Schleswig-Holsteinisches FG: Grundfreibetrag verfassungsgemäß
Schleswig-Holsteinisches FG, Gerichtsbescheid vom 28.6.2024 – 1 K 37/23, Rev. eingelegt (Az. BFH III R 26/24)
ECLI:DE:FGSH:2024:0628.1K37.23.00
Volltext der Entscheidung://BB-ONLINE BBL2024-2465-1
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten im Rahmen der Anfechtung festgesetzter ESt-Vorauszahlungen über die Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags gem. § 32a Abs. 1 Einkommensteuergesetz -EStG- in den Jahren 2023 und 2024.
Die Kläger werden beim Beklagten gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Beide erzielen verschiedene Einkünfte, der Kläger u.a. Einkünfte aus einer freiberuflichen Tätigkeit.
Nach Abgabe der Steuererklärung für das Veranlagungsjahr 2021 setzte das Finanzamt durch Bescheid vom 30.1.2023 die Einkommensteuer 2021 auf x EUR und den Solidaritätszuschlag auf x EUR fest. Zudem setzte es Einkommensteuer-Vorauszahlungen ab dem Jahr 2023 fest. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass bei der Berechnung das Steuerentlastungsgesetz sowie weitere gesetzliche Änderungen, soweit möglich, berücksichtigt wurden. Aus der Berechnung der Vorauszahlungen ergibt sich diesbezüglich, dass der Beklagte für die Vorauszahlungen den Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG in der Fassung des Gesetzes zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz – lnflAusG, BGBl. I 2022, 2230 ff.) vom 8.12.2022 zugrunde gelegt hat. Da der Grundfreibetrag mit dem InflAusG nicht nur für 2023, sondern auch schon – mit einem höheren Betrag – für 2024 festgelegt wurde, sind die Vorauszahlungen für 2024 trotz der (unstreitigen) Annahme gleichbleibender Einkünfte geringfügig niedriger als für das Jahr 2023.
Mit Schreiben vom 10.1.2023 beantragten die Kläger, die Einkommensteuer-Vorauszahlungen für 2023 neu festzusetzen. Zwar sei der Gewinn zutreffend zugrunde gelegt; es werde jedoch lediglich ein Grundfreibetrag von 21.816 EUR (ledige: 10.908 EUR) berücksichtigt. Nach einem Artikel in der Berliner Morgenpost, belaufe sich das Bürgergeld für den Haushaltsvorstand zukünftig auf 502 EUR zuzüglich Miete von 500 EUR bis ca. 690 EUR. Folglich erhalte ein Bürgergeldempfänger staatliche Leistungen von 1.002 EUR bis 1.190 EUR pro Monat. Dieser Betrag sei höher als der steuerliche Grundfreibetrag, was einen Verstoß gegen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz darstelle, wonach das steuerliche Existenzminimum für alle Steuerpflichtigen von der Einkommensteuer freizustellen sei.
Mit Schreiben vom 6.2.2023 wurde zudem Einspruch gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen eingelegt.
Der Beklagte wies den Einspruch mit Einspruchsentscheidung vom 24.2.2024 als unbegründet zurück. Die Ermittlung der festgesetzten Vorauszahlungen entspreche der geltenden gesetzlichen Regelung und sei somit rechtmäßig. Es sei daher zurecht der Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 1 EStG berücksichtigt worden. Die Rechtsgültigkeit dieser Vorschrift sei nicht aufgrund verfassungsrechtlicher Bedenken aufgehoben worden und somit bindend.
Hiergegen wenden sich die Kläger mit ihrer am 6.3.2024 bei Gericht eingegangenen Klage. Mit dem „Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweites Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeldgesetz)“ vom 16.12.2022, mit dem insbesondere das Zweite Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) geändert und die sogenannten Hartz IV-Regelungen abgelöst worden seien, sei mit Wirkung zum 1.1.2023 ein neues Sozialhilferecht – genannt „Bürgergeld“ – eingeführt worden. Mit diesem Gesetz sei das sozialhilferechtliche Existenzminimum der Höhe nach neu definiert worden. Im Ergebnis sei dabei das sozialhilferechtliche Existenzminimum deutlich – über dem Inflationsausgleich – erhöht und die mit dem Bürgergeld auszuzahlenden Beträge für angemessenes Wohnen in den ersten zwei Jahren einer Angemessenheitskontrolle durch die Behörden entzogen worden.
Mit Beschluss vom 10.11.2022 habe der Bundestag des Weiteren ein Gesetz zum Ausgleich der Inflation durch einen fairen Einkommensteuertarif sowie zur Anpassung weiterer steuerlicher Regelungen (Inflationsausgleichsgesetz – InflAusG) beschlossen. Mit diesem sei der Grundfreibetrag 2023 von 10.347,00 Euro auf 10.908,00 Euro erhöht worden. Jedoch sei mit dieser Erhöhung mitnichten das Existenzminimum steuerfrei gestellt worden, da die Inflation des Jahres 2022 von 7,9 % (Verweis auf den Bericht des Handelsblattes vom 15.2.2023) und die zu erwartende erhebliche Inflation für das Jahr 2023 deutlich über der vorgenommenen Erhöhung des Grundfreibetrages lägen.
Ausweislich eines Berichts in der Berliner Morgenpost vom 19.1.2023 betrügen die Leistungen nach dem Bürgergeld 502 EUR monatlich (6.024 EUR p.a.) für den Haushaltsvorstand. Dazu bekämen für Empfänger des Bürgergeldes Mietzahlungen, die sich nach dem örtlichen Mietspiegel bemäßen. Dieser betrage bspw. für Dortmund maximal 510 EUR und für München maximal 688 EUR Bruttokaltmiete monatlich. Damit belaufe sich das Bürgergeld insoweit auf (6.024 EUR + 6.120 EUR =) 12.144 EUR und (6.024 + 8256 EUR =) 14.280 EUR und liege deutlich über dem Grundfreibetrag. Nach dem Beschluss des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 (Az.: 2 BvL 42/93 [BB 1999, 2]) sei das Existenzminimum zwingend steuerfrei zu belassen. Dabei bilde nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes das sozialhilferechtlich definierte Existenzminimum die absolute Untergrenze für das einkommensteuerliche Existenzminimum. Dieses dürfe über-, aber nicht unterschritten werden. Das Bundesverfassungsgericht gehe standardisierend davon aus, dass das steuerfreie Existenzminimum wegen des Mehrbedarfs von Arbeitnehmern (auch Selbständigen) um 25% des Regelsatzes erhöht werden müsse. Neben dem Regelbedarf für den notwendigen Grundbedarf des täglichen Lebens seien bei dieser Betrachtung nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zudem Leistungen für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen für einmalige Hilfen, die einen zusätzlichen Grundbedarf berücksichtigen, mit anzusetzen.
Nach alledem seien die steuerlichen Grundfreibeträge in zweierlei Hinsicht verfassungswidrig. Einerseits, weil sie der Inflation und damit der Frage des Existenzminimums nicht Rechnung trügen und andererseits, weil sie deutlich unter dem durch das neue Bürgergeld definierten sozialrechtlichen Existenzminimums lägen. Dieses stelle zumindest einen nicht hinnehmbaren Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz -GG- dar, da steuerzahlende Bürger offenkundig schlechter gestellt würden als die Bezieher von Bürgergeld.
Die Kläger beantragen – nachdem die Vorauszahlungen mit Bescheid vom 24.5.2024 im Rahmen der Steuerfestsetzung für das Jahr 2022 unter Berücksichtigung eines abweichenden, aber ebenfalls nicht streitigen Gewinns höher festgesetzt wurden –,
1. Die Festsetzung der mit Einkommensteuerbescheid vom 30.1.2023 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24.02.2023 und mit Bescheid vom 24.5.2024 erhöht festgesetzten und ab dem I. Quartal 2023 zu zahlenden Vorauszahlungen zur Einkommensteuer dahingehend abzuändern, dass ein Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 EStG i.H.v. 30.000,00 € (Splittingtabelle) berücksichtigt wird.
2. Für den Fall, dass sich das Gericht wegen der in § 32 a Abs. 1 EStG normierten Grundfreibeträge in Höhe von 10.908,00 Euro (Grundtabelle) bzw. 21.816,00 € (Splittingtabelle) für 2023 gehindert sieht, dem Antrag stattzugeben, die Frage dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen, da die Grundfreibeträge ihrer Höhe nach verfassungswidrig sind.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor, dass die Ermittlung der festgesetzten Vorauszahlungen der geltenden gesetzlichen Regelung entspreche und somit rechtmäßig sei. Es sei daher zu Recht der Grundfreibetrag nach § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG berücksichtigt worden.
Der Berichterstatter hat mit den Beteiligten die Möglichkeit einer Entscheidung des Rechtsstreits durch Gerichtsbescheid erörtert; die Beteiligten haben in diesem Zusammenhang Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.
Aus den Gründen
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Dabei legt der Senat das Klagebegehren rechtsschutzgewährend dahingehend aus, dass sich die Kläger umfassend gegen die Vorauszahlungen auf Basis der (jeweils) angewendeten Vorschriften in der Fassung des InflAusG wenden. Prüfungsgegenstand ist damit nicht nur die Rechtslage für das Jahr 2023, sondern auch die mittlerweile in Kraft getretene Regelung des § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG in der für das Jahr 2024 geltenden Fassung. Zwar haben die Kläger in ihrem Antrag und in ihrer Begründung vorrangig auf die zur Klageerhebung noch gültige Fassung für 2023 rekurriert. Sie haben sich aber im Antrag ausdrücklich gegen die Vorauszahlungen „ab“ dem I. Quartal 2023 gewandt, sodass auch die mittlerweile fälligen Vorauszahlungen in 2024 – und damit auch die mittlerweile für 2024 in Kraft getretene und im Bescheid zugrunde gelegte Rechtslage nach dem InflAusG – Gegenstand der Klage sind.
Das so verstandene Klagebegehren hat keinen Erfolg, da die angegriffenen Festsetzungen der Vorauszahlungen rechtmäßig sind und die Kläger daher nicht in ihren Rechten verletzen, § 100 Abs. 1 S. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-. § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG i.d.F. des InflAusG ist sowohl für die Vorauszahlungen für den Veranlagungszeitraum 2023 als auch für den Veranlagungszeitraum 2024 anzuwenden.
1.) Der Senat konnte – nach erfolgter Anhörung der Beteiligten – über die Sache gem. § 90a Abs. 1 FGO durch Gerichtsbescheid befinden. Nach dieser Vorschrift kann eine Entscheidung „in geeigneten Fällen“ ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid ergehen. „Geeignet“ in diesem Sinne sind insbesondere Fälle, bei denen der Erlass eines Gerichtsbescheids ohne Beeinträchtigung des Rechtschutzes der Beteiligten möglich und vertretbar ist (vgl. Herbert, in: Gräber, Kommentar zur FGO, § 90a Rn. 5).
Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt. Denn Gegenstand des Verfahrens ist ein unstreitiger Sachverhalt, der lediglich im Hinblick auf eine eingrenzbare Rechtsfrage umstritten ist. Die Beteiligten haben von ihrer Möglichkeit, in rechtlicher Hinsicht Stellung zu nehmen, umfassend Gebrauch gemacht. Sie hatten zudem Gelegenheit, zur Frage einer Entscheidung gem. § 90a FGO Stellung zu nehmen und keine Einwände erhoben. Im Lichte dessen ist der Erlass eines Gerichtsbescheides im Streitfall ohne Beeinträchtigung des Rechtschutzes der Beteiligten möglich und vertretbar.
2.) Die Klage ist zulässig. Insbesondere steht den Klägern das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage gegen die Festsetzung der Vorauszahlungen zu. Dies folgt bereits daraus, dass ein Jahressteuerbescheid für den Streitzeitraum bislang nicht ergangen ist; i.Ü. würde selbst der Erlass eines Jahressteuerbescheids im laufenden Verfahren nicht zur Unzulässigkeit der Klage führen, da in diesem Fall § 68 FGO einschlägig wäre (zur grundsätzlichen Ersetzung eines Vorauszahlungsbescheids durch die Jahressteuerfestsetzung bei der Einkommensteuer s. Paetsch, in: Gosch, Abgabenordnung (AO)/FGO, 182. Ergänzungslieferung, Mai 2024, § 68 FGO, Rn. 28).
3.) Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig und verletzt die Kläger daher nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Zunächst ist das für die Berechnung der Vorauszahlungen herangezogene Einkommen – unstreitig – in korrekter Höhe in Ansatz gebracht worden. Zudem wurde auch der Grundfreibetrag gem. § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des InflAusG rechnerisch zutreffend berücksichtigt. Dabei waren - entgegen der Auffassung der Kläger - die Vorschriften des § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG anwendbar, wobei sich der Grundfreibetrag – entsprechend den Anordnungen im InflAusG – von 10.908 EUR für das Jahr 2023 auf 11.604 EUR für das Jahr 2024 erhöhte (bei Zusammenveranlagung jeweils der zweifache Betrag). Eine Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO und eine Vorlage zum BVerfG gem. Art. 100 Abs. 1 des GG waren im Streitfall nicht geboten, da der Senat aus nachstehenden Gründen nicht von der Verfassungswidrigkeit der Vorschriften des § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des InflAusG überzeugt ist:
a.) Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt, für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn es sich um die Verletzung der Verfassung eines Landes handelt, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichtes des Landes, wenn es sich um die Verletzung dieses Grundgesetzes handelt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes einzuholen (Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG). Ausreichend für eine Vorlage nach dieser Norm ist daher weder eine Überzeugung anderer – z.B. eines anderen Obergerichts oder einer Auffassung im Schrifttum – noch die bloße Annahme von Zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit der Norm (vgl. Sachs, GG, 9. Auflage 2021, Art. 100 Rn. 13; Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 18. Auflage 2024, Art. 100 Rn. 15). Daher ist eine Norm auch bei verfassungsrechtlichen Bedenken sowohl von der Verwaltung als auch von den Gerichten anzuwenden (vgl. Bundesgerichtshof -BGH- Urteil vom 6.11.2008, IX ZR 140/07, juris). Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze war der Rechtsstreit nicht dem BVerfG vorzulegen, da der Senat nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des InflAusG überzeugt ist.
b.) Die Entwicklung und Rechtslage in Bezug auf den Grundfreibetrag in der für den Streitfall relevanten Fassung stellt sich wie folgt dar: § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG ordnet für das Jahr 2023 einen Grundfreibetrag in Höhe von 10.908 EUR (Art. 2 Nr. 2 InflAusG; Inkrafttreten zum 1.1.2023, Art. 7 Abs. 1 InflAusG) und für das Jahr 2024 in Höhe von 11.604 EUR (Art. 3 Nr. 2 InflAusG; Inkrafttreten zum 1.1.2024, Art. 7 Abs. 3 InflAusG) an. Diese, durch das lnflAusG festgelegten Beträge treten an die Stelle des bis Ende 2022 geltenden Betrags in Höhe von 10.347 EUR.
Der Gesetzesentwurf vom 20.9.2022 der Fraktionen SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP (BT Drs. 20/3496, Seite 6) zum InflAusG sah indes zunächst nur eine Erhöhung auf 10.632 EUR (2023), bzw. 10.932 EUR (2024) vor. Dabei sei – so die Begründung (BT Drs. 20/3496, Seite 23, 26) – der Grundfreibetrag über die voraussichtlichen Ergebnisse des 14. Existenzminimumberichts hinaus angepasst worden, indem er zum Ausgleich der kalten Progression um die voraussichtliche Inflationsrate des Jahres 2022 erhöht werde. Durch diese Erhöhung sollte die Freistellung des Existenzminimums sichergestellt werden. Der 14. Existenzminimumbericht (BT Drs. 20/4443; [abrufbar über https://dserver.bundestag.de/btd/20/044/2004443.pdf]) erschien etwa eineinhalb Monate später unter dem 2.11.2022. Nach seinem Inhalt wurde für das Jahr 2023 ein Regelbedarfsniveau für Alleinstehende von 6.024 EUR (502 EUR monatlich) festgestellt (Seite 5 des Berichts). Bzgl. der Kosten für die Unterkunft wurde bei der Bemessung des Existenzminimums – typisierend – für Alleinstehende eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 40 qm und für Ehepaare ohne Kinder eine Wohnung mit einer Wohnfläche von 60 qm als angemessen angesehen (Seite 5 des Berichts). Neben dem gesamtdeutschen Mietenniveau der Wohngeldempfänger wurde zudem der über alle Mietenstufen nach Fallzahlen gewichtete Durchschnittswert der Miete pro Quadratmeter beim Mietzuschuss an Hauptmieter zugrunde gelegt (Seiten 5, 6 des Berichts). Danach ergaben sich Bruttokaltmieten für 2023 in Höhe von 3.828 EUR p.a. (Einzelheiten Seite 6 des Berichts); hinzu kamen Heizkosten von 1.056 EUR p.a. (Seite 6 des Berichts). Die drei Werte für das Jahr 2023 (Regelbedarf 6.024 + Unterkunft 3.828 + Heizkosten 1.056) führten insgesamt zu einem Wert von 10.908 EUR (Seite 10 des Berichts). Für das Jahr 2024 ging der Bericht prognostisch mit einem Anstieg des Regebedarfs von 6 – 8 % aus (Seite 5) und kam danach auf ein Regelbedarfsniveau von 6.444 EUR p.a. (537 EUR mtl.). Für die Unterkunft wurde unter Berücksichtigung einer Steigerung um 2,5% ein Wert von 3.924 EUR zugrunde gelegt (Seite 6 des Berichts) und bei den Heizkosten wurde unter Berücksichtigung der Preissteigerungen seit 2019 (Seite 6 des Berichts) eine Erhöhung auf 1.104 EUR angenommen. Die drei Werte für das Jahr 2024 (Regelbedarf 6.444 EUR + Unterkunft 3.924 EUR + Heizkosten 1.104 EUR) führten insgesamt zu einem Wert von 11.472 EUR.
Die Erhöhung der zunächst im Gesetzgebungsverfahren vorgeschlagenen, niedrigeren Grundfreibeträge (s.o.) wurde daraufhin im Rahmen der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses (BT Drs. 20/4378, Seite 9) vom 9.11.2022 in das Gesetzgebungsverfahren eingebracht. In der Begründung (BT Drs. 20/4378, Seite 24) wurde dazu ausgeführt: „Die Anpassung des steuerlichen Grundfreibetrags im Gesetzentwurf beruhte auf den voraussichtlichen Ergebnissen des 14. Existenzminimumberichts. Der 14. Existenzminimumbericht liegt zwischenzeitlich vor. Dem Berichtsergebnis zufolge ist der Grundfreibetrag für 2023 um 561 EUR auf 10.908 EUR zu erhöhen, um die verfassungsrechtlich gebotene steuerliche Freistellung des Existenzminimums zu gewährleisten.“ Für das Jahr 2024 erfolgte ebenfalls eine Anpassung, wobei der Grundfreibetrag zum „Ausgleich der kalten Progression“ zusätzlich – über das Ergebnis des Existenzminimums hinaus – um weitere 132 EUR (von 11.472 EUR) auf 11.604 EUR erhöht wurde (BT Drs. 20/4378, Seite 25).
c.) Die Entwicklung und Rechtslage in Bezug auf das Bürgergeld / die Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum 2023, 2024 stellt sich wie folgt dar: Mit dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Zweites Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze – Einführung eines Bürgergeldes (Bürgergeldgesetz) vom 16.12.2022 wurde das bisherige Arbeitslosengeld II durch das Bürgergeld abgelöst. Die Leistungen des Bürgergeldes umfassen nach § 19 Abs. 1 S. 3 des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Bei der Bemessung des Regelbedarfs nehmen die Regelungen des SGB II auf die Vorschriften im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII), im Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz und in der für das jeweilige Jahr geltenden Regelbedarfsstufen-Fortschreibungsverordnung Bezug (s. § 20 Abs. 1a SGB II). Bedarfe für Unterkunft und Heizung werden (unter Berücksichtigung einer Karenzzeit) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (Einzelheiten § 22 SGB II). Weitere Leistungen zur Deckung besonderer Bedarfe (z.B. Mehrbedarfe von Leistungsberechtigten mit Behinderung, Bedarfe für die private Krankenversicherung, Bedarfe für Bildung von Kindern und Jugendlichen) sind in § 21 SGB II und §§ 23 ff. SGB II geregelt.
Die im SGB XII normierte „Hilfe zum Lebensunterhalt“ (Drittes Kapitel: §§ 27 ff. SGB XII) unterteilt den „gesamten notwendigen Lebensunterhalt“ (§ 27a Abs. 1 SGB XII) in den Regelbedarf (1. Abschnitt, §§ 27 ff. SGB XII) und die weiteren Bedarfe nach dem 2. - 4. Abschnitt (vgl. § 27a Abs. 2 SGB XII). Die Ermittlung der Regelbedarfe erfolgt nach Maßgabe des § 28 SGB XII im Ausgangspunkt durch eine jeweilige Neuermittlung auf Basis der Ergebnisse einer aktuellen Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS)). Sofern keine aktuelle EVS ausgewertet vorliegt, werden die Regelsätze für die nachfolgenden Jahre jeweils zum 1.1. nach Maßgabe des § 28 a SGB XII fortgeschrieben. Die Regelbedarfsstufe I (Bedarf für eine erwachsene Person, die – nicht mit einem Ehegatten oder Lebenspartner oder in eheähnlicher oder lebenspartnerschaftsähnlicher Gemeinschaft mit einem Partner zusammen – in einer Wohnung nach § 42a Absatz 2 Satz 2 SGB XII wohnt) belief sich auf dieser Grundlage gem. der Anlage I zu § 28 SGB XII für das Jahr 2023 auf 502 EUR und entsprach damit dem Wert, den sowohl der 14. Existenzminimumbericht als auch das InflAusG bei der Bemessung des steuerlichen Grundfreibetrags zugrunde legten. Für das Jahr 2024 wird ein Regelbedarf I von 563 EUR (Anlage I zu § 28 SGB XII; § 2 der Regelbedarfs-Fortschreibungsverordnung 2024, Bundesgesetzblatt -BGBl- I 2023, Nr. 287) gewährt; dieser liegt 26 EUR monatlich (Jahresbetrag 26 x 12 = 312 EUR) über dem im Existenzminimumbericht ausgewiesenen Betrag von 537 EUR. Die Bedarfe für Unterkunft und Heizung regelt das Sozialrecht – wie im SGB II – auch hier individuell: Gem. § 35 SGB XII werden die Bedarfe (unter Berücksichtigung einer Karenzzeit) in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind (Einzelheiten s. im 4. Abschnitt: „Bedarfe für Unterkunft und Heizung“, §§ 35 - 36 SGB XII). Weitere Leistungen zur Deckung besonderer Bedarfe (z.B. Mehrbedarfe von Leistungsberechtigten mit Behinderung, Bedarfe für die private Krankenversicherung, Bedarfe für Bildung von Kindern und Jugendlichen) sind im 2. Abschnitt (§§ 30 ff. SGB XII „Zusätzliche Bedarfe“) und im 3. Abschnitt (§§ 34 ff. SGB XII „Bedarfe für Bildung und Teilhabe“) geregelt.
d.) Bei der Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags gelten folgende Rechtsgrundsätze (s. bspw. Bundesfinanzhof -BFH- Urteil vom 27.7.2017, III R 1/09, BStBl. II 2018, 96):
aa.) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts -BVerfG- muss dem Steuerpflichtigen nach Erfüllung seiner Einkommensteuerschuld so viel verbleiben, wie er zur Bestreitung seines notwendigen Lebensunterhalts und – unter Berücksichtigung von Art. 6 Abs. 1 GG – desjenigen seiner Familie bedarf (Existenzminimum; BVerfG-Beschluss vom 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 [BB 1992, 2124]; BFH-Urteil vom 18.11.2009, BStBl. II 2010, 414). Die Höhe des steuerlich zu verschonenden Existenzminimums hängt von den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen und dem in der Rechtsgemeinschaft anerkannten Mindestbedarf ab. Diesen einzuschätzen ist Aufgabe des Gesetzgebers. Soweit der Gesetzgeber jedoch sozialrechtlich den Mindestbedarf bestimmt hat, den der Staat bei einem mittellosen Bürger im Rahmen sozialstaatlicher Fürsorge durch Staatsleistungen zu decken hat, darf das von der Einkommensteuer zu verschonende Existenzminimum diesen Betrag jedenfalls nicht unterschreiten (BVerfG-Beschluss vom 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 [BB 1992, 2124]; BFH-Urteil vom 18.11.2009, BStBl. II 2010, 414).
bb.) Das verfassungsrechtliche Gebot der steuerlichen Verschonung des Familienexistenzminimums fordert nach gefestigter Rechtsprechung des BVerfG (Beschluss vom 10.11.1998, 2 BvL 42/93, BVerfGE 99, 246, 259 f., m.w.N. [BB 1999, 2]), dass existenznotwendiger Aufwand in angemessener, realitätsgerechter Höhe von der Einkommensteuer freigestellt wird. Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist der sich aus Art. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG ergebende Grundsatz, dass der Staat dem Steuerpflichtigen sein Einkommen insoweit steuerfrei belassen muss, als es zur Schaffung der Mindestvoraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein benötigt wird. Der existenznotwendige Bedarf bildet von Verfassungs wegen die Untergrenze für den Zugriff durch die Einkommensteuer. Die von Verfassungs wegen zu berücksichtigenden existenzsichernden Aufwendungen müssen nach dem tatsächlichen Bedarf – realitätsgerecht – bemessen werden. Dessen Untergrenze ist durch die Sozialhilfeleistungen konkretisiert, die das im Sozialstaat anerkannte Existenzminimum gewährleisten sollen, verbrauchsbezogen ermittelt und auch regelmäßig den veränderten Lebensverhältnissen angepasst werden. Mindestens das, was der Gesetzgeber dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt, muss er dem Einkommensbezieher von dessen Erwerbsbezügen belassen (z.B. BFH-Urteil vom 18.11.2009, BStBl. II 2010, 414). Die Maßgröße für das einkommensteuerrechtliche Existenzminimum ist demnach der im Sozialhilferecht jeweils anerkannte Mindestbedarf. Zur Ermittlung eines Anpassungsbedarfs bei der Festlegung des steuerfreien Existenzminimums legt die Bundesregierung gemäß dem Beschluss des Deutschen Bundestags vom 02.06.1995 alle zwei Jahre einen Bericht über die Höhe des Existenzminimums von Erwachsenen und Kindern vor.
e.) Bei Anwendung dieser Rechtsgrundsätze, ist der Senat trotz bestehender verfassungsrechtlicher Bedenken nicht von der Verfassungswidrigkeit des § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des InflAusG überzeugt.
aa.) Gründe dafür, dass der in das steuerliche Existenzminimum eingeflossene Regelbedarf im Rahmen des 14. Existenzminimumberichts in verfassungswidriger Weise ermittelt oder festgestellt wurde, liegen nicht vor. Dabei ist zunächst zu beachten, dass es nicht möglich ist, das verfassungsrechtlich gebotene subjektiv-öffentliche Recht auf Gewährung des Existenzminimums auf einen konkreten Betrag exakt zu beziffern (BSG-Vorlagebeschluss vom 27.1.2009, B 14/11b AS 9/07, ZFE 2009, 116). Auch gibt es keinen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes inhaltliches Verfahren bzw. Verfahrensergebnis bei der Ermittlung der Regelleistung. Bei der Ermittlung der Höhe der Regelleistung verbleibt stets ein Wertungsspielraum. Innerhalb dieser Einschätzungsprärogative muss der Gesetzgeber letztlich nur von realitätsbezogenen Grundannahmen ausgehen. Deshalb können – im Sozialrecht ebenso wenig wie im Steuerrecht – die einzelnen Positionen der EVS nicht auf ihre inhaltliche Richtigkeit überprüft werden, solange im Gesamtergebnis davon auszugehen ist, dass die Regelleistung das Existenzminimum wahrt (vgl. m.w.N. BFH-Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, 414).
Der Gesetzgeber konnte nach Auffassung des Senats im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zum InflAusG die Ergebnisse des 14. Existenzminimumberichts vom 2.11.2022 zugrunde legen. In dem Bericht werden die sozialhilferechtlichen Regelsätze auf Basis der letzten ausgewerteten EVS ermittelt, wobei – da eine aktuell ausgewertete EVS noch nicht vorlag – die auf der EVS fußenden Regelsätze des Vorjahres jeweils zum 1. Januar mit dem nach § 28a SGB XII anzuwendenden Mischindex fortgeschrieben wurden. Dieser Index berücksichtigt die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen sowie die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Nettolöhne und -gehälter je beschäftigtem Arbeitnehmer nach der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung. Maßgeblich ist jeweils die Veränderungsrate, die sich aus der Veränderung in dem Zwölfmonatszeitraum, der mit dem 1. Juli des Vorvorjahres beginnt und mit dem 30. Juni des Vorjahres endet, gegenüber dem davorliegenden Zwölfmonatszeitraum ergibt (§ 28a Abs. 3 SGB XII). Zudem wurde im Rahmen der ergänzenden Fortschreibung (§ 28a Abs. 4 SGB XII) die bundesdurchschnittliche Entwicklung der Preise für regelbedarfsrelevante Güter und Dienstleistungen in dem Dreimonatszeitraum vom 1. April bis zum 30. Juni des Vorjahres gegenüber dem gleich abgegrenzten Dreimonatszeitraum des Vorvorjahres berücksichtigt; dieses zum 1.1.2023 modifizierte Fortschreibungsverfahren diente der Berücksichtigung auch dynamischer Preisentwicklungen.
Im Ergebnis erfolgte diese Fortschreibung für 2023 in Höhe von insgesamt 11,75% (502 EUR) zum Vorjahreswert und für 2024 – aufbauend auf dem Fortschreibungsergebnis für 2023 – um 6 - 8 % (537 EUR, Einzelheiten s. Bericht Seite 5). Entgegen der klägerischen Auffassung erkennt der Senat in Bezug auf die Steigerungsraten von 11,75% und 6 - 8 % keine – zu einer Verfassungswidrigkeit führende – unterdurchschnittliche Erhöhung. Nach einer Pressemitteilung des statistischen Bundesamtes vom 16.1.2024 lag die Inflationsrate für das Jahr 2023 bei 5,9 % und für das Jahr 2022 bei 6,9 % (abrufbar unter: https://www.destatis.de/DE/Presse/Pressemitteilungen/2024/01/PD24_020_611.html#:~:text=%E2%80%9EDie%20Inflationsrate%20f%C3%BCr%20das%20Jahr,Brand%2C%20Pr%C3%A4sidentin%20des%20Statistischen%20Bundesamtes).
Selbst wenn man die von den Klägern zitierte Rate von 7,9 % für 2023 heranzöge, wäre der Gesetzgeber dieser Entwicklung durch benannten Steigerungen hinreichend nachgekommen. Der Vortrag, dass das Existenzminimum durch die im InflAusG erfolgte Anhebung der Werte schon angesichts der hohen Inflation nicht freigestellt werde, greift damit nicht durch.
bb.) Eine Verfassungswidrigkeit ergibt sich auch nicht aus den Werten, welche der Gesetzgeber bei der Bemessung der Kosten für die Unterkunft zugrunde gelegt hat. Während die Kosten für eine angemessene Unterkunft (Wohnung und Heizkosten) im Sozialrecht individuell anhand der konkreten Gegebenheiten erstattet werden, können diese Aufwendungen im Steuerrecht nur pauschal Berücksichtigung finden. Grund dafür ist die unterschiedliche Zielsetzung der nach dem Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichteten Einkommensbesteuerung auf der einen und des am Bedürfnisprinzip orientierten Sozialrechts auf der anderen Seite (BFH-Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, 414). Die vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung ist von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (BVerfG-Beschluss vom 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91 [BB 1992, 2124]; BFH-Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, 414). Auf dem Wohnungsmarkt besteht ein beachtliches Preisgefälle für existenznotwendige Aufwendungen. Es ist dem Gesetzgeber nach der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung in diesem Sonderfall nicht verwehrt, sich bei der Bemessung des steuerfrei zu stellenden Betrags hinsichtlich der Wohnkosten an einem unteren Wert zu orientieren, wenn er zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld, zur Verfügung stellt (BVerfG-Beschluss vom 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91 [BB 1992, 2124]; BFH-Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, 414). Eine Orientierung an einem mittleren Wert oder – wie von den Klägern angeführt – eine Orientierung an den Mietspiegeln einzelner Städte (wie Dortmund oder München) ist daher nicht geboten.
Unter Berücksichtigung dessen ist nach der Auffassung des erkennenden Senats die im 14. Existenzminimumbericht für die Berechnung der Unterkunftskosten als angemessen angesehene Wohnfläche von 40 qm (60 qm für Ehepaare ohne Kinder) nicht zu beanstanden. Diese Quadratmeterzahl ist bereits von der höchstrichterlichen Rechtsprechung anerkannt worden (vgl. etwa BFH-Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, 414) und steht – worauf im Bericht zutreffend hingewiesen wird – im Einklang mit den statistischen Werten zur Wohnungsgröße bei Wohngeldbeziehern (Statistiken online abrufbar über das statistische Bundesamt). Auch die an der Wohngeldstatistik orientierte Bemessung des in Ansatz gebrachten Quadratmeterpreises ist verfassungsrechtlich zulässig gewesen. Maßgeblich für die Preisermittlung ist dabei eine angemessene – eine nach Ausstattung, Zuschnitt, Wohnfläche und Lage einfache – Wohnung. Lage, Wohnungsbausubstanz, Erhaltungszustand und Zuschnitt der Räume sowie Ausstattung (z.B. Sanitäranlagen) müssen ein einfaches und bescheidenes, aber menschenwürdiges Leben ermöglichen (BFH-Urteil vom 18.11.2009, X R 34/07, BStBl. II 2010, 414).
In Ansehung dieser Maßgaben ist es zulässig, wenn im 14. Existenzminimumbericht für die Berücksichtigung angemessener Wohnkosten von Wohnungen mit einfacher Ausstattung ausgegangen wird. Damit im Einklang steht es, dass als Ausgangswert für die Bedarfsermittlung die statistisch ermittelte durchschnittliche Bruttokaltmiete bei Wohngeldempfängern für 2020 zugrunde gelegt und prognostisch eine Steigerungsrate von 2,5 % p.a. heranzogen wird. Denn im Ergebnis wird damit für die Preisberechnung der durch Wohngeld geförderte Mietraum in den Blick genommen, und in diesem Rahmen der Durchschnittswert einer Bruttokaltmiete als angemessen zugrunde gelegt. Dabei ist es nach der o.g. Rechtsprechung sogar zulässig, wenn sich der Gesetzgeber – neben dem ohnehin bestehenden Wertungsspielraum – im Steuerrecht an einem unteren Wert orientiert, sofern er dabei zugleich zur ergänzenden Deckung des Bedarfs nach dem Einzelfall bemessene Sozialleistungen, wie etwa Wohngeld, zur Verfügung stellt. In einem solchen Fall ist damit ein Unterschreiten nicht nur von exemplarisch herangezogenen Mieten aus verschiedenen, konkret benannten Städten zulässig; es wäre danach auch ein Unterschreiten der Durchschnittswerte bei Wohngeldbeziehern zulässig gewesen.
Derartige, ein Unterschreiten legitimierende Sozialleistungen stellt der Gesetzgeber im Streitzeitraum auch zur Verfügung: Mit der am 1.1.2023 in Kraft getretenen Wohngeldreform ist die – ohnehin bereits existierende – Förderung durch das Wohngeldgesetz umfassend ausgebaut worden (s. Gesetz zur Erhöhung des Wohngeldes und zur Änderung anderer Vorschriften [Wohngeld-Plus-Gesetz] vom 5.12.2022, BGBl. 2022 I, Nr. 48, S. 2160). Durch die damit einhergehenden Erweiterungen des Wohngeldes wurde dabei dem strukturellen Anpassungsbedarf Rechnung getragen, der sich aus einer zunehmenden Wohnkostenbelastung insbesondere infolge drastischer Preissteigerungen bei den Energiekosten ergab. Flankiert wurden diese Leistungen durch das mit Gesetz vom 9.11.2022 (BGBl. I, 2018) geänderte und in seinen Leistungen ab dem Jahr 2023 ebenfalls erweiterte Heizkostenzuschussgesetz (s.a. Zusammenfassung im 14. Existenzminimumbericht, Seite 5). Im Lichte dieser Förderung entspricht es den Maßgaben des Verfassungsgerichts, wenn sich der Gesetzgeber für die Bemessung des Erforderlichen für die Unterkunft an der durchschnittlichen Bruttokaltmiete bei Wohngeldempfängern orientiert. Der klägerische Einwand, dass Empfänger des Bürgergeldes Mitzahlungen nach dem örtlichen Mietspiegel – bspw. für Dortmund maximal 510 EUR und für München maximal 688 EUR Bruttokaltmiete monatlich – erhielten, verfängt daher nicht.
Gleichwohl sieht der Senat, dass die faktische Kostenübernahme für die Unterkunft im Rahmen des Sozialrechts in weiten Teilen über den im Rahmen des Grundfreibetrags berücksichtigten Kosten liegen dürfte. Dieser Umstand ist zudem dadurch verschärft worden, dass das sozialrechtliche Bedürfnisprinzip durch die Einführung der Karenzzeit (§ 35 SGB XII, § 22 SGB II) teilweise aufgehoben worden ist. Erst nach Ablauf dieser Karenzzeit – die unter bestimmten Voraussetzungen auch mehrmals in Anspruch genommen werden kann – wird die Angemessenheit der getragenen Kosten überprüft. Das hat zur Folge, dass die Kostenübernahme während der Karenzzeit ohne Angemessenheitsprüfung erfolgt und der damit faktisch bediente sozialrechtliche Bedarf in diesem Rahmen nicht unerheblich von dem auf der Typisierung beruhenden Grundfreibetrag abweichen dürfte. Eine solche Abweichung vermag nach Auffassung des Senats durchaus verfassungsrechtliche Bedenken zu begründen, da sich der Gesetzgeber in diesem Rahmen von der erforderlichen Maßgeblichkeit (s.o.) des sozialrechtlich festgelegten Bedarfs für die Bemessung des Grundfreibetrags loslöst. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mit den benannten Regelungen zur Karenzzeit im Rahmen des Sozialrechts auf eine – vorübergehende – Sondersituation reagiert, die als Maßstab für eine (zulässige) typisierende Betrachtung bei der Bemessung des steuerlichen Grundfreibetrags grundsätzlich ungeeignet ist. Insofern ist der Senat trotz bestehender Bedenken nicht davon überzeugt, dass dieses vorübergehende Auseinanderfallen der sozialrechtlichen Unterstützung und der steuerlichen Freistellung den von der Rechtsprechung aufgestellten Grundsätzen widerspricht. Insbesondere liegt der von den Klägern gerügte Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG nicht vor, da die zu regelnden Sachverhalte im Anwendungsbereich der verschiedenen Rechtsmaterien insoweit nicht gleich sind und damit eine identische Behandlung nicht erforderlich ist.
cc.) Eine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit des Grundfreibetrags wird auch nicht im Hinblick auf die Bemessung der Heizkosten begründet. Auch insoweit ist – wie bei der Bemessung des Regelbedarfs – der im 14. Existenzminimumbericht erfolgte Rückgriff auf die letzte ausgewertete EVS zulässig, weil diese eine realitätsnahe Ermittlungsgrundlage liefert und in statistisch zuverlässiger Weise das Verbrauchsverhalten der Bevölkerung abbildet (vgl. BVerfGE-Urteil vom 9.2.2010, 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, BVerfGE 125, 175). Im Bericht wird dabei aufbauend von diesem Wert für den Zeitraum von 2019 bis 2024 von einem jahresdurchschnittlichen Anstieg von rund 7 % ausgegangen. Zudem wird darauf hingewiesen, dass bei der Förderung durch das Wohngeld neben der Berücksichtigung des Anstiegs der Bruttokaltmiete in dem ab dem 1.1.2023 geltenden höheren Leistungsniveau die zu berücksichtigende Miete auch einen Betrag der Kosten für Heizung und Warmwasser einschließe. Bei der Wohngeldberechnung werden zur Entlastung bei den Heizkosten seit 1.1.2021 eine CO2-Komponente und ab 1.1.2023 zusätzlich eine Heizkostenkomponente berücksichtigt (s. § 12 Wohngeldgesetz -WohnGG-; s. dazu Gesetzentwurf zum „Wohngeld-Plus-Gesetz, BT Drs. 20/3936, S. 61 f.). Zudem profitieren Wohngeldbeziehende vom Heizkostenzuschuss I und vom Heizkostenzuschuss II für die im Verlauf der Jahre 2021 und 2022 im Vergleich zu Vorjahren überproportional gestiegenen Energiekosten. Unter Berücksichtigung dieser vom Gesetzgeber zusätzlich bereitgestellten Regelungen erkennt der Senat nicht, dass die im Zeitpunkt der Berichterstattung notwendig prognostische Bemessung der Steigerungsrate so gering bemessen wurde und die Summe des freigestellten Existenzminimums so gering wäre, dass das vom Gesetzgeber zu gewährende einfache und bescheidene, aber menschenwürdige Leben nicht möglich wäre.
dd.) Der Einwand der Kläger, dass das Bundesverfassungsgericht standardisierend davon ausgehe, dass das bei der Ermittlung des steuerfreien Existenzminimums ein Mehrbedarf von Arbeitnehmern (auch Selbständigen) von 25 % des Regelsatzes zu berücksichtigen sei, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zwar hat das BVerfG in seinem Beschluss vom 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BVerfGE 87, 153 [BB 1992, 2124]) klargestellt, dass das einkommensteuerlich zu verschonende Minimum der im Sozialhilferecht anerkannte Mindestbedarf sei; auch impliziere dieser sozialrechtliche Bedarf einen „Mehrbedarf für Erwerbstätige“, den das Verfassungsgericht in dem besagten Beschluss mit 25 % des jeweiligen Regelsatzes veranschlagt hat.
Allerdings lag dieser Annahme der Umstand zugrunde, dass nach der damaligen Rechtslage im Sozialrecht neben einem Regelbedarf u.a. auch ein sog. „Mehrbedarf für Erwerbstätige“ zu berücksichtigen war (vgl. § 23 Abs. 4 Nr. 1 des Bundessozialhilfegesetzes, BSHG i.d.F.v.1.1.1991). Die diesen Bedarf anordnende Vorschrift des § 23 Abs. 4 Nr. 1 BSHG ist im Jahr 1993 aufgehoben und das BSHG später außer Kraft gesetzt worden. Eine entsprechende Vorschrift findet sich für die Bemessung des Bürgergeldes / der Hilfe zum Lebensunterhalt für den Zeitraum 2023, 2024 nicht (mehr), so dass der „Mehrbedarf für Erwerbstätigte“ bei der Bemessung des Mindestbedarfs auch nicht mehr zu berücksichtigen ist (s.a. BFH-Beschluss vom 19.3.2014, III B 74/13, BFH/NV 2014, 1032, auch zu den seit der Hartz-Reform weitgehend eingestellten einmaligen Bedarfen). Den übrigen, im Sozialrecht gesondert zu berücksichtigenden (Mehr-)Bedarfen trägt der Gesetzgeber im Rahmen des Ertragssteuerrechts durch gesonderte Regelungen hinreichend Rechnung. So wird etwa dem erforderlichen Kranken- und Pflegeversicherungsschutzbedürfnis dadurch Rechnung getragen, dass gem. § 10 EStG die tatsächlichen Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur gesetzlichen oder privaten Kranken- und Pflegeversicherung in voller Höhe abziehbar sind, soweit sie zur Erlangung des sozialhilfegleichen Niveaus erforderlich sind. Besondere Aufwendungen für eine Entbindung bspw. können als außergewöhnliche Belastung über § 33 EStG geltend gemacht werden; Erstlingsausstattungen wiederum werden durch den Kinderfreibetrag bzw. das steuerrechtliche Kindergeld berücksichtigt und behindertenbedingte Mehraufwendungen bspw. werden durch § 33b EStG berücksichtigt.
ee.) Während der Gesetzgeber den im Existenzminimumbericht ermittelten Regelbedarf für das Jahr 2023 sowohl im Sozialrecht als auch im Steuerrecht in gleicher Höhe berücksichtigt hat, ist dies für den Veranlagungszeitraum 2024 nicht der Fall (s.o.). Dennoch ist der Senat auch nicht mit Blick auf den im Jahr 2024 in unterschiedlicher Weise berücksichtigten Regelbedarf von einer Verfassungswidrigkeit des § 32a Abs. 1 Nr. 1 EStG (in seiner ab dem 1.1.2024 geltenden Fassung) überzeugt.
Dabei ist jedoch zu beachten, dass im Jahr 2024 der im 14. Existenzminimumbericht ermittelte Regelbedarf von 537 EUR im Sozialrecht nicht in Ansatz gebracht wurde, sondern mit 563 EUR ein um 26 EUR pro Monat (312 EUR jährlich) höherer Wert maßgeblich ist. Im Steuerrecht dagegen hat der Gesetzgeber bei der Bemessung des Grundfreibetrags den Regelbedarf von 537 EUR herangezogen. Selbst wenn man dabei die Erhöhung des Grundfreibetrags zum „Ausgleich der kalten Progression“ (so die Gesetzesbegründung, s.o.) um weitere 132 EUR berücksichtigt, wird im Steuerrecht ein um (312 - 132 =) 180 EUR jährlich (15 EUR monatlich) geringerer Regelbedarf zugrunde gelegt als im Sozialrecht. Dieser unterschiedliche Ansatz ist nach Auffassung des Senats zwar geeignet, Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Grundfreibetrags hervorzurufen; er führt aber nicht zu der für eine Vorlage erforderlichen Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit:
Nach den vom BVerfG aufgestellten Grundsätzen muss der Steuergesetzgeber Einkommensbezieher von seinen Erwerbsbezügen zumindest das belassen, was er dem Bedürftigen zur Befriedigung seines existenznotwendigen Bedarfs aus öffentlichen Mitteln zur Verfügung stellt. Die Maßgröße für das einkommensteuerliche Existenzminimum ist demnach der im Sozialhilferecht jeweils anerkannte Mindestbedarf, der allgemein durch Hilfen zum notwendigen Lebensunterhalt an jeden Bedürftigen befriedigt wird (BVerfG-Beschluss vom 25.9.1992, 2 BvL 5/91, 2 BvL 8/91, 2 BvL 14/91, BStBl. II 1993, 413 [BB 1992, 2124]). Bei Berücksichtigung dieser Rechtsprechung wird unter dem Aspekt einer „rechtsübergreifenden Folgerichtigkeit“ erwogen, ob der Gesetzgeber, wenn er den sozialrechtlichen Regelbedarf höher bemisst, als er es nach dem Existenzminimumbericht müsste, auch bei der Berechnung des steuerlichen Grundfreibetrags eine betragsmäßig höhere Position für den Regelbedarf hätte mit einstellen müssen (vgl. Bucholz, „Asymmetrie der Anpassungen des Bürgergelds und des steuerfreien Existenzminimums“, abrufbar unter https://verfassungsblog.de/asymmetrie-der-anpassungen-des-burgergelds-und-des-steuerfreien-existenzminimums/). Denn Ausgangspunkt für die „Maßgröße“ im Steuerrecht sei das Sozialrecht, also die sozialrechtlichen Vorschriften. Wenn sich der Gesetzgeber (wie hier) im Rahmen dieser Vorschriften vom Existenzminimumbericht nach oben abhebe, so müsse er dies in beiden Rechtsmaterien – Sozialrecht und Steuerrecht – tun.
Inhaltlich mit dieser Auffassung geht die Rüge der Kläger einher, wonach das bei ihnen von der Steuer freigestellte Existenzminimum deutlich unter dem neuen sozialrechtlichen Existenzminimum liege. Diese Rüge ist die Folge des Umstands, dass in die Bemessung des steuerlichen Grundfreibetrags nicht nur ein niedrigerer Regelbedarf als im Sozialrecht einfließt, sondern dass sich zudem die im Grundfreibetrag berücksichtigen Kosten für die Unterkunft an einem unteren Wert orientiert. Beide Komponenten – geringerer Regelbedarf im Steuerrecht, unterer Rahmen der Unterkunftskosten im Steuerrecht – führen dazu, dass Steuerpflichtige, wie die Kläger, mit Blick auf das Existenzminimum weniger Entlastung durch den Staat erhalten, als eine Vielzahl von Bürgergeldempfängern an Sozialleistungen beziehen, und dass zudem auch (seit 2023 deutlich mehr) Menschen, die keine Leistungen nach dem SGB erhalten, trotz ihrer Erwerbstätigkeit höhere staatliche Entlastungen als die Kläger erhalten, weil bei ihnen – anders als bei den Klägern – die am unteren Wert erfolgte Bemessung des Grundfreibetrags durch die Gewährung von Wohngeld als flankierende Sozialleistung kompensiert werden muss und sie damit neben der steuerlichen Freistellung weitere staatliche Leistungen in Anspruch nehmen.
Dies vorangeschickt, bestehen nach Auffassung des erkennenden Senats unter Berücksichtigung der o.g. Rechtsprechung durchaus verfassungsrechtliche Bedenken im Hinblick darauf, dass die Ergebnisse des 14. Existenzminimumberichts zum Regelbedarfsniveau im Sozial- und im Steuerrecht in unterschiedlicher Weise berücksichtigt wurden. Denn das Verfassungsgericht hat dem Gesetzgeber zwar eine Einschätzungsprärogative bei der Bestimmung des steuerlichen Existenzminimums eingeräumt. Auch geht damit keine strenge Bindung an die Ergebnisse eines Existenzminimumberichts einher, sodass grundsätzlich ein Abweichen von den Berichtsergebnissen sowohl nach oben als auch nach unten zulässig ist. Zugleich aber hat das Verfassungsgericht auch klargestellt, dass das somit bestehende Bestimmungsrecht des Gesetzgebers mit der Kodifikation der maßgeblichen Beträge im Sozialrecht ausgeübt wird und nicht ein weiteres Mal im Steuerrecht – mit anderem Ergebnis – ausgeübt werden kann. Trifft der Gesetzgeber im Sozialrecht daher eine bestimmte Entscheidung, ist diese folglich auch im Steuerrecht maßgeblich und zwar auch dann, wenn nach dem Existenzminimumbericht durchaus ein anderer Wert vertretbar gewesen wäre.
Gleichwohl genügen die insoweit bestehenden Bedenken nicht aus, um eine Überzeugung des Senats von der Verfassungswidrigkeit des für 2024 geltenden steuerlichen Grundfreibetrags zu begründen. Denn auch wenn das Verfassungsgericht eine grundsätzliche Maßgeblichkeit des Sozialrechts für die Bemessung des steuerlichen Existenzminimums angenommen hat, so ist damit kein vollständiger Gleichklang der Zuwendungen/Freistellung in beiden Rechtsgebieten verbunden. Insbesondere wird dem Gesetzgeber eine vergröbernde, die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde, Typisierung zugestanden (s.o.) und im Bereich der variablen Kosten für die Wohnung eine Orientierung am „unteren Wert“ eingeräumt (s.o.). Insgesamt – so das Verfassungsgericht – kann das Existenzminimum folglich nur „annäherungsweise“ am Maßstab der Sozialhilfeleistungen bestimmt werden (BVerfG-Beschluss vom 25.09.1992 2 BvL 5, 8, 14/91, BStBl. II 1993, 413 [BB 1992, 2124]). Dabei ist weiterhin zu berücksichtigen, dass Gegenstand der verfassungsrechtlichen Prüfung allein die zugrundeliegende Norm ist und damit der Grundfreibetrag, wie er sich letztendlich als Summe seiner Komponenten im Gesetz niederschlägt. Maßgeblich ist hingegen nicht, ob die einzelnen, in den Grundfreibetrag einbezogenen Rechenwerte – jeder für sich genommen – eine unmittelbare Entsprechung im Sozialrecht findet. Entscheidend ist, ob der Steuergesetzgeber den Grundfreibetrag unter Berücksichtigung seiner Typisierungsbefugnis in Bezug auf die im Sozialrecht variablen Leistungen insgesamt in einer Form so ausgestaltet, dass sich der von der Besteuerung freigestellte Betrag „annäherungsweise“ am sozialrechtlichen Maßstab orientiert. Dies ist nach Auffassung des Senats auch für das Jahr 2024 – noch – der Fall, auch wenn der Gesetzgeber bei Berechnung des Grundfreibetrags einen jährlich um 180 EUR geringeren Wert für den Regelbedarf einstellt als im Sozialrecht. So wäre es in Ansehung der von Verfassungs wegen gewährten Einschätzungsprärogative und der von der Rechtsprechung eingeräumten Möglichkeit einer Bemessung der Wohnkosten am unteren Wert etwa auch möglich gewesen, nicht die durchschnittliche Bruttokaltmiete von Wohngeldempfängern, sondern einen darunterliegenden Wert zu wählen (s.o.). Insoweit besteht für die Ermittlung des Grundfreibetrags ein Spielraum, den der Gesetzgeber ausschöpfen kann und den er mit dem rechnerischen Minus von 15 EUR monatlich noch nicht ausgeschöpft hat. Der Gesamtwert bleibt trotz dieser Differenz noch in dem Bereich des Rahmens, der dem Gesetzgeber vom Verfassungsgericht eingeräumt wurde, der sich also „annäherungsweise“ am sozialrechtlichen Maßstab orientiert und der auch insgesamt den im Existenzminimumbericht aufgezeigten Maßgaben entspricht (s.o.).
Auch, wenn der Gesetzgeber sowohl durch die typisierende Bemessung der Wohnkosten (s.o.) und durch die Einräumung der Karenzzeit (s.o.) als auch durch die unterschiedliche Berücksichtigung des Regelbedarfs in den beiden Rechtsmaterien (s.o.) in zahlreichen Fällen mehr Sozialleistungen erbringt als er Steuerpflichtigen, wie den Klägern, durch den Grundfreibetrag von der Steuer freistellt, besteht im Hinblick auf § 32a Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des InflAusG damit trotz der benannten verfassungsrechtlichen Bedenken keine für eine Vorlage hinreichende Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der Norm.
4.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO.