthöhe von ... € gezahlt worden. Der Antragsgegner hat zudem unter Bezugnahme auf eine eingereichte Kontoauswertung eines Bankkontos der E bei der Bank-1 (Anl. AG 3) ausgeführt, dass vom 13. Juli bis 5. Oktober 2007 insgesamt nur ein Betrag von ...€ von der Firma A an die E gezahlt worden sei. Der Antragsteller hat weder zu den vom Landgericht festgestellten und konkret aufgeführten einzelnen Zahlungen Stellung genommen, noch seine Behauptung durch (lediglich angekündigte) Auszüge eines Bankkontos der E glaubhaft gemacht. Er hat somit die Feststellungen des Landgerichts nicht hinreichend substantiiert erschüttert.

Der Vortrag des Antragstellers, der vom Landgericht Hamburg im Verfahren ... mit Urteil vom ... 2009 ebenfalls wegen mittäterschaftlich begangener Steuerhinterziehung verurteilte J habe bis zu seinem Ausscheiden im Frühjahr 2007 bei der Firma A die Lieferbeziehungen zur Firma E begleitet und den Kontakt zu dieser Firma hergestellt, kann die Feststellungen des Landgerichts in dem hier entscheidungserheblichen Zusammenhang ebenfalls nicht substantiiert erschüttern. Zum einen geht es vorliegend um die umsatzsteuerlichen Pflichten der Firma E ab der Voranmeldung Juni 2007, also zu einem Zeitpunkt, zu dem J nach dem Vorbringen des Antragstellers offenbar schon nicht mehr für die Firma A tätig war. Zum anderen war auch J nach den Feststellungen des Landgerichts als Mittäter in das Umsatzsteuerhinterziehungssystem A eingebunden, so dass dessen Tatbeitrag dem Antragsteller danach zuzurechnen ist. Ferner weist der Antragsgegner zutreffend auf die E-Mail des Antragstellers vom 22. August 2007 (Anl. AG 1) hin, mit der dieser auf eine E-Mail der E (unterschrieben mit S) geantwortet hat, in der es um die Abstimmung von "Proforma-Rechnungen" für einen LKW ging. Darin antwortete der Antragsteller, dass die Rechnungen für August ohne Änderungen übernommen werden könnten. Dies zeigt zum einen, dass der Antragsteller auch eigenen Kontakt zur Firma E hatte und zum anderen, dass er - als wesentlicher Tatbeitrag - in die Abstimmung der "Proforma-Rechnungen" der E mit einbezogen worden ist.

Es begründet auch keine ernstlichen Zweifel an den tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts Hamburgs, dass der formale Geschäftsführer der Firma E, N, telefonisch gegenüber dem Gerichts zum Ausdruck gebracht hat, er kenne den Antragsteller nicht und habe zu ihm keinen Kontakt gehabt. Das Landgericht Hamburg hat im Urteil vom ... 2010 (...) festgestellt, dass N nur als unselbständiger Strohmann in die Rechnungskette eingebunden gewesen sei. Der Antragsteller sei eine mitsteuernde Zentralfigur gewesen. Unabhängig davon, ob die Aussage des N glaubhaft ist, war es für die mittäterschaftliche Begehung der Steuerhinterziehung oder für die Beihilfe daran nicht zwingend nötig, dass der Antragsteller Kontakt zu N hatte. Seine Tat- oder Gehilfenbeiträge konnten auch über Dritte vermittelt werden oder in anderen Bereichen liegen, wie etwa in der vom Landgericht festgestellten - und etwa mit der oben genannten E-Mail vom 22. August 2007 belegten - Überwachung der Rechnungsbeträge oder der Beleglage und der Aufteilung des Umsatzsteuergewinns.

Der Antragsgegner geht mit dem Antragsteller davon aus, dass die Firma E im September 2007 einmalig die Lieferung von medizinischen Geräten durchgeführt hat. Der Antragsteller behauptet, es seien auch noch weitere, dem so genannten Quergeschäft zugehörige tatsächliche Lieferungen erfolgt. Das Landgerichts Hamburg hat diese Frage im Urteil vom ... 2009 offen gelassen. Nach den obigen Ausführungen kommt es in der Tat nicht darauf an, ob die Firma E tatsächlich - eine oder mehrere - Lieferungen durchgeführt hat, weil es sich bei ihr nach den - nicht substantiiert angegriffenen - Feststellungen des Landgerichts Hamburg und den Ausführungen des BGH um eine gleichsam fremdgesteuerte Scheinfirma gehandelt hat, die jedenfalls mangels eigenen unternehmerischen Risikos keine Unternehmerin im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG war.

Soweit der Antragsteller auf die bei der Staatsanwaltschaft Hamburg mit Schriftsatz vom ... 2011 eingereichte vorläufige, nicht unterschriebene Stellungnahme von R verweist, wonach der Antragsteller nach Kenntnis von R über die eigentliche Struktur der Geschäfte nicht informiert gewesen sei, kann auch dies die Feststellungen des Landgerichts Hamburg nicht substantiiert erschüttern. Der Antragsteller will die - ihn entlastende - Stellungnahme des R offenbar als eigenen Vortrag in dieses Verfahren einführen. Die Stellungnahme gibt aber nur eine - ohne weitere Erläuterungen nicht hinreichend nachvollziehbare - eigene Einschätzung des R vom Kenntnisstand des Antragstellers wieder. Auf die umfangreiche und überzeugende Beweiswürdigung des Landgerichts Hamburg im Urteil vom ... 2008 geht sie - naturgemäß - nicht ein. Der Wahrheitsgehalt dieser Stellungnahme könnte zudem nur durch eine - im vorliegenden Eilverfahren nicht angezeigte - Zeugenvernehmung des R geklärt werden. Der Antragsgegner weist zudem zutreffend darauf hin, dass etwa die oben aufgeführte E-Mail des Antragstellers vom 22. August 2007 und der Umstand, dass das sogenannte "U-Handbuch" (Anl. AG 2) bei der Beschlagnahme auf dem Schreibtisch des Antragstellers gefunden worden ist, dafür sprechen, dass der Antragsteller nicht gutgläubig war, sondern Kenntnis von Umsatzsteuerhinterziehungssystem hatte. Im "U-Handbuch" wird der Ablauf der Rechnungsketten und Geschäfte detailliert dargestellt. Zudem wurde die Stellungnahme nicht von R unterschrieben, so dass nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, dass sie überhaupt von ihm stammt. Als präsentes Beweismittel zur Glaubhaftmachung des Vortrags des Antragstellers ist sie deshalb ungeeignet.

Die Haftungsinanspruchnahme des Antragstellers scheitert bei summarischer Prüfung nicht an dem rechtlichen Gesichtspunkt mangelnder Kausalität seiner Handlung für den eingetretenen Steuerausfall, weil der durch die Nichtentrichtung der in Wirklichkeit geschuldeten Umsatzsteuer eingetretene Schaden durch die Handlungen des Antragstellers nicht (mit-)verursacht worden ist. Wegen des Schadensersatzcharakters der Haftung nach § 71 AO haftet der Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung lediglich in Höhe der aufgrund seines Tatbeitrages verkürzten Beträge. Beschränkt wird die Haftung des Steuerhinterziehers gemäß § 71 AO jedoch auf den Vermögensschaden des Fiskus, der durch die Tat verursacht wurde und vom Vorsatz des Täters umfasst ist (vgl. BFH-Urteil vom 05. August 2010 V R 13/09, BFH/NV 2011, 81; BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891).

Denn der Tatbeitrag des Antragstellers war - wie sich aus den oben dargestellten und nicht substantiiert angegriffenen Feststellungen des Landgerichts Hamburgs ergibt - zumindest mit bedingtem Vorsatz nicht nur auf die, durch die falschen Angaben in den Umsatzsteuervoranmeldungen der Firma E für Juni bis August 2007 angestrebte zu niedrige Umsatzsteuerfestsetzung bzw. auf keine Umsatzsteuerfestsetzung für den Monat September 2007 und für den Veranlagungszeitraum 2007 gerichtet, sondern insbesondere auf die Nichtentrichtung der tatsächlich geschuldeten Umsatzsteuer an das Finanzamt. Auf der Ebene der Firma E sollte es nach dem gemeinsamen Tatplan der Beteiligten nicht zu nennenswerten Umsatzsteuerzahlungen aus den an die Firma A ausgestellten Rechnungen im so genannten Quergeschäft kommen, weil es Gegenstand der Planungen war, dass die E die Vorsteuer aus ihren Eingangsrechnungen abziehen sollte. Dies zeigt sich auch daran, dass die Firma A an die E nach den oben dargestellten Feststellungen des Landgerichts Hamburg auf die Rechnungen nur einen geringen Teil bezahlte, der zudem zum größten Teil von dort wieder an anderen Firmen weitergeleitet oder in bar abgehoben worden ist.

Die Kausalität der Tat- und Gehilfenbeiträge des Antragstellers ist auch nicht deshalb zu verneinen, weil die Firma E schon im Zeitpunkt der gesetzlichen Fälligkeit der Umsatzsteuerschuld --möglicherweise-- nicht mehr genügend Mittel zu deren Begleichung zur Verfügung hatte. Zwar kann der Grundsatz zur anteiligen Haftung auch im Falle der Haftung wegen Steuerhinterziehung nach § 71 AO zur Anwendung kommen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891). Daraus könnte sich im Streitfall eine Beschränkung der Haftung des Antragstellers der Höhe nach ergeben. Es kommt aber auch bei dem Haftungstatbestand der Steuerhinterziehung für den Umfang der Haftung darauf an, inwieweit das strafrechtlich vorwerfbare Verhalten für den Steuerausfall ursächlich gewesen ist.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Verletzung der Steuererklärungspflicht und dem eingetretenen Steuerausfall (Haftungsschaden) kann auch dadurch begründet werden, dass der Haftende den Steuerschuldner schon zu einem früheren Zeitpunkt schuldhaft außerstande gesetzt hat, die vorhersehbare Steuerschuld tilgen zu können (vgl. BFH Urteil vom 5. März 1991 VII R 93/88, BStBl II 1991, 678, 681). In diesem Fall liegt der maßgebliche Grund für den Steuerausfall nämlich nicht in der mangelnden Liquidität der Gesellschaft zum Fälligkeitszeitpunkt, sondern darin, dass durch die Abgabe einer unzutreffenden Steueranmeldung (oder die Nichtabgabe der Anmeldung bzw. Steuererklärung) der Erfolg der vorsätzlichen herbeigeführten nicht ausreichenden Liquiditäts- und Vermögensverhältnisse der GmbH sichergestellt werden soll. Dieser rechtliche Gesichtspunkt muss in besonderem Maße in einem Falle der Hinterziehung Berücksichtigung finden, in dem - wie hier - die pflichtwidrige Abgabe der unzutreffenden Umsatzsteuer-Voranmeldungen und die Nichtabgabe der Voranmeldungen oder Jahressteuererklärung nach dem Tatplan der Beteiligten mit dazu dienen sollte, den aus der vorangegangenen vorsätzlichen Nichtzurverfügungstellung der - zur Begleichung der tatsächlich verwirklichten Umsatzsteuerschuld notwendigen und im Geldkreislauf auch vorhandenen - Gelder erlangten Vorteil auf Dauer sicherzustellen (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Februar 2002 VII B 323/00, BFH/NV 2002, 891).

Ermessensfehler im Sinne von § 102 FGO bei der Inanspruchnahme des Antragstellers als Haftungsschuldner gemäß § 191 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 71 AO liegen nicht vor. Der Antragsgegner weist in der Einspruchsentscheidung vom 08. Dezember 2011 zutreffend darauf hin, dass sowohl das Entschließungs- als auch das Auswahlermessen im Falle einer vorsätzlich begangenen Steuerstraftat in der Weise vorgeprägt ist, das die Abgaben gegen den Steuerstraftäter festzusetzen sind. Einer besonderen Begründung der Ermessensbetätigung bedarf es in diesen Fällen nicht (vgl. BFH-Urteil vom 12. Februar 2009 VI R 40/07, BStBl II 2009, 478; BFH-Beschluss vom 14. Februar 2006 VII B 119/05, BFH/NV 2006, 1246).

Für das Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO bestehen hier keine konkreten Anhaltspunkte. Der Antragsteller hat nur unsubstantiiert vorgetragen, in seinem Privatbereich seien keine liquiden Mittel vorhanden, um über eine Sicherheitsleistung nachdenken zu können. Er hat damit weder behauptet, dass die Vollziehung des streitgegenständlichen Betrages für ihn existenzgefährdend sei, noch seine wirtschaftliche Situation im Einzelnen dargelegt und glaubhaft gemacht. Im Übrigen käme eine Aussetzung der Vollziehung selbst bei Vorliegen einer unbilligen Härte nicht in Betracht, weil nach den obigen Darlegungen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Haftungsbescheides fast gänzlich ausgeschlossen sind (vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rdn. 104 m. w. N. aus der Rspr. des BFH <Stand: Mai 2010>).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Beschwerde war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 115 Abs. 2 FGO gegeben ist (§ 128 Abs. 3 FGO).

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