Hamburgisches OVG: Gewerbeunzuverlässigkeit wegen Umsatzsteuerschulden
Hamburgisches OVG, Beschluss vom 31.1.2020 – 4 Bs 216/19
Volltext des Beschlusses: BB-ONLINE BBL2020-1187-1
Amtliche Leitsätze
1. Die Spielhallenerlaubnis kann widerrufen werden, wenn Steuerschulden in schwankender Höhe die Annahme rechtfertigen, dass die Betreiberin einer Spielhalle die für den Betrieb erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitzt.
2. Die Frage, ob die Festsetzung von gewerbebezogenen Steuern (hier Umsatzsteuer bezogen auf den Betrieb der Geldspielgeräte) durch die Finanzbehörden wegen Verstoßes gegen unionsrechtliche Bestimmungen rechtswidrig sein könnte, ist für die Beurteilung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit unerheblich. Maßgeblich ist, ob der Steuerbescheid vollziehbar und die Steuerschuld fällig ist.
SpielhG HA § 2 Abs. 5 Nr. 1; VwVfG HA § 49 Abs. 2 S. 1 Nr. 3
Sachverhalt
Die Antragstellerin, eine GmbH, wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen den Widerruf der ihr erteilten Spielhallenerlaubnis.
Sie betreibt unter der Anschrift ...-Straße in Hamburg die Spielhalle „...„ ... . Die dafür erforderliche Erlaubnis wurde ihr nach § 2 Abs. 1 HmbSpielhG erteilt.
Das Finanzamt Hamburg ... regte bei der Antragsgegnerin im November 2017 die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens an, da die Antragstellerin steuerliche Rückstände in Höhe von 76.504 Euro habe und die Vollstreckung durch das Finanzamt erfolglos geblieben sei. Weitere Ermittlungen der Antragsgegnerin ergaben, dass die Antragstellerin teilweise auch die Umsatzsteuervoranmeldungen nicht eingereicht und im Umfang von ca. 18.348 Euro (Stand 1.3.2018) Sozialversicherungsbeiträge u.a. an verschiedene Krankenkassen und die Deutsche Rentenversicherung nicht geleistet hatte.
Mit Bescheid vom 19. Dezember 2017 widerrief die Antragsgegnerin die Erlaubnis zum Betrieb der Spielhalle am oben genannten Standort. Die Antragstellerin wurde aufgefordert, den Betrieb innerhalb eines Monats einzustellen und die Einstellung anzuzeigen. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein und machte u.a. geltend: Die Steuerrückstände seien durch die Änderung des Spielhallenrechts entstanden. Zudem sei der frühere Geschäftsführer stark beansprucht gewesen und solle nun durch einen neuen Geschäftsführer ersetzt werden. Es sei versäumt worden, Steuererklärungen einzureichen und Zahlungen zu leisten. Die Erklärungen seien nun eingereicht worden. Außerdem plane sie die weiteren Umsatzsteuerrückstände schnellstmöglich zu reduzieren.
Die Steuerrückstände der Antragstellerin waren im Folgenden schwankend, zwischenzeitlich lagen sie bei 207.113 Euro. Die Antragstellerin leistete zeitweise Zahlungen, die u.a. die Umsatzsteuerverbindlichkeiten reduzierten. Im August 2018 teilte das Finanzamt mit, die Rückstände seien auf 7.484 Euro reduziert worden. Zwei Monate später waren diese wieder auf 40.971 Euro angestiegen.
In einem Verfahren vor dem Finanzgericht Hamburg, das die Aussetzung der Vollziehung von geschuldeten Umsatzsteuern aus dem Jahr 2017 betraf, wurde im Februar 2019 eine Verständigung mit dem Finanzamt erzielt. Dieses setzte gegen die Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 Euro die Vollziehung fälliger Steuerrückstände in Höhe von 180.000 Euro aus. Am 3. April 2019 teilte das Finanzamt der Antragsgegnerin mit, es bestünden erneut Steuerrückstände in Höhe von 80.541 Euro. Dabei handele es sich um Steuerschulden, die nicht von der Einigung vor dem Finanzgericht Hamburg umfasst seien.
Mit Bescheid vom 8. Mai 2019 wies die Antragsgegnerin den Widerspruch der Antragstellerin zurück und ordnete den Sofortvollzug an. Zudem hatte die Antragstellerin den Betrieb innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Bescheides einzustellen und die Einstellung anzuzeigen. Zur Begründung führte die Antragsgegnerin u.a. aus: Der Antragstellerin sei zu Recht die Erlaubnis zum Betreiben einer Spielhalle nach § 49 Abs. 2 Nr. 3 HmbVwVfG, § 2 Abs. 5 Nr. 1 HmbSpielhG widerrufen worden. Der Erlaubnisversagungsgrund der allgemeinen Unzuverlässigkeit liege vor, wenn der Gewerbetreibende nach dem Gesamtbild seines Verhaltens keine Gewähr dafür biete, dass er sein Gewerbe zukünftig ordnungsgemäß betreibe. Dies sei hier anzunehmen. Die Antragstellerin habe nach Erteilung der Spielhallenerlaubnis ihre steuerlichen Zahlungsverpflichtungen nachhaltig und andauernd verletzt. Es sei ihr nicht gelungen, die festgestellte Steuerschuld deutlich und dauerhaft zu reduzieren. Eine positive Prognose dahingehend, dass die Antragstellerin die bestehenden Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt in absehbarer Zeit zumindest erheblich reduzieren werde, könne nicht getroffen werden. Es sei nicht zu erkennen, dass der Widerruf ermessensfehlerhaft sei. Auch bestehe ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Widerrufs.
Gegen diesen Bescheid hat die Antragstellerin am 7. Juni 2019 Klage erhoben (...), über die noch nicht entschieden worden ist.
Am selben Tag hat sie beim Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs gegen die Verfügung der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2019 beantragt. Sie hat u.a. geltend gemacht: Rückstände bei Sozialversicherungsträgern hätten nur im Jahr 2017 und bis ins Frühjahr 2018 hinein bestanden. Selbst wenn man unterstelle, dass die Erlaubnis zu widerrufen sei, sei die Verfügung zur Betriebseinstellung unionsrechtswidrig, da in ihre Dienstleistungsfreiheit eingegriffen werde. Der Geltungsbereich des Unionsrechts sei eröffnet. Dies führe der Bundesfinanzhof in seinem Urteil vom 21. Februar 2018 (II R 21.15, juris Rn. 78) aus. Ihre Umsätze seien nicht steuerbar. Hinsichtlich der Betriebseinstellung von Spielhallenbetrieben in Hamburg bestehe zudem ein strukturelles Vollzugsdefizit. Zur Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung wegen eines Vollzugsdefizits habe sich das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen im Juni 2016 geäußert. Auch werde ihr Grundrecht auf Berufsausübungsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG verletzt. Gleiches gelte hinsichtlich ihres Grundrechts auf Gleichbehandlung aus Art. 3 Abs. 1 GG. Die Ermessensbetätigung der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Abwicklungsfrist von nur einem Monat sei fehlerhaft.
Mit Beschluss vom 21. August 2019 hat das Verwaltungsgericht den Antrag abgelehnt. Zur Begründung hat es u.a. ausgeführt: Die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge den rechtlichen Anforderungen. Die Antragsgegnerin habe in nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die steuerlichen Verbindlichkeiten der Antragstellerin bei Fortsetzung des Spielbetriebs, wie er ihr beim Wegfall der aufschiebenden Wirkung der Klage möglich wäre, weiter anwachsen würden. Diese Bewertung sei stichhaltig. Der Widerruf der Spielhallenerlaubnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HmbVwVfG sei rechtmäßig. Die Voraussetzungen lägen vor. Die Antragsgegnerin wäre aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt, die verfahrensgegenständliche Spielhallenerlaubnis nicht zu erlassen. Dies ergebe sich aus § 2 Abs. 5 Nr. 1 HmbSpielhG. Die im Widerspruchsbescheid festgestellten Steuerrückstände der Antragstellerin rechtfertigten es nach gefestigter Rechtsprechung, sie in gewerberechtlicher Hinsicht als unzuverlässig anzusehen. Diese Unzuverlässigkeit entfalle auch nicht deshalb, weil sie im Laufe des Verwaltungsverfahrens nicht unerhebliche Zahlungen auf ihre Verbindlichkeiten geleistet habe. Selbst wenn die Höhe der steuerlichen Rückstände im Laufe des Vorverfahrens erheblichen Schwankungen unterlegen habe, rechtfertige das zugrunde liegende Erklärungs- und Zahlungsverhalten der Antragstellerin ebenso wie die absolute Höhe der Steuerrückstände, die sich zum rechtlich maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheides auf rund 80.000 Euro beliefen, nur die Bewertung, dass die Antragstellerin ihren öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten nicht nachzukommen vermöge und deshalb als wirtschaftlich nicht leistungsfähig anzusehen sei. Ohne den Widerruf sei ferner das öffentliche Interesse gefährdet. Der Staat sei auf die pünktliche Erfüllung der Verbindlichkeiten seiner Steuerpflichtigen angewiesen. Zudem könne sich die Antragstellerin durch die Nichterfüllung ihrer Zahlungspflichten einen unstatthaften Wettbewerbsvorteil gegenüber solchen Konkurrenten verschaffen, die ihren entsprechenden Verpflichtungen ordnungsgemäß nachkämen. Die Betätigung des Widerrufsermessens begegne keinen durchgreifenden Bedenken.
Mit dem Einwand, der Widerruf der Spielhallenerlaubnis verstoße gegen Unionsrecht (Art. 56 AEUV), könne die Antragstellerin nicht durchdringen. Die Antragsgegnerin sei nicht zu Regulierung oder Steuerung des gewerblichen Glücksspiels tätig geworden. Ausgangspunkt ihrer Entscheidung sei vielmehr die Verhütung von Gefahren, die für die Rechts- und Wirtschaftsordnung mit der Teilnahme wirtschaftlich nicht leistungsfähiger Wettbewerber am nationalen Markt verbunden sei. Dies könne die Anwendbarkeit von Unionsrecht nicht begründen. Es ergäben sich auch keinen durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der zur Einstellung des Spielbetriebs gesetzten Frist. Die Antragstellerin habe sich seit dem Erlass des Ausgangsbescheides hierauf einstellen können. Zudem habe sie Anfang Juni 2019 gegenüber der Antragsgegnerin erklärt, sie habe bereits begonnen, Vorbereitungen für die Betriebseinstellung zu treffen. Auch sei die Frist deshalb nicht unverhältnismäßig, weil es nach gefestigter Rechtsprechung einem überschuldeten Marktteilnehmer obliege, die gewerbliche Tätigkeit unverzüglich einzustellen.
Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer Beschwerde.
Aus den Gründen
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Aus den von der Antragstellerin dargelegten Gründen, die das Beschwerdegericht nur zu prüfen hat (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 6 VwGO), ist die angefochtene Entscheidung weder zu ändern noch aufzuheben.
1. Die Antragstellerin macht u.a. geltend: Sie schulde keine Steuern, daher entfalle der Grund für die ausgesprochene Gewerbeuntersagung. Das Verwaltungsgericht habe wesentlichen Vortrag zur fehlenden Steuerbarkeit ihrer Umsätze unberücksichtigt gelassen. Angebliche Umsatzsteuerrückstände bestünden nicht. Wie sie bereits vorgetragen habe, handele es sich bei den Kasseneinnahmen der von ihr betriebenen Geldspielgeräte um nicht steuerbare Umsätze im Sinne des harmonisierten Mehrwertsteuerrechts. Mit dem Betreiben der Spielgeräte erbringe sie keine Dienstleistung gegen Entgelt im Sinne von Art. 1 Abs.1. Buchst. c der Mehrwertsteuerrichtlinie. Das Entgelt für die von ihr erbrachte Dienstleistung sei ergebnisabhängig und daher nicht steuerbar. Die Steuerbarkeit der Umsätze ergebe sich aus dem BMF-Schreiben vom 27. Mai 2019. Die dort vertretene Auffassung des BMF stehe mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Urteil vom 24. Oktober 2013 (C-440/12) nicht im Einklang. Der Bundesfinanzhof habe in seinen Entscheidungen vom 2. August 2018 und vom 30. August 2017 hervorgehoben, dass die Teilnahme an Turnieren zur Erzielung von platzierungsabhängigen Preisgeldern nicht im Rahmen eines Leistungsaustausches erfolge. Infolgedessen habe das BMF im Mai 2019 eine Änderung des Umsatzsteuer-Anwendungserlasses vorgenommen. Soweit danach platzierungsunabhängige Vergütungen steuerbar seien, sei diese Ansicht bezogen auf die von ihr erzielten Umsätze fehlerhaft, da Spieleinsätze keine Vergütung an sie, die Antragstellerin, seien. Zudem erhalte sie die Spieleinsätze der einzelnen Spieler nicht. Dies habe der Europäische Gerichtshof u.a. bereits in den Urteilen vom 5. Mai 1994 (C-38/93) und vom 24. Oktober 2013 (C-440/12) zu der Frage der Besteuerung von Geldgewinnspielgeräten entschieden. Als platzierungsabhängiges Entgelt unterlägen die Kasseneinnahmen gerade nicht der Umsatzsteuer. Im Dezember 2019 seien in drei Revisionsverfahren grundlegende Entscheidungen des Bundesfinanzhofs zur Frage der Steuerbarkeit von Glücksspielumsätzen zu erwarten. Handele es sich bei den von der Antragstellerin getätigten Umsätzen um nicht steuerbare Umsätze, schulde sie dem Finanzamt keine Umsatzsteuer.
Sollte dem Antrag nicht stattzugegeben sein, sei das Verfahren hilfsweise auszusetzen und es sei ein Vorabentscheidungsersuchen nach § 267 AEUV an den Europäischen Gerichtshof zu richten. Im Übrigen habe sie die rückständigen Steuern inzwischen beglichen und schulde zum 12. November 2019 keine Steuern mehr. Es seien lediglich Säumniszuschläge in Höhe von 11.623 Euro offen, denen ein Umsatzsteuerguthaben in Höhe von 7.377 Euro gegenüberstehe.
Die Antragsgegnerin führt dazu aus: Nach der Auskunft des Finanzamtes ruhten die Einsprüche gegen die Umsatzsteuervoranmeldungen aus dem Jahre 2017, da derzeit beim Bundesfinanzhof zwei Verfahren zu der Frage, ob Einnahmen aus den Betrieb von Geldspielgeräten umsatzsteuerpflichtig seien, anhängig seien. Die Antragstellerin habe fällige Steuern unabhängig von ihrer Rechtsauffassung zu der für das Jahr 2017 zu zahlenden Umsatzsteuer nicht abgeführt und für die Jahre 2016, 2017 und 2018 keine Steuererklärungen abgegeben. Gegen die Festsetzung der Umsatzsteuer aus den Jahren 2018 und 2019 sei kein Widerspruch eingelegt und keine Aussetzung der Vollziehung beantragt worden. Diese Steuern seien unabhängig von der von der Antragstellerin aufgeworfenen Frage zu zahlen. Zum 7. Oktober 2019 bestünden Steuerrückstände in Höhe von insgesamt 205.907 Euro. 5.330 Euro entfielen auf nicht gezahlte Lohnsteuer.
2. Die Einwände der Antragstellerin rechtfertigen die Änderung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts, das den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Widerrufsbescheid der Antragsgegnerin vom 19. Dezember 2017 und den Widerspruchsbescheid vom 8. Mai 2019 abgelehnt hatte, nicht. Aus den Erwägungen der Antragstellerin ergeben sich keine durchgreifenden Bedenken gegen die Annahme des Verwaltungsgerichts, der Widerruf der Spielhallenerlaubnis sei wegen der fehlenden Zuverlässigkeit der Antragstellerin zulässig.
Die Antragsgegnerin dürfte zu Recht die Spielhallenerlaubnis nach § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 HmbVwVfG widerrufen haben, da dessen Tatbestandsvoraussetzungen vorliegen dürften. Sie war auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt, die am 1. August 2017 erteilte Spielhallenerlaubnis nicht zu erlassen. Die Voraussetzungen des § 2 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 HmbSpielhG dürften vorliegen. Die zum maßgeblichen Zeitpunkt bestehenden Steuerrückstände rechtfertigten entgegen der Ansicht der Antragstellerin ihre spielhallenrechtliche Unzuverlässigkeit:
Nach § 2 Abs. 5 Nr. 1 Satz 1 HmbSpielhG ist die Erlaubnis insbesondere zu versagen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass die Antragstellerin die für den Betrieb einer Spielhalle erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.2.1982, 1 C 146.80, BVerwGE 65, 1, juris Rn. 13; Beschl. v. 16.2.1998, 1 B 26.98, juris Rn. 4; Beschl. v. 5.3.1997, 1 B 56.97, juris Rn. 5). Die Annahme der Unzuverlässigkeit kann aus einer lang anhaltenden wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit abzuleiten sein, die in Folge des Fehlens von Geldmitteln eine ordnungsgemäße Betriebsführung im Allgemeinen und die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Zahlungspflichten im Besonderen verhindert, ohne das - insbesondere durch Erarbeitung eines tragfähigen Sanierungskonzepts - Anzeichen für eine Besserung erkennbar sind. Steuerrückstände sind nur dann geeignet, einen Gewerbetreibenden als unzuverlässig erscheinen zu lassen, wenn sie sowohl ihrer absoluten Höhe nach als auch im Verhältnis zur Gesamtbelastung des Gewerbetreibenden von Gewicht sind; auch die Zeitdauer, während derer der Gewerbetreibende seinen steuerlichen Verpflichtungen nicht nachgekommen ist, ist von Bedeutung. Nach diesen Grundsätzen ist eine die gesamte Situation des Gewerbetreibenden einschließlich seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bewertende Prognose erforderlich. Dies schließt es aus, allein auf eine bestimmte Höhe von Steuerrückständen abzustellen, denn dadurch könnte die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit nur zu einem Teil erfasst werden (vgl. BVerwG, Beschl. v. 9.4.1997, 1 B 81.97, juris Rn. 5; OVG Bautzen, Beschl. v. 23.5.2018, 3 B 334/17, juris Rn. 7 m.w.N.).
Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen können, sind solche nicht gezahlten Steuern, die der Steuerschuldner von Rechts wegen bereits hätte zahlen müssen. Die Steuern bedürfen, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, der Festsetzung durch Steuerbescheid (§ 155 AO). Wann die Steuerschuld fällig ist, ergibt sich aus den einzelnen Steuergesetzten und im Übrigen aus § 220 AO. Ein Steuerbescheid ist grundsätzlich vollziehbar. Zu zahlen sind auch wirksam festgesetzte und fällige Steuern, die streitig sind und gegen deren Festsetzung der Steuerschuldner Rechtsbehelfe eingelegt hat, über die noch nicht oder jedenfalls noch nicht rechtskräftig entschieden ist (vgl. § 361 Abs. 1 AO; § 69 Abs. 1 FGO). Auf die materielle Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung kommt es also gewerberechtlich grundsätzlich ebenso wenig an wie auf deren Bestandskraft oder z.B. darauf, ob die in einem Steuerbescheid festgesetzte Steuer lediglich nach § 162 AO geschätzt worden ist. Ist die Vollziehung allerdings ausgesetzt worden, so braucht der Steuerpflichtige die festgesetzte Steuer noch nicht zu entrichten (vgl. BVerwG, Beschl. v. 30.9.1998, 1 B 100.98, juris Rn. 6). Die Gewerbeaufsichtsbehörden und Verwaltungsgerichte sind nicht verpflichtet, die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung zu prüfen und in diesen Zusammenhang ggf. weitere Ermittlungen vorzunehmen (vgl. BVerwG, Beschl. v. 12.3.1997, 1 B 72.97, juris Rn. 4). Welcher Art die Steuerschulden sind, ist unerheblich. Erforderlich ist nur, dass die Steuerrückstände - um für die Beurteilung der Zuverlässigkeit als Gewerbetreibender aussagekräftig zu sein - gewerbebezogen sind. Dies ist naturgemäß regelmäßig bei Steuerschulden der Fall, die sich aus dem Betrieb eines Gewerbes ergeben, also beispielweise der Einkommen-, Lohn-, Umsatz-, Gewerbe-, Kirchen- und Kraftfahrzeugsteuer für betriebseigene Kraftfahrzeuge (Marcks in: Landmann/Rohmer, Gewerbeordnung, Stand 2018, § 35 Rn. 51).
Gemessen an diesem Maßstab bestanden hier nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin regelmäßige (zeitweise) erhebliche gewerbebezogene Steuerrückstände, deren Zahlung an das Finanzamt die Antragstellerin schuldete. Wie sich aus ihrem Vorbringen ergibt, hat die Antragstellerin Rechtsbehelfe wegen der ihrer Ansicht nach fehlenden Steuerbarkeit ihrer Umsätze (nur) für verschiedene Monate des Jahres 2017 eingelegt und insoweit eine Aussetzung der Vollziehung ihrer Steuerrückstände im Umfang von 180.000 Euro erreicht. Diese Beträge waren somit nicht zu leisten. Allerdings bestanden regelmäßig, wie sich aus den Mitteilungen des Finanzamtes seit 2017 ergibt, darüber hinaus u.a. hohe Rückstände bezüglich fälliger bestandskräftig festgesetzter Steuern. Danach waren z.B. Lohn- und Umsatzsteuerrückstände für die Jahre 2018 und 2019 zu zahlen; zudem hatte die Antragstellerin nach der Darstellung der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 19. Juni 2019 für die Jahre 2016, 2017 und 2018 Umsatzsteuer-, Gewerbesteuer- und Körperschaftsteuererklärungen sowie einen Jahresabschluss nicht eingereicht. Dass diese Angaben nicht zutrafen, macht die Antragstellerin nicht geltend.
Vor diesem Hintergrund sind ihre Einwände, Steuerrückstände ergäben sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesfinanzhofs deshalb nicht, weil sie aus unionsrechtlichen Gründen nicht verpflichtet sei, für die Teilnahme am Spiel an Geldgewinnspielgeräten Umsatzsteuer zu entrichten, unerheblich. Denn die (ggf. in einem finanzgerichtlichen Verfahren zu klärende) Frage der Steuerbarkeit von Umsätzen aus dem Betrieb der Geldspielgeräte wirkt sich hier auf die Fälligkeit der festgesetzten Steuern für die Jahre 2018 und 2019 und auf die sonstigen, in den Jahren 2016-2018 bestehenden Erklärungspflichten nicht aus.
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist, worauf das Verwaltungsgericht zu Recht hingewiesen hat, u.a. wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes (z.B. gemäß § 35 Abs. 6 GewO) der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, Urt. v. 2.2.1982, 1 C 17.79, BVerwGE 65, 9, juris Rn. 25; BVerwG, Beschl. v. 16.6.1995, 1 B 83.95, juris Rn. 4). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben daher außer Betracht (vgl. VGH München, Beschl. v. 23.10.2012, 22 ZB 12. 888, juris Rn. 15).
Nach diesen Maßstäben rechtfertigte das Verhalten der Antragstellerin die negative Prognose der Antragsgegnerin wegen der zuletzt im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom 8. Mai 2019 bestehenden erheblichen Steuerrückstände. Wie sich aus der vom Finanzamt am 3. April 2019 übersandten Rückstandsaufstellung ergibt, hatte die Antragstellerin zu diesem Zeitpunkt erneut Steuerschulden in Höhe von 80.541 Euro. Diese beruhten auf der unterlassenen Zahlung von Lohn(kirchen)- und Umsatzsteuer sowie auf Solidaritäts- und Verspätungszuschlägen für den Zeitraum August 2018 bis Oktober 2018, und sie waren unabhängig von der im März 2019 erfolgten Aussetzung der Vollziehung von Umsatzsteuerrückständen für das Jahr 2017 bezüglich einer Summe von ca. 180.000 Euro.
Die seit 2017 bestehenden und stark schwankenden steuerrechtlichen Verbindlichkeiten und auch die im Beschwerdeverfahren ausweislich der nicht bestrittenen Mitteilung des Finanzamtes vom 4. Oktober 2019 erneut aufgelaufenen Steuerrückstände für Lohn- und Umsatzsteuer im Umfang von 205.907 Euro zeigen, dass die Antragstellerin wirtschaftlich nicht leistungsfähig oder nicht leistungswillig und im Übrigen nicht bereit war, ihren Erklärungspflichten nachzukommen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass sie jedenfalls im August 2018 ihre Verbindlichkeiten gegenüber dem Finanzamt Hamburg... auf 7.484 Euro zurückgeführt hat und nun im Beschwerdeverfahren vorträgt, im November 2019 alle Rückstände bis auf Säumniszuschläge im Umfang von 11.632 Euro gezahlt zu haben. Da für die Annahme einer gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit die Nichterfüllung von öffentlich-rechtlichen Zahlungspflichten aller Art von Bedeutung ist, ist es unbeachtlich, wenn sich ein bestimmter Anteil an den jeweiligen Steuerschulden aus angefallenen Säumniszuschlägen ergibt (vgl. VGH München, Beschl. v. 17.10.2008, 22 ZB 08.2592, juris Rn. 2). Im Übrigen hätte das gegenwärtige Zahlungsverhalten keine Auswirkungen auf die zum maßgeblichen Zeitpunkt im Mai 2019 anzustellende Prognose.
Hinreichend konkrete Tatsachen, die die Annahme rechtfertigten, dass die Antragstellerin trotz der seit Jahren schwankenden Entwicklung der Steuerrückstände und der nicht fristgerechten Abgabe der jeweiligen Steuererklärungen in Zukunft ihren Verpflichtungen ordnungsgemäß und termingerecht nachkommen würde, waren und sind nicht ersichtlich. Zwar hat sie wohl während des Widerrufsverfahrens ihre Beitragsrückstände bei den Sozialversicherungsträgern begleichen können, wiederholt jeweils unter dem Druck drohender Vollstreckung nicht unerhebliche Leistungen auf ihre Steuerschulden erbracht und kurzzeitig wegen der Voranmeldungen sogar Steuerguthaben verzeichnet. Ungeachtet dessen ist es ihr jedoch in dem nunmehr bereits seit mehr als zwei Jahren andauernden Widerrufsverfahren nicht gelungen, ihre meist beträchtlichen Steuerschulden kontinuierlich zu verringern oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Auch ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass die Höhe der steuerlichen Verbindlichkeiten vor dem Hintergrund der wirtschaftlichen Gesamtsituation des Unternehmens für die Bewertung der gewerberechtlichen Leistungsfähigkeit unbeachtlich ist.
Weiter lässt sich nicht erkennen, dass die Antragstellerin ein erfolgversprechendes Sanierungskonzept erarbeitet hat. Ein solches wäre nur dann erheblich, wenn entsprechende Vereinbarungen zum einen vor dem Erlass des Widerspruchsbescheides zustande gekommen wären (vgl. zur Unbeachtlichkeit späterer Entwicklungen grundlegend: BVerwG, Urt. v. 2.2.1982, 1 C 146.80, BVerwGE 65, 1, juris Rn. 14) und zum anderen zu erwarten stünde, dass die aufgelaufenen Steuerrückstände regelmäßig innerhalb angemessener Zeit getilgt werden. Dies war nicht anzunehmen. Dass die Antragstellerin in größeren Abständen nicht unerhebliche Zahlungen auf ihre seit der Neuerteilung der Spielhallenerlaubnis im Jahr 2017 immer wieder entstandenen Steuerschulden geleistet hat, lässt vor dem Hintergrund des über mehrere Jahre gezeigten Verhaltens nicht den Schluss zu, dass sie nach einem geänderten unternehmerischen Konzept dauerhaft wirtschaftlich und personell in der Lage war und ist, ihren gewerberechtlichen Verpflichtungen zur Zahlung von Steuern und Abgaben kontinuierlich und zeitgerecht und nicht nur unter dem Druck drohender Zwangsvollstreckung (teilweise) nachzukommen. Zwar hat sie mitgeteilt, sie beschäftige mit Wirkung zum 17. Dezember 2018 eine neue Geschäftsführerin, nachdem deren Vorgänger wegen Überlastung ihren Pflichten nicht nachgekommen seien. Diese personellen Veränderungen haben allerdings weder zu einer beständigen wirtschaftlichen Erholung noch zu einem den Steuergesetzen entsprechenden Zahlungs- und Erklärungsverhalten der Antragstellerin geführt.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG.