FG Köln: Gewerbliche Einkünfte beim Betrieb therapeutischer Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe
FG Köln, Urteil vom 23.5.2019 – 1 K 1430/16
ECLI:DE:FGK:2019:0523.1K1430.16.00
Volltext BB-Online BBL2019-2709-3
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Qualifizierung von Einkünften des Klägers als solche aus selbständiger Arbeit oder Gewerbebetrieb und damit über die Frage, ob diese Einkünfte der Gewerbesteuer unterliegen.
Der Kläger ist Diplom-Sozialarbeiter und betreibt die therapeutische Einrichtung A. Für die therapeutische Arbeit beschäftigt der Kläger mehrere Fachkräfte, u.a. sozialpädagogische Fachkräfte und Psychologen.
In den Streitjahren (...) war die Einrichtung durchschnittlich mit 65 Heimplätzen in der Gruppenarbeit, 8 in sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften und 5 im betreuten Wohnen belegt. Die Verwaltung aller Bereiche erfolgt von dem Betriebsgebäude in B, C-Straße ..., aus.
...
Die Betreuung erfolgt in der Regel in Wohngruppen in verschiedenen Häusern in B, D, E, F und G. Die Kinder und Jugendlichen besuchen daneben öffentliche Schulen.
Der Kläger selbst betreut keine der Gruppen unmittelbar.
Das Betreuungsangebot umfasst nach der Darstellung der Einrichtung u.a. folgende Leistungen:
„...“
Der Kläger ermittelt seinen Gewinn aus dem Betrieb des Heimes durch Bestandsvergleich (§ 4 Abs. 1, § 5 Einkommensteuergesetz -EStG-). In der Einkommensteuererklärung der Streitjahre erklärte er den Gewinn als Einkünfte aus selbständiger Arbeit.
Am 01.12.2014 begann beim Kläger eine Betriebsprüfung. Die Betriebsprüfung kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit des Klägers als eine gewerbliche Tätigkeit anzusehen sei (vergleiche Betriebsprüfungsbericht vom 10.06.2015, BP-Akte).
Infolge dessen erließ der Beklagte am 07.09.2015 erstmalige Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag für die Streitjahre.
Hiergegen legte der Kläger fristgerecht Einspruch ein und machte neben weiteren Punkten geltend, dass seine Tätigkeit eine freiberufliche Tätigkeit sei und daher keine Gewerbesteuer festzusetzen sei.
Mit Änderungsbescheiden vom 24.03.2016 half der Beklagte dem Einspruch des Klägers in den übrigen streitigen Punkten, nicht aber hinsichtlich der Qualifizierung der Einkünfte aus dem Betrieb des Heimes ab.
Den verbliebenen Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 09.05.2016 als unbegründet zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 27.05.2016 Klage erhoben und diese wie folgt begründet:
Er sei mit der von ihm betriebenen Einrichtung freiberuflich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG tätig. Er übe eine erzieherische Tätigkeit aus. Zwischen den Beteiligten sei letztlich nur streitig, ob er trotz der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte noch aufgrund seiner eigenen Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig werde im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG.
Dies sei zu bejahen. Denn alle Mitarbeiter im Erziehungsbereich arbeiteten unter seiner Anleitung und Überprüfung und die Erziehung jedes einzelnen jungen Menschen trage mithin seine persönliche Prägung als Heimleiter.
Die Tatbestandsmerkmale „leitend" und „eigenverantwortlich" stünden nach der Rechtsprechung selbständig nebeneinander, sie könnten aber auch nicht völlig unabhängig voneinander gesehen werden. Insbesondere in einer vom Inhaber geführten Einrichtung sei eine leitende, im Sinne von richtungsweisender und führender Tätigkeit immer auch eigenverantwortlich. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht seien die Verwaltung des Sach- und Personalbereichs, die Arbeitsplanung und Arbeitsverteilung von Mitarbeitern leicht zu übernehmende Routine oder auf externe Dienstleister (z.B. Steuerberater) zu übertragen, so dass dem Inhaber für eine persönliche Teilhabe an der praktischen Arbeit im Bereich der Erziehung nicht nur ausreichend sondern überwiegend Zeit zur Verfügung stehe. Die Auswahl und Aufsicht über die Mitarbeiter im Betreuungsbereich, deren Anleitung und Überprüfung, insbesondere durch persönliche Mitwirkung, könne als seine Haupttätigkeit angesehen werden und stelle sicher, dass die Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte den Stempel seiner Persönlichkeit trage.
Er als Einrichtungsleiter steuere die Umsetzung der Betreuung für jeden jungen Menschen in einem Hilfeplan. Die stationäre Kinder- und Jugendhilfe sei pädagogisch auf die Arbeit in überschaubaren Kleingruppen ausgerichtet. Zur Umsetzung des Hilfeplans bestimme der Heimleiter eine geeignete Gruppe. Er alleine bestimme die pädagogischen Maßnahmen zur Umsetzung des Hilfeplans, was allerdings eine Beratung mit seinen fachlich vorgebildeten Arbeitskräften erfordere. Die Umsetzung der pädagogischen Maßnahmen für jeden einzelnen jungen Menschen werde vom Einrichtungsleiter mit einem bewährten Berichtswesen durch die Betreuer und insbesondere eine regelmäßige Inaugenscheinnahme überwacht. Die Gruppenleitung fertige regelmäßig Berichte über die Entwicklung jedes Mitglied der Gruppe im Rahmen der Gruppenarbeit. Diese Berichte seien Bestandteil jeder Fallakte und Grundlage für die Steuerung der Betreuungsarbeit für jedes Kind / jeden Jugendlichen. Durch regelmäßige Fallbesprechungen mit den Betreuern und dem psychologischen Dienst sowie Team-Besprechungen und nicht zuletzt durch sporadische oder durch besonderen Bedarf veranlasste persönliche Besuche der Gruppen durch ihn, den Kläger, sei gewährleistet, dass die Arbeit der Gruppen ebenso wie die Betreuung des einzelnen Kindes und Jugendlichen den Stempel seiner Persönlichkeit trage. Es sei damit durch geeignete Maßnahmen, insbesondere auch durch regelmäßige fachliche Überprüfung der Mitarbeiter vor Ort gewährleistet, dass jeder einzelne junge Mensch nach seinen Anweisungen und unter seiner Mitwirkung erzieherisch betreut werde. Im Bereich der therapeutischen und erzieherischen Betreuung der Heimbewohner gebe es keine Verlagerung der Verantwortung vom ihm als Leiter und Inhaber des Heims auf nachgeordnete Mitarbeiter.
Soweit der Beklagte eine noch weitergehende Beteiligungen im Sinne einer ständigen Teilnahme an den einzelnen erzieherischen Maßnahmen verlange, überspitze er die Anforderungen an eine eigenverantwortliche Tätigkeit und werde der neueren Rechtsprechung nicht gerecht. So verlange der BFH im Urteil vom 16.07.2014 (VI R 41/12) eine fallbezogene persönliche Mitwirkung nur noch bei der Behandlung problematischer Fälle. Im Übrigen reiche es aus, wenn die Mithilfe des angestellten Fachpersonals den Stempel der Persönlichkeit des Steuerpflichtigen trage. Der BFH führe in dem Urteil aus, dass die Anforderungen des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG überdehnt würden, wenn die unmittelbare Ausführung der Tätigkeiten durch den Steuerpflichtigen als unverzichtbare Voraussetzung für die Annahme einer eigenverantwortlichen und leitenden Tätigkeit angesehen werde. Auch in der vom Beklagten zitierten älteren Rechtsprechung werde die persönliche Teilnahme des Steuerpflichtigen an der praktischen Arbeit stets eingeschränkt. Nach dieser Rechtsprechung müsse die persönliche Teilnahme des Steuerpflichtigen in ausreichendem Umfang gewährleistet sein. Die Ausführungen jedes einzelnen Auftrages müssten dem Steuerpflichtigen selbst zuzurechnen sein. Die Arbeitsleistung müsse den Stempel der Persönlichkeit des Berufsträgers tragen. Es reiche aus, dass der Freiberufler durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit seines angestellten Fachpersonals Einfluss nehme, so dass die Leistung den Stempel der Persönlichkeit des Steuerpflichtigen trage.
Soweit es also nach diesen Grundsätzen letztlich darauf ankomme, dass alle Leistungen den Stempel der Persönlichkeit des Steuerpflichtigen tragen müssten, er ihnen also seine Prägung geben müsse, werde dies nach den vorherigen Ausführungen im Streitfall durch ihn, den Kläger, erfüllt.
Schon vom Wortsinn her könne eigenverantwortlich nicht mit selbst tätig gleichgesetzt werden. Für die Abgrenzung, ob eine Tätigkeit eigenverantwortlich ausgeübt werde, sei eine berufsspezifische Gesamtbetrachtung erforderlich. Dabei könne die erzieherische Tätigkeit in einer Einrichtung, wie sie vom Kläger betrieben werde, nicht, wie vom Beklagten teilweise gefordert, mit einer unterrichtenden Tätigkeit gleichgesetzt werden. Eine unterrichtende, d.h. wissensvermittelnde Tätigkeit sei mit der erzieherischen, persönlichkeitsbildenden Tätigkeit eines therapeutischen Kinder- und Jugendheims nicht vergleichbar, weil die Tätigkeiten völlig unterschiedliche betriebliche Abläufe bedingten. Somit seien auch die Anforderungen an die Mitwirkung des Steuerpflichtigen als Heimleiter entsprechend zu definieren.
Der Kläger beantragt,
die Bescheide für 2010, 2011 und 2012 über den Gewerbesteuermessbetrag vom 07.09.2015, zuletzt geändert durch Bescheide vom 24.03.2016, aufzuheben,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach seiner Auffassung werde der Kläger nicht eigenverantwortlich im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG tätig.
Eine eigenverantwortliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz. 3 EStG könne nach der Rechtsprechung noch angenommen werden, wenn der Berufsträger aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle derart maßgeblich auf die Tätigkeit seines angestellten Fachpersonals Einfluss nehme, dass die Leistung den „Stempel der Persönlichkeit“ des Berufsträgers trage (Hinweis auf BFH-Urteil vom 16.07.2014, VIII R 41/12). Die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit müsse in ausreichendem Umfang gewährleistet sein, und die Ausführung jedes einzelnen Auftrages müsse ihm selbst und nicht qualifizierten Mitarbeitern zuzurechnen sein (Hinweis auf BFH-Beschluss vom 31.08.2005, IV B 205/03).
Ob dies der Fall sei, sei nach Auffassung des Beklagten nach den gleichen Kriterien zu beurteilen, die die Rechtsprechung für die unterrichtende Tätigkeit entwickelt habe. Danach könne die unterrichtende Tätigkeit und die hier vergleichbare erzieherische Tätigkeit auch nur eigenverantwortlich ausgeübt werden, wenn die für diese Tätigkeit charakteristische Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler hergestellt sei. Diese Forderung sei immer dann erfüllt, wenn der Unterrichtende einen Anteil des Unterrichts selbst erteile; aber auch das regelmäßige Eingreifen in den Unterricht der mitarbeitenden Lehrer könne eine solche Beziehung begründen. Dabei erfordere der Begriff der Eigenverantwortlichkeit regelmäßig einen unmittelbaren, persönlichen und deshalb individuellen Einsatz des Betriebsinhabers vor Ort, damit durch den eigenen Kontakt mit den zu Unterrichtenden der Unterricht ein besonderes Gepräge durch den Berufsinhaber erhalte (Hinweis auf BFH-Urteil vom 01.04.1982, IV R 130/79).
Bei der Prüfung, ob die Erziehung der Kinder und Jugendlichen durch den persönlichen Einsatz des Klägers ein besonderes Gepräge durch diesen erhielten, sei auch die Größe der Einrichtung mitentscheidend.
Für die an den persönlichen Einsatz des Klägers als eigenverantwortliche Tätigkeit zu stellenden Anforderungen gebe es zahlreiche Nachweise in der Rechtsprechung:
Für den Fall einer Kindertagesstätte habe das Finanzgericht Hamburg in einem Urteil vom 20.01.2015 (3 K 157/14) die zeitlich bedeutsame Anwesenheit und die darauf aufbauende persönliche Beziehung zwischen den Kindern und der Inhaberin der Kindertagesstätte in der durchgehenden Präsenz der Berufsträgerin als entscheidungserhebliches Kriterium für die Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit herausgearbeitet.
Das Niedersächsische Finanzgericht habe im Urteil vom 14.11.2006 (14 K 3/01) entschieden, dass bereits bei einer Einrichtung mit mindestens 40 Kindern und Jugendlichen und 35 angestellten Fachkräften der im Sinne der Gesetzesanforderungen des
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erforderliche persönliche Kontakte der mit der Leitung und Organisation des Heimes betrauten Person mit den Kindern und Jugendlichen nicht mehr gegeben sei.
Für einen Krankengymnasten fordere der BFH im Beschluss vom 31.08.2005 (IV B 205/03), dass er bei jedem einzelnen Patienten auf die Behandlung Einfluss nehme und dazu jeweils selbst zumindest die Anamnese und zwischenzeitliche Kontrollen durchführe.
In der auch von Klägerseite zitierten Entscheidung des BFH vom 16.07.2014, VIII R 41/12, habe dieser für die ärztliche Tätigkeit entschieden, dass für eine eigenverantwortliche Tätigkeit ausreichend, aber auch notwendig sei, dass ausschließlich der Arzt selbst die Voruntersuchungen bei den Patienten durchführe, die Behandlungsmethoden festlege und sich die Behandlung problematischer Fälle selbst vorbehalte.
Zuletzt habe das FG Köln im Urteil vom 01.06.2017 (15 K 243/14) entschieden, dass eine aufgrund eigener Fachkenntnisse ausgeübte freiberufliche Tätigkeit nur dann vorliege, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet sei. Die Eigenverantwortlichkeit erschöpfe sich nicht darin, nach außen die Verantwortung für die ordnungsgemäße Durchführung des einzelnen Auftrags zu tragen.
Die in diesen Entscheidungen genannten Anforderungen erfülle der Kläger letztlich nicht. Nach Ansicht des Beklagten sei die vom Kläger vorgetragene eigene Einflussnahme auf jeden einzelnen Bewohner und die aufgrund der Organisation des Heimes sichergestellte Letztverantwortlichkeit des Klägers faktisch nicht möglich. Gerade die vom Kläger dargestellte individuelle Betreuung und Erziehung der Kinder und Jugendlichen im Rahmen der von ihm geschaffenen Organisation der Abläufe und Qualitätssicherung durch den Heimleiter seien zeitaufwändig und arbeitsintensiv und fänden ihre Grenze durch die Belastbarkeit eines Menschen.
Da gerade die Kindererziehung und Jugendarbeit ein sensibles, umfassendes und gesellschaftlich enorm bedeutsames Thema sei, gestalte sich die objektive Beantwortung der für den Streitfall erheblichen Fragen, wie viel Zeit, aktive Tätigkeitsinitiative und Arbeitskraft nach Maßgabe der steuerrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen für eine Freiberuflichkeit für diese herausfordernde Tätigkeit der Heimleitung erforderlich werde und ob dieser so geforderte persönliche Tätigkeitsumfang vorliegend angesichts der Sachverhaltsgegebenheiten des Kinder- und Jugendheimes A für den Kläger objektiv zu bewältigen sei, als ausgesprochen schwierig.
Diese Fragen könne möglicherweise nur ein Fachgutachter beantworten. Der Beklagte gehe allerdings aufgrund der bisherigen Tatsachenlage davon aus, dass angesichts der Größe des Heimes mit 80 Heimplätzen und der teilweise weiten Entfernung der einzelnen Heimstandorte voneinander die im Sinne der Rechtsprechung geforderte persönliche Prägung der Gesamttätigkeit durch den Kläger nicht mehr gewährleistet sei.
Der Berichterstatter hat die Streitsache mit den Beteiligten am 14.08.2018 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins (Bl. 86 f. GA) wird verwiesen.
Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung einen Ordner mit diversen Unterlagen überreicht, der als Anlage zur Gerichtsakte genommen wurde. Auf diesen und insbesondere die darin enthaltene Ausarbeitung „Vorgaben des Trägers“ wird Bezug genommen.
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen X und Y. Wegen des Beweisthemas wird auf die Ladungen (Bl. 123, 149 GA) und wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen. Hinsichtlich der Einlassungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung wird ebenfalls auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzten den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-).
I. Der Betrieb des Kinder- und Jugendheims ist ein gewerbliches Unternehmen i.S.d. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG und unterliegt gemäß § 2 Abs. 1 Gewerbesteuergesetz der Gewerbesteuer.
Diese Tätigkeit ist, was zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig ist, selbständig, nachhaltig und wird mit der Absicht unternommen, Gewinn zu erzielen und stellt sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr dar (§ 15 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz EStG).
Entgegen der Auffassung des Klägers ist diese Tätigkeit jedoch nicht als Ausübung eines freien Berufs anzusehen, so dass die hieraus erzielten Einkünfte, da es sich auch nicht um die Ausübung von Land- und Forstwirtschaft oder um eine andere selbständige Tätigkeit handelt, solche aus Gewerbebetrieb sind.
Nach § 18 Abs. 1 Satz 2 EStG gehört zu den Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit u.a. die selbständig ausgeübte erzieherische Tätigkeit. Allerdings ist nach § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 2. Halbsatz EStG ein Angehöriger eines freien Berufs, der sich - wie der Kläger - der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bedient, nur dann freiberuflich tätig, wenn er auf Grund eigener Fachkenntnisse leitend und eigenverantwortlich tätig wird.
Die Einrichtung des Klägers ist erzieherisch tätig (1.). Er selbst wird jedoch nicht eigenverantwortlich tätig (2.).
1. Unter Erziehung ist die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen zu verstehen. Sie erfasst alle Bestrebungen, Vorgänge und Tätigkeiten, die den Entwicklungsvorgang beeinflussen. Wird eine erzieherische Tätigkeit in Verbindung mit weiteren Tätigkeiten wie Unterbringung, Verköstigung, Beaufsichtigung und sonstiger Betreuung erbracht, so bleibt der Charakter freiberuflicher Betätigung dann erhalten, wenn die anderen Tätigkeiten lediglich notwendige Hilfstätigkeiten sind und die Erziehung der Gesamtheit der Leistungen das Gepräge gibt (BFH-Urteil vom 19.06.1997, IV R 26/96, BFHE 183, 488, BStBl II 1997, 652).
a) Die Einrichtung des Klägers ist nach ihrem Konzept bestrebt, den Entwicklungsvorgang junger Menschen durch ihre Therapieangebote zu beeinflussen, so dass eine erzieherische Tätigkeit vorliegt.
b) Diese Tätigkeit hat möglicherweise auch Elemente einer unterrichtenden Tätigkeit. Da die betreuten Kinder und Jugendlichen aber externe Schulen aufsuchen, liegt der Schwerpunkt der Tätigkeit auf ihrer Erziehung.
c) Die weiteren Angebote der Einrichtung wie Unterbringung und Verpflegung treten als notwendige Hilfstätigkeiten hinter die erzieherische Tätigkeit zurück.
2. Allerdings wird der Kläger aufgrund der überwiegenden Durchführung des Therapieangebots durch angestellte Fachkräfte auf Grund seiner eigenen Fachkenntnisse nicht in ausreichendem Maße eigenverantwortlich tätig.
a) Eine aufgrund eigener Fachkenntnisse eigenverantwortlich ausgeübte Tätigkeit liegt nur vor, wenn die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet ist (BFH-Urteile vom 26.01.2011, VIII R 29/08, BFH/NV 2011, 1314; vom 15.12.2010, VIII R 37/09, BFH/NV 2011, 1303). Die Ausführung jedes einzelnen Auftrages muss ihm selbst und nicht qualifizierten Mitarbeitern, den Hilfskräften, den technischen Hilfsmitteln oder dem Unternehmen als Ganzem zuzurechnen sein (BFH-Beschluss vom 31.08.2005, IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48; BFH-Urteile vom 05.06.1997, IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681 und vom 21.03.1995, XI R 85/93, BFHE 177, 377, BStBl II 1995, 732). Die Arbeitsleistung muss den "Stempel der Persönlichkeit" des betreffenden Berufsträgers tragen (BFH-Urteile vom 26.01.2011, VIII R 29/08 BFH/NV 2011, 1314 und vom 05.06.1997, IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681; BFH-Beschluss vom 31.08.2005, IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48).
b) Der BFH hat in seiner Rechtsprechung diese Grundsätze für einzelne Berufs- und Tätigkeitsgruppen, bislang jedoch nicht für die erzieherische Tätigkeit konkretisiert (vgl. die Zusammenstellung im Urteil des FG Hamburg vom 20.01.2015, 3 K 157/14, EFG 2015, 912).
aa) Für den Bereich der Heilberufe ist entschieden, dass ein Krankenpfleger im Rahmen seiner Tätigkeit eine höchstpersönliche individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet. Seine Tätigkeit ist daher nur eigenverantwortlich, wenn er einen wesentlichen Teil der Pflegearbeiten selbst übernimmt oder aber aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Behandlung bei jedem einzelnen Patienten Einfluss nimmt; dabei muss eine persönliche Beziehung zur weitaus überwiegenden Zahl der Patienten bestehen (BFH-Beschluss vom 27.01.2004, IV B 135/01, BFH/NV 2004, 783; BFH-Urteil vom 05.06.1997, IV R 43/96, BFHE 183, 424, BStBl II 1997, 681). Das Merkmal der Eigenverantwortlichkeit bei einem Krankengymnasten ist nicht erfüllt, wenn er sowohl die Anamnese als auch den Großteil der anfallenden Patientenbehandlungen den fachlich vorgebildeten Mitarbeitern selbstständig überlässt und die Ergebnisse der Mitarbeiter lediglich kontrolliert (BFH-Beschluss vom 31.08.2005, IV B 205/03, BFH/NV 2006, 48; BFH-Urteil vom 20.12.2000, XI R 8/00, BFH/NV 2001, 858). Schließlich hat der BFH auch für die ärztliche Tätigkeit entschieden, dass ein Arzt zwar eine höchstpersönliche, individuelle Arbeitsleistung am Patienten schuldet und deshalb einen wesentlichen Teil der Dienstleistungen selbst übernehmen muss. Dafür reicht es aber aus, dass er aufgrund seiner Fachkenntnisse durch regelmäßige und eingehende Kontrolle maßgeblich auf die Tätigkeit seines angestellten Fachpersonals - patientenbezogen - Einfluss nimmt, sodass die Leistung den "Stempel seiner Persönlichkeit" trägt. Wenn ausschließlich der Arzt selbst die Voruntersuchungen bei den Patienten durchführt und die Behandlungsmethoden festlegt und wenn er sich die Behandlung "problematischer Fälle" selbst vorbehält, ist eine leitende Eigenverantwortlichkeit gegeben (BFH-Urteil vom 16.07.2014, VIII R 41/12, BFHE 247, 195, BStBl II 2015, 216).
bb) Für eine Unterrichtstätigkeit ist entschieden, dass diese nur eigenverantwortlich ausgeübt wird, wenn die für diese Tätigkeit charakteristische Beziehung des Unterrichtenden zum Schüler hergestellt wird. Diese Voraussetzung ist immer dann erfüllt, wenn der Unterrichtende einen Teil des Unterrichts selbst erteilt; aber auch das regelmäßige Eingreifen in den Unterricht der mitarbeitenden Lehrer kann eine solche Beziehung begründen (BFH-Urteile vom 01.04.1982, IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589; vom 13.12.1973, I R 138/71, BFHE 111, 105, BStBl II 1974, 213 und vom 05.12.1968, IV R 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165). Der Begriff der Eigenverantwortlichkeit erfordert bei der unterrichtenden Tätigkeit regelmäßig einen unmittelbaren, persönlichen und deshalb individuellen Einsatz des Betriebsinhabers vor Ort, damit durch den eigenen Kontakt mit den zu Unterrichtenden der Unterricht ein besonderes Gepräge durch den Berufsinhaber erhält (FG Münster, Urteil vom 18.05.2006, 8 K 4599/03 F, EFG 2008, 382; nachgehend BFH-Urteil vom 09.03.2010, VIII R 56/07, BFH/NV 2010, 1777; s. auch BFH-Urteile vom 01.04.1982, IV R 130/79, BFHE 136, 86, BStBl II 1982, 589; vom 05.12.1968, IV R 125/66, BFHE 94, 344, BStBl II 1969, 165).
cc) Für die Beurteilung der Eigenverantwortlichkeit im Rahmen der erzieherischen Tätigkeit haben die Finanzgerichte weitere spezifische Kriterien entwickelt. Der Betreiber einer Kindertagesstätte übt seine Tätigkeit eigenverantwortlich aus, wenn er entweder einen wesentlichen Teil der Erziehung selbst übernimmt oder durch regelmäßige und eingehende Kontrollen der Mitarbeiter maßgeblich auf die Erziehung jedes Kindes Einfluss nimmt. Darüber hinaus setzt die Eigenverantwortlichkeit im Rahmen einer erzieherischen Tätigkeit - vergleichbar mit der Beurteilung bei einer unterrichtenden Tätigkeit - eine persönliche Beziehung zu den einzelnen Kindern voraus, die eine zeitlich bedeutsame Anwesenheit des Betriebsinhabers vor Ort bedingt; lediglich sporadische Besuche o. Ä. genügen hingegen nicht (FG Hamburg, Urteil vom 20.01.2015, 3 K 157/14, EFG 2015, 912). Bei der Betreuung von psychisch und anderweitig erkrankten Menschen durch eine Diplomsozialarbeiterin muss die persönliche Teilnahme des Berufsträgers an der praktischen Arbeit in ausreichendem Umfang gewährleistet sein. Die Organisation des Sach- und Personalbereichs, Arbeitsplanung, Arbeitsverteilung, Aufsicht über Mitarbeiter und deren Anleitung und die stichprobenweise Überprüfung der Ergebnisse im Rahmen einer überwiegend leitenden Tätigkeit vermag die eigenverantwortliche Tätigkeit nicht zu ersetzen (FG Köln, Urteil vom 01.06.2017, 15 K 243/14, EFG 2017, 1662, Revision eingelegt, Az. des BFH: VIII R 10/17).
dd) Der Senat hält es für notwendig, die in der Rechtsprechung bislang nur vereinzelt dargestellten Anforderungen an die Eigenverantwortlichkeit bei einer erzieherischen Tätigkeit weiter zu konkretisieren.
Denn eine erzieherische Tätigkeit führt im Unterschied zu anderen freiberuflichen Tätigkeiten nicht bloß zur Erbringung einer geschuldeten Leistung, die auch durch Mitarbeiter ausgeführt werden kann und die durch die Organisation seines Unternehmens den Stempel der Persönlichkeit des Betriebsinhabers trägt bzw. der er sein Gepräge geben muss. Die erzieherische Tätigkeit ist nach der benannten Definition die planmäßige Tätigkeit zur körperlichen, geistigen und charakterlichen Formung junger Menschen. Diese Tätigkeit kann durch den Betriebsinhaber nach der Überzeugung des Senats nur dann geprägt werden, wenn er auch einen aktiven Anteil daran hat und nicht nur organisatorisch sicherstellt, dass sein Erziehungskonzept durchgeführt wird. Denn die Erziehung ist ein permanenter, zumindest aber langwieriger Prozess und ist auf den Erziehenden nur dann rückführbar, wenn er nachhaltig aktiv daran teilnimmt, indem er einen Teil der pädagogischen Arbeit unmittelbar übernimmt. Nur so kann er überprüfen und sicherstellen, dass die jungen Menschen tatsächlich in seinem Sinne körperlich, geistig und charakterlich geformt werden.
c) Danach ist die vom Kinder- und Jugendheim A durchgeführte erzieherische Tätigkeit nicht ausreichend aktiv durch den Kläger geprägt.
Nach seinem Vortrag und den insoweit übereinstimmenden Zeugenaussagen seiner Mitarbeiter ist der Kläger überwiegend leitend tätig. Er hat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich klargestellt, dass er selbst keine pädagogische Erziehung leistet und nur bei besonderen Ereignissen oder anlässlich gelegentlicher Besuche Kontakt zu den Kindern und Jugendlichen hat. Damit nimmt er nur auf organisatorischer Ebene laufend an der Erziehung teil, es fehlt jedoch die vom Senat nach den vorstehenden Ausführungen für unabdingbar gehaltene aktive und nachhaltige Teilnahme an der unmittelbaren pädagogischen Arbeit.
d) Nach diesem Ergebnis kommt es auf die vom Beklagten aufgeworfene Frage, ob aufgrund der Größe der Einrichtung und dem Anfall von durch den Kläger zu erledigender Verwaltungsarbeit überhaupt noch eine eigenverantwortliche Tätigkeit vorliegen kann, nicht mehr an.
e) Ebenso kommt es nicht mehr darauf an, ob einer aufgrund eigener Fachkenntnisse des Klägers ausgeübten eigenverantwortlichen Tätigkeit bereits die Beschäftigung von (Diplom-) Psychologen entgegensteht.
Zu deren Tätigwerden heißt es u.a. in den vom Kläger in der mündlichen Verhandlung überreichten „Vorgaben des Trägers“ auf Seite 21 unter 4.2: „Die therapeutische Arbeit in der Gruppe vollzieht sich in Abstimmung mit dem Psychologischen Dienst. Der Psychologische Dienst ist dem Pädagogischen Gruppendienst gegenüber in psychotherapeutischer Hinsicht weisungsbefugt.“
Für die vom Psychologischen Dienst übernommene therapeutische Arbeit konnte der Kläger aufgrund fehlender Ausbildung gar nicht eigenverantwortlich tätig werden.
Der Kläger selbst hatte keine den angestellten Psychologen entsprechende Ausbildung. Er hat zwar in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass er die psychologische Diagnostik verstehe, sie interpretieren könne und entsprechend auf die von den Psychologen vorgeschlagenen Maßnahmen einwirken könne. Er hat jedoch nicht weiter dargetan, aufgrund welcher Ausbildung oder welcher anderweitig erworbener psychologischer Kenntnisse er zu dieser Behauptung kommt. Der Senat ist daher nicht davon überzeugt, dass die von den Psychologen aufgrund deren psychologischer Fachkenntnisse durchgeführte therapeutische Arbeit noch in ausreichendem Maße dem anders ausgebildeten Kläger zuzurechnen ist. Soweit die erzieherische Tätigkeit des Heimes daher in nicht nur untergeordnetem Maße von der therapeutischen Tätigkeit der Psychologen beeinflusst ist, ist sie nicht durch den Kläger geprägt und trägt auch nicht den „Stempel seiner Persönlichkeit“.
3. Die Höhe der danach als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu qualifizierenden Einkünfte und der damit der Festsetzung des Gewerbesteuermessbetrags zugrunde zu legende Gewinn ist zwischen den Beteiligten unstreitig.
II. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen. Der Senat misst insbesondere der Frage grundsätzliche Bedeutung bei, welche konkreten Anforderungen an das Merkmal des eigenverantwortlichen Tätigwerdens (§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG) bei der Mithilfe fachlich vorgebildeter Arbeitskräfte bei einer erzieherischen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG zu stellen sind.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.