FG Niedersachsen: Gestaltungsmissbrauch durch steuerfreie Veräußerungsgewinne
FG Niedersachsen, Urteil vom 1.11.2012 - 6 K 382/10
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin aus der Anlage in einem Fonds einen steuerfreien Veräußerungsgewinn erzielt hat.
Im Mai 2008 verfügte die Klägerin über freie Liquidität, die von ihr nicht für eigene unternehmerische Zwecke benötigt wurde. Sie entschied sich für eine Kapitalanlage in dem X-Fonds, der von der X-Bank angeboten wurde. Nach dem vom Beklagten vorgelegten Fondsprospekt richtet sich dieser Fonds an in Deutschland steuerpflichtige Unternehmen, die für mehrere Monate über überschüssige Liquidität verfügen und „ausreichende Steuerkapazität" besitzen, „um potentielle, beim Verkauf der Fondsanteile realisierte Verluste anzurechnen". Der Fonds versprach einen „attraktiven Ertrag, besonders bei Berücksichtigung des möglichen steuerlichen Vorteils". Nach seinem Anlagekonzept werden bis zu 20 % des Fondsvermögens in zinstragende Wertpapiere investiert mit dem Ziel einer Anlage, die dem 1-Monats-Euribor-Satz entspricht. Mindestens 80 % des Fondsvermögens werden zum Erwerb von „Zero Strike Call Optionsscheinen" verwendet, bei denen das Aktienrisiko vollständig durch Terminverkäufe abgesichert ist. Der Ertrag aus der Anlage in den Optionsscheinen soll - unabhängig von der Marktentwicklung des Aktienmarktes - dem 1-Monats-Zinssatz (abzüglich Kosten) entsprechen. Aus der Perspektive des Investors sollen Aktiengewinne des Fonds dem Investor nach dem Fondsprospekt ein negatives steuerpflichtiges Einkommen zur Verrechnung mit sonstigem steuerpflichtigem Einkommen vermitteln. Unter der Annahme eines 1 Monats-Euribor-Satzes von 4,62 % prognostizierte der Fonds in einer Modellrechnung für Kapitalgesellschaften einen Vorsteuerertrag von 3,46 % p.a., einen Aktiengewinn innerhalb des Fonds von 30 % p.a., steuerlich abzugsfähige Verluste von 25,04 % p.a., einen Gesamtertrag in Höhe von 10,93 % p.a. und einen äquivalenten Vorsteuerertrag in Höhe von 15,57 % p.a.
In einer weiteren Beispielrechnung des Fonds ermittelt dieser bei einem beispielhaft zu erwartenden Steuerbilanzgewinn von 250,37 € eine außerbilanzielle Kürzung gemäß § 8b Abs. 2 und 3 KStG in Höhe von 4.389,99 € und ein hieraus resultierendes zu versteuerndes Einkommen von ./. 4.139,52 €.
Am 15.12.2008 veräußerte die Klägerin alle Fondsanteile ... Der steuerrelevante Aktiengewinn wurde von der X-Bank mit 73,05 % des Rücknahmepreises vom 10.12.2008 und mit 36,83 % des Rücknahmepreises vom 14.05.2008 bescheinigt.
Die Klägerin ist der Ansicht, sie habe durch diese Anlage einen steuerfreien Veräußerungsgewinn im Sinne des § 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG) i.V.m. § 8 Investmentsteuergesetz (InvStG) in Höhe von ... € erzielt. ...
In ihrer Körperschaftsteuererklärung für 2008 erklärte die Klägerin u.a. einen Jahresüberschuss in Höhe von ... €, steuerfreie inländische Gewinne im Sinne des § 8b Abs. 2 KStG in Höhe von ... € und nicht abziehbare Ausgaben (5 % dieses Betrags) in Höhe von ... €. Hieraus ergab sich ein steuerfreier Veräußerungsgewinn in Höhe von ... €.
Mit Bescheid vom 30.11.2009, der unter Vorbehalt der Nachprüfung steht, wich der Beklagte insoweit von der Erklärung ab, als er keinen steuerfreien Veräußerungsgewinn bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens berücksichtigte. Vielmehr minderte er die - erklärungsgemäß ermittelte - Summe der Einkünfte (... €) lediglich um geleistete Spenden und Mitgliedsbeiträge in Höhe von ... € und kam so zu einem zu versteuernden Einkommen in Höhe von ... €. Zur Begründung führte er aus, eine Steuerfreiheit nach § 8b KStG liege nicht vor, da es sich um einen Gestaltungsmissbrauch im Sinne des § 42 Abgabenordnung (AO) handele.
Hiergegen wendet sich die Klägerin nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage, die sie wie folgt begründet: Das Anlageziel des Fonds bestehe darin, den Anteilsinhabern einen Ertrag zukommen zu lassen, der an eine Geldmarktrendite gekoppelt ist. Zur Erreichung des Anlageziels erwerbe der Fonds regelmäßig von der X-Bank oder einem verbundenen Unternehmen emittierte Optionsscheine, die sich jeweils auf einzelne Aktien bezögen. Daneben nehme der Fonds Terminverkäufe in Bezug auf die zugrunde liegenden Aktien vor, auf die sich die Optionsscheine bezögen. Die Laufzeit der Terminkontrakte entspricht nach Angaben der Klägerin weitestgehend der Laufzeit der Optionsscheine. Darüber hinaus investiere der Fonds in fest verzinsliche Anlagen. Die Vermögensanlage der Klägerin in dem streitbefangenen Fonds habe das Ziel einer gewinnbringenden Geldanlage erreicht, da die Klägerin während der Besitzzeit des Fonds (206 Tage) eine Rendite in Höhe von ... € (= 0,35 % des eingesetzten Kapitals) erzielt habe. Gemäß § 8b Abs. 2 und 3 KStG seien 95 % des Gewinns aus der Veräußerung von Aktien steuerbefreit. Die teilweise Steuerfreiheit der Gewinne aus der Veräußerung von Aktien sei vom Gesetzgeber gewollt, um eine doppelte Besteuerung der Gewinne der Zielgesellschaft, die sich wirtschaftlich auch im Veräußerungserlös der Aktien widerspiegelten, zu vermeiden.
Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne des § 42 AO liege nicht vor. Die Klägerin habe mit der Vermögensanlage in dem Fonds bezweckt, im Unternehmen vorhandene freie Liquidität sicher und ertrag bringend anzulegen. Im Übrigen sei es Steuerpflichtigen erlaubt, ihre rechtlichen Verhältnisse so zu gestalten, dass sich eine möglichst geringe Steuerlast ergebe. Außerdem habe der Gesetzgeber für vergleichbare Vermögensanlagen eine gesetzliche Regelung in § 18 Abs. 2b InvStG getroffen. Anlagestruktur und Anlagepolitik des hier streitbefangenen Fonds entsprächen der in dieser Vorschrift beschriebenen Anlagepolitik mit dem Ziel der Erzielung einer Geldmarktrendite. Die Existenz dieser Vorschrift zeige, dass dem Gesetzgeber derartige Fonds bekannt seien und er deren Anlagepolitik billige. Dies schließe es aus, eine Anlage in einem derartigen Fonds als unangemessene Gestaltung im Sinne des § 42 Abs. 2 AO anzusehen.
Eine unangemessene Gestaltung folge nicht aus der Tatsache, dass der Klägerin - neben dem von ihr erzielten Zinsgewinn - einerseits steuerfreie Aktiengewinne und andererseits steuerwirksame Verluste zugerechnet würden. Die Zurechnung der Gewinne und Verluste erfolge nicht zur Umgehung der Steuergesetze, sondern in Anwendung der Steuergesetze. Der Fonds sei aufgrund der Kombination von Aktien- und Derivategeschäften so strukturiert gewesen, dass das Aktienkursrisiko in ein Kontrahentenrisiko und ein Emittentenrisiko umgewandelt worden sei. Daher habe nur eine geringe Gefahr des Wertverlustes bestanden. Dass die X-Bank der Klägerin vor dem Erwerb der Fondsanteile eine Berechnung über deren steuerlichen Folge übergeben habe, spreche nicht für einen Gestaltungsmissbrauch, sondern für die Qualität der Beratung der Bank.
In der mündlichen Verhandlung verwies die Klägerin ergänzend auf eine neue Kommentierung zu § 8b KStG. Demnach sei diese Vorschrift Anlass für eine Reihe von Steuergestaltungsmodellen, z.B. eine Koppelung von Finanzgeschäften in der Weise, dass das eine Geschäft einen nach § 8b KStG (ggf. i.V.m. InvStG) steuerfreien Ertrag und das andere Geschäft einen steuerwirksamen Verlust ausweise. Dies sei nicht als Anwendungsfall des § 42 AO anzusehen, da die gesetzgeberischen Grundentscheidungen des § 8b KStG nicht durch Anwendung des § 42 AO in Frage gestellt werden dürften (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Komm. zum KStG, § 8b Rn. 5 - 75. EL September 2012).
Die Klägerin habe außerdem keinen Steuervorteil im Sinne des § 42 Abs. 2 AO erzielt. Im Streitfall seien beachtliche außersteuerliche Gründe für die Geldanlage maßgeblich gewesen, da es wesentliches Ziel der Klägerin gewesen sei, eine angemessene Rendite auf Geldmarktniveau zu erzielen und die Liquidität sicher anzulegen.
Die Absicherung von Aktiengeschäften durch Optionen sei wirtschaftlich üblich und sinnvoll. Die Klägerin habe den streitbefangenen Fonds gewählt, weil ihr kein anderer Fonds bekannt sei, bei dem mit gleicher Sicherheit höhere Gewinne hätten erzielt werden können. Da der streitbefangene Fonds Gewinne erzielen wollte und auch erzielt habe, liege kein Steuerstundungsmodell im Sinne des § 15b Abs. 2 EStG vor. Die Klägerin habe die streitbefangenen Fondsanteile aufgrund der im Fondsprospekt in Aussicht gestellten Renditeprognose sowie des geringen Verlustrisikos erworben. Dass rückwirkend betrachtet andere Anlagen möglicherweise attraktiver gewesen seien, sei Teil des allgemeinen unternehmerischen Risikos.
Erst durch das Jahressteuergesetz 2010 sei in § 8 Abs. 7 InvStG eine „sinngemäße Anwendung" von § 15b EStG angeordnet worden. Zwar gehe der Gesetzgeber von einer deklaratorischen Regelung aus. Nach zutreffender Auffassung sei § 15b EStG zuvor dagegen lediglich auf geschlossene, nicht aber auf offene Fonds anwendbar gewesen. Außerdem sei § 8 Abs. 7 InvStG erst am 14.12.2010 in Kraft getreten. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen des § 15b EStG nicht vor, da der Fonds nicht als Steuerstundungsmodell im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden könne. Es fehle bereits an einem vorgefertigten Konzept im Sinne des § 15b EStG und an einer modellimmanenten Verlustentstehung. Außerdem greife § 15b EStG im Streitfall wegen der großen Investitionssumme von ... Mio. € nicht ein. Nach der Rechtsprechung des BFH liege eine modellhafte Gestaltung im Sinne des § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG nicht vor, wenn es sich um eine auf die besonderen Bedürfnisse eines Investors zugeschnittene Transaktion handele. Ferner habe die Klägerin keine steuerlichen Vorteile durch Verlustverrechnung in der Anfangsphase des Fonds erzielen wollen, wie § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG sie voraussetze.
Darüber hinaus sei § 15b EStG deshalb nicht anwendbar, weil die streitbefangenen Verluste nicht nur vorübergehend, sondern endgültig entstanden seien. § 15b EStG betreffe lediglich vorübergehende Verluste aus Steuerstundungsmodellen. Hierzu verweist die Klägerin auf die Gesetzesbegründung zu § 15b EStG (BT-Drucks. 16/107 S. 6) und auf Stellungnahmen der Literatur. Schließlich habe die Klägerin keine „negativen Einkünfte" i.S.d. § 15b Abs. 2 Satz 1 EStG erzielt. Auch dies schließe eine Anwendung des § 15b Abs. 2 EStG aus. Der steuerliche Verlust der Klägerin resultiere aus einer Anwendung des § 8b Abs. 2 KStG. Diese Vorschrift sei keine Gewinnermittlungsnorm, sondern finde erst bei der Ermittlung des Einkommens Anwendung.
Die Klägerin ist ferner der Ansicht, vom Beklagten zitierte Urteile des FG Nürnberg vom 01.03.2011 (1 K 69/2009, nv) und des FG Düsseldorf vom 12.06.2012 (6 K 2435/09 K, juris; Revision I R 52/12 anhängig) seien nicht auf den Streitfall übertragbar. Der vom FG Nürnberg entschiedene Fall habe eine Kapitalgesellschaft betroffen, die selbst Aktien verschiedener Emittenten erworben habe und jeweils zeitgleich mit den Aktien Put und Call Optionen auf gattungsgleiche Aktien erworben bzw. veräußert haben. Aus Sicht der Bank, die jeweils Vertragspartner gewesen sei, sei wirtschaftlich lediglich die Ausübung der Call Option sinnvoll gewesen, so dass die Put Option nach dem vereinbarten „knock out feature" verfallen sei. Das FG Nürnberg habe den Aufwand aus dem Verfall der Put Optionen in diesem Fall als Teil der Veräußerungskosten der Aktien im Sinne des § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG behandelt. Diese Erwägungen seien auf den Streitfall nicht übertragbar. Das FG Nürnberg habe sich auf die gesetzliche Definition des Veräußerungsgewinns in § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG und den auf § 17 EStG zurückgehenden Begriff des Veräußerungspreises bzw. der Veräußerungskosten bezogen. Im Streitfall dagegen habe § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG bzw. § 17 EStG für die Ermittlung des im Rückgabeerlös der Fondsanteile enthaltenen steuerfreien Aktiengewinns keinerlei Bedeutung. Die steuerliche Behandlung des Gewinns aus der Rückgabe der Fondsanteile richte sich nach der Spezialvorschrift des § 8 Abs. 1 InvStG. Die Ermittlung des steuerfreien „Aktiengewinnes" erfolge gem. § 3 Abs. 1 InvStG nach den Vorschriften des EStG. Werbungskosten bei der Veräußerung der Aktien könnten im Rahmen der Ermittlungen des Aktiengewinns deshalb nicht berücksichtigt werden. (sog. Bruttomethode). § 8b Abs. 3 Satz 2 KStG, der eine Anwendung des § 3c EStG bei durch den Steuerpflichtigen direkt gehaltenen Aktien ausschließe, sei bei der Ermittlung des Aktiengewinns eines Investmentvermögens gemäß § 2 Abs. 2 InvStG nicht anwendbar. In der Literatur werde zwar teilweise für die Anwendung der sog. Nettomethode plädiert. Gegen diese Auffassung spreche jedoch, dass die Ermittlung von Aktiengewinn und Rücknahmepreis verschiedenen gesetzlichen Vorgaben folge; sie entspreche ferner nicht der in der Investmentfondsbranche gängigen Praxis. Bei der Ermittlung der steuerfreien „Aktiengewinne" würden die Verluste aus den Forwards bzw. den Optionsscheinen nicht gegengerechnet. Im Übrigen sei auch nach Ansicht der Vertreter der Nettomethode zu respektieren, wenn ein Fonds in Übereinstimmung mit dem Gesetzeswortlaut die Bruttomethode anwende und den Aktiengewinn ohne Werbungskosten berücksichtige. Nach allgemeiner Ansicht sei die Ermittlung des Aktiengewinns unter Anwendung der Bruttomethode zulässig, nach Auffassung der Klägerin sogar zwingend vorgeschrieben. Selbst wenn es sich bei den Verlusten aus den Forwards um Werbungskosten bzw. Veräußerungskosten handele, sei das Urteil des FG Nürnberg deshalb im Streitfall ohne Bedeutung.
Darüber hinaus seien die Verluste aus den Forwards/Optionsscheinen keine Werbungskosten. Die Ausgleichszahlungen des Fonds unter den Forwards bzw. die Verluste aus den Optionsscheinen seien nicht durch die Gewinne aus der Veräußerung der Aktien veranlasst gewesen. Der Anspruch auf den Veräußerungserlös sei unabhängig von der wirtschaftlichen Absicherung der Geschäfte durch Forwards bzw. Optionen entstanden.
§ 3 Abs. 1 InvStG i.V.m. den die Überschusseinkünfte betreffenden Vorschriften des EStG ordne Gewinne aus der Veräußerung von Aktien § 23 Abs. 1 Nr. 2 EStG 2008 zu. Ergebnisse aus Termingeschäften dagegen würden von § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG 2008 erfasst. Diese vom Gesetz vorgegebene Trennung der Einkunftsarten werde von der Finanzverwaltung für Zwecke der Investmentbesteuerung akzeptiert (Hinweis auf BMF Schreiben vom 18.08.2009 BStBl. I 931 Anhang 3). Die Nichtberücksichtigung der Forwardverluste im Rahmen der Aktiengewinnermittlung sei die folgerichtige Ausprägung der Systematik des InvStG i.V.m. § 23 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4 EStG 2008. Das FG Nürnberg habe das von ihm zu beurteilende kombinierte Optionsgeschäft ausdrücklich von Kurssicherungsgeschäften abgegrenzt, bei denen auch nach Auffassung des BFH das Sicherungsgeschäft als vom Veräußerungsgeschäft getrennt zu beurteilendes Rechtsgeschäft anzusehen sei. Diese Sichtweise habe auch der Gesetzgeber bei Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 5 EStG zum Ausdruck gebracht. Im Streitfall habe kein „über den Regelfall" hinausgehender Zusammenhang im Sinne der Rechtsprechung des FG Nürnberg bestanden, der eine ausnahmsweise Einordnung der Forwardverluste als Werbungskosten bzw. Bestandteil der Veräußerungskosten rechtfertigen könne. Im Streitfall habe rechtlich zwischen den Kapitalanlagen des Fonds keinerlei Verknüpfung bestanden. Schon aus diesem Grund scheide eine Einordnung des Verlustes aus dem Forward als Kosten aus der Veräußerung der Aktien aus.
Die Klägerin verweist ferner auf ein Urteil des FG München vom 29.09.2011 (5 K 1050/08, EFG 2012, 325), das aus ihrer Sicht mit dem Streitfall weit besser vergleichbar sei als das vom Beklagten zitierte Urteil des FG Nürnberg. In jenem Fall habe das FG München ausdrücklich bestätigt, dass die Verluste aus der Veräußerung einer Kapitalanlage nicht bei der Ermittlung der Gewinne aus der Veräußerung einer anderen Kapitalanlage berücksichtigt werden dürften. Es habe die Klage lediglich deshalb abgewiesen, weil im dortigen Streitfall - anders als im vorliegenden Fall - keine Einkunftserzielungsabsicht bestanden habe.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 30.11.2009 über Körperschaftsteuer 2008 in Gestalt des Einspruchsbescheids vom 07.09.2010 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen der Klägerin um einen steuerfreien Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € gemindert wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die von dem streitbefangenen Fonds vorgenommenen Absicherungsgeschäfte machten die Gestaltung unangemessen, weil sie wegen ihrer gegenläufigen Wirkung die Aktiengeschäfte wirtschaftlich aufhöben und einen möglichen nennenswerten Gewinn aus diesen Geschäften modellhaft von vorneherein unmöglich machten. Der Fonds erwerbe sowohl eine Call Option zum Basispreis Null auf eine einzelne deutsche oder ausländische Aktie, die alternativ die Lieferung des Basiswerts oder einen Barausgleich vorsehe. Gleichzeitig werde ein Termingeschäft (Forward) mit identischer Laufzeit auf dieselbe Aktie abgeschlossen, das ebenfalls wahlweise durch Lieferung oder Barausgleich erfüllt werden könne. Hierdurch sei sichergestellt, dass unabhängig von der Wertentwicklung der Aktien im Ergebnis stets ein Aktiengewinn auf der Ebene des Fonds entstehe. Der Fonds habe modellhaft in der Gesamtbetrachtung wirtschaftlich unsinnige Geschäfte getätigt, da sich Geschäft und Gegengeschäft in ihrer Wirkung gegenseitig aufhöben und lediglich Kosten verursachten. Der nach dem Prospekt des Fonds angestrebte Nettoertrag in Höhe des sog. 1-Monats-Zinssatzes werde durch die entstehenden Kosten weitgehend aufgezehrt. Der vom Fonds erzielte geringfügige Wertzuwachs sei allein auf die Anlage eines Teils der Mittel in zinstragenden Wertpapieren zurückzuführen. Der Fonds habe nach seinem Prospekt bis zu 20 % des Kapitals in zinstragenden Wertpapieren angelegt. Hierdurch habe er Zinsen erzielen können, die deutlich höher gewesen seien als die Gesamtverzinsung der Kapitalanlagen. Die hier umstrittenen Geschäfte hätten demnach nach Abzug der Kosten zu einem Verlust geführt.
Eine Anlage in dem Fonds lasse sich nur durch die angestrebte Steuerersparnis erklären. Die Klägerin hätte durch ähnlich risikoarme Fonds, die nicht steuerorientiert gewesen seien, eine deutlich höhere, ebenso sichere Rendite erzielen können, z.B. durch Anlage in Geldmarkt-Fonds, die in Anleihen guter Bonität mit geringer Restlaufzeit investierten.
Der Beklagte ist der Ansicht, die Voraussetzungen des § 15b Abs. 2 EStG lägen vor, da der streitbefangene Fonds nach seinem Konzept steuerliche Verluste vermittle, die für den Fall der Veräußerung der Fondsanteile realisiert werden könnten. § 15b EStG habe gem. § 7 i.V.m. § 8 Abs. 1 und 2 KStG seit seiner Einführung für alle Körperschaftsteuerfälle gegolten. Die spätere Einführung des § 8 Abs. 7 InvStG ändere hieran nichts. § 15b EStG sei auf sämtliche Fonds anzuwenden, nicht nur auf geschlossene. Der Verkaufsprospekt des hier streitbefangenen Fonds habe ausführlich die Möglichkeiten beschrieben, Verluste mit übrigen Einkünften zu verrechnen. Der streitbefangene Fonds sei im Übrigen nicht auf die besonderen Bedürfnisse der Klägerin zugeschnitten gewesen, da er ein Volumen von mehr als ... Mio. € gehabt habe. § 15b Abs. 2 Satz 2 EStG setze lediglich voraus, dass zumindest in der Anfangsphase der Investition Verluste erzielt werden sollten. Dies schließe eine dauerhafte Verlusterzielung jedoch nicht aus. Die Vorschrift setze nicht voraus, dass später modellhaft Gewinne vorgesehen seien.
Ergänzend macht er geltend, es habe bisher keine Veranlassung bestanden, nach § 15b EStG nur verrechenbare „Verluste" (bzw. steuerfreie Aktiengewinne) festzustellen, weil derartige „Verluste" nach Ansicht des Beklagten nicht entstanden seien. Bereits auf der Ebene des Fonds seien die Ergebnisse der gegenläufigen Termingeschäfte zu saldieren. Der Beklagte verweist hierzu auf Urteile des FG Nürnberg vom 01.03.2010 (1 K 69/2009, nv) und des FG Düsseldorf vom 12.06.2012 (6 K 2435/09 K, juris; Revision I R 52/12 anhängig).
Der Hinweis auf § 15b EStG sei lediglich hilfsweise erfolgt. Falls das FG dem Grunde nach das Entstehen eines Aktiengewinns bejahe, aber eine Anwendbarkeit des § 15b EStG annehme, müsse der Beklagte noch einen entsprechenden Verlustfeststellungsbescheid erlassen.
Im August 2012 hat das Finanzamt für Großbetriebsprüfung eine Betriebsprüfung bei der Klägerin begonnen, die sich auch auf das Streitjahr (2008) bezieht. Der hier streitbefangene Betrag wurde unter Hinweis auf den vorliegenden Rechtsstreit (bisher) nicht geprüft.
Aus den Gründen
Die Klage ist unbegründet. Der Beklagte hat den von der Klägerin geltend gemachten steuerfreien Veräußerungsgewinn in Höhe von ... € in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 2008 zu Recht unberücksichtigt gelassen.
1. Im Rahmen dieses Klageverfahrens ist nicht zu prüfen, ob der in den Wertpapierabrechnungen der X-Bank vom 16.05.2008 und 15.12.2008 an die Klägerin mitgeteilte „steuerrelevante Aktiengewinn" zutreffend berechnet wurde, da insoweit eine Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung vorliegt, die noch einer abschließenden Prüfung im Rahmen einer Betriebsprüfung vorbehalten ist.
Der Beklagte hat die Körperschaftsteuererklärung der Klägerin für 2008 mit dem handschriftlichen Vermerk „GBP G" versehen und in dem Körperschaftsteuerbescheid vom 30.11.2009, der unter Vorbehalt der Nachprüfung steht, die von der Klägerin erklärten Werte aus deren Körperschafsteuererklärung grundsätzlich übernommen. Nicht übernommen hat der Beklagte allerdings den von der Klägerin geltend gemachten steuerfreien „Aktiengewinn" in Höhe von ... €, sondern insoweit auf § 42 AO verwiesen. In der Einspruchsentscheidung vom 07.09.2010 blieb der Vorbehalt der Nachprüfung bestehen.
Bei dieser Sachlage hat der Beklagte die von der Klägerin erklärten Besteuerungsgrundlagen i.S.d. § 164 Abs. 1 Satz 1 AO noch nicht abschließend geprüft, da die Klägerin als sog. Großbetrieb einer (zwischenzeitlich begonnenen) Betriebsprüfung durch das Finanzamt für Großbetriebsprüfung unterliegt. Auch die von der Klägerin erklärten „Aktiengewinne" hat der Beklagte bisher ohne Prüfung der Besteuerung zugrunde gelegt. Diese Werte wurden von der Klägerin ihrerseits auf der Basis der von dem Fonds gemäß § 5 Abs. 2 Satz 1 InvStG veröffentlichten bewertungstäglichen Aktiengewinne errechnet. Da die veröffentlichten Fonds-Aktiengewinne i.S.d. § 5 Abs. 2 Satz 1 InvStG keine Bindungswirkung für die Besteuerung des Anlegers entfalten (Lübbehüsen in Berger/Steck/Lübbehüsen, Komm. zum Investmentgesetz und zum InvStG, 2010, § 5 InvStG Rn. 205; BMF-Schreiben vom 18.08.2009 BStBl. I 2009, 931 Tz. 117a), sind sie ebenso wie die sonstigen Besteuerungsgrundlagen einer Überprüfung im Rahmen einer Außenprüfung zugänglich. Auch im Hinblick auf die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob bei der Ermittlung der Veräußerungsgewinne i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG eine Saldierung der gegenläufigen Options- oder Termingeschäfte zu erfolgen hat, hat der Beklagte bisher noch keine Feststellungen dazu getroffen, welche konkreten Geschäfte der Fonds im hier streitbefangenen Zeitraum getätigt hat. Insoweit hat sich der Beklagte - ebenso wie im Hinblick auf die anderen, von der Klägerin erklärten Besteuerungsgrundlagen - eine abschließende Prüfung im Rahmen der derzeit begonnenen, aber noch nicht abgeschlossenen Außenprüfung vorbehalten.
Abschließend geprüft hat der Beklagte dagegen die Frage, ob ein etwaiger „Aktiengewinn" der Klägerin - falls er in der erklärten Höhe bestehen sollte - nach § 42 AO nicht zu berücksichtigen ist. Über das Ergebnis dieser Prüfung, gegen das sich die Klägerin wendet, ist im Rahmen des vorliegenden Rechtsstreits abschließend zu entscheiden (vgl. zum Prüfungsmaßstab eines Klageverfahrens und zur Bindungswirkung eines Urteils bei Steuerbescheiden unter Vorbehalt der Nachprüfung BFH-Urteile vom 07.02.1990 I R 145/87, BStBl. II 1990, 1032; vom 21.05.1992 IV R 107/90, BFH/NV 1993, 296; Rüsken in Klein, Komm. zur AO, 11. Aufl. 2012, § 164 Rn. 29; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Komm. zur AO, § 164 Rn. 50). Dagegen hat das Gericht weder den Versuch zu unternehmen, im Rahmen des Klageverfahrens erstmals Prüfungen nach Art einer Außenprüfung durchzuführen, wenn das Finanzamt einen Steuerbescheid im Hinblick auf eine anstehende Außenprüfung unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen hat (Seer in Tipke/Kruse, Komm. zur AO, § 164 Rn. 58) noch während einer laufenden Außenprüfung erstmals einzelne Besteuerungsgrundlagen, die bisher noch nicht abschließend geprüft sind, einer abschließenden Prüfung zuzuführen.
2. Der Beklagte hat den von der Klägerin geltend gemachten steuerfreien Veräußerungsgewinn in dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid 2008 - unter Zugrundelegung der von der Klägerin erklärten Besteuerungsgrundlagen gemäß § 164 Abs. 1 AO - zu Recht unberücksichtigt gelassen. Falls die von der Klägerin geltend gemachten steuerfreien Veräußerungsgewinne nicht bereits auf der Ebene des Fonds mit angefallenen Veräußerungsverlusten zu saldieren sind, ist eine steuermindernde Berücksichtigung dieser Gewinne nach § 42 AO ausgeschlossen.
a) Nach § 42 Abs. 1 Satz 1 AO in der Fassung des Artikels 14 des Gesetzes vom 20.12.2007 (BGBl. I 3150 - folgend: AO) kann das Steuergesetz nicht durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts umgangen werden. Ist der Tatbestand einer Regelung in einem Einzelsteuergesetz erfüllt, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dient, so bestimmen sich die Rechtsfolgen nach jener Vorschrift (§ 42 Abs. 1 Satz 2 AO). Anderenfalls entsteht der Steueranspruch beim Vorliegen eines Missbrauchs im Sinne des Absatzes 2 so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht (§ 42 Abs. 1 Satz 3 AO).
Ein Missbrauch liegt vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Steuerpflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO). Dies gilt nicht, wenn der Steuerpflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO).
Die vorgenannte Fassung des § 42 AO ist gemäß Art. 97 § 7 Satz 1 Einführungsgesetz zur Abgabenordnung (EGAO) für Kalenderjahre anzuwenden, die ab dem 01.01.2008 beginnen, also auch für das Streitjahr 2008.
b) Ein Gestaltungsmissbrauch ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung gegeben, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die --gemessen an dem erstrebten Ziel-- unangemessen ist, der Steuerminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonst beachtliche nichtsteuerliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist. Das Motiv, Steuern zu sparen, macht eine steuerliche Gestaltung noch nicht unangemessen. Eine rechtliche Gestaltung ist erst dann unangemessen, wenn der Steuerpflichtige die vom Gesetzgeber vorausgesetzte Gestaltung zum Erreichen eines bestimmten wirtschaftlichen Ziels nicht gebraucht, sondern dafür einen ungewöhnlichen Weg wählt, auf dem nach den Wertungen des Gesetzgebers das Ziel nicht erreichbar sein soll (st. Rspr., vgl. etwa Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.05.2008 IX R 77/06, BStBl II 2008, 789; vom 07.12.2010 IX R 40/09, BStBl. II 2011, 427; vom 18.10.2011 IX R 15/11, BStBl. II 2012, 205 m.w.N.). Der Steuerpflichtige kann sich auf die von ihm gewählte zivilrechtliche Gestaltung nicht berufen, wenn verständige Parteien in Anbetracht des wirtschaftlichen Sachverhalts und der wirtschaftlichen Zielsetzung nicht in dieser Weise verfahren wären (BFH-Urteil vom 07.07.1998 VIII R 10/96, BStBl. II 1999, 729 m.w.N.). Missbräuchlich kann eine Gestaltung nur dann sein, wenn das Gesetz für das Erreichen eines bestimmten Ziels erkennbar eine andere Gestaltung als typisch voraussetzt und die Vermeidung dieser anderen Gestaltung der Steuerumgehung dient (BFH-Urteil vom 12.07.2012 I R 23/11, DStR 2012, 2058 m.w.N.).
Nach diesen Maßstäben kann etwa dann ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen, wenn durch wirtschaftlich gegenläufige Rechtsgeschäfte allein steuerliche Vorteile erzielt werden sollen (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648) oder wenn anderweitig zivilrechtliche Gestaltungen gewählt werden, die dem wirtschaftlichen Gehalt des Geschäfts nicht angemessen sind (vgl. BFH-Urteil vom 14.04.2011 IV R 15/09, BStBl. II 2011, 706). Ein Gestaltungsmissbrauch kann insbesondere dann vorliegen, wenn die gewählte Gestaltung von vornherein nur kurzfristig angelegt war oder in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist (BFH-Urteil vom 12.07.2012 I R 23/11, DStR 2012, 2058 m.w.N.).
c) Im Streitfall wollte die Klägerin eine kurzfristige, sichere Geldanlage für vorhandene Liquidität tätigen mit dem Ziel einer am Geldmarktzins orientierten Rendite. Bei diesem Anlageziel wäre eine Anlage in einem Fonds mit entsprechendem Anlageschwerpunkt wirtschaftlich angemessen gewesen. Der von der Klägerin ausgewählte Fonds hat dagegen lediglich bis zu 20 % des Fondsvermögens für eine am Geldmarkt orientierte Kapitalanlage verwendet und hierdurch insoweit eine entsprechende Rendite erzielt. Den größten Teil des Fondsvermögens verwendete er dagegen für wirtschaftlich gegenläufige Optionsgeschäfte, durch die zwar einerseits ein Aktienrisiko vermieden wurde, aber andererseits - außerhalb etwaiger steuerlicher Vorteile - auch keine nennenswerten Chancen am Aktienmarkt wahrgenommen wurden. Die Anlage war insoweit nach dem Fondskonzept so konstruiert, dass sie Chancen und Risiken des Aktienmarktes durch gegenläufige Termingeschäfte zumindest weitgehend ausschloss, sich an einer Geldmarktrendite orientierte und diese Rendite durch die Kosten der Termingeschäfte schmälerte. Dies zeigen insbesondere die vom Beklagten vorgelegte Modellrechnung des Fonds und der Fondsprospekt (Bl. 69 ff. der Gerichtsakten), die darauf hinweisen, dass der Fonds nur einen vergleichsweise geringen handelsrechtlichen Gewinn anstrebt und sich an Anleger richtet, die „beim Verkauf der Fondsanteile realisierte Verluste" (vgl. Bl. 73 der Gerichtsakten) mit in Deutschland steuerpflichtigem Einkommen verrechnen, wobei nach der Beispielrechnung des Fonds der „Wert des negativen zu versteuernden Einkommens" (1.241,89 €) fast das Fünffache des Steuerbilanzgewinns (250,37 €) ausmachte. Tatsächlich beträgt bei der Klägerin der von dieser geltend gemachte steuerfreie Veräußerungsgewinn i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG ( ... €) mehr als das 58-fache des handelsrechtlichen Ergebnisses ( ... €) ihrer Anlage in dem Fonds.
Außersteuerliche Gründe für die von der Klägerin vorgenommene Geldanlage hat diese nicht nachgewiesen (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO). Ein Anleger, der eine kurzfristige Anlage am Geldmarkt erstrebt und nicht das Ziel der Steuerersparnis verfolgt, würde sich nicht an einem Fonds beteiligen, der gegenläufige Geschäfte abschließt, die - außerhalb einer etwaigen Steuerersparnis - lediglich eine versprochene Geldmarktrendite um anfallende Kosten schmälern.
d) Würde die Körperschaftsteuer so festgesetzt wie sie von der Klägerin erklärt wurde und wie es dem Konzept des X-Fonds entsprach, so würde dies bei der Klägerin im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führen (§ 42 Abs. 2 Satz 1 AO).
Eine angemessene Gestaltung für das von der Klägerin geschilderte Ziel, vorhandene Liquidität kurzfristig anzulegen, wäre eine Anlage am Kapitalmarkt zum marktüblichen Zins. Bei einer derartigen Anlage wäre der der Klägerin zufließende Ertrag als Teil ihres Jahresüberschusses zu versteuern, ohne dass steuerlich wirksame Verluste gegenzurechnen wären.
Im Rahmen der Ersetzung des früheren körperschaftsteuerlichen Vollanrechnungsverfahrens durch das sog. Halbeinkünfteverfahren hat der Gesetzgeber mit dem Steuersenkungsgesetz vom 23.10.2000 (BGBl. I 2000, 1433) in § 8b Abs. 2 KStG für Körperschaften eine Steuerbefreiung der Veräußerungsgewinne eingeführt. Mit dieser Regelung hat der Gesetzgeber dem Gedanken Rechnung getragen, dass Veräußerungsgewinne Gewinne aus der Realisierung offener oder stiller Reserven enthalten können, die als thesaurierte Gewinne ebenso behandelt werden sollten wie Gewinnausschüttungen (vgl. Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, Komm. zum EStG und KStG, § 8b KStG Anm. 40; Gosch, Komm. zum KStG, 2. Aufl. 2009, § 8 Rn. 150 m.w.N.). Außerdem wollte der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnen, Beteiligungen im unternehmerischen Bereich ohne Steuerbelastung zu veräußern und so eine betriebswirtschaftlich vernünftige Beteiligungsstruktur zu schaffen (vgl. die Begründung des Gesetzentwurfs, BT-Drucks. 14/2683 S. 95).
Der Gesetzgeber hatte dagegen nicht die Absicht, Unternehmern, die kurzfristig Liquidität anlegen wollen, eine Möglichkeit zu verschaffen, durch wirtschaftlich gegenläufige Termingeschäfte ein Vielfaches des handelsrechtlichen Ertrags aus der Geldanlage in steuerfreie Veräußerungsgewinne zu transferieren und so einen anderweitig erzielten Ertrag aus dem operativen Geschäft der Besteuerung zu entziehen.
Der in der Literatur vertretenen Auffassung, die steuerliche Wertung des § 8b KStG schließe bei einer Kopplung von Finanzgeschäften eine Anwendung des § 42 AO aus (Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, Komm. zum KStG, § 8b Rn. 5), folgt der erkennende Senat nicht. Nach gefestigter Rechtsprechung kann etwa dann ein Gestaltungsmissbrauch vorliegen, wenn durch wirtschaftlich gegenläufige Rechtsgeschäfte allein steuerliche Vorteile erzielt werden sollen (vgl. BFH-Urteil vom 17.12.2003 IX R 56/03, BStBl. II 2004, 648) oder wenn anderweitig zivilrechtliche Gestaltungen gewählt werden, die dem wirtschaftlichen Gehalt des Geschäfts nicht angemessen sind (vgl. BFH-Urteil vom 14.04.2011 IV R 15/09, BStBl. II 2011, 706). Ein Gestaltungsmissbrauch kann insbesondere dann vorliegen, wenn die gewählte Gestaltung von vornherein nur kurzfristig angelegt war oder in ihrer wirtschaftlichen Auswirkung durch eine gegenläufige Gestaltung kompensiert wird und sich deshalb im Ergebnis lediglich als formale Maßnahme erweist (BFH-Urteil vom 12.07.2012 I R 23/11, DStR 2012, 2058 m.w.N.). Diese Maßstäbe sind auch bei der Frage anzuwenden, ob § 42 AO einer steuerlichen Gestaltung im Zusammenhang mit § 8b KStG entgegensteht.
e) Aufgrund des von der Klägerin gewählten Gestaltungsmissbrauchs entsteht der Steueranspruch gemäß § 42 Abs. 1 Satz 3 AO so wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht. Dies hat zur Folge, dass die Klägerin den handelsrechtlich erzielten Ertrag aus ihrer Geldanlage - wie von ihr erklärt und vom Beklagten veranlagt - im Rahmen ihres Jahresüberschusses zu versteuern hat, ohne dass der von der Klägerin geltend gemachte steuerfreie Veräußerungsgewinn zu berücksichtigen ist.
3. Die Anwendung des § 42 AO ist im Streitfall nicht durch einzelgesetzliche Regelungen ausgeschlossen, die der Verhinderung von Steuerumgehungen dienen (vgl. allgemein zum Verhältnis des § 42 AO zu Spezialnormen in Einzelsteuergesetzen Ratschow in Klein, Komm. zur AO, 11. Aufl. 2012, § 42 Rn. 90 ff.).
a) Insbesondere wird eine Anwendung des § 42 AO - entgegen der Ansicht der Klägerin - nicht durch § 18 Abs. 2b InvStG ausgeschlossen.
aa) § 18 Abs. 2b InvStG wurde durch das Jahressteuergesetz 2009 vom 19.12.2008 (BGBl. I 2794) in das Investmentsteuergesetz eingefügt (vgl. Bäuml in Berger/Steck/Lübbehüsen, Komm. zum Investmentgesetz und zum InvStG, § 18b InvStG Rn. 3). Diese Vorschrift richtet sich gegen bestimmte sog. „steueroptimierte Geldmarktfonds". Sie erfasst frühestens Anteilserwerbe ab dem 19.09.2008 und ausschließlich Veräußerungen oder Rückgaben nach dem 31.12.2008 (vgl. Bäuml in Berger/Steck/Lübbehüsen, Komm. zum Investmentgesetz und zum InvStG, § 18b InvStG Rn. 68 f.).
Die Klägerin hat ihre Anteile an dem streitbefangenen Fonds am 19.05.2008 erworben und am 15.12.2008 veräußert, also vor Inkrafttreten der o.g. Gesetzesänderung und außerhalb ihres Geltungsbereichs.
bb) Der Zweck des § 18 Abs. 2b InvStG steht einer Anwendung des § 42 AO im Streitfall ebenfalls nicht entgegen.
Durch § 18 Abs. 2b InvStG hat der Gesetzgeber auf bestimmte Steuergestaltungen bei sog. steuerorientierten bzw. -optimierten Geldmarktfonds reagiert (vgl. BT-Drucks. 16/11108 S. 51). Dies schließt eine Anwendung des § 42 AO auf andere Gestaltungen - zumindest vor Inkrafttreten der Gesetzesänderung - nicht aus.
b) Auch § 15b EStG steht einer Anwendung des § 42 AO nicht entgegen.
aa) Soweit Verluste im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen nach § 15b EStG gesondert festzustellen und steuerlich vortragsfähig sind, schließt diese Sonderregelung eine Anwendung des § 42 AO aus. Da § 15b EStG die Entstehung und Zuweisung der Verluste dem Grunde nach steuerlich anerkennt und lediglich eine Regelung über den Verlustausgleich trifft, ist es hierdurch zugleich ausgeschlossen, entsprechenden Verlusten durch Anwendung des § 42 AO jegliche steuerliche Wirkung abzusprechen.
bb) § 15b EStG ist nicht auf die streitbefangenen Beträge anzuwenden, die die Klägerin als steuerfreie Aktiengewinne i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG geltend macht.
Dabei kann offen bleiben, ob steuerfreie Gewinne i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG dem Grunde nach als „Verluste" i.S.d. § 15b EStG qualifiziert werden können und damit in den Anwendungsbereich dieser Norm fallen können. Auch wenn dies der Fall ist, war § 15b EStG im Streitjahr 2008 nicht auf Anteile aus Investmentfonds anwendbar (ebenso Heuermann in Blümich, Komm. zum EStG, § 15b Rn. 17 - Stand: März 2010). Erst durch das Jahressteuergesetz 2010 vom 08.12.2010 (JStG 2010, BGBl. I 1768) wurde an § 8 InvStG ein neuer Abs. 7 angefügt, der die sinngemäße Anwendung des § 15b EStG u.a. auf Verluste aus der Rückgabe, Veräußerung oder Entnahme von Investmentanteilen anordnet. Diese Vorschrift trat gemäß Art. 32 Abs. 1 JStG 2010 am Tag nach der Verkündung des JStG 2010 in Kraft.
Zwar spricht die Gesetzesbegründung von einer gesetzlichen „Klarstellung", dass auch Verluste, die durch Rückgabe oder Veräußerung von Investmentanteilen ... entstehen, von § 15b EStG erfasst werden (BT-Drucks. 17/3549 S. 30). § 8 Abs. 7 InvStG regelt jedoch eine „sinngemäße Anwendung" des § 15b EStG, also eine Anwendung bei solchen Sachverhalten, bei denen der Wortlaut des § 15b EStG unmittelbar nicht anwendbar ist. Dies schließt eine - gesetzlich nicht angeordnete - rückwirkende Anwendung dieser Norm auf Sachverhalte aus, bei denen - wie im Streitfall - in früheren Veranlagungszeiträumen kein „Verlust", sondern ggf. ein steuerfreier Gewinn i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG erzielt wurde (iE ebenso Jansen/Lübbehüsen, FR 2011, 512, 515).
Aus dem o.g. Grund kann ferner offen bleiben, ob § 8 Abs. 7 InvStG nach Inkrafttreten dieser Norm überhaupt auf steuerliche Gestaltungen der Art anwendbar ist wie sie im Streitfall vorliegen (gegen eine Anwendung bei permanenten Steuervorteilen durch nicht steuerbare Vermögensmehrungen Jansen/Lübbehüsen, FR 2011, 512, 516).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO