FG Köln: Gewerbesteuerliches Schachtelprivileg - Anrechnung von Vorbesitzzeiten einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung
FG Köln, Urteil vom 08.05.2013 - 10 K 3547/12; Revision eingelegt, Az. beim BFH: I R 44/13
Nicht amtlicher Leitsatz
Bei Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG (sog. Gewerbesteuerliches Schachtelprivilegs) sind Vorbesitzzeiten einer im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung, die durch einen mehrheitsvermittelnden qualifizierten Anteilstausch in eine Kapitalgesellschaft eingebracht wurde, anzurechnen.
GewStG §§ 8 Nr. 5, 9 Nr. 2a; UmwStG §§ 2 Abs. 1 S. 2, 21 Abs. 1, 23 Abs. 1, 4 Abs. 2 S. 3
Sachverhalt
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine von einer Kapitalgesellschaft an die Klägerin, eine GmbH, erfolgte Gewinnausschüttung dem Gewerbeertrag der Klägerin nach § 8 Nr. 5 GewStG hinzuzurechnen ist, weil die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG (sog. Schachtelprivileg) nicht erfüllt sind.
Die Klägerin, deren Geschäftsjahr das Kalenderjahr ist, wurde mit Notarvertrag vom 26.11.2009 mit einem Stammkapital von 25.000 Euro von Herrn C (im Folgenden mit „C" abgekürzt) bar gegründet. Alleiniger Gesellschafter ist C. Gegenstand des Unternehmens ist die Verwaltung von eigenem Vermögen. Gemäß Gesellschaftsvertrag darf die Klägerin andere Unternehmen gleicher oder ähnlicher Art übernehmen, sich an ihnen beteiligen und ihre Geschäfte führen und alle Geschäfte betreiben, die geeignet sind, den Gesellschaftszweck zu fördern.
Die Klägerin wurde am 3.12.2009 in das Handelsregister eingetragen.
Am 21.12.2009 beschloss die Gesellschafterversammlung einstimmig, das Stammkapital der Klägerin um 25.000 Euro zu erhöhen. Der neue Geschäftsanteil wurde von C übernommen und war von ihm nicht in bar zu leisten, sondern durch Einbringung der von ihm gehaltenen Beteiligung von 100 % am Stammkapital der im Handelsregister eingetragenen C Unternehmensberatung GmbH (im Folgende „C-GmbH" abgekürzt). Die Beteiligung an der C-GmbH gehörte bei C bereits seit Längerem zum Privatvermögen. Die eingebrachte Beteiligung wurde von der Klägerin mit dem Buchwert angesetzt und als qualifizierter Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 S. 2 UmwStG behandelt. Der neue Geschäftsanteil nahm laut Gesellschafterbeschluss „ab dem heutigen Tage" am Gewinn der Klägerin teil. Ebenfalls am 21.12.2009 übertrug C seinen hundertprozentigen Geschäftsanteil an der C-GmbH mit sofortiger Wirkung auf die Klägerin.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Notarvertrag vom 21.12.2009 Bezug genommen.
Die Eintragung der Kapitalerhöhung im Handelsregister erfolgte am 19.1.2010.
Am 28.12.2009 beschloss die C-GmbH eine Gewinnausschüttung i. H. v. 2.800.000 Euro an die Klägerin.
Bei der Körperschaftsteuerveranlagung 2009 wurde die Gewinnausschüttung i. H. v. 95 % steuerfrei belassen. Entsprechend erging ein Gewerbesteuermessbescheid, der unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stand. Der Gewerbesteuermessbetrag wurde auf 4.471 Euro festgesetzt.
In 2011 fand bei der Klägerin eine Außenprüfung statt. Im Bericht über die Betriebsprüfung vom 4.1.2012 kam das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung zu der Auffassung, dass bei der Gewerbesteuer der körperschaftsteuerfrei bleibende Gewinnanteil nach § 8 Nr. 5 GewStG bei der Ermittlung des Gewerbeertrags hinzuzurechnen sei, weil die Voraussetzungen des so genannten Schachtelprivilegs im Zeitpunkt der am 28.11.2009 getätigten Ausschüttung nicht erfüllt gewesen seien. Wegen der Einzelheiten wird auf Tz. 2.2 des Betriebsprüfungsberichts Bezug genommen.
Der Beklagte folgte der Auffassung der Betriebsprüfung und erließ am 1.2.2012 einen geänderten Gewerbesteuermessbescheid.
Den gegen diesen Bescheid eingelegten Einspruch wies er mit Einspruchsentscheidung vom 14.11.2012, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus:
Die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG lägen im Streitfall nicht vor, da die Beteiligung an der C-GmbH nicht zu Beginn des Erhebungszeitraums der Klägerin bestanden habe. Der Erhebungszeitraum 2009 der Klägerin habe am 3.12.2009 begonnen. Insbesondere komme eine Besitzzeitanrechnung nach § 23 Abs. 1 UmwStG i. V. m. § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG nicht in Betracht. Die Anwendung des §§ 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG setze voraus, dass die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsgutes zum Betriebsvermögen „für die Besteuerung bedeutsam" sei. Für die Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG sei aber eine Beteiligung, die im Privatvermögen gehalten werde, bedeutungslos.
Mit der Klage trägt die Klägerin vor:
Sie sei bereits ab dem 26.11.2009 wirtschaftliche Eigentümerin der Beteiligung gewesen. Es sei von Anfang an klar gewesen, dass C seine Beteiligung an der C‑GmbH auf sie übertragen werde.
Außerdem habe es sich um eine rückwirkende Einbringung gemäß § 2 UmwStG gehandelt, so dass ihr die Beteiligung auch von Anfang an zuzurechnen sei. Letztlich sei ihr die Besitzzeit von C anzurechnen.
Die Klägerin beantragt, den Gewerbesteuermessbetragsänderungsbescheid vom 1.2.2012 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Aus den Gründen
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet.
Der angefochtene Gewerbesteuermessbetragsänderungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin deshalb in ihren Rechten, vgl. § 100 Abs. 1 S. 1 FGO.
Der Beklagte hat zu Unrecht dem Gewerbeertrag der Klägerin die Gewinnausschüttung hinzugerechnet.
1. Von einer Kapitalgesellschaft bezogene Gewinnanteile (Dividenden) im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG bleiben nach § 8b Abs. 1 S. 1 KStG bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft außer Betracht. Gemäß § 7 GewStG gilt das auch für die Ermittlung des Gewerbeertrags. Jedoch sind die nach § 8b Abs. 1 KStG außer Ansatz bleibenden Gewinnanteile dem Gewinn aus Gewerbebetrieb gemäß § 8 Nr. 5 GewStG wieder hinzuzurechnen, soweit nicht die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt werden. Nach § 9 Nr. 2a S. 1 GewStG wird die Summe des Gewinns aus Gewerbebetrieb und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungen unter anderem gekürzt um die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft im Sinne des § 2 Abs. 2 GewStG, wenn die Beteiligung zu Beginn des maßgeblichen Erhebungszeitraums mindestens 15 v.H. des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns im Sinne des § 7 GewStG angesetzt worden sind.
2. Im Streitfall sind entgegen der Auffassung des Beklagten die Voraussetzungen des § 9 Nr. 2a GewStG erfüllt.
a) Dies ergibt sich entgegen der Auffassung der Klägerin zwar nicht daraus, dass sie bereits seit ihrer Gründung wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile gewesen wäre.
aa) Die Klägerin ist erst am 21.12.2009 mit der Abtretung der Geschäftsanteile zivilrechtliche Eigentümerin der Anteile geworden. Damit sind ihr grundsätzlich die Anteile auch erst ab diesem Zeitpunkt wirtschaftlich zuzurechnen, vgl. § 39 Abs. 1 AO.
Die Klägerin ist nicht vorzeitig wirtschaftliche Eigentümerin der Anteile geworden. Die Begründung wirtschaftlichen Eigentums setzt voraus, dass ein anderer als der zivilrechtliche Eigentümer diesen im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut ausschließen kann mit der Folge, dass ihm Substanz und Ertrag aus dem Wirtschaftsgut zufließen, vgl. § 39 Abs. 2 Nr. 1 S. 1 AO. Bis zum 21.12.2009 war C unstreitig zivilrechtlicher Eigentümer. Nach der eindeutigen Regelung im Notarvertrag übertrug C seinen Geschäftsanteil nebst dem Gewinnbezugsrecht erst ab dem 21.12.2009 auf die Klägerin, das heißt, wäre vorher eine Gewinnausschüttung durch die C-GmbH erfolgt, hätte diese allein C zugestanden. Dass und ob man das auch anders hätte regeln können, spielt keine Rolle. Das Gericht hat über den tatsächlich verwirklichten Sachverhalt und nicht einen anderen, gegebenenfalls ebenfalls möglichen Sachverhalt zu befinden.
Dass dies letztlich auch der Auffassung der Klägerin entspricht, ergibt sich aus deren Eröffnungsbilanz zum 26.11.2009. Darin ist die Beteiligung an der C-GmbH nicht erfasst, was aber zwingend erforderlich gewesen wäre, falls die Klägerin bereits zu diesem Zeitpunkt wirtschaftliche Eigentümerin der Beteiligung gewesen wäre, wie sie nunmehr behauptet.
bb) Der Erhebungszeitraum der Klägerin begann hingegen bereits am 3.12.2009 mit der Eintragung im Handelsregister, da sie vorher (das heißt zwischen dem Abschluss des notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrags und der Eintragung) keine nach außen gerichtete werbende Tätigkeit aufgenommen hat (Bundesfinanzhof -BFH-, Urteil vom 18.7.1990 - I R 98/87, BStBl. II 1990, 1073, BB 1991, 53).
b) Die Zurechnung der Anteile an der C-GmbH kann auch nicht aus § 2 Abs. 1 S. 2 UmwStG hergeleitet werden.
Nach dieser Vorschrift ist die Bemessungsgrundlage bei der Gewerbesteuer so zu ermitteln, als ob das Vermögen der Körperschaft mit Ablauf des Stichtags der Bilanz, die den Vermögensübergang zugrundelegt (steuerlicher Übertragungsstichtag), ganz oder teilweise auf den übernehmenden Rechtsträger übergegangen wäre. Unabhängig von der Frage, ob beim Anteilstausch nach § 21 UmwStG eine steuerliche Rückwirkung möglich ist, scheitert die Anwendung dieser Vorschrift im Streitfall bereits daran, dass keine Rückwirkung vereinbart wurde. Hinweise hierauf ergeben sich weder aus dem Notarvertrag noch aus anderen vertraglichen Regelungen. Es ist unerfindlich, auf welche Gründe die Klägerin eine rückwirkende Einbringung bzw. einen rückwirkenden Anteilstausch stützen will. Auch hier gilt, dass der verwirklichte Sachverhalt der Besteuerung zu Grunde zu legen ist und nicht, was man ggfs. hätte vereinbaren können.
c) Die Anwendung des § 9 Nr. 2a GewStG ergibt sich im Streitfall jedoch daraus, dass der Klägerin nach §§ 23 Abs. 1, 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG die Besitzzeit des C anzurechnen ist.
aa) Im Streitfall liegt ein qualifizierter Anteilstausch nach § 21 Abs. 1 UmwStG vor. Die übernehmende Rechtsträgerin, die Klägerin, hat die übernommenen Geschäftsanteile an der C-GmbH mit den Anschaffungskosten des C angesetzt, was nach § 21 Abs. 2 S. 5 UmwStG zulässig ist.
bb) § 23 Abs. 1 UmwStG bestimmt, dass § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG entsprechend gilt, wenn die übernehmende Gesellschaft die übernommenen Geschäftsanteile mit den Anschaffungskosten des Einbringenden ansetzt. Nach § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG ist der Zeitraum der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen der übertragenden Körperschaft dem übernehmenden Rechtsträger anzurechnen, falls die Dauer der Zugehörigkeit eines Wirtschaftsguts zum Betriebsvermögen für die Besteuerung bedeutsam ist.
Die in § 23 Abs. 1 UmwStG angeordnete „entsprechende" Anwendung bedeutet, dass in § 4 Abs. 2 S. 3 UmwStG eine Besitzzeitanrechnung auch für vorher im Privatvermögen gehaltene Anteile erfolgt. Dies ergibt sich daraus, dass in Fällen des Anteilstauschs auch bisher im Privatvermögen gehaltene Anteile „begünstigt", das heißt ohne Aufdeckung der stillen Reserven, eingebracht werden können. Damit sollen im Betriebsvermögen und im Privatvermögen gehaltene Anteile an Kapitalgesellschaften steuerlich gleichbehandelt werden.
Dies verkennt der Beklagte, wenn er in der Einspruchsentscheidung ausführt, dass die entsprechende Anwendung nur besage, dass die Besitzzeitanrechnung nicht nur für übertragende Körperschaften, sondern auch für übertragende natürliche Personen gelte. Die entsprechende Anwendung bezieht sich nicht nur auf die Person des Einbringenden bzw. übertragenden Rechtsträgers, sondern ebenfalls auf das eingebrachte bzw. übertragene Vermögen und erfasst deshalb gleichermaßen Betriebs- und Privatvermögen.
Auch das Wortlautargument des Beklagten geht fehl. § 4 UmwStG betrifft in seiner Grundkonstellation Fälle, in denen Betriebsvermögen übertragen wird. Deshalb bestand für den Gesetzgeber weder eine Notwendigkeit noch überhaupt eine Möglichkeit, in dieser Vorschrift Privatvermögen zu erwähnen.
cc) Folge der Gleichbehandlung von im Betriebs- oder Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in Fällen des qualifizierten Anteilstauschs ist nach Auffassung des erkennenden Senats unter anderem, dass dies auch bei § 8 Nr. 5 bzw. § 9 Nr. 2a GewStG zu beachten ist. Hätte C die Beteiligung an der C-GmbH nicht im Privatvermögen, sondern in einem gewerblichen Betriebsvermögen gehalten, wäre die nach § 3 Nr. 40 EStG teilweise steuerfreie Gewinnausschüttung bei ihm nicht bei der Gewerbesteuer erhöhend berücksichtigt worden. Diese „günstige" Position soll und darf durch den Anteilstausch nicht verloren gehen.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.
Der Senat lässt gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung zu. Die Streitfrage, ob die Besitzzeitanrechnung auch für im Privatvermögen gehaltene Anteile gilt, wird in der Finanzgerichtsbarkeit unterschiedlich beantwortet (vgl. FG München Urteil vom 17.9.1991 - 7 K 7191/85, EFG 1992, 201 und FG Baden-Württemberg, Urteil vom 25.3.2010 - 3 K 1386/07, EFG 2010, 1714) und ist vom BFH bisher nicht entschieden worden (vgl. Beschluss vom 9.11.2011 - I B 62/11 (BFH/NV 2012, 449).