EuGH/GA-SA: Gesamtschuldnerische Haftung für Steuerschulden eines Dritten – Voraussetzungen und Umfang der Haftung – unbedingte Haftung ohne Berücksichtigung des konkreten Tatbeitrages
GAin Kokott, Schlussanträge vom 5.9.2024 – C-331/23, Dranken Van Eetvelde NV
Gegen Belgische Staat
ECLI:EU:C:2024:700
Volltext:BB-ONLINE BBL2024-2134-1
Schlussanträge
1. Der Grundsatz ne bis in idem (Art. 50 der Charta der Grundrechte) ist hier mangels Identität der Tat nicht anwendbar.
2. Art. 205 der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin gehend auszulegen, dass er eine Haftung für fremde Steuerschulden nur insoweit ermöglicht, als der Steuerschuldner und seine Steuerschuld bekannt sind. Eine Haftung für eine bloß geschätzte Steuerschuld eines unbekannten Dritten kann nicht auf Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie, sondern allenfalls auf Art. 273 dieser Richtlinie gestützt werden.
3. Art. 203 in Verbindung mit Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist in Verbindung mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der die in einer falschen Rechnung ausgewiesene Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuerhinterziehung eines Dritten ohne Korrekturmöglichkeit als Haftungsschuld festgesetzt und zusätzlich – neben den strafrechtlichen Möglichkeiten – um eine Geldbuße in Höhe von weiteren 200 % des ausgewiesenen ergänzt wird.
Aus den Gründen
I. Einleitung
1. Dem Ansatz, wonach der Zweck die Mittel heiligt, hielt Karl Marx (deutscher Philosoph, 1818 bis 1883) entgegen: „Aber ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger Zweck …“(2)
2. Auch der Gerichtshof ist wieder einmal aufgerufen, zu entscheiden, wo die Grenzen einer effektiven Betrugsbekämpfung im Mehrwertsteuerrecht verlaufen, um zugleich noch von einem verhältnismäßigen Vorgehen sprechen zu können.
3. Im Kern geht es um die Bekämpfung des „Schwarzmarktes“ in Belgien, wenn der Verkäufer den eigentlichen Erwerber von Waren in den ansonsten zutreffenden Rechnungen bewusst nicht angegeben hat, damit der Erwerber diese später „schwarz“ (d. h. ohne Rechnung und unversteuert) weiterverkaufen kann. Die vom Verkäufer geschuldete Mehrwertsteuer wurde von diesem aber ordnungsgemäß abgeführt. Dieses „kollusive“ Zusammenwirken von Verkäufer und Erwerber an einem Ertragsteuer- und Mehrwertsteuerbetrug des Erwerbers sanktioniert Belgien zum einen mit den Mitteln des Strafrechts (Steuerhinterziehung des Erwerbers und je nach Tatbeitrag wohl auch Beihilfe oder Mittäterschaft des Verkäufers).
4. Zum anderen wurde im Mehrwertsteuerrecht eine Haftung des Verkäufers für die Mehrwertsteuerschulden des Erwerbers aus den späteren „schwarzen“ Verkäufen vorgesehen. Zusätzlich wird eine Geldbuße von 200 % des Haftungsbetrags erhoben, weil die Rechnung nicht richtig erstellt wurde. Rechnerisch ermöglicht dies Belgien, selbst wenn der Erwerber nicht ermittelt werden kann, die vom Erwerber geschuldete Steuer zusätzlich beim Verkäufer zu erheben, und dies gleich dreimal.
5. Die Situation ähnelt ein wenig der allerersten Konstellation, in der der Gerichtshof seine bis heute umstrittene(3) „Betrugsrechtsprechung“ entwickelt hat.(4) Damals half ein Autoverkäufer in Deutschland mehreren Autohändlern in Portugal bei einem portugiesischen Ertrag- und Mehrwertsteuerbetrug, indem er in seiner Buchhaltung Scheinrechnungen auf Scheinkäufer als Empfänger der Lieferungen ausstellte. Dies „sanktionierte“ der Gerichtshof auf Seiten des Verkäufers mit der Versagung der Steuerbefreiung der objektiv vorliegenden innergemeinschaftlichen Lieferung. Das wiederum veranlasste das vorlegende Strafgericht, den Verkäufer wegen einer eigenen Steuerhinterziehung zu verurteilen. Im Ergebnis wurde so eine Beihilfe an einem fremden Steuerbetrug in Portugal in eine Täterschaft bezüglich eines eigenen Steuerbetrugs in Deutschland umgewandelt, mit der Besonderheit, dass dafür – anders als normalerweise im Strafrecht – der Haupttäter nicht näher ermittelt werden muss. Dieser Ansatz warf zahlreiche Folgefragen auf und löste in der Folge noch viel zahlreichere Vorabentscheidungsersuchen aus.
6. Nunmehr ist zu klären, ob es diese Rechtsprechung zur Auslegung der Mehrwertsteuerrichtlinie einem Mitgliedstaat gestattet, nicht nur eine Versagung einer Steuerbefreiung von eigenen Lieferungen vorzusehen, sondern auch eine Haftung für die geschätzten Steuerschulden eines im Zweifel unbekannten Dritten anzuordnen, die die dreifache Höhe der geschätzten Steuerschuld dieses Dritten erreicht. Kombiniert man dies mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zur Versagung des Vorsteuerabzugs, könnte das Steueraufkommen in Belgien darüber hinaus durch die zusätzliche Versagung des Vorsteuerabzugs beim Verkäufer erhöht werden.
7. Sollte noch eine Steuerschuld aufgrund der falschen Rechnung festgesetzt werden, ließe sich der vom Verkäufer geschuldete Mehrwertsteuerbetrag zudem um die dort ausgewiesene Mehrwertsteuer erhöhen. Der (einfache) Steuerbetrug des Erwerbers würde danach im Ergebnis eine nahezu fünffache zusätzliche Steuererhebung beim Verkäufer erlauben. Dies wirkt sicherlich abschreckend und sollte den Anreiz zur Mitwirkung an einem fremden Steuerbetrug deutlich reduzieren.
8. Die Frage ist nur, ob dies die Aufgabe des unionsrechtlichen Mehrwertsteuerrechts oder nicht vielmehr des nationalen Strafrechts ist, welches für die Höhe der Strafe u. a. auch die (subjektive) Schuld des Täters und dessen Tatbeitrag berücksichtigen kann. Ebenso fraglich ist, ob eine Besteuerung, die nahezu fünfmal so hoch wie die eigentlich vorgesehene ausfällt, als verhältnismäßige Besteuerung (bzw. verhältnismäßige Bestrafung außerhalb des Strafrechts) angesehen werden kann.
9. Insofern hat der Gerichtshof hier die Möglichkeit, die rechtsstaatlichen Grenzen seiner mittlerweile fast uferlos gewordenen „Betrugsrechtsprechung“ etwas zu konturieren. Eine Betrugsbekämpfung im Mehrwertsteuerrecht um jeden Preis sollte es jedenfalls nicht geben. In der rechtsstaatlich verfassten Union (vgl. Art. 2 EUV) heiligt der Zweck eben nicht jedes Mittel.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
10. Den unionsrechtlichen Rahmen bilden das in Art. 50 der Charta der Grundrechte enthaltene Verbot des ne bis in idem und die Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem(5) (im Folgenden: Mehrwertsteuerrichtlinie).
11. Im 44. Erwägungsgrund dieser Richtlinie wird ausgeführt:
„Die Mitgliedstaaten sollten auch Regelungen treffen können, nach denen eine andere Person als der Steuerschuldner gesamtschuldnerisch für die Entrichtung der Steuer haftet.“
12. Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie regelt die Steuerschuld durch Ausweis von Steuern in einer Rechnung.
„Die Mehrwertsteuer wird von jeder Person geschuldet, die diese Steuer in einer Rechnung ausweist.“
13. Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie beinhaltet die Möglichkeit, eine weitere Person neben dem Steuerschuldner zu bestimmen, der die Mehrwertsteuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat:
„In den in den Artikeln 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 genannten Fällen können die Mitgliedstaaten bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat.“
14. Art. 273 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie sieht Möglichkeiten der Mitgliedstaaten zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung etc. vor:
„Die Mitgliedstaaten können vorbehaltlich der Gleichbehandlung der von Steuerpflichtigen bewirkten Inlandsumsätze und innergemeinschaftlichen Umsätze weitere Pflichten vorsehen, die sie für erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden, sofern diese Pflichten im Handelsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten nicht zu Formalitäten beim Grenzübertritt führen.“
B. Belgisches Recht
15. Belgien hat die Mehrwertsteuerrichtlinie durch das Btw-wetboek (Mehrwertsteuergesetzbuch, im Folgenden: WBTW(6)) umgesetzt. Art. 51 §§ 1 und 2 WBTW regelt die „normale“ Steuerschuld des Steuerpflichtigen als Leistender bzw. als Leistungsempfänger. Art. 51bis § 4 WBTW betrifft hingegen eine gesamtschuldnerische Haftung für die Mehrwertsteuer und lautet:
„Steuerpflichtige haften gesamtschuldnerisch mit der Person, die aufgrund von Artikel 51 §§ 1 und 2 die Steuer schuldet, für die Zahlung der Steuer, wenn sie zu dem Zeitpunkt, zu dem sie einen Umsatz bewirkt haben, wussten oder wissen mussten, dass die Nichtzahlung der Steuer in der Umsatzkette mit der Absicht die Steuer zu hinterziehen erfolgte oder erfolgen würde.“
16. In Abschnitt 1 (Steuerrechtliche Geldbußen) regelt Art. 70 §§ 1 und 2 WBTW Folgendes:
„§ 1. Für jeden Verstoß gegen die Verpflichtung zur Zahlung der Steuer wird eine Geldbuße verwirkt, die dem Doppelten der hinterzogenen oder verspätet gezahlten Steuer entspricht.
Diese Geldbuße wird individuell von jeder Person geschuldet, die aufgrund der Artikel 51 §§ 1, 2 und 4, 51bis, 52, 53, 53ter, 53nonies, 54, 55 und 58 oder der Erlasse in Ausführung dieser Artikel zur Zahlung der Steuer verpflichtet ist.
…
§ 2. Ist die Rechnung beziehungsweise das gleichwertige Dokument, deren/dessen Ausstellung durch die Artikel 53, 53decies und 54 oder die Erlasse in Ausführung dieser Artikel vorgeschrieben ist, nicht ausgestellt worden oder enthält sie/es fehlerhafte Angaben in Bezug auf Identifikationsnummer, Name oder Adresse der am Umsatz beteiligten Parteien, in Bezug auf Art oder Menge der gelieferten Güter oder der erbrachten Dienstleistungen oder in Bezug auf Preis oder Nebenkosten, wird eine Geldbuße verwirkt, die dem Doppelten der auf diesen Umsatz geschuldeten Steuer entspricht bei einem Mindestbetrag von 50 EUR.
Diese Geldbuße wird individuell vom Lieferer oder Dienstleistenden und von seinem Vertragspartner geschuldet. Sie wird jedoch nicht angewandt, wenn Unregelmäßigkeiten als rein gelegentlich anzusehen sind, insbesondere aufgrund der Zahl und der Höhe der Umsätze, für die kein reguläres Dokument ausgestellt worden ist, im Vergleich zur Zahl und zur Höhe der Umsätze, die Gegenstand regulärer Dokumente waren, oder wenn der Lieferer oder Dienstleistende keine schwerwiegenden Gründe hatte, an der Eigenschaft des Vertragspartners als Nichtsteuerpflichtiger zu zweifeln.
Verwirkt eine Person wegen desselben Verstoßes sowohl die in § 1 vorgesehene Geldbuße als auch die in § 2 vorgesehene Geldbuße, ist nur Letztere anwendbar.“
III. Ausgangsrechtsstreit
17. Dranken Van Eetvelde NV (im Folgenden: Klägerin) ist ein Getränkehändler, der seit dem 1. Januar 2000 mehrwertsteuerrechtlich registriert ist. Der belgische Fiskus prüfte die Mehrwertsteuererklärungen für das Geschäftsjahr 2011. Dabei wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt, die der Klägerin am 3. Dezember 2018 mitgeteilt wurden. Ihr wird vorgeworfen, falsche Rechnungen über die Lieferung von Getränken an Privatpersonen erstellt zu haben. In Wirklichkeit seien die Getränke an unternehmerisch tätige Kunden (Betreiber von Hotels und Gaststätten) geliefert worden, die diese „schwarz“ weiterverkauft haben sollen, deren Identität aber anscheinend unbekannt ist.
18. Die Finanzverwaltung beschrieb diese Verstöße in einem Protokoll vom 6. Dezember 2018 und stellte anschließend einen Zahlungsbefehl aus, der am 11. Dezember 2018 für vollstreckbar erklärt und der Klägerin am 13. Dezember 2018 zugestellt wurde. Der Zahlungsbefehl (im Folgenden: Steuerbescheid) betraf die geschuldete Mehrwertsteuer und Geldbußen.
19. Die Klägerin legte am 21. Dezember 2018 beim vorlegenden Gericht einen Rechtsbehelf gegen den Steuerbescheid ein, über den es nun entscheiden muss. Mit einem mittlerweile rechtskräftigen Zwischenurteil entschied das vorlegende Gericht am 4. Juni 2019, dass die Beweiserhebung rechtmäßig erfolgt sei. Nunmehr fragt es sich aber, ob die im Steuerbescheid angeordnete Kumulation von Geldbußen und die gesamtschuldnerische Haftung mit der Mehrwertsteuerrichtlinie vereinbar sind.
20. In dem Steuerbescheid wurden folgende Positionen „festgesetzt“:
– 173 512,56 Euro (141 665,30 Euro aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung gemäß Art. 51bis § 4 WBTW zuzüglich 31 847,26 Euro aufgrund der Erstattung der Umsatzsteuer auf der Grundlage von zu Unrecht ausgestellten Gutschriften);
– eine Geldbuße gemäß Art. 70 Abs. 2 WBTW (falsche Angaben auf Rechnungen) in Höhe von 347 000,00 Euro (d. h. 173 512,56 x 200 %);
– eine Geldbuße gemäß Art. 70 Abs. 1 WBTW (Nichtentrichtung der Mehrwertsteuer) in Höhe von 283 320,00 Euro (d. h. 141 665,30 x 200 %).
21. Das vorlegende Gericht weist darauf hin, dass bei den beiden letzten Steuerprüfungen (zu den Geschäftsjahren 2001-2002 und dem Geschäftsjahr 2004) bereits ähnliche Verstöße festgestellt wurden. Für diese Verstöße wurde gemäß Art. 70 Abs. 2 Unterabs. 1 WBTW ebenfalls eine Geldbuße (hier in Höhe des gesetzlichen Höchstbetrags von 200 % der für den Umsatz geschuldeten Steuer) festgesetzt.
22. Diese Geldbußen wurden wohl durch Urteile vom 10. April 2008 und vom 17. November 2008 bestätigt, wenngleich in der Höhe reduziert. Darin wurde entschieden, dass die Klägerin ein System gefälschter Rechnungen organisiert hatte, in dessen Rahmen die auf der Rechnung aufgeführten Waren nicht an den auf der Rechnung genannten Kunden (Privatperson), sondern an einen unternehmerisch tätigen Kunden, den Betreiber eines Cafés/Hotels/Restaurants, geliefert worden waren, dessen Identität nicht mehr nachvollziehbar war. Dieses System bot die Möglichkeit, mit den gekauften Getränken Verkäufe zu tätigen, die nicht als Einnahmen verbucht wurden und somit nicht der Mehrwertsteuer und der Einkommensteuer unterlagen.
23. Zugleich wurde aufgrund dieser Vorwürfe ein Strafverfahren gegen die Klägerin und ihre Verwalter eingeleitet. Dieses Strafverfahren betrifft die Jahre 2012, 2013 und 2014. Durch Urteil der Rechtbank van eerste aanleg Oost‑Vlaanderen, afdeling Dendermonde (Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Dendermonde, Belgien) vom 18. Juni 2019 wurde die Klägerin u. a. zu einer Geldstrafe in Höhe von 20 000 Euro verurteilt. Die Verurteilung betraf die Steuerhinterziehung in Bezug auf die Mehrwertsteuer und die Einkommensteuer sowie die fehlende Erklärung der Einkünfte zur Körperschaftsteuer und die fehlende Erklärung der Verkäufe und der darauf geschuldeten Mehrwertsteuer gemäß den Gesetzen und Vorschriften zur Mehrwertsteuer, alles in betrügerischer Absicht oder in der Absicht, Schaden zu verursachen. Der Vorsatz der Klägerin wurde damit begründet, dass sie einen wesentlichen Beitrag zu einem Betrugssystem geleistet hatte, das ihren Geschäftskunden ermöglichte, die erworbenen Waren „schwarz“ zu verkaufen.
24. In dem vor dem vorlegenden Gericht anhängigen Verfahren gegen den Steuerbescheid macht die Klägerin nun geltend, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs niemand bedingungslos für den Betrug eines anderen haftbar gemacht werden könne. Eine solche verschuldensunabhängige Haftung überschreite die Grenzen dessen, was zur Wahrung der Rechte des Fiskus und zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung erforderlich sei, und verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das vorlegende Gericht deutet zusätzlich noch Bedenken im Hinblick auf die Kumulierung von verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Sanktionen und dem Grundsatz ne bis in idem im Sinne von Art. 50 der Charta an.
IV. Vorabentscheidungsersuchen und Verfahren vor dem Gerichtshof
25. Die Rechtbank van eerste aanleg Oost-Vlaanderen Afdeling Gent (Gericht erster Instanz Ostflandern, Abteilung Gent, Belgien) hat daher das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende vier Fragen vorgelegt:
1. Verstößt Art. 51bis § 4 WBTW gegen Art. 205 der Richtlinie 2006/112 in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, da diese Bestimmung eine unbedingte Gesamthaftung vorsieht und das Gericht diese nicht unter Berücksichtigung der einzelnen Tatbeiträge an der Steuerhinterziehung beurteilen kann?
2. Verstößt Art. 51bis § 4 WBTW gegen Art. 205 der Richtlinie 2006/112 in Verbindung mit dem Grundsatz der Neutralität im Bereich der Mehrwertsteuer, wenn diese Bestimmung dahin auszulegen ist, dass eine Person gesamtschuldnerisch verpflichtet ist, die Mehrwertsteuer anstelle des gesetzlichen Schuldners zu entrichten, ohne dass der Vorsteuerabzug berücksichtigt werden muss, den der gesetzliche Schuldner vornehmen kann?
3. Ist Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, die eine Kumulierung von (verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen) Sanktionen strafrechtlicher Art, denen verschiedene Verfahren zugrunde liegen, für dieselben materiellen Taten erlaubt, die jedoch in aufeinanderfolgenden Jahren begangen wurden (aber strafrechtlich als fortgesetzte Straftat mit einheitlichem Vorsatz einzustufen wären), wobei die Tat bezüglich eines Jahres verwaltungsrechtlich und die Tat bezüglich eines anderen Jahres strafrechtlich verfolgt wird? Sind diese Taten nicht als untrennbar miteinander verbunden anzusehen, weil sie in aufeinanderfolgenden Jahren begangen wurden?
4. Ist Art. 50 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung nicht entgegensteht, wonach gegen eine Person ein Verfahren zur Verhängung einer verwaltungsrechtlichen Geldbuße strafrechtlicher Art wegen einer Tat eingeleitet werden kann, wegen der sie bereits rechtskräftig strafrechtlich verurteilt worden ist, wobei beide Verfahren vollständig unabhängig voneinander durchgeführt werden und die einzige Garantie, dass die Schwere aller verhängten Sanktionen mit der Schwere des betreffenden Verstoßes im Einklang steht, darin besteht, dass das Finanzgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung in der Sache vornehmen kann, während die nationale Regelung diesbezüglich keine Regeln vorsieht und auch keine, die es der Verwaltungsbehörde ermöglichen, die bereits verhängte strafrechtliche Sanktion zu berücksichtigen?
26. Im Verfahren vor dem Gerichtshof haben die Klägerin, das Königreich Belgien und die Europäische Kommission schriftlich Stellung genommen. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat der Gerichtshof gemäß Art. 76 Abs. 2 der Verfahrensordnung abgesehen.
V. Rechtliche Würdigung
27. Die vier Fragen des vorlegenden Gerichts lassen sich in zwei Komplexe einteilen. Zum einen geht es dem vorlegenden Gericht um die Reichweite des Ne-bis-in-idem-Grundsatzes, der hier allerdings nicht einschlägig ist (dazu unter A.). Außerdem soll die Reichweite der in Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit, eine gesamtschuldnerische Haftung vorzusehen, geklärt werden (dazu unter B.). Wenn dieser eine Haftung für noch unbekannte, in der Höhe lediglich vermutete Steuerschulden eines Dritten nicht erfassen sollte, ist zu entscheiden, ob die Art. 203 und 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz eine zusätzliche Sanktion in Höhe von 300 % der eigentlichen Steuerschuld ermöglichen (dazu unter C.).
A. Zum Ne-bis-in-idem-Grundsatz aus Art. 50 der Charta
28. Mit seinen Fragen 3 und 4, die zusammen beantwortet werden können, fragt das vorlegende Gericht nach der Auslegung von Art. 50 der Charta. Dieser lautet: „Niemand darf wegen einer Straftat, derentwegen er bereits in der Union nach dem Gesetz rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen worden ist, in einem Strafverfahren erneut verfolgt oder bestraft werden.“
29. Der Grundsatz ne bis in idem verbietet somit eine Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen, die strafrechtlicher Natur im Sinne dieses Artikels sind, gegenüber derselben Person wegen derselben Tat.(7) Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, selbst wenn die Verwaltungssanktionen nach Art. 70 §§ 1 und 2 WBTW als strafrechtliche Sanktionen zu beurteilen wären.
30. Der angefochtene Steuerbescheid betrifft nämlich Geldbußen, die für ein Fehlverhalten im Jahr 2011 verhängt worden sind. Laut dem vorlegenden Gericht erfolgte die strafrechtliche Verurteilung aber im Zusammenhang mit einer (eigenen oder fremden) Steuerhinterziehung für die Jahre 2012, 2013 und 2014. Damit scheidet jedoch eine Kumulierung von Verfolgungsmaßnahmen und Sanktionen gegenüber derselben Person wegen derselben Tat im vorliegenden Fall per se aus. Erst wenn es zu einem Strafverfahren gegen die Klägerin wegen einer Steuerhinterziehung im Jahr 2011 kommen sollte, würde sich diese Frage stellen. Die zur Auslegung von Art. 50 der Charta gestellten Fragen sind daher für den vorliegenden Fall nicht erheblich; jedenfalls ist diese Vorschrift auf den angefochtenen Steuerbescheid nicht anwendbar.
B. Zum Umfang der gesamtschuldnerischen Entrichtungspflicht nach Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie dem Grunde und der Höhe nach
1. Allgemeines
31. Mit den ersten beiden Fragen soll die Reichweite der in Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorgesehenen Möglichkeit, eine gesamtschuldnerische Haftung vorzusehen, geklärt werden. Bisher hatte der Gerichtshof nur wenig Gelegenheit,(8) sich zum Umfang einer dort möglichen Erstreckung der Mehrwertsteuer auf einen Dritten zu äußern.
32. Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie ermächtigt die Mitgliedstaaten in den Fällen, die in den Art. 193 bis 200 sowie 202, 203 und 204 genannt sind, zu bestimmen, dass eine andere Person als der Steuerschuldner die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat.
33. Die Vorschrift des Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie verlagert nicht die Steuerschuld auf eine andere Person, wie dies z. B. bei Art. 196 der Mehrwertsteuerrichtlinie der Fall ist. Sie sieht neben dem Steuerpflichtigen eine weitere Person vor, die zur Entrichtung der Steuer verpflichtet ist. Diese Entrichtungspflicht ist dabei gesamtschuldnerisch ausgestaltet. Sie knüpft jedoch an eine bestehende Steuerschuld eines anderen an und ist damit akzessorisch ausgestaltet. Damit entspricht sie im Ergebnis einer Haftung eines Dritten für eine fremde Steuer. Um diese Schuld von der originären Steuerschuld (Hauptschuld) begrifflich abzugrenzen, wird daher im Folgenden von einer Haftungsschuld gesprochen.
2. Voraussetzung der Haftungsschuld nach Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie
34. Der Wortlaut von Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie spricht davon, dass eine andere Person als der Steuerpflichtige „die Steuer“ gesamtschuldnerisch zu entrichten hat. Entscheidend ist mithin, was mit dem Begriff „die Steuer“ gemeint ist, für die eine andere Person in Haftung genommen werden kann. Ist damit eine Steuer eines Steuerpflichtigen in einer konkreten Höhe (und wenn ja, welcher) gemeint, oder genügt eine wahrscheinliche Steuerschuld eines Dritten, die aber noch unbeziffert bzw. nur vermutet ist?
35. Zum Umfang einer speziellen „Haftungsvorschrift“ im Verbrauchsteuerrecht hatte der Gerichtshof insofern zunächst entschieden, dass die unionsrechtlich vorgesehene Sicherheitsleistung eines Lagerhalters für die Absicherung der mit einer innergemeinschaftlichen Warenbeförderung verbundenen Risiken keine Haftung für Sanktionen gegenüber einem Dritten einschließt.(9) Ebenso hatte er befunden, dass Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie zwar eine gesamtschuldnerische Verpflichtung zur „Zahlung der Mehrwertsteuer“ erlaubt. Hingegen können weitere Verpflichtungen – wie die Leistung einer Sicherheit – als eine Art akzessorische Verpflichtung nur auf Art. 207 der Mehrwertsteuerrichtlinie gestützt werden.(10) Dies alles sprach für eine Begrenzung der Haftungsschuld in der Höhe auf die Steuerschuld des Steuerpflichtigen (Hauptschuld).
36. Unlängst meinte der Gerichtshof jedoch, dass die gesamtschuldnerische Haftung gemäß Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie „nach dessen Wortlaut zwar nur die Entrichtung der Mehrwertsteuer betrifft, es den Mitgliedstaaten nach ebendiesem Wortlaut jedoch nicht verwehrt ist, der gesamtschuldnerisch haftenden Person sämtliche mit dieser Steuer zusammenhängenden Kosten aufzuerlegen“.(11) Ungeachtet der Frage, ob dies möglich ist, wenn nicht zugleich die Voraussetzungen von Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie vorliegen,(12) ist diese Rechtsprechung hier nicht anwendbar, da es nicht um mit der Steuer zusammenhängende Kosten (wie z. B. Verzugszinsen) geht.
37. „(D)ie Steuer“ ist die, die der Steuerpflichtige (hier der Erwerber) schuldet und für die die Klägerin nach Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie haftet. Sie kann nur ermittelt werden, wenn feststeht, zu welchen Bedingungen der Erwerber die Waren weiterverkauft hat. Das setzt wiederum voraus, dass bekannt ist, wer diese Waren an wen und zu welchem Preis weiterverkauft hat. Folglich spricht Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie von „dem Steuerschuldner“ und nicht von (irgend) einem Steuerschuldner. Dementsprechend steht Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie systematisch in Kapitel 1 („Zahlungspflicht“) und Abschnitt 1 („Steuerschuldner gegenüber dem Fiskus“). Die Klägerin haftet mithin (nur) für die Steuer, die der Erwerber für seine Ausgangsumsätze konkret schuldet.
38. Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie kann demgegenüber nicht zur Anwendung kommen, wenn wie hier der möglicherweise „Steuerpflichtige“ und die Höhe von dessen Steuerschuld unbekannt sind, weil die Bemessungsgrundlage des Weiterverkaufs sowie der Ort des Weiterverkaufs unklar sind. In einem solchen Fall steht nämlich noch nicht einmal fest, ob überhaupt inländische (hier belgische) Mehrwertsteuer entstanden ist und, wenn ja, in welcher Höhe. Es handelt sich nur um eine vermutete Steuerschuld, die allenfalls grob geschätzt wird.
39. Das bestätigt die Steuerfestsetzung gegenüber der Klägerin. Denn die festgesetzte Haftungsschuld entspricht nicht einer konkreten fremden Steuerschuld, sondern der in den falschen Rechnungen von der Klägerin ausgewiesenen Mehrwertsteuer.
40. Die Haftungsschuld, die die belgische Finanzverwaltung hier festgesetzt hat, scheint sich daher allenfalls auf eine vermutete Steuerschuld des Erwerbers zu beziehen. Grundlage der Vermutung wäre dann die von der Klägerin in den falschen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer. Das ist eine recht unwahrscheinliche Vermutung. Denn der Betrag aus den falschen Rechnungen der Klägerin würde nur dann der Steuerschuld des Erwerbers entsprechen, wenn der Erwerber die Waren in Belgien zum gleichen Preis weiterverkauft hätte. Ein normaler Steuerpflichtiger würde jedoch mit Gewinnaufschlag arbeiten. Ein betrügerischer Steuerpflichtiger würde eventuell einen günstigeren Preis anbieten, da er sich die Ertragsteuer und seinen Kunden die Mehrwertsteuer „erspart“.
41. Vorausgesetzt Belgien hat Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie umgesetzt, würde sich allerdings die Steuerschuld der Klägerin aus Art. 203 bzw. dessen Umsetzung ergeben. Auf Art. 205 kann diese Steuerschuld der Klägerin hingegen nicht gestützt werden. Im Gegenteil, Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie stellt klar, dass im Fall von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie „eine andere Person als der Steuerschuldner“ die Steuer gesamtschuldnerisch zu entrichten hat. Hieran wird deutlich, dass Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine eigene Steuerschuld der Klägerin bezüglich der in den falschen Rechnungen ausgewiesenen Mehrwertsteuer begründet, während Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Haftung für eine fremde Steuerschuld (Hauptschuld) betrifft. Mithin schließen sich eine Steuerschuld in Bezug auf die in den falschen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie und eine zeitgleiche Haftungsschuld in gleicher Höhe nach Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie gegenseitig aus.
42. Vielmehr schuldet die Klägerin nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie die in den falschen Rechnungen zu Unrecht ausgewiesene Mehrwertsteuer, und zwar ungeachtet des Umstands, dass sie bereits die Mehrwertsteuer auf den Umsatz korrekt entrichtet hat. Dies entspräche der Höhe nach genau dem Betrag, der hier als die Haftungsschuld für eine fremde Steuer gemäß Art. 51bis § 4 WBTW festgesetzt wurde.
43. Wenn der Sinn und Zweck von Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie darin besteht, die Ansprüche der Staatskasse möglichst wirksam zu schützen, in dem eine weitere Person akzessorisch für die Steuerschulden des Steuerpflichtigen haftet, dann setzt dies voraus, dass diese Steuerschuld (Hauptschuld) feststeht und damit auch festgesetzt werden kann. Daran fehlt es im vorliegenden Fall, so dass eine Anwendung von Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie ausscheidet. Eine Steuerschuld aufgrund der in den falschen Rechnungen ausgewiesenen Mehrwertsteuer sieht Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie hingegen ausdrücklich vor.(13)
C. Zusätzliche „Haftung für fremde Steuerschulden“ in Höhe der eigenen Steuerschuld nach Maßgabe von Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie
1. Allgemeines
44. Auch wenn Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie die Möglichkeiten der Mitgliedstaaten, eine andere Person zur Entrichtung der Mehrwertsteuer zu bestimmen, auf die konkret geschuldete Mehrwertsteuer einer konkreten Person beschränkt, folgt daraus nicht, dass er weiter gehenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten in ihrem nationalen Steuerverfahrensrecht entgegensteht. Möglicherweise erlaubt Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie eine entsprechende Haftung des Steuerpflichtigen.
45. Allerdings ist der im vorliegenden Fall geforderte Betrag genau genommen keine Haftung für fremde Steuerschulden, sondern eine pauschale Sanktion für einen vermutlichen Steuerausfall. Wie der Gerichtshof in ständiger Rechtsprechung betont, können aber mangels einer Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Union auf dem Gebiet der Sanktionen die Mitgliedstaaten bei Nichtbeachtung der Voraussetzungen, die eine nach dem Unionsrecht geschaffene Regelung vorsieht, diejenigen Sanktionen wählen, die ihnen sachgerecht erscheinen.(14)
46. Dies deckt sich mit Art. 273 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie. Dieser ermöglicht es den Mitgliedstaaten, weitere Pflichten vorzusehen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehung zu vermeiden. Daher kommt eine „erweiterte Haftung“ des Leistenden für fremde, lediglich vermutete Steuerschulden aus einem unversteuerten Weiterverkauf zur Vermeidung einer Steuerhinterziehung gemäß Art. 273 Abs. 1 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Betracht, sofern sie verhältnismäßig ausgestaltet ist.
47. So verstößt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht gegen das Unionsrecht, wenn von einer anderen Person als dem Steuerschuldner (d. h. hier von der Klägerin) gefordert wird, dass sie alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Tätigkeit nicht zur Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt.(15) Dieser Verpflichtung scheint die Klägerin offensichtlich nicht nachgekommen zu sein. Sie war vielmehr aktiv in den Betrug eines Dritten involviert. Eine verhältnismäßige Sanktionierung ist daher möglich.
48. Diese Aussagen stehen allerdings in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Vorsteuerabzugsrecht eines Unternehmens im Rahmen eines Mehrwertsteuerbetrugs. Danach ist ein Steuerpflichtiger, der wusste oder hätte wissen müssen,(16) dass er sich an einem Umsatz beteiligt, der in eine Mehrwertsteuerhinterziehung einbezogen ist, für die Zwecke der Mehrwertsteuerrichtlinie als an dieser Hinterziehung Beteiligter anzusehen.(17) Dies verpflichtet die Mitgliedstaaten, dem Steuerpflichtigen (hier der Klägerin) den Vorsteuerabzug zu versagen.(18)
49. Wenn der Klägerin dieser Rechtsprechung folgend der Vorsteuerabzug versagt worden wäre bzw. noch versagt wird, bestünde nur noch ein sehr geringer Schaden der Staatskasse, der noch über eine „Haftung“ abzusichern oder zu sanktionieren wäre. Wenn noch Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie berücksichtigt wird, dann gibt es wohl überhaupt keinen Steuerausfall, da die Klägerin allein die Mehrwertsteuer fast in dreifacher Höhe (Steuerschuld aufgrund der Lieferung, Steuerschuld aufgrund der falschen Rechnungen, Versagung des Vorsteuerabzugs aus dem Einkauf) zahlen müsste.
2. Voraussetzung: keine verschuldensunabhängige Haftung
50. Zu klären ist, ob in einem solchen Fall eine weitere zusätzliche Haftung und Sanktionierung mit Bußgeld von Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes noch gedeckt ist.
51. Unabhängig von der kumulativ möglichen Versagung des Vorsteuerabzugs hat der Gerichtshof in diesem Zusammenhang nämlich festgestellt, dass nationale Maßnahmen, die de facto ein System der unbedingten (verschuldensunabhängigen) gesamtschuldnerischen Haftung einführen, über das hinausgehen, was erforderlich ist, um die Ansprüche der Staatskasse zu schützen.(19) Es ist daher als unvereinbar mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit anzusehen, die Haftung für die Mehrwertsteuer einer anderen Person als dem Steuerschuldner aufzuerlegen, ohne es dieser Person zu ermöglichen, sich der Haftung zu entziehen, indem sie den Beweis erbringt, dass sie mit den Machenschaften des Steuerschuldners nichts zu tun hat.(20) Es wäre offenkundig unverhältnismäßig, dieser Person bedingungslos den Verlust von Steuereinnahmen anzulasten, der durch das Tun eines Dritten verursacht worden ist, auf das sie keinen Einfluss hat.(21) Darauf beruft sich die Klägerin.
52. Die belgische Regelung in Art. 51bis § 4 WBTW scheint jedoch nicht in Richtung einer solchen verschuldensunabhängigen (unbedingten) Haftung zu gehen. Danach tritt eine Haftung nur ein, wenn der Leistende bei Ausführung seines Umsatzes wusste oder hätte wissen müssen, dass der Leistungsempfänger die Steuer mit der Absicht, die Steuer zu hinterziehen, nicht zahlen wird. Wenn das „wissen müssen“ auf eine grobe Fahrlässigkeit beschränkt ist, bestehen insofern keine grundsätzlichen Bedenken im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
53. So verstößt es nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs(22) nicht gegen das Unionsrecht, wenn von der anderen Person als dem Steuerschuldner gefordert wird, dass sie alle Maßnahmen ergreift, die vernünftigerweise von ihr verlangt werden können, um sicherzustellen, dass ihre Tätigkeit nicht zur Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führt. Die Umstände, dass die andere Person als der Steuerschuldner gutgläubig gehandelt hat, indem sie die Sorgfalt eines verständigen Wirtschaftsteilnehmers beachtet hat, dass sie alle ihr zu Gebote stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat und dass ihre Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist, sind daher Kriterien, die im Rahmen der Feststellung zu berücksichtigen sind, ob diese Person als Gesamtschuldner zu der geschuldeten Mehrwertsteuer herangezogen werden kann.(23)
54. Laut dem Vorabentscheidungsersuchen wusste die Klägerin hier sogar positiv, dass der Leistungsempfänger die Mehrwertsteuer aus seinen Ausgangsumsätzen mit den erworbenen Waren hinterziehen will, und hat daran aktiv (durch das Erstellen falscher Ausgangsrechnungen) mitgewirkt. In diesem Fall kann von einer verschuldensunabhängigen Haftung im Sinne dieser Rechtsprechung nicht gesprochen werden.
55. Dass die im belgischen Gesetz vorgesehene „Haftung“ es nicht ermöglicht, die einzelnen Tatbeiträge zu gewichten, führt ebenfalls nicht zu einer verschuldensunabhängigen Haftung im Sinne dieser Rechtsprechung. Sie betrifft allein die Frage des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (dazu sogleich).
3. Verhältnismäßigkeit der nach Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie möglichen Sanktionen
56. Nach Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, Maßnahmen zu erlassen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und um Steuerhinterziehung zu vermeiden. Sie sind jedoch verpflichtet, bei der Ausübung dieser Befugnis das Unionsrecht und seine Grundsätze, insbesondere die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer, zu beachten.(24)
57. Die Sanktionen dürfen also nicht über das zur Erreichung der in Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie genannten Ziele Erforderliche hinausgehen und die Neutralität der Mehrwertsteuer nicht in Frage stellen.(25) Dabei sind für die Beurteilung der Frage, ob eine Sanktion mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, u. a. die Art und die Schwere des Verstoßes, der mit dieser Sanktion geahndet werden soll, sowie die Methoden für die Bestimmung der Höhe dieser Sanktion zu berücksichtigen.(26)
58. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass im vorliegenden Fall das nationale Recht, um die genaue Erhebung der Mehrwertsteuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu vermeiden, eine Geldbuße vorsieht, deren Höhe nicht anhand der Steuerschuld des Steuerpflichtigen berechnet wird, sondern dem Betrag der von der Klägerin zu Unrecht ausgewiesenen Mehrwertsteuer entspricht (dazu oben, Nrn. 39 ff.). Diese Rechtsfolge ergibt sich auch aus Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie und ist verhältnismäßig, wenn und weil der Betreffende – selbst wenn er bösgläubig war – diese Steuerschuld durch eine Rechnungskorrektur und Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens korrigieren kann.
59. Zusätzlich bleibt die Steuerschuld aus den Lieferungen der Klägerin bestehen, so dass auch das Steueraufkommen auf dieser Stufe gesichert ist. Die in den unrichtigen Rechnungen ausgewiesene Steuer schuldet die Klägerin bis zu einer Berichtigung, die eine Beseitigung der Gefährdung des Steueraufkommens voraussetzt, bereits nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie (vorausgesetzt, diese Norm wurde in belgisches Recht umgesetzt). Eine „Haftung“ in Höhe dieser Steuer und eine Sanktion in Höhe von 200 % dieser Steuer führt zu einer fast fünffachen Besteuerung eines einzigen Umsatzes, so dass der Steuerausfall auf Ebene des Erwerbers – sofern man diesen überhaupt quantifizieren kann – fast vierfach überkompensiert wird. Dies ist unverhältnismäßig, zumal dem Fiskus allenfalls ein Steuerschaden in Höhe des Mehrwertes aus dem Weiterverkauf (d. h. der Differenz aus Verkaufs- und Einkaufspreises) entstanden ist.
60. Außerdem steht der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer einer derartigen Vorgehensweise entgegen. Der Neutralitätsgrundsatz wird durch die von den Mitgliedstaaten vorzusehende Möglichkeit gewahrt, jede zu Unrecht in Rechnung gestellte Steuer zu berichtigen, wenn der Rechnungsaussteller seinen guten Glauben nachweist oder wenn er die Gefährdung des Steueraufkommens rechtzeitig und vollständig beseitigt hat.(27) Letzteres schließt aber das nationale Recht hier aus. Selbst wenn die Klägerin die falschen Rechnungen berichtigt und die Steuergefährdung in welcher Form auch immer beseitigt, führt die Verhängung einer Geldbuße in Höhe von 200 % der in der falschen Rechnung ausgewiesenen Mehrwertsteuer dazu, dass die hinsichtlich der Steuerschuld nach Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie gebotene Möglichkeit zur Berichtigung leerläuft.(28)
61. Diese unangemessene Höhe der Sanktionierung eines Beteiligten am Steuerbetrug eines Dritten ist bei näherer Betrachtung auch der Vermeidung von Mehrwertsteuerhinterziehungen abträglich. In der Praxis kann (und wird) sich die Finanzverwaltung darauf beschränken, die an einer Mehrwertsteuerhinterziehung beteiligten Dritten zu belangen, so dass die eigentlichen Täter weitgehend unentdeckt und unverfolgt bleiben. Dies widerspricht jedoch dem Ziel von Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie.
62. Darüber hinaus verbleiben grundsätzliche Zweifel, ob die Sanktionierung der Beteiligung an einem Mehrwertsteuerbetrug nicht eher dem nationalen Strafrecht als dem unionsrechtlichen Mehrwertsteuerrecht anvertraut werden sollte. Jedenfalls – so der Gerichtshof(29) – müssen die nationalen Bestimmungen eine Koordinierung der Verfahren (Strafverfahren und Steuerverfahren) gewährleisten, die es ermöglicht, die mit der Kumulierung der verhängten Maßnahmen verbundene zusätzliche Belastung auf das absolut Notwendige zu reduzieren und sicherzustellen, dass die Schwere aller dieser Maßnahmen zusammen der Schwere der betreffenden Zuwiderhandlung entspricht. Nur so können potenzielle Konflikte mit dem Ne-bis-in-idem-Grundsatz aus Art. 50 der Charta vermieden werden. Ob dies im belgischen Recht gewährleistet ist, bleibt offen.
63. Unabhängig davon ist auf die erste und die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 203 in Verbindung mit Art. 273 der Mehrwertsteuerrichtlinie in Verbindung mit den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit und der Neutralität der Mehrwertsteuer dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Rechtsvorschrift entgegensteht, nach der die zu Unrecht ausgewiesene Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit der Beteiligung an einer Mehrwertsteuerhinterziehung eines Dritten ohne Korrekturmöglichkeit in Gestalt einer Haftungsschuld festgesetzt und zusätzlich um eine Geldbuße in Höhe von 200 % des ausgewiesenen Betrages ergänzt wird.
VI. Ergebnis …
1 Originalsprache: Deutsch.
2 Karl Marx, „Debatten über Preßfreiheit und Publikation der Landständischen Verhandlungen. Von einem Rheinländer“, 1842. Rheinische Zeitung Nr. 135 vom 15. Mai 1842.
3 Kritisch bereits die Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón in der Rechtssache R (C‑285/09, EU:C:2010:381, Nrn. 58 ff. und 104 ff.), ebenfalls kritisch z. B. der Vorsitzende eines der beiden Umsatzsteuersenate des deutschen Bundesfinanzhofs (BFH), Wäger, C., Der Kampf gegen die Steuerhinterziehung, UR 2015, S. 81 ff.
4 Urteil vom 7. Dezember 2010, R (C‑285/09, EU:C:2010:742).
5 ABl. 2006, L 347, S. 1, in der für den streitigen Zeitraum geltenden Fassung.
6 Mehrwertsteuergesetzbuch, Gesetz vom 3. Juli 1969 mit der Abänderung des Gesetzes vom 09.12.2019 (B.S. 18.12.2019). Im Belgischen Staatsblatt ist die deutsche Übersetzung dieses Gesetzbuchs unter Berücksichtigung der Abänderungen als „inoffizielle Koordinierung“ veröffentlicht worden, und zwar bis zur offiziellen deutschen Übersetzung des Gesetzes vom 9. Dezember 2019 zur Abänderung des allgemeinen Gesetzes vom 18. Juli 1977 über Zölle und Akzisen und des Mehrwertsteuergesetzbuches zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2017/1371 (Belgisches Staatsblatt vom 18. Mai 2021).
7 Urteil vom 20. März 2018, Menci (C‑524/15, EU:C:2018:197, Rn. 25), und in diesem Sinne Urteil vom 26. Februar 2013, Åkerberg Fransson (C‑617/10, EU:C:2013:105, Rn. 34).
8 Zu nennen sind insoweit: Urteile vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 19 ff.), und vom 11. Mai 2006, Federation of Technological Industries u. a. (C‑384/04, EU:C:2006:309, Rn. 25 ff.), beide noch zur inhaltsgleichen Vorgängervorschrift. Eigentlich ist auch noch das Urteil vom 26. März 2015, Macikowski (C‑499/13, EU:C:2015:201), zu erwähnen, das aber die dort vorliegende Haftungsproblematik ohne die Auslegung von Art. 205 der Mehrwertsteuerrichtlinie löst (vgl. insofern meine Schlussanträge in dieser Rechtssache, C‑499/13, EU:C:2014:2351, Nrn. 58 ff.). Unlängst jedoch wieder häufiger: siehe Urteile vom 13. Oktober 2022, Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna Praktika“ (C‑1/21, EU:C:2022:788), und vom 20. Mai 2021, ALTI (C‑4/20, EU:C:2021:397).
9 Urteil vom 2. Juni 2016, Kapnoviomichania Karelia (C‑81/15, EU:C:2016:398, Rn. 38 ff.); ebenso auch Schlussanträge des Generalanwalts Bot in der Rechtssache Karelia (C‑81/15, EU:C:2016:66, Nr. 37).
10 Urteil vom 11. Mai 2006, Federation of Technological Industries u. a. (C‑384/04, EU:C:2006:309, Rn. 43 ff.), noch zur Vorgängervorschrift.
11 Urteil vom 20. Mai 2021, ALTI (C‑4/20, EU:C:2021:397, Rn. 42).
12 Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache ALTI (C‑4/20, EU:C:2021:12, Nrn. 44 ff.).
13 Allerdings setzt diese Vorschrift voraus, dass sogar ein bösgläubiger Rechnungsaussteller die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigen kann, was bezüglich der „Haftungsschuld“ nach Art. 51bis § 4 WBTW – sollte dieser eine Umsetzung von Art. 203 der Mehrwertsteuerrichtlinie sein – nicht möglich zu sein scheint.
14 Urteil vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 38), vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 59), vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 6. Februar 2014, Fatorie (C‑424/12, EU:C:2014:50, Rn. 50), und vom 7. Dezember 2000, de Andrade (C‑213/99, EU:C:2000:678, Rn. 20).
15 Urteile vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 25), vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 24), vom 27. September 2007, Teleos u. a. (C‑409/04, EU:C:2007:548, Rn. 65), und vom 11. Mai 2006, Federation of Technological Industries u. a. (C‑384/04, EU:C:2006:309, Rn. 33).
16 In einigen älteren Entscheidungen spricht der Gerichtshof noch von „wissen konnte“ – vgl. z. B. Urteil vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling (C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446, Rn. 60). Diese zu weit geratene Formulierung, die allein auf der Vorlagefrage basierte, scheint aber mittlerweile zu Recht aufgegeben worden zu sein.
17 Urteile vom 20. Juni 2018, Enteco Baltic (C‑108/17, EU:C:2018:473, Rn. 94), vom 22. Oktober 2015, PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 48), vom 13. Februar 2014, Maks Pen (C‑18/13, EU:C:2014:69, Rn. 27), vom 6. September 2012, Mecsek-Gabona (C‑273/11, EU:C:2012:547, Rn. 54), vom 6. Dezember 2012, Bonik (C‑285/11, EU:C:2012:774, Rn. 39), und vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling (C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446, Rn. 56).
18 Vgl. Urteile vom 22. Oktober 2015, PPUH Stehcemp (C‑277/14, EU:C:2015:719, Rn. 47), vom 18. Dezember 2014, Schoenimport „Italmoda“ Mariano Previti (C‑131/13, C‑163/13 und C‑164/13, EU:C:2014:2455, Rn. 62), vom 13. März 2014, FIRIN (C‑107/13, EU:C:2014:151, Rn. 40), vom 13. Februar 2014, Maks Pen (C‑18/13, EU:C:2014:69, Rn. 26), vom 6. Dezember 2012, Bonik (C‑285/11, EU:C:2012:774, Rn. 37), vom 21. Juni 2012, Mahagében (C‑80/11 und C‑142/11, EU:C:2012:373, Rn. 42), und vom 6. Juli 2006, Kittel und Recolta Recycling (C‑439/04 und C‑440/04, EU:C:2006:446, Rn. 59 und 61).
19 Urteile vom 21. Juni 2012, Mahagében (C‑80/11 und C‑142/11, EU:C:2012:373, Rn. 48), vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 24), und vom 11. Mai 2006, Federation of Technological Industries u. a. (C‑384/04, EU:C:2006:309, Rn. 32), sowie Schlussanträge des Generalanwalts Poiares Maduro in der Rechtssache Federation of Technological Industries u. a. (C‑384/04, EU:C:2005:745, Nr. 27).
20 So ausdrücklich: Urteil vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 24).
21 Urteile vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 24), und vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 23).
22 Urteile vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 25), vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 24), vom 27. September 2007, Teleos u. a. (C‑409/04, EU:C:2007:548, Rn. 65), und vom 11. Mai 2006, Federation of Technological Industries u. a. (C‑384/04, EU:C:2006:309, Rn. 33).
23 Vgl. Urteil vom 21. Dezember 2011, Vlaamse Oliemaatschappij (C‑499/10, EU:C:2011:871, Rn. 26), in ähnlichem Sinne: Urteile vom 21. Februar 2008, Netto Supermarkt (C‑271/06, EU:C:2008:105, Rn. 25), und vom 27. September 2007, Teleos u. a. (C‑409/04, EU:C:2007:548, Rn. 66).
24 Urteil vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 39), und vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
25 Urteil vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 39), und vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean (C‑183/14, EU:C:2015:454, Rn. 62).
26 Urteil vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 39), und vom 26. April 2017, Farkas (C‑564/15, EU:C:2017:302, Rn. 60 und die dort angeführte Rechtsprechung).
27 Urteil vom 2. Juli 2020, Terracult (C‑835/18, EU:C:2020:520, Rn. 28), vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 33), vom 31. Januar 2013, LVK (C‑643/11, EU:C:2013:55, Rn. 37), vom 18. Juni 2009, Stadeco (C‑566/07, EU:C:2009:380, Rn. 37), vom 6. November 2003, Karageorgou u. a. (C‑78/02 bis C‑80/02, EU:C:2003:604, Rn. 50), und vom 19. September 2000, Schmeink & Cofreth und Strobel (C‑454/98, EU:C:2000:469, Rn. 58).
28 Zur vergleichbaren Situation, in der der Gerichtshof die Verhältnismäßigkeit bereits verneint hat, vgl. Urteil vom 8. Mai 2019, EN.SA. (C‑712/17, EU:C:2019:374, Rn. 42 ff.).
29 Urteil vom 4. Mai 2023, MV – 98 (C‑97/21, EU:C:2023:371, Rn. 58).