FG Niedersachsen: Gewerbesteuerbefreiung für teilstationäre Rehabilitationszentren
FG Niedersachsen, Urteil vom 12.11.2012 - 7 K 10204/09
Leitsatz
Dle Erträge aus der ambulanten Rehabilitation können gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStg von der Gewerbesteuer befreit sein, auch wenn kein Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB V abgeschlossen wurde.
Sachverhalt
Streitig ist, ob der Kläger teilweise Leistungen erbringt, die nach § 3 Nr. 20 GewStG von der Gewerbesteuer befreit sind.
Der Kläger betreibt seit dem 1. April 1985 als selbstständiger Physiotherapeut eine Physiotherapie-Praxis als Einzelunternehmen sowie ein Rehabilitationszentrum in X. Der Kläger beschäftigte im Streitjahr eine Vielzahl von Fachkräften, zu denen neben Physiotherapeuten auch Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Ernährungswissenschaftler und examinierte Krankenschwestern gehörten. Neben der klassischen Physiotherapie unterhielt er ein Rehabilitationszentrum, das spezielle Rehabilitationsleistungen in Absprache mit den Sozialversicherungsträgern (von den Beteiligten als ambulante Rehabilitation bezeichnet) erbrachte.
Die Sozialversicherungsträger hatten sich dazu entschlossen, neben der vollstationären Rehabilitation auch teilstationäre oder ambulante Rehabilitationsleistungen insbesondere im Anschluss an Operationen anzubieten. Mit dieser sog. ambulanten Rehabilitation wollten die Kostenträger des Gesundheitswesens solche Maßnahmen durchführen lassen, die bisher im Rahmen einer vollstationären Behandlung in stationären Rehabilitationskliniken erbracht wurden. Die teure vollstationäre Rehabilitation sollte damit um eine kostengünstige und ortsnahe Versorgung der Patienten mit Rehabilitationsleistungen ergänzt bzw. ersetzt werden. Die Kostenträger schlossen in diesem Zusammenhang mit einzelnen Physiotherapiepraxen besondere Vereinbarungen ab. Es wurden nur mit solchen Physiotherapiepraxen Verträge abgeschlossen, die bestimmte Zulassungsvoraussetzungen erfüllten. Der Leistungsanbieter musste den Patienten die gleichen Rehabilitations- und Pflegeleistungen wie eine vollstationäre Rehabilitationsklinik anbieten können. Dazu gehörte die ärztliche und physiotherapeutische Behandlung der Patienten, die Möglichkeit zur Verpflegung der Patienten, die Betreuung der Patienten durch (interdisziplinäre) Psychologen und Sozialarbeiter und Pflege der Patienten durch examinierte Krankenschwestern.
Der Kläger hat mit einer Vielzahl von Sozialversicherungsträgern, wie der Deutschen Rentenversicherungsanstalt, diversen Krankenkassen und verschiedenen Berufsgenossenschaften, Verträge über die Erbringung solcher sog. ambulanter Rehabilitationsleistungen abgeschlossen, weil das vom ihm betriebene Rehabilitationszentrum über die räumlichen, apparativen und personellen Möglichkeiten verfügt, um die von den Kostenträgern verlangten Leistungen erbringen zu können. Unter anderem hat er bereits im Jahr 2003 eine Vergütungsvereinbarung zur ambulanten Rehabilitation gem. § 40 Abs. 1 Sozialgesetzbuch V (SGB V) mit der AOK, der BKK, der IKK , der Landwirtschaftlichen Krankenkasse und der Bundesknappschaft abgeschlossen (siehe Bl. 176 der Finanzgerichtsakte - FG-Akte-). Ein Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB V bestand jedoch nicht.
In Durchführung dieser besonderen Rehabilitationsmaßnahmen halten sich die Patienten regelmäßig vier bis sechs Stunden in der Rehabilitationseinrichtung des Klägers auf. Es werden in dieser Zeit verschiedene Rehabilitationsmaßnahmen durchgeführt (s. exemplarisch die zur FG-Akte gereichten Therapiepläne Bl. 23 ff. und Bl. 118ff. FG-Akte). Die Maßnahmen werden unter ärztlicher Aufsicht durchgeführt. Den Patienten wird ein Mittagessen zur Verfügung gestellt, Frühstück wird ihnen jedoch nicht gereicht. Die Patienten werden von Physiotherapeuten, Ärzten, Sozialarbeitern, Ergotherapeuten, Psychologen und Ernährungswissenschaftlern betreut. Sie erscheinen in der Regel fünf Mal in der Woche für einen Zeitraum von drei Wochen. Nach Ablauf dieses üblichen Behandlungszeitraumes kann die Rehabilitationsmaßnahme auf Anweisung der beim Kläger angestellten Ärzte verlängert werden. Die Kostenträger müssen der Fortsetzung der Behandlung und der Kostenübernahme zustimmen. Neben den originären Rehabilitationsleistungen gehört es zu den Aufgaben des Klägers, die medikamentöse Versorgung sicherzustellen und andere Pflegeleistungen (Verbandswechsel, Hilfe beim Toilettengang sowie Hilfe beim An- und Auskleiden) zu erbringen.
Die Honorare für die Leistungen des Rehabilitationszentrums werden zu 80 % von den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern gezahlt (siehe Erläuterungen zur Gewinnermittlung Bl. 229 der FG-Akte). Als Eigenleistung müssen die Patienten - wie bei einer vollstationären Unterbringung im Krankenhaus oder einer vollstationären Rehabilitationsklinik - 10 € pro Tag zahlen. Der Kläger ist gegenüber den Kostenträgern nicht berechtigt, jede einzelne Behandlungsmaßnahme gesondert abzurechnen. Vielmehr bekommt er eine Fallpauschale, die sämtliche Leistungen, die der Kläger in seiner Einrichtung erbringt, abdeckt. Mit der Fallpauschale sind also auch die Aufwendungen für Verpflegung und sämtliche Pflegeleistungen, wie z.B. medikamentöse Versorgung, Verbandswechsel und sonstige Pflegeleistungen abgegolten.
Daneben erbringt der Kläger unter Mithilfe seiner angestellten Mitarbeiter auch klassische physiotherapeutische Leistungen, die der Gewerbesteuer unterliegen, was zwischen den Beteiligten nach Durchführung dreier Klageverfahren unstreitig ist. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb im Streitjahr entfällt i.H.v. 48.697,38 € auf die gewerbesteuerpflichtigen Physiotherapieleistungen. Der übrige Gewinn wird durch die hier streitigen besonderen Rehabilitationsleistungen erwirtschaftet.
Der Beklagte hat den gesamten Gewinn des Klägers bei der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrages berücksichtigt und einen entsprechenden Gewerbesteuermessbescheid erlassen. Der von dem Kläger gegen den Gewerbesteuermessbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.
Hiergegen richtet sich die Klage.
Der Kläger vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Leistungen aus der teilstationären Rehabilitation nicht der Gewerbesteuer unterliegen. Die Leistungen seien nach § 3 Nr. 20 Gewerbesteuergesetz (GewStG) gewerbesteuerfrei. Die von ihm - dem Kläger - erbrachten besonderen Rehabilitationsleistungen seien mit den vollstationären Rehabilitationsleistungen zu vergleichen. Die Sozialversicherungsträger hätten sich zur Kostenersparnis dazu entschlossen, neben vollstationären Rehabilitationsleistungen, die durch Rehabilitationskliniken erbracht werden, auch teilstationäre Rehabilitationsleistungen anzubieten. Solche teilstationäre Rehabilitationsleistungen erbringe der Kläger. In Deutschland gebe es insgesamt ca. 160 solcher besonders zugelassenen Rehabilitationszentren, die eine teilstationäre Rehabilitationsleistung anbieten. Er - der Kläger - habe hierzu entsprechende Verträge mit den Sozialversicherungsträgern abgeschlossen. Die Sozialversicherungsträger seien zum Abschluss solcher Vereinbarungen nur bereit, wenn der Leistungsanbieter strenge Zulassungsvoraussetzungen erfülle. Dazu gehöre die ärztliche Aufsicht, die Unterbringungs- und Verpflegungsmöglichkeit, interdisziplinäre Psychologie, Sozialarbeiter, examinierte Krankenschwestern usw. Diese Voraussetzungen habe er - der Kläger - geschaffen und stelle sie weiterhin zur Verfügung. Die Patienten seien wie bei einem Krankenhaus in seine Rehabilitationseinrichtung integriert. Zwar würden die Patienten in seiner Einrichtung nicht übernachten, jedoch lägen alle Voraussetzungen einer teilstationären Einrichtung vor. Diese Auslegung decke sich auch mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Frage voll- bzw. teilstationärer Einrichtungen. Seine Einrichtung sei sowohl unter Berücksichtigung der Unterbringungs- und Verpflegungsmöglichkeiten als auch im Hinblick auf die fachliche medizinische Organisation einem Krankenhaus vergleichbar. Somit greife die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe b GewStG. Zumindest sei aber die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchstabe d GewStG erfüllt, da es sich bei der Rehabilitationseinrichtung um eine Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen handele.
Der Kläger beantragt,
den Gewerbesteuermessbescheid für 2007 in der Weise zu ändern, wie er sich ergibt, wenn von einem Gewinn aus Gewerbebetrieb i.H.v. 36.773,07 € ausgegangen wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Bei der Einrichtung des Klägers handele es sich nicht um ein teilstationäres Rehabilitationszentrum. Daher könne die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG nicht eingreifen. Der Kläger erbringe nur ambulante Rehabilitationsleistungen, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht von der Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 GewStG erfasst werden würden. Darüber hinaus handele es sich bei dem Rehabilitationszentrum nicht um eine Versorgungseinrichtung im Sinne der §§ 107, 111 SGB V. Damit scheide die Gewerbesteuerbefreiung des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG aus.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet.
Der angefochtene Gewerbesteuermessbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Erträge aus der sog. ambulanten Rehabilitation sind nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit.
Nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG sind Einrichtungen zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen und Einrichtungen zur ambulanten Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen von der Gewerbesteuer befreit, wenn im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 v.H. der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Eine Einrichtung zur vorübergehenden Aufnahme pflegebedürftiger Personen im Sinne des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG ist eine solche, in denen pflegebedürftige Personen zeitweise vollstationär (ganztägig) oder teilstationär (tagsüber oder nachts) untergebracht und gepflegt werden (Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht vom 21. Februar 2001 II 279/00, EFG 2001, 645). Pflegebedürftige Personen sind nach § 61 Abs. 1 SGB XII solche, die wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung für die gewöhnlichen und regelmäßig wiederkehrenden Verrichtungen im Ablauf des täglichen Lebens der Hilfe bedürfen. Mit dieser Regelung sollte dem veränderten Altersaufbau der Bevölkerung in Großstädten Rechnung getragen werden, in denen diese Einrichtungen zunehmende Bedeutung gewinnen und die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Pflege kranker und pflegebedürftiger Personen verbessert werden (BTDrucks.12/5764, 43; BFH-Urteil vom 8. September 1994 IV R 85/93, BStBl. II 1995, 67). Der Zweck der Befreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG liegt somit darin, die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen zu verbessern (Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 22. Juni 2011 I R 43/10, BStBl. II 2011, 892; vom 22. Oktober 2003 I R 65/02, BStBl. II 2004, 300). Ferner sollen die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen entlastet werden. Dies steht im Einklang mit den entsprechenden gesetzlichen Intentionen des Gesetzgebers, die Kosten des Gesundheitswesens begrenzen zu wollen.
Nach der Rechtsprechung des BFH werden ambulante Rehabilitationseinrichtungen nicht von der Gewerbesteuer gemäß § 3 Nr. 20 GewStG befreit (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 65/02, BStBl. II 2004, 300). Der Senat schließt aber der von der Finanzverwaltung und in der Literatur vertretenen Auffassung an, dass teilstationäre Rehabilitationseinrichten gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit sind (R 3.20 Abs. 4 Satz 1 GewStR; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rz, 517; Glanegger/Güroff, GewStG, § 3 Nr. 20 Rz. 210). Somit kommt es für die Anwendung der Steuerbefreiungsvorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG entscheidend darauf an, ob der Kläger eine ambulante oder teilstationäre Rehabilitationseinrichtung betrieben hat. Was unter einer teilstationären Einrichtung zu verstehen ist, ist gewerbesteuerrechtlich nicht definiert. Es kann wie für die Definition des Begriffs des Krankenhauses im Sinne des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG auf die Regelungen des Sozialrechts erläuternd zurückgegriffen werden (BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 65/02, BStBl. II 2004, 300). Eine teilstationäre Behandlung erfordert nach Auffassung des Senats, dass sich der Lebensmittelpunkt des Kranken für die Dauer der Behandlung in das Krankenhaus verlagert, wo seine gewohnten Aktivitäten weitestgehend zum Stillstand kommen. Der Patient muss physisch und organisatorisch in das Versorgungssystem der Rehabilitationseinrichtung einbezogen werden und sich damit in der Obhut einer Einrichtung befinden, in der er zumindest auf einige Dauer verbleiben und versorgt werden kann (so der BFH zum Begriff stationäre bzw. teilstationären Unterbringung in einem Krankenhaus, BFH-Urteil vom 22. Oktober 2003 I R 65/02, BStBl II 2004, 300). Die Voraussetzungen sind allerdings dahingehend einzuschränken, dass der Grad der Integration des Patienten in die teilstationäre Rehabilitationseinrichtung entsprechend seiner nur zeitweisen Unterbringung zu mindern ist. Es ist ja gerade Ziel einer teilstationären Unterbringung, dass der Patient nach seinem Aufenthalt in der Einrichtung seinem „normalen" Leben weiter nachgehen kann. Daher reicht es aus, dass der Patient während seines Aufenthaltes in der Rehabilitationseinrichtung in den Ablauf eingegliedert ist. Abzugrenzen ist die teilstationäre Unterbringung von der ambulanten Behandlung, die sich dadurch auszeichnet, dass der Patient nur „kurz" zur Behandlung erscheint und ansonsten nicht in den Ablauf der Rehabilitationseinrichtung integriert ist.
Der Senat ist nach der Gesamtwürdigung des hier vorliegenden Sachverhalts zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger teilstationäre Rehabilitationsleistungen erbringt, die zwar grundsätzlich der Gewerbesteuer unterliegen, jedoch nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit sind. Die Patienten halten sich in dem Rehabilitationszentrum vier bis sechs Stunden an fünf Tagen in der Woche auf. Sie werden teilweise verpflegt und werden nicht nur physiotherapeutisch behandelt, sondern darüber hinaus medizinisch und psychotherapeutisch betreut. Die Patienten werden auch mit Medikamenten versorgt, ihre Wunden werden behandelt und die Betreuung durch eine examinierte Krankenschwester ist gewährleistet. Insoweit unterscheidet sich die Betreuung nicht von den Leistungen, die eine vollstationäre Rehabilitationsklinik erbringt. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse sind die Patienten daher physisch und organisatorisch in das Versorgungssystem der Rehabilitationseinrichtung einbezogen, so dass eine teilstationäre Behandlung vorliegt. Diese Art der Behandlung in der Einrichtung des Klägers geht über eine ambulante Physiotherapie weit hinaus. Allein der Umstand, dass die Patienten in der Einrichtung des Klägers nicht übernachten, ist unerheblich. Wäre dies für die Anwendung der Steuerbefreiung entscheidend, könnte eine teilstationäre Rehabilitationseinrichtung nie in den Anwendungsbereich der Befreiungsvorschrift fallen. Die Leistungen, die der Kläger erbringt, erfüllen auch den Begriff der Pflegeleistung im Sinne des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG. Dieser umfasst nämlich nicht nur solche Leistungen wie Waschen und Füttern der Patienten, sondern alle Leistungen, die zur Betreuung pflegebedürftiger Menschen notwendig sind, also auch ärztliche, physiotherapeutische oder psychotherapeutische Maßnahmen (andere Auffassung ggf. Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht vom 21. Februar 2001 II 279/00, EFG 2001, 645).
Für diese Einordnung des Rehabilitationszentrums des Klägers als teilstationäre Einrichtung spricht auch die Intention der Kostenträger, die vollstationäre Rehabilitationsklinik durch die hier angebotene Rehabilitationseinrichtung zu ersetzen. Der Kläger konnte mit den Kostenträgern nur eine Leistungsvereinbarung abschließen, weil er die Behandlungsmöglichkeiten, die eine vollstationäre Rehabilitationsklinik besitzt, ebenfalls anbieten kann. Bis auf die Tatsache, dass der Patient das Rehabilitationszentrum des Klägers am Abend wieder verlässt, ist er wie in einer vollstationären Klinik in die Organisation eingegliedert. Darüber hinaus erfolgt auch die Abrechnung der Leistungen des Klägers nicht wie bei einer ambulanten Physiotherapie, sondern wie bei einer (teil-) stationären Leistung. Denn der Kläger kann nicht jede einzelne Physiotherapiebehandlung - z.B. jede einzelne Massage - abrechnen, sondern er erhält ein Pauschalhonorar pro Tag, mit der alle Leistungen des Klägers abgegolten sind. Auch der Eigenbeitrag des Patienten von 10 € pro Tag entspricht der Abrechnungsmethode für (teil-)stationäre Leistungen. Somit unterhält der Kläger eine teilstationäre Rehabilitationsklinik, deren Erträge gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG von der Gewerbesteuer befreit sind. Diese Auslegung entspricht auch dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift, die die Kostenträger des Gesundheitswesens von zusätzlichen Aufwendungen entlasten will. Nach den Vorstellungen des Gesetzgebers kommt eine verbesserte Kostenstruktur des Leistungserbringers im Gesundheitswesen mittelbar auch den Kostenträgern zu Gute. Da der Kläger seine Leistungen weit überwiegend von den gesetzlichen Sozialversicherungsträgern vergütet bekommt, ist die Steuerbefreiung dieser Leistungen mit dem Sinn und Zweck der Befreiungsnorm vereinbar.
Der Senat schließt sich dagegen nicht der Meinung der Finanzverwaltung an, dass eine teilstationäre Rehabilitationseinrichtung gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG nur steuerbefreit ist, soweit die Voraussetzungen eines Versorgungsvertrag nach §§ 107, 111 SGB erfüllt sind (R 3.20 Abs. 4 Satz 1 GewStR; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht vom 21. Februar 2001 II 279/00, EFG 2001, 645; Sarrazin in Lenski/Steinberg, GewStG, § 3 Rz, 517). Nach § 111 Abs. 1 SGB V dürfen Krankenkassen Rehabilitationsmaßnahmen nur von Einrichtungen erbringen lassen, die die Voraussetzungen des § 111 Abs. 2 SGB V erfüllen. Gemäß § 111 Abs. 2 SGB V muss die Einrichtung wiederum die Anforderungen des § 107 Abs. 2 SGB V erfüllen. Nach § 107 Abs. 2 SGB V muss die Rehabilitationseinrichtung eine stationäre Behandlung gewährleisten und die Patienten unterbringen und verpflegen können. Ob der Kläger die Voraussetzungen der §§ 107, 111 SGB V nicht erfüllt, weil die Patienten in seiner Einrichtung im Sinne dieser Vorschriften nicht untergebracht werden können (insbesondere nicht übernachten können), kann dahinstehen. Denn für die Besteuerung ist auf den tatsächlichen Geschehensablauf abzustellen. Danach erbringt der Kläger teilstationäre Rehabilitationsleistungen - unabhängig von der Frage, ob der Kläger aus versicherungsrechtlicher Sicht die Voraussetzungen der §§ 107, 111 SGB V erfüllt und einen entsprechenden Versorgungsvertrag nach § 111 SGB V abgeschlossen hat. Die versicherungsrechtlichen Vorschriften stellen insoweit kein geeignetes steuerrechtliches Differenzierungskriterium dar. Schon die unterschiedlichen Zweckbestimmungen der Normen des SGB V einerseits und der Steuerbefreiungsvorschrift andererseits verbieten es, die Gewährung der Steuerbefreiung zwingend von der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen der §§107, 111 SGB V abhängig zu machen. Vielmehr ist bei der Auslegung entscheidend der Zweck der Steuerbefreiung, die Sozialversicherungsträger von Kosten zu entlasten, zu berücksichtigen. Wie bereits oben ausgeführt, wird der Zweck der Steuerbefreiungsvorschrift im Streitfall erfüllt, so dass deren Anwendung nicht von der Erfüllung der §§ 107, 111 SGB V abhängen kann.
Somit sind die Erträge des Klägers aus seiner teilstationären Rehabilitationseinrichtung gemäß § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG steuerbefreit, da im Erhebungszeitraum die Pflegekosten in mindestens 40 v.H. der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil getragen worden sind. Allerdings sind die Erträge des Klägers nur insoweit gewerbesteuerbefreit, als sie auf der teilstationären Tätigkeit beruhen. Die Einnahmen, die der Kläger außerhalb seines teilstationären Rehabilitationszentrums durch „allgemeine" Physiotherapieleistungen erzielt, unterliegen - was zwischen den Beteiligten mittlerweile unstreitig ist - der Gewerbesteuer. Die Vorschrift des § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG stellt keine umfassende persönliche Steuerbefreiung dar, sondern regelt die Steuerbefreiung einzelner gewerblicher Tätigkeiten. Die Beschränkung auf die Erträge, die durch die begünstigte Tätigkeit erwirtschaftet werden, ergibt sich schon aus Sinn und Zweck des § 3 Nr. 20 GewStG. Es sollen - wie oben ausgeführt - die bestehenden Versorgungsstrukturen bei der Behandlung kranker und pflegebedürftiger Personen verbessert und die Sozialversicherungsträger von Aufwendungen entlastet werden (BFH-Urteil vom 22. Juni 2011, I R 43/10, BStBl. II 2011, 892 m.w.N.). Hieraus lässt sich nach der Rechtsprechung des BFH ableiten, dass nur diejenigen Erträge begünstigt sind, die aus dem Betrieb der jeweiligen Einrichtung selbst erzielt werden. Denn nur insoweit entstehen für die Sozialversicherungsträger Kosten. Eine wirtschaftliche Betätigung mit einem anderen Gegenstand ist dagegen steuerpflichtig. Von vornherein können daher nur diejenigen Einnahmen und Ausgaben gewerbesteuerfrei sein, die mit Leistungen in den jeweiligen Einrichtungen gegenüber den dort behandelten Patienten zusammenhängen (BFH-Urteil vom 22. Juni 2011, I R 43/10, BStBl. II 2011, 892 m. w. N.; Finanzgericht Bremen, Urteil vom 12. Mai 2010 3 K 51/09, EFG 2010, 1526; Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht vom 18. Juni 2012 5 K 40111/10, Der Betrieb 2012, 1960). Über die Aufteilung des vom Kläger erzielten Gewinns aus Gewerbebetrieb auf die einzelnen Tätigkeitsbereiche besteht zwischen den Beteiligten Einvernehmen, so dass der nicht von der Gewerbesteuer befreite Gewinnanteil X € beträgt, wobei - entsprechend dem Antrag des Klägers - ein Anteil aus der Verlustübernahme auf Grund einer bestehenden Organschaft von Y € abzuziehen ist.
Der Senat brauchte nicht zu entscheiden, ob der Kläger ein Krankenhaus im Sinne des § 3 Nr. 20 Buchst. b GewStG unterhält, da die Erträge schon nach § 3 Nr. 20 Buchst. d GewStG steuerbefreit sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 151 Abs. 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.
Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.