BFH: Gewerbesteuerzerlegung, Betriebsführungsgesellschaft und Betriebsstätte
BFH, Urteil vom 18.9.2019 – III R 3/19
ECLI:DE:BFH:2019:U.180919.IIIR3.19.0
Volltext BB-Online BBL2020-981-1
Amtliche Leitsätze
1. NV: Für gewerbesteuerliche Zwecke ist auf den Betriebsstättenbegriff zurückzugreifen (ständige Rechtsprechung).
2. NV: Eine Betriebsstätte i.S. von § 12 Satz 1 AO erfordert eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (Bestätigung der ständigen Rechtsprechung).
Sachverhalt
I.
Streitig ist die Höhe der jeweiligen Zerlegungsanteile für die Gewerbesteuermessbeträge 2011 bis 2014 der X-SE bzw. X-AG. Die Firma X-SE ist als europäische Gesellschaft, vormals X-AG, im Handelsregister eingetragen.
Die X-AG bildete den operativen Kern der X-Gruppe.
Es bestand eine Betriebsaufspaltung. Besitzunternehmen war die X-Beteiligung GbR. Als Betriebsunternehmen fungierte die X-AG. Im Jahr 2010 übertrug die X-AG im Rahmen einer Neuordnung der Unternehmensstruktur die Produktionsbetriebe auf drei Schwesterkapitalgesellschaften, die XS GmbH, die XU GmbH und die XN GmbH und schloss mit den Gesellschaften jeweils Betriebsführungsverträge ab. In den Vereinbarungen, als "unechte Betriebsführungsverträge" bezeichnet, verpflichteten sich die Schwestergesellschaften als Teilbetriebe der X-AG, jeweils einen der Produktionsbetriebe der X-AG im eigenen Namen, jedoch für Rechnung und auf Gefahr der X-AG zu führen (Präambel D. und § 2 Nr. 1 der jeweiligen Betriebsführungsverträge). Gewinnabführungsverträge nach § 291 Aktiengesetz schlossen die Gesellschaften nicht.
Die Betriebsführungsgesellschaften trafen mit eigenem Personal und alleiniger und weisungsfreier Verantwortung sämtliche Arbeitgeberentscheidungen (§ 1 Nr. 1 und § 2 Nr. 4 des Betriebsführungsvertrags) und waren Arbeitgeber des bei ihnen angestellten Personals (§ 4 Nr. 1 des Betriebsführungsvertrags).
In den Betriebsführungsverträgen war in § 4 Nr. 3 die Übernahme der Arbeitnehmer nach § 613a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, die bisher im Dienste der X-AG standen, durch die Betriebsführungsgesellschaften vereinbart. Den Betriebsführungsgesellschaften als Arbeitgebern stand das arbeitsrechtliche Direktions- und Weisungsrecht im eigenen Namen zu. Zivilrechtlicher Schuldner der Löhne waren die Produktionsgesellschaften; diese hatten wiederum insoweit gegen die X-AG einen Freistellungsanspruch (§ 6 Nr. 4 des Betriebsführungsvertrags).
Für die Durchführung der Betriebsführung erhielten die Betriebsführungsgesellschaften eine jährliche Vergütung in Höhe von 0,3 % des Gesamtbruttolohns (§ 6 Nr. 1 des Betriebsführungsvertrags).
Aufgrund von weiteren organisatorischen Maßnahmen innerhalb der X-AG übernahm:
die XU GmbH den Produktionsbetrieb des Geschäftsbereichs A in U,
die XS GmbH den Produktionsbetrieb B in S,
die XN den Produktionsbereich C in N.
Nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) erfolgten zum 01.01.2012 weitere Umfirmierungen durch die Übertragung des Geschäftsbereichs "..." (einschließlich der Betriebsführungsverträge), zu dem die Produktionswerke in S und U gehören, auf die X D SE (jetzt X RC). Entsprechend erfolgte die Übertragung des Geschäftsbereichs "..." (einschließlich des Betriebsführungsvertrags) mit dem Produktionswerk in N auf die X T SE (jetzt X TC). Zeitgleich mit der Ausgliederung zum 01.01.2012 wurde in den Ausgliederungsverträgen vom 26.04.2012 vereinbart, dass die mit der X-AG geschlossenen Betriebsführungsverträge übernommen werden.
Seit Juli 2012 ist die X-AG eine Europäische Aktiengesellschaft (SE). Den Unternehmenszweck hat die X-SE durch Gesellschafterbeschluss vom 12.07.2012 geändert in: ...
Den Produktions- oder Betriebsführungsgesellschaften kam weiterhin vertraglich die Aufgabe zu, die Produktion der Fertigerzeugnisse der X-SE zu übernehmen. Dazu stellte die X-SE den drei Betriebsführungsgesellschaften ihre Anlagen und Produktionsfaktoren zur Verfügung. Der Einkauf der notwendigen Ressourcen wie auch der Verkauf der Produkte an die Kunden verblieb unverändert bei der X-SE. Im Ergebnis verblieb auch nach der Ausgliederung das wirtschaftliche Risiko und die wirtschaftlichen Chancen bei der X-SE.
In ihrer Erklärung für die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages gab die X-AG bzw. X-SE Betriebsstätten in den Gemeinden G1, G, U, S, N, H, R, K (für 2011 und 2012) sowie für das Jahr 2011 S1, G2 und L an. Für den Gewerbesteuermessbetrag gab die X-SE als Zerlegungsmaßstab nach § 29 Abs. 1 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) das Verhältnis der Arbeitslöhne, die an die bei allen Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind, zu den Arbeitnehmern, die an die bei den Betriebsstätten beschäftigten Arbeitnehmer gezahlt worden sind an. Als insgesamt von ihr gezahlte Arbeitslöhne (gerundet) erklärte die X-SE:
2011 80.062.000 EUR
2012 81.695.000 EUR
2013 83.898.000 EUR
Mit Schreiben vom September 2012 beantragte die Gemeinde S aufgrund von Zerlegungsmitteilungen, für Zwecke der Vorauszahlung für die Jahre 2011 und 2012, beim Zerlegungsmaßstab die Arbeitslöhne der Betriebsführungsgesellschaften einzubeziehen. Diesen Antrag lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab. Die Gemeinde S legte hiergegen Einspruch ein.
Mit Zerlegungsbescheiden vom 30.11.2012 für das Jahr 2011 und vom 23.01.2014 für das Jahr 2012 sowie vom 16.12.2014 für das Jahr 2013 teilte das FA nach § 29 GewStG den Gewerbesteuermessbetrag auf. Zerlegungsmaßstab war das Verhältnis der Summe der Arbeitslöhne der bei der Firma X-SE beschäftigten Arbeitnehmer zu den Arbeitslöhnen der Arbeitnehmer, die bei den einzelnen Betriebsstätten/Produktionsstätten der Firma X-SE beschäftigt waren.
Dieser Zerlegungsmaßstab lag auch dem Zerlegungsbescheid für Vorauszahlungen 2014 vom 23.01.2014 zugrunde.
Dem Zerlegungsbescheid für das Jahr 2014 legte das FA als Zerlegungsmaßstab das Verhältnis der Arbeitslöhne unter Einbeziehung der Arbeitsverhältnisse der Betriebsführungsgesellschaften zugrunde.
Gegen die Zerlegungsbescheide für die Jahre 2012 und 2013 und den Zerlegungsbescheid für Vorauszahlungen 2014 legte die Gemeinde S Einspruch mit der Begründung ein, die Zerlegung nach den Arbeitslöhnen der X-SE führe zu einem offenbar unbilligen Ergebnis. Die X-SE sei alleinige Eigentümerin des Produktionswerkes in S gewesen. In den Jahren vor der Umstrukturierung der Anstellungsverhältnisse sei die Gemeinde S mit durchschnittlich 11,5 % am Gewerbesteuermessbetrag beteiligt gewesen und nach der Umstrukturierung ergebe sich nur noch ein Anteil von 0,1 %. Aufgrund atypischer Umstände des Einzelfalls sei der sich aus dem Maßstab der §§ 29 bis 31 GewStG ergebende Zerlegungsmaßstab unbillig. Die Gemeinde S habe durch das Produktionswerk wesentliche Lasten in Gestalt von Arbeitnehmerfolgekosten zu tragen. Der Produktionsablauf und die Bedeutung des Werkes in S für die X-SE hätten sich trotz der Umstrukturierung der X-SE nicht geändert. In diesem Werk in S seien 300 bis 400 Arbeitnehmer beschäftigt. Die XS GmbH richte ihr Personalentwicklungskonzept nach der X-SE aus, sei in die Finanzplanung sowie das Chancen- und Risikomanagement der X-SE eingebunden, ohne organschaftlich oder gesellschaftsrechtlich in den Konzern eingegliedert zu sein. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe in seinem Urteil vom 26.02.1992 - I R 16/90 (BFH/NV 1992, 836) entschieden, dass eine Unbilligkeit vorliege, wenn eine Betriebsstätte auf Dauer und in wesentlicher Zahl durch Leiharbeitnehmer betrieben werde. Diese Konstellation sei mit der vorliegenden Organisation der X-SE vergleichbar. Es sei daher eine von §§ 28, 29 GewStG abweichende Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages durchzuführen.
Diesem Antrag auf einen geänderten Zerlegungsmaßstab widersprachen die zum Einspruchsverfahren beigezogene Klägerin und Revisionsklägerin (die Gemeinde H) und die Gemeinde R.
Mit Einspruchsentscheidung vom 26.08.2015 über die Ablehnung des Änderungsantrags der Gemeinde S für das Jahr 2011 und 2012 sowie den Einsprüchen gegen die Zerlegungsbescheide für die Jahre 2012 und 2013 gab das FA den Einsprüchen der Gemeinde S statt und zerlegte den Gewerbesteuermessbetrag der X-SE nach dem Verhältnis der Arbeitslöhne unter Einbeziehung der Arbeitslöhne der Arbeitnehmer der betriebsführenden Unternehmen, XU GmbH, XS GmbH und XN GmbH. Mit der weiteren Einspruchsentscheidung vom 08.12.2015 betreffend den Zerlegungsbescheid 2014 teilte das FA den Gewerbesteuermessbetrag ebenfalls unter Einbeziehung der Arbeitslöhne der Betriebsführungsgesellschaften auf.
Hiergegen erhob die Gemeinde H (Klägerin und Revisionsklägerin, im folgenden Klägerin) Klage, weil die Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrags --wie in den ursprünglichen Bescheiden-- ohne Einbeziehung der Arbeitnehmer der XS GmbH zu erfolgen habe.
Während des Klageverfahrens erließ das FA am 02.08.2016 aus hier nicht streitigen Gründen Änderungsbescheide für die Jahre 2013 und 2014. Ferner erließ das FA am 09.03.2018 für die Jahre 2011, 2012 und 2014 aus nicht streitigen Gründen geänderte Zerlegungsbescheide.
Das FG lud mit Beschluss vom 01.08.2017 die X-SE und die Gemeinden G1, G, U, S, N, R, L sowie G2 zu dem Klageverfahren bei.
Mit Urteil vom 27.11.2018 wies das FG die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 379 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des FG München vom 27.11.2018 - 6 K 2407/15 aufzuheben und die Zerlegungsbescheide für die Jahre 2011, 2012 und 2014 vom 09.03.2018 sowie den Zerlegungsbescheid für 2013 vom 02.08.2016 dergestalt abzuändern, dass bei der Zerlegung nur die Arbeitslöhne berücksichtigt werden, die auf Dienstverhältnisse mit der X-AG/ X-SE zurückgehen, nicht aber die Arbeitslöhne bei den Produktionsbetrieben XU GmbH, XS GmbH und XN GmbH.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladenen haben keine eigenen Anträge gestellt.
Aus den Gründen
II.
27 Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
28 Aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG kann der Senat nicht entscheiden, ob die X-AG bzw. die X-SE in den Gemeinden U, S, N (Beigeladene zu 4., 5., 6.) Betriebsstätten unterhalten hat, mit der Folge, dass auch diese Gemeinden in die Zerlegung einzubeziehen sind.
29 1. Nach § 28 GewStG ist der Steuermessbetrag anteilig auf die Gemeinden zu zerlegen, in denen im Erhebungszeitraum Betriebsstätten zur Ausübung des Gewerbes unterhalten worden sind. Was unter einer Betriebsstätte zu verstehen ist, ergibt sich --auch für gewerbesteuerliche Zwecke-- aus § 12 der Abgabenordnung (AO), weil das GewStG, insbesondere §§ 28, 30 GewStG, keine eigene Definition des Betriebsstättenbegriffs hat (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 12.02.2004 - IV R 29/02, BFHE 205, 295, BStBl II 2004, 602; vom 16.12.2009 - I R 56/08, BFHE 228, 356, BStBl II 2010, 492).
30 a) Gemäß § 12 Satz 1 AO setzt die Annahme einer Betriebsstätte eine Geschäftseinrichtung oder Anlage mit einer festen Beziehung zur Erdoberfläche voraus, die von einer gewissen Dauer ist, der Tätigkeit des Unternehmens dient und über die der Steuerpflichtige eine nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht hat (BFH-Urteil vom 05.11.2014 - IV R 30/11, BFHE 248, 81, BStBl II 2015, 601, Rz 28, m.w.N.). Für die nicht nur vorübergehende Verfügungsmacht ist grundsätzlich erforderlich, dass der Unternehmer eine Rechtsposition innehat, die ihm nicht ohne weiteres entzogen werden kann. Es reichen weder eine tatsächliche Mitbenutzung (Senatsurteil vom 30.06.2005 - III R 76/03, BFHE 210, 551, BStBl II 2006, 84, Rz 38) noch die bloße Berechtigung der Nutzung im Interesse eines anderen sowie eine rein tatsächliche Nutzungsmöglichkeit (BFH-Urteil vom 04.06.2008 - I R 30/07, BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, Rz 14).
31 b) Weiter muss die Einrichtung oder Anlage der Tätigkeit unmittelbar dienen (BFH-Urteil vom 04.07.2012 - II R 38/10, BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 46). Für die Annahme eines unmittelbaren "Dienens" der Geschäftsanlage oder Einrichtung genügt daher nicht das Eigentum oder der Besitz eines Grundstücks. Gebäude, die lediglich einem Dritten überlassen werden (z.B. Vermietung/Verpachtung), begründen deshalb keine Betriebsstätte des Überlassenden (Keß in Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 2 Rz 2552; BFH-Urteil vom 10.02.1984 - VIII R 159/84, BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653). Erforderlich ist vielmehr, dass dort eine eigene unternehmerische Tätigkeit mit fester örtlicher Bindung ausgeübt wird (Senatsurteil vom 26.07.2017 - III R 4/16, BFH/NV 2018, 233) und sich in der Bindung eine gewisse "Verwurzelung" des Unternehmens mit dem Ort der Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit ausdrückt (BFH-Urteil in BFHE 222, 14, BStBl II 2008, 922, Rz 15).
32 c) Eine Betriebsstätte kann aber auch in der Betriebsstätte eines Dritten begründet werden, wenn der Unternehmer rechtlich befugt ist, die Einrichtung oder Anlagen nach den Bedürfnissen seines Unternehmens zu nutzen und wenn er eigene Arbeitnehmer beschäftigt oder ihm überlassene, seinen Weisungen unterliegende Arbeitnehmer oder Subunternehmer tätig werden (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2018, 233, Rz 11, m.w.N.; vgl. BFH-Urteile vom 14.07.2004 - I R 106/03, BFH/NV 2005, 154; vom 03.02.1993 - I R 80-81/91, BFHE 170, 263, BStBl II 1993, 462). Hingegen reichen die mit der Überlassung des Grundstücks oder Gebäudes verbundenen Verwaltungsarbeiten nicht aus, selbst wenn sich der Nutzungsüberlassende das Recht zum Betreten des Gebäudes und zur Prüfung von Geschäftsvorfällen oder sogar eine Kontrolle des gesamten Betriebsablaufs vorbehalten hat (BFH-Urteile in BFHE 238, 216, BStBl II 2012, 782, Rz 48; in BFHE 153, 188, BStBl II 1988, 653; Senatsurteile in BFHE 210, 551, BStBl II 2006, 84; in BFH/NV 2018, 233, Rz 12). Etwas anderes kann sich ergeben, wenn der Nutzungsüberlassende eine eigenbetriebliche Tätigkeit entfaltet, die eine gewisse Nachhaltigkeit aufweist und über punktuell einzelfallbezogene Maßnahme hinausgeht (BFH-Urteil vom 13.06.2006 - I R 84/05, BFHE 214, 178, BStBl II 2007, 94, Rz 15).
33 d) Unter Umständen kann auch durch die Beauftragung einer Managementgesellschaft oder Betriebsführungsgesellschaft ohne Verfügungsrecht über deren Räumlichkeiten eine Betriebsstätte des beauftragenden Unternehmens begründet werden, wenn die Gesellschaft aufgrund des zur Verfügung gestellten "sachlichen und personellen Organismus" in der Lage ist, ihrer unternehmerischen Tätigkeit "operativ" nachzugehen; dies gilt auch für den "reinen Inlandsfall" (BFH-Urteil vom 29.11.2017 - I R 58/15, BFHE 260, 209, Rz 23; vgl. BFH-Urteil vom 24.08.2011 - I R 46/10, BFHE 234, 339, BStBl II 2014, 764, Rz 23). Eine eigene unternehmerische Tätigkeit kann beispielsweise dann angenommen werden, wenn aufgrund der Personenidentität der Leitungsorgane eine fortlaufende nachhaltige Überwachung ermöglicht wird (BFH-Beschluss vom 08.06.2015 - I B 3/14, BFH/NV 2015, 1553, Rz 4; Luckhaupt, Internationale Steuer-Rundschau 2016, 133, 134; Blumers, Deutsches Steuerrecht 2012, 551). Die Personenidentität der Leitungsorgane ersetzt gleichsam die genannte erforderliche nachhaltige Überwachung (BFH-Urteil vom 23.02.2011 - I R 52/10, BFH/NV 2011, 1354, Rz 37).
34 2. Unter Anwendung dieser Grundsätze lässt sich nach den bisherigen Feststellungen des FG nicht beurteilen, ob die X-AG bzw. X-SE in den von den Betriebsführungsgesellschaften betriebenen Geschäftsräumen eine Betriebsstätte unterhielt. Insbesondere fehlt es an hinreichenden Feststellungen dazu, ob die X-SE in den Räumen der Betriebsführungsgesellschaften eine unmittelbare eigene gewerbliche Tätigkeit ausgeübt hat.
35 a) Das FG hat zwar teilweise die o.g. Voraussetzungen einer Betriebsstätte genannt, letztlich aber ausgeführt, dass "als Betriebsstätten auch Geschäftseinrichtungen zählen, die dem ständigen Vertreter des Unternehmers zur Ausübung des Gewerbes dienen". Damit hat es noch keine ausreichenden Feststellungen zu den Voraussetzungen einer Betriebsstätte nach § 12 AO getroffen. Sofern das FG darauf abgestellt hat, dass die Betriebsführungsgesellschaften aufgrund ihrer in den Betriebsführungsverträgen geregelten "Abhängigkeiten", ständige Vertreter der X-AG bzw. X-SE seien, "so dass ihre Handlungen als solche des Unternehmers erscheinen", können diese geregelten Abhängigkeiten allein keine Betriebsstätte i.S. des § 12 AO begründen. Die Annahme eines ständigen Vertreters i.S. des § 13 AO reicht für eine Zerlegung nach § 28 GewStG nicht aus. Eine Zerlegung nach § 28 GewStG kommt nur in Betracht, soweit eine Betriebsstätte nach § 12 AO vorliegt. Die BFH-Entscheidungen, die sich damit auseinander setzen, inwieweit ein ständiger Vertreter eine Betriebsstätte des Unternehmers unterhält (vgl. BFH-Beschlüsse vom 12.10.1965 - I B 282/62 U, BFHE 83, 526, BStBl III 1965, 690; vom 10.06.1966 - VI B 31/63, BFHE 86, 590, BStBl III 1966, 59, und BFH-Urteil vom 28.06.1972 - I R 35/70, BFHE 106, 206, BStBl II 1972, 785), sind überholt, da sie zu § 16 Abs. 2 Nr. 2 des Steueranpassungsgesetzes ergangen sind (Senatsurteil in BFHE 210, 551, BStBl II 2006, 84, Rz 63). Danach war die Betriebsstätte --anders als in § 12 AO 1977-- definiert als Geschäftseinrichtung, die dem Unternehmer oder seinem ständigen Vertreter zur Ausübung des Gewerbes dient. Deshalb reicht dann, wenn das Gesetz --wie in § 28 GewStG-- ausschließlich an das Vorliegen einer Betriebsstätte anknüpft, die Existenz eines ständigen Vertreters nicht aus.
36 b) Die Sache ist nicht spruchreif. Der BFH kann als Revisionsinstanz die fehlenden tatsächlichen Feststellungen nicht selbst vornehmen.
37 Im zweiten Rechtsgang wird das FG aufzuklären haben, ob die X-AG bzw. X-SE in den Betriebsführungsgesellschaften nach den o.g. Grundsätzen einer eigenen unmittelbaren nachhaltigen unternehmerischen Tätigkeit nachgegangen ist und insoweit Betriebsstätten in den Gemeinden unterhalten hat. Lassen sich keine Betriebsstätten in den Gemeinden feststellen, ist eine Zerlegung unter Einbeziehung dieser Gemeinden nicht, auch nicht nach § 33 GewStG, vorzunehmen.
38 Sollte sich im zweiten Rechtsgang hingegen herausstellen, dass die X-AG bzw. X-SE Betriebsstätten in den Gemeinden S, U und N unterhalten hat, wird das FG darüber zu entscheiden haben, ob eine Zerlegung unter Einbeziehung der "fremden" Arbeitslöhne über § 33 GewStG in Betracht kommt. Ob ein Fall des § 33 Abs. 1 GewStG vorliegt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab; dies zu gewichten ist Sache des FG (BFH-Beschluss vom 19.06.2006 - I B 171/05, BFH/NV 2006, 1692).
39 3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO.