: Gesetzeslücke bei Einführung des Halbeinkünfteverfahrens
FG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2009 - 17 K 1039/08 F
Sachverhalt: 1
Die Beteiligten streiten darum, ob Anschaffungskosten für Aktien des
Umlaufvermögens im Rahmen der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3
Einkommensteuergesetz (EStG) in voller Höhe oder nur nach Maßgabe des § 3 c
EStG aufwandswirksam werden.
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Die Kläger gründeten mit Gesellschaftsvertrag vom ......1997 die A-B-C GbR mit
Sitz in X. Zweck der Gesellschaft war die Verwaltung des eigenen Vermögens der
Gesellschaft. Geschäftsführende Gesellschafterin war die nicht am Vermögen der
Gesellschaft beteiligte - Y-GmbH. Weitere Gesellschafter waren die Kläger zu 2.
bis 7. mit folgenden Kapitalanteilen:
3
...... C: _________ DM 4
....... C: _________.DM 5
..... C: _________.DM 6
...... A-B: _________.DM 7
....... A-B: _________ DM 8
...... A-B: _________ DM 9
267.400.000 DM 10
Die Y-GmbH haftete mit ihrem Vermögen unbeschränkt. Bei den weiteren
Gesellschaftern wurde die Haftung auf die jeweils erbrachte Einlage beschränkt.
Dies erfolgte dadurch, dass die GbR bei jedem von ihr abgeschlossenen Vertrag
individuell eine entsprechende Haftungsbeschränkung vereinbarte.
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Das Wirtschaftsjahr der Gesellschaft entsprach dem Kalenderjahr. Die
Gesellschaft ermittelte ihren Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG alter Fassung (a.F.).
Die Gesellschaft führte keine Bücher und machte keine Abschlüsse im Sinne von
§ 4 Abs. 3 EStG. Eine Aufforderung des Beklagten im Sinne von § 141 Abs. 2
Abgabenordnung (AO) an die Gesellschaft erfolgte nicht.
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Die Gesellschaft erwarb mit dem ihr zur Verfügung gestellten Kapital Aktien, die
jeweils nur kurzfristig gehalten wurden. Sämtliche Aktien wurden innerhalb eines
Jahres nach Ankauf wieder veräußert.
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Im Kalenderjahr 2000 erwarb die Gesellschaft verschiedene Aktien ausländischer
Aktiengesellschaften. Sie wandte hierfür Anschaffungskosten in Höhe von
148.472.684 DM (75.912.878 EUR) auf. Diese Aktien wurden im Jahre 2001 von
der Gesellschaft wieder veräußert. Die GbR erzielte 2001 Einnahmen von
133.832.375 DM. Die Gesellschaft behandelte die Anschaffungskosten der Aktien
in der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG in voller Höhe als
Betriebsausgaben. Die Verkaufserlöse im Jahr 2001 erfasste und erklärte die
Gesellschaft in Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens zur Hälfte.
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Der Beklagte stellte entsprechend der Erklärung der Gesellschaft die Einkünfte für
2000 mit Bescheid vom 18.10.2002 gesondert und einheitlich auf ./. 13.486.006,41
DM fest. Der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
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Durch Realteilungsbeschluss vom ....12.2004 wurde die GbR zum 31.12.2004 real
geteilt und ging damit unter. Die Y-GmbH wurde durch Verschmelzungsvertrag
vom ....04.2005 mit dem übernehmenden Rechtsträger A-B-GmbH verschmolzen.
Die Y-GmbH als übertragender Rechtsträger erlosch damit.
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Nach einer Außenprüfung änderte das Finanzamt mit Bescheid vom 26.03.2007
die Feststellung der Einkünfte für 2000 auf + 50.901.165,67 DM. Das
Betriebsprüfungs-Finanzamt und der Beklagte vertraten folgende Auffassung: Die
GbR sei als gewerblich geprägte Personengesellschaft im Sinne des § 15 Abs. 3
Nr. 2 EStG anzusehen. Obwohl gewerblich geprägt, habe die Tätigkeit der GbR
den Charakter einer privaten Vermögensverwaltung gehabt. Sie habe daher ihren
Gewinn und Verlust als Überschuss der Betriebseinnahmen über die
Betriebsausgaben ermitteln dürfen. Die Anschaffungskosten für die Aktien seien
aber nicht in voller Höhe als Betriebsausgaben abzugsfähig. Diese Ausgaben
stünden in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit den dem
Halbeinkünfteverfahren unterliegenden Betriebseinnahmen des Jahres 2001, so
dass § 3 c EStG in der alten, für den Veranlagungszeitraum 2000 gültigen Fassung
auf die Betriebsausgaben des Jahres 2000 wie folgt anzuwenden sei:
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50 % der Aufwendungen für den Erwerb der 18
Wertpapiere, die mit Gewinn verkauft wurden 14.773.921,00 DM 19
50 % der Erlöse für die Wertpapiere, die mit 20
Verlust verkauft wurden 49.685.004,00 DM 21
insgesamt 64.458.925,00 DM 22
Der Betriebsprüfer ermittelte folgenden 23
Gewinn für 2000: 24
Gewinn bisher ./. 13.486.006,41 DM 25
Gewinnerhöhung laut Tz. 2.7 64.458.925,00 DM 26
Abzug ausländischer Quellensteuer (unstreitig) ./. 71.752,92 DM 27
Gewinn laut Betriebsprüfung 50.901.165,67 DM 28
Der Prüfer differenzierte danach, ob die ausländischen Aktien im Jahr 2001 mit
Gewinn oder Verlust veräußert wurden. Soweit die Aktien mit Gewinn veräußert
wurden, nahm der Prüfer eine Abzugsbeschränkung auf 50 % der Aufwendungen
an. Soweit sie mit Verlust veräußert wurden, nahm er nicht abzugsfähige
Betriebsausgaben nur nach Maßgabe der erzielten Einnahmen an. Er orientierte
sich an der Rechtsprechung zu § 3 c EStG a. F., nach der ein für den
Betriebsausgabenabzug schädlicher Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen
nur bis zur Höhe der erzielten Einnahmen angenommen wurde.
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Die Kläger legten gegen den Änderungsbescheid Einspruch ein, den der Beklagte
jedoch mit folgender Begründung zurückwies: Der Abzug der Anschaffungskosten
als Betriebsausgaben in voller Höhe bei nur hälftiger Zurechnung der
Veräußerungserlöse als Betriebseinnahmen verstoße gegen das
Leistungsfähigkeitsprinzip. Es könne zwar die Vorschrift des § 3 c Abs. 2 EStG, die
korrespondierend zur Einführung des Halbeinkünfteverfahrens geschaffen worden
sei, noch nicht für Betriebsausgaben des Veranlagungszeitraums 2000 angewandt
werden. Es komme jedoch § 3 c EStG a.F. zur Anwendung. Dabei könne nicht
entscheidend sein, ob steuerfreie Einnahmen und Betriebsausgaben innerhalb
eines Veranlagungszeitraums zusammenträfen. Die GbR habe in dem
Veranlagungszeitraum 2000, in dem die Betriebsausgaben angefallen seien, diese
zunächst in voller Höhe abziehen dürfen, da noch keine steuerfreien Einnahmen
zugeflossen seien. Da in 2001 aber steuerfreie Einnahmen entstanden seien,
hätten die Voraussetzungen eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs
vorgelegen, so dass der Zufluss der Einnahmen auf die (Nicht)Abziehbarkeit der
Ausgaben zurückwirke. Der Beklagte ergänzte - auf entsprechenden Antrag der
Kläger - den Bescheid vom 26.03.2007 in der Einspruchsentscheidung im Hinblick
auf den Zinslauf nach § 233 a Abs. 2 a AO um die Feststellung, dass in den
festgestellten Einkünften ein Betrag von 64.458.925 DM enthalten sei, der auf der
Berücksichtigung eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz
30
1 Nr. 2 AO beruhe, das in 2001 eingetreten sei.
Die Kläger haben hierauf Klage erhoben und tragen vor: Die Anschaffungskosten
der Aktien seien im Jahr 2000 als Betriebsausgaben zu behandeln gewesen. Die
Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs für Umlaufvermögen in § 4 Abs. 3
Satz 4 EStG n.F. habe für das Jahr 2000 noch nicht gegolten.
31
Eine Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs sei auch nicht im
Zusammenhang mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und im Hinblick
auf die nur hälftige Erfassung der Einnahmen aus den Aktienveräußerungen
vorzunehmen. Der Betriebsausgabenabzug sei weder nach § 3 c Abs. 2 EStG n. F.
noch nach § 3 c EStG a. F. noch durch das Leistungsfähigkeits- beziehungsweise
objektive Nettoprinzip beschränkt.
32
Dass § 3 c Abs. 2 EStG n. F. nicht auf beteiligungsbezogene
Erwerbsaufwendungen anwendbar sei, die vor dem 01.01.2001 abgeflossen seien,
ergebe sich aus der Einführung von § 3 c Abs. 2 EStG zum Veranlagungszeitraum
2001. § 3 c Abs. 2 und § 52 Abs. 8 a EStG seien durch das Gesetz zur Senkung
der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung
(Steuersenkungsgesetz StSenkG ) vom 23.10.2000 (verkündet im
Bundesgesetzblatt -BGBl.- I 2000 Nr. 46 S. 1433 vom 26.10.2000) eingeführt
worden. Dieses Gesetz sei nach Art. 19 StSenkG (BGBl. I 2000, S. 1466) am
01.01.2001 in Kraft getreten.
33
Eine Anwendung des § 3 c Abs. 2 i.V.m. § 52 Abs. 8 a EStG auf
Anschaffungskosten, die im Jahr 2000 geleistet worden seien, legte den Beginn
des zeitlichen Anwendungsbereichs normativ auf einen Zeitpunkt fest, der vor dem
Zeitpunkt liege, zu dem die Norm nach Art. 19 StSenkG gültig im Sinne des
Artikel 82 Abs. 2 Grundgesetz (GG) geworden sei. Eine solche Auslegung
beinhaltete einen Fall der tatbestandlichen Rückanknüpfung beziehungsweise der
echten Rückwirkung und verstieße damit gegen das rechtsstaatliche
Rechtssicherheitsprinzip in Verbindung mit der Eigentümerfreiheit des Artikel 14
GG. Der Steuergesetzgeber sei daher ganz selbstverständlich davon
ausgegangen, dass die Abzugsbeschränkung nur nach Inkrafttreten des
Halbeinkünfteverfahrens gelte (BT-Drucks 14/2683, S. 119 f).
34
Die bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gegen eine
Rückwirkungsanordnung ergebe sich so die Kläger aus dem Vergleich mit
anderen Übergangsregelungen. Solle eine Rückwirkung angeordnet werden,
geschiehe dies durch Formulierungen wie "... in allen Fällen anzuwenden, in denen
die Steuer noch nicht bestandskräftig festgesetzt ist" (z. B. in Abs. 3 Satz 2 oder
Abs. 4 b des § 52 EStG) oder "..., soweit Steuerbescheide noch nicht
bestandskräftig sind" (§ 52 Abs. 1 a EStG) oder auch "... gilt für alle bei
Inkrafttreten dieses Gesetzes noch nicht abgelaufenen Feststellungsfristen" (§ 52
Abs. 25 EStG).
35
Finanzrechtsprechung, Literatur und die übrige Finanzverwaltung teilten die
Auffassung des Beklagten nicht (FG Düsseldorf, Urteil vom 10.03.2003, 13 K
5410/02 E (rkr.), DStRE 2004, 834 f.: OFD Koblenz vom 19.03.2004, S.
2252/2128/2173/2244 A - St 33 2, DStR 2004, S. 771 f; OFD Frankfurt 19.04.2005,
StEK EStG § 9 Nr. 818; Bayerisches Landesamt für Steuern vom 03.08.2005,
Finanzrundschau FR 2005, S. 904 f.; Haep/Nacke, in: Herrmann/Heuer/Raupach,
EStG, Steuerreform I, § 3 c Rn. R2; Lindemann, in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 3 c
36
Rn. 81 m.w.N.; von Beckerath, in: Kirchhof, EStG Kompaktkommentar, 8. Auflage,
§ 3 c Rn. 4; Dötsch, in: Dötsch/Jost/Pung/Witt, KSt, § 3 c EStG n.F. Rn. 43).
Entgegen der Auffassung des Beklagten sei auch § 3 c EStG a.F. auf die den
Klägern in 2000 entstandenen Anschaffungskosten nicht anwendbar. Eine andere
Auffassung umginge die Unanwendbarkeit des § 3 c Abs. 2 EStG. Eine
Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs nach § 3 c EStG a.F. habe schon
deshalb nicht im Jahr 2000 erfolgen können, weil das Halbeinkünfteverfahren zu
diesem Zeitpunkt noch nicht in Kraft getreten gewesen sei. Das
Halbeinkünfteverfahren sei hinsichtlich der Veräußerung von Anteilen an
ausländischen Gesellschaften unstreitig frühestens im Veranlagungszeitraum 2001
anwendbar. Ob Gewinnminderungen uneingeschränkt geltend gemacht werden
könnten, richte sich danach, ob im Zeitpunkt der Gewinnminderung das
Halbeinkünfteverfahren bereits auf die Veräußerung der Anteile anwendbar wäre
(Hinweis auf Bayerisches Landesamt für Steuern vom 03.08.2005, FR 2005, 904;
Lindemann in Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 3 c Rn. 81 m.w.N.). Die Auffassung des
Beklagten, wonach vor Inkrafttreten des Halbeinkünfteverfahrens entstandene
Gewinnminderungen nur nach Maßgabe des Halbeinkünfteverfahrens
anzuerkennen seien, werde - soweit ersichtlich - weder in der Rechtsprechung,
Literatur noch in der sonstigen Verwaltung ernsthaft vertreten. Eine derartige
Rechtsauffassung wäre auch in der Praxis nicht umsetzbar, da andernfalls in
unzähligen Fällen über zahlreiche Veranlagungszeiträume vor dem Inkrafttreten
des Halbeinkünfteverfahrens hinweg geprüft werden müsste, ob etwaige
Gewinnminderungen (etwa Teilwertabschreibungen auf
Kapitalgesellschaftsanteile) nachträglich korrigiert werden müssen. Im Übrigen
führte eine derartige Gesetzesauslegung zur Verfassungswidrigkeit der
Beschränkung des Betriebsausgabenabzugs durch das Halbeinkünfteverfahren, da
eine derartige Regelung eine echte - und damit hier verfassungswidrige -
Rückwirkung darstellte.
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Auch der Beklagte gehe davon aus, dass die Anschaffungskosten für die Aktien
zunächst Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerpflichtigen Einnahmen
gewesen seien. Der Beklagte nehme dann jedoch an, dass die
Anschaffungskosten auf Grund der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und
der hälftigen Steuerbefreiung der Einnahmen aus der Veräußerung der Aktien
rückwirkend zu Aufwendungen im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen
geworden seien. Dies sei abzulehnen. Die Aufwendungen unterlägen dem im
Zeitpunkt ihrer Entstehung geltenden Recht. Im Zeitpunkt der Entstehung aber sei
ein voller Abzug möglich gewesen. Dieser könne nicht in einer mit dem
Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Weise nachträglich ausgeschlossen werden
(FG Düsseldorf, DStRE 2003, 834; Prinz/Otto DStR 2003, 2099, 2100;
Haep/Nacke in Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreformkommentierung, Band I §
3 c Rn. 2). Wäre die Auffassung des Beklagten richtig, so müsste der
Betriebsausgabenabzug auch dann korrigiert werden, wenn es aus anderen
Gründen zu einer (vollständigen oder teilweisen) Steuerfreiheit von Erlösen
komme.
38
Die Kläger weisen darauf hin, dass die im Jahr 2001 erzielten Erlöse aus dem
Verkauf der Aktien nur deshalb zur Hälfte steuerfrei gewesen seien, weil es sich
um ausländische und nicht um inländische Aktien gehandelt habe. Wären
ausländische Aktien so behandelt worden wie inländische Aktien, wäre der Erlös
voll steuerpflichtig gewesen.
39
Zu berücksichtigen sei auch, dass § 3 c Abs. 2 EStG n. F. nach der
Gesetzesbegründung (BR-Drucks. 90/00, S. 158) erforderlich gewesen sei, um ein
mit dem Halbeinkünfteverfahren korrespondierendes Abzugsverbot im Gesetz zu
verankern. § 3 c EStG a.F. sei nicht geeignet gewesen, ein derartiges
Abzugsverbot zu begründen (Hinweis auf FG Düsseldorf 13 K 5419/00, EFG 2003,
1070 mit Anm. von Neu). Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) und der
Finanzverwaltung sei im Rahmen des § 3 c EStG a.F. ein ausreichender
Zusammenhang von Ausgaben und steuerfreien Einnahmen nur gegeben
gewesen, wenn Einnahmen und Ausgaben in einem Veranlagungszeitraum
zusammentreffen (BFH vom 29.05.1996, I R 167/94, Bundessteuerblatt -BStBl- II
1997, 60). § 3 c Abs. 2 EStG sei eingeführt worden, um die Anwendung der zu § 3
c EStG a. F. ergangenen Rechtsprechung und das sogenannte "ballooning" im
Geltungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens zu verhindern (BFH vom
27.03.2007, VIII R 10/06, DB 2007, 1791; von Beckerath in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 3 c Rn. C 2; BT-Drucks. 14/2683, 113; BTDrucks.
14/265, 169; BT-Drucks. 14/443, 21).
40
Entgegen der Auffassung des Beklagten könne das Leistungsfähigkeitsprinzip
beziehungsweise objektive Nettoprinzip eine gesetzlich nicht geregelte
Einschränkung des Betriebsausgabenabzugs nicht rechtfertigen. Das objektive
Nettoprinzip besage, dass bei der Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte auch
die insoweit veranlassten Aufwendungen steuerlich zu berücksichtigen seien. Ein
Abzugsverbot für bestimmte Aufwendungen werde also gerade nicht begründet.
Darüber hinaus gelte das objektive Nettoprinzip nur in der Form, wie es durch den
Gesetzgeber durch Vorschriften des einfachen Rechts ausgestaltet sei. Der
Beklagte verkenne die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gewaltenteilung
und des Vorbehaltes des Gesetzes, wenn er meine, ein allgemeines steuerliches
Prinzip könne im konkreten Fall auch ohne einfachgesetzliche Grundlage als
Ermächtigungsgrundlage für eine Steuerbelastung der Kläger dienen.
41
Die Kläger beantragen, 42
den festgestellten Gewinn in dem Bescheid über die gesonderte und
einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für den
Veranlagungszeitraum 2000 vom 26.03.2007 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 28.02.2008 um 64.458.025 DM niedriger
festzusetzen.
43
Der Beklagte beantragt, 44
die Klage abzuweisen. 45
Der Beklagte verweist auf seine Einspruchsentscheidung. Er ist allerdings der
Auffassung, dass auch eine Anwendung von § 3 c Abs. 2 EStG bereits im
Veranlagungszeitraum 2000 in Betracht komme. Die einkommensteuerlichen
Änderungen im Zusammenhang mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens
seien zwar nach der Grundregel des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG grundsätzlich erst ab
dem Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden. Diese allgemeine
Anwendungsregelung gelte jedoch ausdrücklich nur unter dem Vorbehalt, dass
sich aus den speziellen zeitlichen Anwendungsregelungen der nachfolgenden
Absätze des § 52 EStG nichts Abweichendes ergebe. Die hier relevante zeitliche
Anwendung von § 3 c Abs. 2 EStG n. F. bestimme sich ausschließlich nach § 52
Abs. 8 a EStG, der bezüglich der erstmaligen Anwendung des Halbabzugsverbots
46
darauf abstelle, ob die Aufwendungen mit Erträgen im wirtschaftlichen
Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 EStG erstmals anzuwenden sei.
Unstreitig bestehe hier ein wirtschaftlicher Zusammenhang der Aufwendungen für
die erworbenen Wertpapiere zu dem in einem späteren Veranlagungszeitraum
erzielten Veräußerungserlös. Die sofortige Abzugsfähigkeit der
Anschaffungskosten resultiere ausschließlich aus dem Umstand, dass die
Wertpapiere in der Absicht der Weiterveräußerung erworben worden seien und
folglich dem Umlaufvermögen zuzuordnen gewesen seien (§ 4 Abs. 3 Satz 4 EStG
a.F.). Auch bestehe kein Streit darüber, dass der Erlös aus der Veräußerung der
(ausländischen) Wertpapiere nach § 52 Abs. 4 b i.V.m. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchst. a
EStG im Veranlagungszeitraum 2001 zu 50 % steuerfrei sei. Bestehe zwischen
Erträgen und Aufwendungen eine derart enge Verknüpfung wie im Streitfall, dann
schlage die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG auf der Einnahmenseite auf die
Anwendung des § 3 c Abs. 2 EStG auf der Ausgabenseite durch. Dies deshalb,
weil nach § 52 Abs. 8 a EStG die Anwendungsregelung des § 3 Nr. 40 EStG der
Taktgeber für die Anwendung des § 3 c Abs. 2 EStG sei.
Es begegne insbesondere keinen systematischen Bedenken, wenn einzelne
Vorschriften des Halbeinkünfteverfahrens bereits im Veranlagungszeitraum vor
2001 Anwendung fänden. So sei es beispielsweise in der steuerlichen Literatur
(zutreffenderweise) anerkannt, dass die hälftige Steuerfreistellung nach § 3 Nr. 40
EStG bereits im Veranlagungszeitraum vor 2001 zur Anwendung kommen könne
(Hinweis auf Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, § 3 Nr. 40 EStG n.F. Anm.
114 m.w.N.). Betroffen hiervon seien zuvorderst Fallgestaltungen, in denen ein
bilanzierender Gesellschafter eine Gewinnausschüttung in einem
Veranlagungszeitraum vor 2001 zu versteuern habe, die Ausschüttung bei der
Kapitalgesellschaft jedoch erst verspätet abfließe und infolgedessen die
Vorschriften des Anrechnungsverfahrens gemäß § 34 Abs. 7 Nr. 1
Körperschaftsteuergesetz (KStG) nicht einschlägig seien. Diese Sachbehandlung
auf der Ebene der ausschüttenden Kapitalgesellschaft schlage auf die Ebene des
Gesellschafters dergestalt durch, dass die Gewinnausschüttung im
Veranlagungszeitraum der steuerlichen Erfassung (vor Veranlagungszeitraum
2001) gemäß § 52 Abs. 4 b Nr. 1 EStG zu 50 % steuerfrei sei.
47
Für Anschaffungskosten, die mit zur Hälfte steuerfreien Veräußerungserlösen
zusammenhingen, sei - so der Beklagte - ein Halbabzugsverbot sachlich geboten.
Werde der Veräußerungspreis, der die erzielten Wertsteigerungen widerspiegele,
nur zur Hälfte steuerrechtlich berücksichtigt, könne ihm auch nur die Hälfte der
korrespondierenden Anschaffungskosten gegenübergestellt werden (Hinweis auf
BFH-Urteil vom 19.06.2007, VIII R 69/05, unter II.2.c.aa). Dies gelte auch, wenn
die Aufwendungen in einen Zeitraum fielen, für den das Halbeinkünfteverfahren
noch keine Anwendung finde.
48
Im Übrigen sei darauf hinzuweisen, dass dem Halbeinkünfteverfahren die
grundsätzliche gesetzgeberische Entscheidung zugrunde liege, den Gewinn aus
der Veräußerung von Anteilen an der Körperschaft - auch bei Veräußerungen
durch eine natürliche Person - wie eine Gewinnausschüttung zu besteuern, weil
die Veräußerung einer Beteiligung einer Totalausschüttung wirtschaftlich
gleichkomme. Die typisierende Gleichstellung von Veräußerung und
Gewinnausschüttung habe zur Folge, dass die hälftige Steuerbefreiung der
Einnahmen beim Anteilseigner selbst dann zu gewähren sei, wenn überhaupt kein
erkennbarer Zusammenhang zwischen dem Veräußerungsgewinn und einer
körperschaftsteuerlichen Vorbelastung bestehe, etwa wenn der Kaufpreis durch
49
den Börsenkurs bestimmt werde. Die hälftige Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 40
EStG sei somit als echte Steuervergünstigung im Sinne des § 3 c EStG a.F.
einzustufen. Demzufolge stünden die Anschaffungskosten in 2000 zur Hälfte in
einem unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit in 2001 erzielten
steuerfreien Einnahmen. Die Voraussetzungen des § 3 c EStG a.F. für eine
Abzugsbeschränkung seien damit erfüllt.
Aus den Gründen : 50
Die Klage ist begründet. Der angefochtene Feststellungsbescheid ist rechtswidrig
und verletzt die Kläger in ihren Rechten. Der Beklagte hat zu Unrecht die von den
Klägern aufgewandten Anschaffungskosten für Aktien zur Hälfte vom Abzug
ausgenommen. Es fehlt für das Streitjahr 2000 eine gesetzliche Grundlage für das
vom Beklagten angenommene hälftige Abzugsverbot.
51
I. 52
Der Beklagte hat sich zu Unrecht auf § 3 c EStG a. F., d. h. in der Fassung des
Steueränderungsgesetzes vom 18.07.1958 (Bundesgesetzblatt BGBl I 1958, 473)
und vor der Neufassung durch das StSenkG vom 23.10 2000 (BGBl I 2000, 1433),
als Grundlage für die nur hälftige Berücksichtigung der Anschaffungskosten der
Kläger gestützt.
53
1. Es bestehen grundsätzlich keine Bedenken dagegen, das in § 3 c EStG a. F.
enthaltene Verbot des Abzugs von Ausgaben, die im Zusammenhang mit
steuerfreien Einnahmen stehen, auch bei einer nur hälftigen Befreiung im Sinne
eines hälftigen Abzugsverbotes anzuwenden. So war z. B. § 3 c Abs. 1 EStG auch
schon vor der Neureglung in § 3 c Abs. 2 Satz 2 EStG durch das Gesetz zur
Modernisierung der Rahmenbedingungen für Kapitalbeteiligungen vom 12.08.2008
(BGBl I 2008, 1672) auf Vergütungen im Sinne von § 3 Nr. 40 a ("carried interest")
im Sinne eines Teilabzugsverbotes anwendbar (vgl. hierzu von Beckerath in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Rdnr. B 40 a/62; § 3 c Rdnr. C 53). Bei einer
Anwendung von § 3 c EStG a. F. hätte der Beklagte diese Vorschrift dann aber in
der Ausformung anwenden müssen, die § 3 c EStG a. F. durch die
Rechtsprechung des BFH erfahren hat. Der BFH hat durch Urteil vom 29.05.1996
entschieden, dass für Schuldzinsen zur Finanzierung des Erwerbs von
Schachtelbeteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften kein
Betriebsausgabenabzugsverbot bestehe, wenn keine steuerfreien Dividenden
flössen. Ein Abzugsverbot bestehe nur, "soweit in dem selben
Veranlagungszeitraum steuerfreie Dividenden zufließen" (BFH vom 29.05.1996
I R 21/95, BStBl II 1997, 63, 66, BFHE 180, 422; vom 29.05.1996 I R 167/94,
BStBl II 1997, 60, BFHE 180, 415). Diese Rechtsprechung führte zu einer das
Abzugsverbot vermeidenden Ausschüttungspolitik (sogenanntes "ballooning").
Nach der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens ging man davon aus, dass diese
Rechtsprechung des BFH zu Schachteldividenden für die Anwendung des § 3 c
Abs. 1 EStG in der Fassung des StSenkG vom 23.10.2002 (BGBl I 2000, 1433) auf
nach § 8 b KStG steuerfreie Dividenden fortgelte (vgl. z. B. Utescher/Blaufus
Deutsches Steuerrecht DStR 2000, 1581, 1582; anderer Ansicht von Beckerath in
Kirchhof, EStG, 1. Auflage, § 3 c Rdnr. 14). Diese Fortgeltung nahm auch die
Finanzverwaltung und der Gesetzgeber an. So sollte nach der
Koalitionsvereinbarung 2002 von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom
16.10.2002 das Abzugsverbot des § 3 c Abs. 1 EStG im Zusammenhang mit
steuerfreien Einnahmen bei Kapitalgesellschaften ausgedehnt werden. Es sollten
54
künftige Ausgaben nicht nur bis zur Höhe der steuerfreien Einnahmen steuerlich
nicht berücksichtigt werden, sondern auch darüber hinausgehende Aufwendungen
(vgl. von Beckerath in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 c Rdnr. A 95). Diese
Vereinbarung wurde im Referentenentwurf vom 31.10.2002 umgesetzt. Statt einer
Ausweitung von § 3 c Abs. 1 EStG wurde dann allerdings durch das
Protokollerklärungsgesetz (BGBl I 2003, 2840) die Regelung in § 8 b Abs. 3 und 5
KStG geschaffen (vgl. von Beckerath in Kirchof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 c
Rdnr. A 96). Wenn aber § 3 c Abs. 1 EStG n. F. auf nach § 8 b KStG steuerfeie
Dividenden nur anwendbar war, soweit in dem selben Veranlagungszeitraum
steuerfreie Dividenden zuflossen, müsste auch § 3 c EStG a. F. entsprechend
eingeschränkt zur Anwendung kommen, selbst wenn der Zusammenhang nicht zu
steuerfreien Dividenden, sondern zu zur Hälfte steuerfreien Veräußerungserlösen
anzunehmen wäre. Im Streitjahr 2000 aber sind der Klägerin keine steuerfreien
oder zur Hälfte steuerfreien Einnahmen zugeflossen.
2. Der Beklagte ist davon ausgegangen, die GbR habe die Betriebsausgaben im
Jahr 2000 zunächst in voller Höhe abziehen dürfen. Da in 2001 aber steuerfreie
Einnahmen entstanden seien, wirke dieser Zufluss von steuerfreien Einnahmen
auch auf die Abziehbarkeit der Ausgaben zurück. Es liege ein rückwirkendes
Ereignis im Sinne von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO vor. Nach Auffassung des
Beklagten ist nicht maßgebend, dass bei Entstehen und Abzug der
Betriebsausgaben kein Zusammenhang zu steuerfreien Einnahmen bestand, da zu
diesem Zeitpunkt das Halbeinkünfteverfahren noch nicht eingeführt war, sondern
maßgebend, dass nach Einführung des Halbeinkünfteverfahrens die
Betriebsausgaben mit steuerfreien Betriebseinnahmen im Zusammenhang stehen.
55
Wenn in dieser Weise eine nachträgliche Steuerbefreiung ein Abzugsverbot für
frühere Ausgaben nach § 3 c EStG a. F. begründete, könnte dies allerdings nicht
allein für Aufwendungen in Form von Anschaffungskosten angenommen werden,
sondern müsste für jegliche Aufwendungen (z. B. auch Finanzierungszinsen) im
Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen nach § 3 Nr. 40 EStG gelten.
56
Ein entsprechendes Abzugsverbot auf Grund nachträglich steuerfrei gewordener
Einnahmen müsste auch bei anderen eingeführten Befreiungsvorschriften gelten.
Es müssten bei Einführung einer Steuerbefreiungsvorschrift in erheblichem
Umfang die Veranlagungen der Vorjahre korrigiert werden.
57
Umgekehrt müsste bei Abschaffung oder Einschränkung einer Steuerbefreiung aus
einem Abzugsverbot ein Abzugsgebot werden. So müssten bei dem Übergang
vom Halbeinkünfte- zum Teileinkünfteverfahren entsprechende Aufwendungen der
Vorjahre von einem hälftigen in ein 40 %-iges Nichtabzugsverbot wechseln.
58
3. Vor allem aber müsste § 3 c EStG a. F., wenn er auf Ausgaben des Jahres 2000
im Sinne des Beklagten anwendbar wäre, auch auf Veranlagungszeiträume vor
2000 anwendbar sein. Auch bei Aktienkäufen z. B. im Jahr 1990 und einer
entsprechenden Gewinnermittlung müsste eine Korrektur erfolgen. Die Einführung
des Halbeinkünfteverfahrens hätte eine zeitlich unbegrenzte Rückwirkung in Form
eines hälftigen Abzugsverbotes für bisher in voller Höhe abzugsfähige
Aufwendungen zur Folge. Es käme insbesondere in den Fällen, in denen die
Ausgaben höher sind als die Einnahmen, auch per Saldo rückwirkend zu einer
Mehrbelastung (zum Rückwirkungsverbot im Einzelnen noch zu II.).
59
4. Darüber hinaus steht einer Anwendung von § 3 c EStG a. F. die durch das
StSenkG vom 23.10.2000 (BGBl I 2000, 1433) eingeführte Vorschrift des § 3 c
Abs. 2 EStG und die hierzu ergangenen Anwendungsvorschriften als lex specialis
entgegen (zu § 3 c Abs. 2 EStG als lex specialis vor allem für die Frage des
zeitlichen Zusammenhangs: Grotherr, Betriebsberater BB 2000, 849, 856). Der
Gesetzgeber hat in § 3 c Abs. 2 EStG n. F. bestimmt, wie Ausgaben im
Zusammenhang mit den nach § 3 Nr. 40 EStG zur Hälfte steuerfreien Einnahmen
zu behandeln sind, und in § 52 EStG in zeitlicher Hinsicht geregelt, für welche
Ausgaben im Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien Einnahmen
ein Teilabzugsverbot gelten soll. Diesen Vorschriften muss entnommen werden, ob
für Ausgaben im Zusammenhang mit nach § 3 Nr. 40 EStG steuerfreien
Einnahmen im Jahr 2000 ein Teilabzugsverbot besteht oder nicht.
60
II. 61
Der Beklagte kann sich für das von ihm angenommene Teilabzugsverbot für die
Ausgaben der Kläger im Jahr 2000 auch nicht auf § 3 c Abs. 2 EStG n. F., d. h. in
der Fassung des StSenkG vom 23.10.2000, stützen.
62
1. Nach § 3 c Abs. 2 EStG in der Fassung des StSenkG vom 23.10.2000 dürfen
Betriebsvermögensminderungen, Betriebsausgaben, Veräußerungskosten oder
Werbungskosten, die mit den § 3 Nr. 40 zu Grunde liegenden
Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen in wirtschaftlichem
Zusammenhang stehen, unabhängig davon, in welchem Veranlagungszeitraum die
Betriebsvermögensmehrungen oder Einnahmen anfallen, bei der Ermittlung der
Einkünfte nur zur Hälfte abgezogen werden; entsprechendes gelte, wenn bei der
Ermittlung der Einkünfte der Wert des Betriebsvermögens oder des Anteils am
Betriebsvermögen oder die Anschaffungs- oder Herstellungskosten oder der an
deren Stelle tretende Wert mindernd zu berücksichtigen seien. § 52 Abs. 1 Satz 1
EStG in der Fassung des StSenkG regelt, dass diese Fassung des Gesetzes,
soweit in den folgenden Absätzen nicht anderes bestimmt sei, erstmals für den
Veranlagungszeitraum 2001 anzuwenden sei. Nach § 52 Abs. 8 a EStG soll § 3 c
Abs. 2 EStG erstmals auf Aufwendungen angewendet werden, "die mit Erträgen im
wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 erstmals anzuwenden
ist".
63
a) Mit diesem Gesetzeswortlaut wäre es vereinbar, § 3 c Abs. 2 EStG n. F. auch
auf Aufwendungen des Jahres 2000 anzuwenden, die mit Erträgen im
Zusammenhang stehen, auf die § 3 Nr. 40 im Jahr 2001 anzuwenden ist.
Allerdings ist die Formulierung von § 52 Abs. 8 a EStG zumindest vorrangig durch
den Zusammenhang mit dem Anwendungsvorschriften für § 3 Nr. 40 EStG und
den neuen Regelungen des Halbeinkünfteverfahrens sowie der Fortgeltung des
Anrechnungsverfahrens im KStG bestimmt. § 3 c Abs. 2 EStG n. F. ist auf
Aufwendungen anzuwenden, die mit Erträgen im Zusammenhang stehen, auf die
§ 3 Nr. 40 EStG Anwendung findet. § 3 Nr. 40 EStG ist nach § 52 Abs. 4 a EStG
erstmals anzuwenden für Gewinnausschüttungen, auf die bei der ausschüttenden
Körperschaft der nach Art. 3 des Gesetzes vom 23.10.2000 aufgehobene Vierte
Teil des KStG nicht mehr anzuwenden ist; für die übrigen in § 3 Nr. 40 genannten
Erträge im Sinne des § 20 gilt Entsprechendes. Außerdem ist § 3 Nr. 40 erstmals
anzuwenden für Erträge im Sinne des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a, b, c und j
nach Ablauf des ersten Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, an der die Anteile
bestehen, für das das KStG in der Fassung des Art. 3 des Gesetzes vom
23.10.2000 erstmals anzuwenden ist (vgl. im Einzelnen: von Beckerath in
64
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 40 Rdnr. B 40/91 ff.).
b) Eine Anwendung von § 3 c Abs. 2 EStG n. F. auf Aufwendungen in
Veranlagungszeiträumen vor 2001 wäre zwar mit dem Wortlaut von § 52 Abs. 8 a
EStG vereinbar, stößt aber auf Bedenken im Hinblick auf das
verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot, die eine Auslegung von § 52 a Abs. 8
a EStG im Sinne der vom Beklagten vertretenen Auffassung ausschließen.
65
aa) Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts BVerfG ist bei der
Rückwirkung von Gesetzen zwischen der sogenannten "echten" Rückwirkung oder
"Rückbewirkung von Rechtsfolgen" und der sogenannten "unechten" Rückwirkung
oder "tatbestandlichen Rückanknüpfung" zu unterscheiden. Eine echte
Rückwirkung liegt vor, wenn das Gesetz nachträglich ändernd in abgewickelte, der
Vergangenheit angehörende Tatbestände eingreift. Eine solche Rückwirkung ist
grundsätzlich unzulässig. Zu dem Rechtsstaatsprinzip gehört das Element der
Rechtssicherheit. Rechtssicherheit bedeutet für den Staatsbürger
Vertrauensschutz. In dem Vertrauen wird der Bürger enttäuscht, wenn der
Gesetzgeber an bereits abgeschlossene Tatbestände nachträglich ungünstigere
Folgen knüpft als diejenigen, von denen der Bürger bei seinen Dispositionen
ausgehen durfte. Eine Enttäuschung des Vertrauens ist nach der Rechtsprechung
des BVerfG gleichwohl gerechtfertigt, wenn das Vertrauen nicht schutzwürdig war,
weil mit der Neuregelung gerechnet werden musste, wenn das geltende Recht
unklar und verworren war, wenn das Vertrauen einer ungültigen Rechtsnorm galt
oder wenn zwingende Gründe des gemeinen Wohls die Rückwirkung rechtfertigen
(BVerfG vom 19.12.1961, 2 BvL 6/59, Bundesverfassungsgerichtsentscheidungen
BVerfGE 13, 261, 271; vgl. auch BFH vom 10.07.1986, IV R 12/81, BStBl II 1986,
811, BFHE 147, 63; vom 08.06.2000 IV R 37/99, BStBl II 2001, 162, BFHE 193,
85, 91; vom 23.09.2008, I B 92/08, BStBl II 2009, 524, 526).
66
Demgegenüber betrifft die "unechte" Rückwirkung oder tatbestandliche
Rückanknüpfung nicht den zeitlichen, sondern den sachlichen Anwendungsbereich
einer Norm. Die Rechtsfolgen eines Gesetzes treten erst nach Verkündung der
Norm ein, deren Tatbestand erfasst aber Sachverhalte, die bereits vor Verkündung
"ins Werk gesetzt" worden sind. Eine derartige Rückanknüpfung ist grundsätzlich
zulässig. Einschränkungen bestehen jedoch, wenn eine Güterabwägung ergibt,
dass das Vertrauen auf die Sicherheit der bestehenden Lage den Vorrang verdient
(vgl. BVerfG vom 03.12.1997, 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67; Schmidt-Aßmann,
in: Handbuch des Staatsrechts, Band II, 3. Auflage, S. 86 ff. m. w. N.; vgl. auch
BFH vom 16.12.2003, IX R 46/02, BStBl II 2004, 284). Da der Steuertatbestand bei
der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer erst am Ende des
Veranlagungszeitraums verwirklicht ist, geht man bei einem Gesetz, das sich
Rückwirkung auf einen Zeitpunkt in dem selben Veranlagungszeitraum beimisst,
von einer bloßen tatbestandlichen Rückanknüpfung aus (hierzu Hey Betriebs-
Berater BB 1998, 1444, 1446).
67
Nach der Rechtsprechung des BVerfG entfällt das schutzwürdige Vertrauen in den
Bestand der bisherigen Gesetzeslage - als Ausnahme von dem Verbot der echten
Rückwirkung (vgl. Hey BB 1998, 1444, 1449) - allerdings in der Regel schon im
Zeitpunkt des endgültigen Gesetzesbeschlusses über die Neuregelung. Mit dem
Tag des Gesetzesbeschlusses müssen die Betroffenen mit der Verkündung und
dem Inkrafttreten der Neuregelung rechnen (BVerfG vom 03.12.1997,
2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 m. w. N.). Darüber hinaus hat das BVerfG in seiner
neueren Rechtsprechung es aber als zulässig angesehen, es dem
68
Steuerpflichtigen zu verwehren, die Gestaltungskompetenz und den
Gestaltungswillen des Gesetzgebers zu unterlaufen, wenn dieser die
Steuerprivilegierung für Verträge entfallen lassen will, die in Kenntnis der
Änderungsabsicht vor dem Gesetzesbeschluss des Bundestages geschlossen
worden sind. Dabei hat das BVerfG allerdings zwischen lediglich
programmatischen Erklärungen der Bundesregierung und einer definitiven
Gesetzesinitiative unterschieden (BVerfG vom 03.12.1997, 2 BvR 882/97,
BVerfGE 97, 67). Das BVerfG hat in Abkehr von seiner früheren Rechtsprechung
dem Regierungsbeschluss vertrauenszerstörende Wirkung beigemessen (hierzu:
Hey BB 1998, 1444, 1449).
bb) Im Streitfall kommen bei der Frage, ab wann mit der Neuregelung des § 3 c
Abs. 2 EStG gerechnet werden musste, verschiedene Zeitpunkte in Betracht:
Bereits in den Brühler Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung
vom 30.04.1999 war vorgesehen, das Anrechnungsverfahren aufzugeben und das
Halbeinkünfteverfahren einzuführen. Es sollten sowohl die ausgeschütteten
Gewinne als auch die im Zusammenhang stehenden Werbungskosten und
Betriebsausgaben nur zur Hälfte einbezogen werden (Brühler Empfehlungen zur
Reform der Unternehmensbesteuerung, BMF-Schriftenreihe, Heft 66, Bonn 1999).
Der Entwurf des StSenkG mit der Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und der
Vorschrift des § 3 c Abs. 2 EStG der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die
Grünen datiert vom 15.02.2000 (BT-Drucks 14/2683). Das StSenkG vom
23.10.2000 wurde (nach der vorherigen Befassung des Vermittlungsausschusses)
am 19.05.2000 vom Bundestag beschlossen.
69
Eine Rückwirkung in den Veranlagungszeitraum 1999 hinein dürfte
verfassungsrechtlich nicht zulässig sein. Es handelte sich um eine
verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässige echte Rückwirkung. Die Brühler
Empfehlungen waren lediglich Vorschläge einer Steuerreformkommission, die
weitaus weniger geeignet sind, vertrauenszerstörende Wirkung zu entfalten als
eine Regierungsvorlage (zu den Bedenken gegen die Rechtsprechung des
BVerfG, bereits einer Regierungsvorlage und nicht erst einem Gesetzesbeschluss
komme vertrauenszerstörende Wirkung zu: Hey BB 1998, 1444, 1449). Außerdem
enthielten die Brühler Empfehlungen lediglich den Vorschlag: "Auf der Ebene der
Anteilseigner wird die Nettodividende (ausgeschütteter Gewinn abzüglich
Werbungskosten oder Betriebsausgaben) nur zur Hälfte in die
Bemessungsgrundlage für die persönliche Einkommensteuer einbezogen. ... Im
Hinblick auf die steuerliche Gleichstellung von Ausschüttung und Veräußerung ist
es allerdings sachgerecht, das Halbeinkünfteverfahren auf Veräußerungsgewinne
insoweit anzuwenden, als diese auf offene Rücklagen entfallen. Die gebotene
Erweiterung der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen gilt auch für die
Veräußerung von Anteilen an ausländischen Körperschaften." (vgl. Brühler
Empfehlungen zur Reform der Unternehmensbesteuerung, a. a. O., S. 52). Diese
Ausführungen waren nicht geeignet, das Vertrauen darauf zu zerstören, dass im
Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG Anschaffungskosten für
Aktien in vollem Umfang abzugsfähig sind.
70
Es könnte eine Rückwirkung auf den 01.01.2000 in Betracht kommen im Hinblick
darauf, dass insoweit nur eine tatbestandliche Rückanknüpfung vorläge, eine
Anknüpfung an den 15.02.2000, den Tag der Vorlage des Regierungsentwurfs zur
Einführung von § 3 c Abs. 2 EStG n. F., oder an den 19.05.2000, den Tag des
Gesetzesbeschlusses. Selbst wenn eine tatbestandliche Rückanknüpfung des
StSenkG danach verfassungsrechtlich zulässig wäre, lässt sich eine derartige
71
Rückanknüpfung an einen der drei genannten Zeitpunkte § 52 Abs. 8 a EStG
jedoch nicht entnehmen. Es muss vielmehr, da die dem Wortlaut nach mögliche
Auslegung, § 3 c Abs. 2 EStG solle uneingeschränkt zurückwirken,
verfassungswidrig wäre, die verfassungsrechtlich zulässige tatbestandliche
Rückanknüpfung an einen der drei Zeitpunkte im Jahre 2000 dem Wortlaut des
§ 52 Abs. 8 a EStG aber nicht zu entnehmen ist, davon ausgegangen werden,
dass der Gesetzgeber eine Anwendung von § 3 c Abs. 2 EStG unter
Zugrundelegung der Regel des § 52 Abs. 1 EStG ab dem 01.01.2001 und dann
erstmals für Aufwendungen anordnen wollte, die mit Erträgen im Zusammenhang
stehen, auf die § 3 Nr. 40 EStG erstmals anzuwenden ist.
2. Dem Beklagten ist zuzustimmen, dass es systematisch und im Ergebnis
unbefriedigend ist, wenn im Rahmen einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG
Anschaffungskosten für Aktien in voller Höhe abgezogen werden können, aber die
entsprechenden Veräußerungserlöse nur zur Hälfte als Einnahmen angesetzt
werden. Wie der BFH in seiner Entscheidung vom 19.06.2007 zur
Verfassungswidrigkeit von § 3 c Abs. 2 EStG festgestellt hat, kann, wenn der
Veräußerungspreis nur zur Hälfte steuerrechtlich berücksichtigt wird, ihm auch nur
die Hälfte der korrespondierenden Anschaffungskosten gegenübergestellt werden
(BFH vom 19.06.2007, VIII R 69/05, BStBl II 2008, 551, 553; vgl. auch Heuermann,
Der Betrieb DB 2005, 2708). Die von dem Beklagten vorgeschlagene Lösung, § 3
c Abs. 2 EStG unter tatbestandlicher Rückanknüpfung auch auf Aktienkäufe im
Jahr 2000 anzuwenden, löste das Problem allerdings nicht dem Grunde nach,
sondern beseitigte den Widerspruch nur für Aktienkäufe des Jahres 2000, aber
nicht zum Beispiel für Aktienkäufe des Jahres 1999. Es bliebe bei der
Ungleichbehandlung desjenigen, der Aktien vor dem 01.01.2000 gekauft hat und
seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt, und desjenigen, der seinen Gewinn
nach § 4 Abs. 1 EStG ermittelt. Derjenige, der Aktien noch vor dem 01.01.2000
erworben hat und seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 ermittelt, wäre gegenüber
demjenigen, der sie nach dem 01.01.2000 erworben hat, privilegiert.
72
3. Gegen die rückwirkende Anwendung von § 3 c Abs. 2 EStG spricht auch, dass
der Gesetzgeber für einen vergleichbaren Problembereich den Widerspruch
zwischen dem Vollabzug der Aufwendungen vor Einführung des
Halbeinkünfteverfahrens und der nur hälftigen Erfassung der Einnahmen nach
Einführung des Halbeinkünfteverfahrens nicht durch rückwirkende Korrektur des
Vollabzugs gelöst hat, sondern durch Versagung der hälftigen Steuerbefreiung.
Nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a Satz 1 EStG ist auch die Hälfte der
Betriebsvermögensmehrung "aus dem Ansatz eines solchen Wirtschaftsguts" also
eines Anteils an einer Körperschaft im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a
EStG "mit dem Wert, der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 ergibt" steuerfrei, d. h.
die Wertaufholung nach einer vorausgegangenen "Teilwertabschreibung" ist zur
Hälfte steuerfrei. Dieser hälftigen Steuerbefreiung der Betriebsvermögensmehrung
entspricht ein Teilabzugsverbot für die Betriebsvermögensminderung aus der
Teilwertabschreibung nach § 3 c Abs. 2 EStG n. F. § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a
Satz 2 EStG schränkt die Steuerbefreiung der Betriebsvermögensmehrung durch
eine Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG allerdings ein. Die
Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a Satz 1 EStG gilt nicht, soweit
der Ansatz des niedrigeren Teilwerts in vollem Umfang zu einer Gewinnminderung
geführt hat und soweit diese Gewinnminderung nicht durch Ansatz eines Wertes,
der sich nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 EStG ergibt, ausgeglichen worden ist. Diese
Ausnahme soll dem Umstand Rechnung tragen, dass Teilwertabschreibungen vor
Einführung des Halbeinkünfteverfahrens sich in voller Höhe auswirken konnten.
Wenn dies der Fall war, soll auch die spätere Wertaufholung nicht zur Hälfte
73
steuerfrei sein. Die Wertaufholung soll nicht nach den Grundsätzen des
Halbeinkünfteverfahrens behandelt werden, wenn nicht auch die
Teilwertabschreibung hiernach behandelt worden ist. Durch das Gesetz über
steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und
zur Änderung weiterer steuerrechtlicher Vorschriften vom 07.12.2006
(BGBl I 2006, 2782) hat der Gesetzgeber außerdem § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a
Satz 3 EStG angefügt. Nach dieser Neuregelung soll die hälftige Steuerbefreiung
nach § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a Satz 1 EStG ebenfalls (wie nach § 3 Nr. 40
Satz 1 Buchstabe a Satz 2 EStG) nicht bestehen, soweit Abzüge nach § 6 b EStG
oder ähnliche Abzüge voll steuerwirksam vorgenommen worden sind. Ebenso wie
bei der Wertaufholung nach einer früheren, voll steuerwirksamen
Teilwertabschreibung soll die hälftige Steuerbefreiung für Veräußerungsgewinne
aus Beteiligungen nicht gelten, soweit in früheren Jahren (vor dem zeitlichen
Geltungsbereich des Halbeinkünfteverfahrens) ein voll steuerwirksamer Abzug
nach § 6 b EStG oder hiermit vergleichbare Abzüge vorgenommen worden sind
(BR-Drucks. 542/06, 42).
4. In der Literatur wird zwar die Frage erörtert, ob § 3 c Abs. 2 EStG n. F. erst ab
dem 01.01.2002 oder schon ab dem 01.01.2001 anwendbar ist. Es wird aber
soweit ersichtlich nicht vertreten, § 3 c Abs. 2 EStG n. F. sei schon in
Veranlagungszeiträumen vor 2001 anwendbar (vgl. Prinz/Otto DStR 2003, 2099,
2100: Verstoß gegen Rückwirkungsverbot bei Anwendung vor dem 01.01.2001;
Seifried DStR 2001, 240, 241: Bedenken gegen Rückwirkung auf den
Veranlagungszeitraum 2001; Weber-Grellet in Schmidt, EStG, 28. Auflage, § 20
Rdnr. 252: § 3 c Abs. 2 EStG bereits im Jahr 2001 anwendbar; Haep/Nacke,
Steuerreform-Kommentierung, Band I, § 3 c Anmerkung R 2; Hözel in
Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001, S. 255; Dötsch in
Dötsch/Eversberg/Witt, EStG und KStG, § 3 c EStG n. F. Rz. 25; Lindemann in
Littmann/Bitz/Pust, EStG, § 3 c Rdnr. 81: keine Anwendung auf Alt-
Verlustvorträge; so auch Demuth/Strunk, DStR 2001, 57, 63). Der BFH hat in
seiner Leitentscheidung zur zeitlichen Anwendung von § 3 c Abs. 2 EStG n. F. die
Frage behandelt, ob § 3 c Abs. 2 EStG bereits im Veranlagungszeitraum 2001
anzuwenden sei, ohne eine frühere Anwendung in Betracht zu ziehen (BFH vom
27.03.2007, VIII R 10/05, BStBl II 2007, 866; BFH vom 27.03.2007, VIII R 23/06,
Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH BFH/NV 2007,
1842 unter II, 2, a, cc). Das FG Düsseldorf geht in einer Entscheidung vom 10.03
2003 davon aus, die Annahme eines Zusammenhangs zu Aufwendungen vor dem
Veranlagungszeitraum 2001 verstoße gegen das verfassungsrechtliche
Rückwirkungsverbot (FG Düsseldorf vom 10.03.2003, 13 K 5410/02 E,
Entscheidungen der Finanzgerichte EFG 2003, 1070; vgl. auch FG Düsseldorf
vom 20.10.2005 15 K 5087/03 E, EFG 2006, 92; FG Münster vom 28.05.2004
11 K 1743/03 E, EFG 2004, 1507). Auch die Finanzverwaltung nimmt in den von
ihr veröffentlichten Erlassen und Verfügungen nicht an, dass § 3 c Abs. 2 EStG
n. F. bereits vor dem 01.01.2001 anwendbar sei (vgl. Bayerisches Landesamt für
Steuern vom 03.08.2005, FR 2005, 904: ab dem Veranlagungszeitraum 2001;
ebenso OFD Koblenz vom 19.03.2004, DStR 2004, 771; OFD Frankfurt vom
19.04.2004, StEK EStG zu § 9 Nr. 818).
74
III. 75
Die Lösung, die der Gesetzgeber für die Fälle des Vollabzugs von Aufwendungen
vor Einführung des Halbeinkünfteverfahrens und der nur hälftigen Erfassung von
Einnahmen nach Einführung des Halbeinkünfteverfahrens in § 3 Nr. 40 Satz 1
76
Buchstabe a EStG gewählt hat, spricht nicht nur gegen eine Anwendung von § 3 c
Abs. 2 EStG n. F. in Veranlagungszeiträumen vor 2001, sondern erscheint auch
als einzig mögliche Lösung zur Beseitigung des im Streitfall aufgetretenen
Widerspruchs.
Man könnte die Steuerbefreiung der Veräußerungserlöse dahin einschränken,
dass diese keine Anwendung findet, wenn die Anschaffungskosten im Rahmen der
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG voll abgezogen wurden. Gegen diese
Lösung spricht allerdings, dass dann eine Ungleichbehandlung gegenüber einer
Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG aufträte (z. B. bei Anschaffungskosten von
100 und Erlösen von 1.000). Sachgerechter wäre es, eine hälftige Steuerbefreiung
der Veräußerungserlöse nur anzunehmen, soweit die Veräußerungserlöse die
Anschaffungskosten übersteigen. Diese Lösung entspräche den Regelungen in § 3
Nr. 40 Satz 1 Buchstaben g und h EStG, die ebenfalls durch die Befreiung von
sogenannten "Gewinnen" von der systematischen Trennung zwischen der
Befreiung von Einnahmen und dem Abzugsverbot für Ausgaben abweichen.
77
Es ist allerdings nicht im vorliegenden Verfahren zu klären, ob eine derartige
Lösung durch einschränkende Auslegung des Tatbestandsmerkmals
"Betriebsvermögensmehrungen und Einnahmen" in § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a
Satz 1 EStG oder eine analoge Anwendung von § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a
Satz 2 EStG herbeigeführt werden kann oder aber eine nachträgliche gesetzliche
Regelung nach dem Vorbild des § 3 Nr. 40 Satz 1 Buchstabe a Satz 3 EStG
sinnvoll wäre.
78
IV. 79
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). 80
Die Revision war nach § 115 Abs. 2 FGO zuzulassen, weil die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung hat und die Fortbildung des Rechts und die Sicherung
einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert.
81
Die Feststellung und Zurechnung der Beträge im Einzelnen wurde dem Beklagten
nach § 100 Abs. 2 FGO übertragen.
82