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Steuerrecht
23.10.2014
Steuerrecht
EuGH: Gemeinsamer Zolltarif – Position 3822 – Begriff ‚Diagnostik und Laborreagenzien‘ – Indikatoren für die Exposition gegenüber einer zuvor festgelegten Ansprechtemperatur“

EuGH, Urteil vom 9.10.2014 – C-541/13; Douane Advies Bureau Rietveld gegen Hauptzollamt Hannover

Amtlicher Leitsatz

Position 3822 der Kombinierten Nomenklatur in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif in der durch die Verordnung (EU) Nr. 861/2010 der Kommission vom 5. Oktober 2010 geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass Temperaturindikatoren wie die unter den Bezeichnungen „WarmMark“ und „ColdMark“ vertriebenen Erzeugnisse, die durch eine Farbänderung aufgrund der Änderung des Volumens der in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten irreversibel das Über- oder Unterschreiten einer bestimmten Temperaturschwelle anzeigen, nicht unter diese Position fallen.

Aus den Gründen

1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Position 3822 der Kombinierten Nomenklatur (im Folgenden: KN) in Anhang I der Verordnung (EWG) Nr. 2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den Gemeinsamen Zolltarif (ABl. L 256, S. 1) in der durch die Verordnung (EU) Nr. 861/2010 der Kommission vom 5. Oktober 2010 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung.

2 Es ergeht in einem Rechtsstreit zwischen der niederländischen Gesellschaft Douane Advies Bureau Rietveld (im Folgenden: Rietveld) und dem Hauptzollamt Hannover wegen der Tarifierung zweier Erzeugnisse, die unter den Bezeichnungen „WarmMark“ und „ColdMark“ vertrieben werden (im Folgenden zusammen: im Ausgangsverfahren in Rede stehende Erzeugnisse).

Rechtlicher Rahmen

KN

3 Die KN beruht auf dem Harmonisierten System zur Bezeichnung und Codierung der Waren (im Folgenden: HS), das vom Rat für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet des Zollwesens, jetzt Weltzollorganisation (WZO), ausgearbeitet und durch das am 14. Juni 1983 in Brüssel geschlossene Internationale Übereinkommen über das Harmonisierte System zur Bezeichnung und Codierung der Waren eingeführt wurde. Dieses Übereinkommen wurde mit dem dazugehörigen Änderungsprotokoll vom 24. Juni 1986 im Namen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft durch den Beschluss 87/369/EWG des Rates vom 7. April 1987 (ABl. L 198, S. 1) genehmigt. Die KN übernimmt die Positionen und Unterpositionen des HS.

4 Teil II der KN enthält einen Abschnitt VI („Erzeugnisse der chemischen Industrie und verwandter Industrien“), der die Kapitel 28 bis 38 umfasst.

5 Kapitel 38 der KN trägt die Überschrift „Verschiedene Erzeugnisse der chemischen Industrie“. Es enthält u. a. Position 3822, die wie folgt lautet: „Diagnostik- oder Laborreagenzien auf einem Träger und zubereitete Diagnostik- oder Laborreagenzien, auch auf einem Träger, ausgenommen Waren der Position 3002 oder 3006; zertifizierte Referenzmaterialien“. Die in diese Position eingereihten Waren sind vom Zoll befreit.

6 Die KN-Position 3824 lautet: „Zubereitete Bindemittel für Gießereiformen oder kerne; chemische Erzeugnisse und Zubereitungen der chemischen Industrie oder verwandter Industrien (einschließlich Mischungen von Naturprodukten), anderweit weder genannt noch inbegriffen“. Die Unterposition 3824 90 97 ist eine Auffangunterposition, die Erzeugnisse erfasst, die anderweit weder genannt noch inbegriffen sind. Für Waren dieser Unterposition beträgt der Zollsatz 6,5 %.

Erläuterungen zum HS

7 Die WZO genehmigt unter den Voraussetzungen von Art. 8 des in Rn. 3 des vorliegenden Urteils genannten Übereinkommens die vom Ausschuss für das HS ausgearbeiteten Erläuterungen und Einreihungsavise. Diese Erläuterungen finden in ihrer aus dem Jahr 2007 stammenden Fassung auf den Rechtsstreit des Ausgangsverfahrens Anwendung.

8 In den HS-Erläuterungen zur Position 3822 heißt es:

„Zu dieser Position gehören Diagnostik- oder Laborreagenzien auf einem Träger und zubereitete Diagnostik- oder Laborreagenzien, andere als Diagnostikreagenzien der Position 3002, Diagnostikreagenzien zur Verwendung am Patienten und Reagenzien zur Bestimmung der Blutgruppen und Blutfaktoren der Position 3006. Hierher gehören auch zertifizierte Referenzmaterialien. Diagnostikreagenzien werden zur Auswertung physikalischer, biophysikalischer oder biochemischer Prozesse und des Gesundheitszustands von Menschen und Tieren verwendet. Ihre Funktion beruht auf messbaren oder beobachtbaren Veränderungen der biologischen oder chemischen Substanzen, aus denen das Reagenz besteht. Den zubereiteten Diagnostikreagenzien dieser Position kann ein vergleichbares Reaktionsprinzip zugrunde liegen wie denjenigen, die zur Verwendung am Patienten bestimmt sind (Unterposition 3006 30), mit der Ausnahme, dass sie ‚in vitro‘ (im Reagenzglas) und nicht ‚in vivo‘ (im lebenden Organismus) angewendet werden. Zu den zubereiteten Laborreagenzien gehören nicht nur Diagnostikreagenzien, sondern auch andere analytische Reagenzien, die zu anderen Zwecken als zum Nachweis oder zur Diagnose verwendet werden. Zubereitete Diagnostik- und Laborreagenzien können in medizinischen, tierärztlichen, wissenschaftlichen oder industriellen Laboratorien, in Krankenhäusern, in der Industrie, im Gelände oder in einigen Fällen im privaten Bereich verwendet werden.

Reagenzien dieser Position sind entweder auf einem Träger aufgebracht oder liegen in Form von Zubereitungen vor und bestehen somit aus mehr als einem Bestandteil. Sie können zum Beispiel aus einer Mischung von zwei oder mehr Reagenzien bestehen, oder aus einem einzelnen Reagenz, das in anderen Lösemitteln als Wasser gelöst ist. Sie können auch in Form von Papier, Kunststoff oder anderen Materialien (verwendet als Träger oder Verstärkung) vorliegen, die mit einem oder mehreren Diagnostik- oder Laborreagenzien imprägniert oder beschichtet sind, wie Lackmus-, pH- oder Polreagenzpapier, oder als vorbeschichtete Platten für immunologische Untersuchungen. Reagenzien dieser Position können auch in Form von Testsätzen (so genannte Kits) aufgemacht sein, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen, auch wenn es sich bei einem oder mehreren Bestandteilen um isolierte chemisch einheitliche Substanzen der Kapitel 28 oder 29, um synthetische Farbmittel der Position 3204 oder um jegliche andere Substanz handelt, die, wenn sie alleine gestellt werden, in andere Positionen einzureihen sind. Beispiele für derartige Testsätze sind solche, die zum Nachweis von Glucose in Blut, Ketonen in Urin usw. verwendet werden und solche auf der Grundlage von Enzymen. Ausgeschlossen sind jedoch Diagnostik-Testsätze, die den wesentlichen Charakter von Erzeugnissen der Positionen 3002 oder 3006 aufweisen (z. B. solche auf der Grundlage von monoklonalen oder polyklonalen Antikörpern).

Es muss bei den Erzeugnissen dieser Position deutlich erkennbar sein, dass sie ausschließlich zur Verwendung als Diagnostik- oder Laborreagenzien bestimmt sind. Dies muss sich eindeutig aus ihrer Zusammensetzung, der Etikettierung, den Hinweisen für ihre Verwendung ‚in vitro‘ oder im Labor, dem Hinweis zur Ausführung des spezifischen Diagnostiktests oder der Beschaffenheit des Materials, auf dem sie sich befinden (auf einem Träger oder einer Verstärkung), ergeben.

Mit Ausnahme von Erzeugnissen der Kapitel 28 und 29, hat die Position 3822 für die Einreihung von zertifizierten Referenzmaterialien Vorrang gegenüber allen anderen Positionen der Nomenklatur.

…“

Ausgangsverfahren und Vorlagefrage

9 Rietveld beantragte beim Hauptzollamt Hannover eine verbindliche Zolltarifauskunft für die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse. Mit diesem Antrag wollte sie eine Bestätigung erhalten, dass diese Erzeugnisse in die KN-Position 3822 einzureihen seien.

10 Bei den genannten Erzeugnissen handelt es sich um einmal verwendbare Temperaturindikatoren, die durch Farbänderung das Über- oder Unterschreiten einer bestimmten Temperaturschwelle (im Folgenden: Ansprechtemperatur) irreversibel anzeigen. Sie können zur Überwachung der Lager- oder Transporttemperatur von gegenüber Temperaturschwankungen empfindlichen Gütern wie Impfstoffen, Arzneimitteln oder Chemikalien auf diese Güter aufgeklebt werden. Es gibt verschiedene Versionen der Erzeugnisse mit unterschiedlichen Ansprechtemperaturen. Einige Versionen können die Dauer der Exposition gegenüber diesen Temperaturen anzeigen.

11 Das Erzeugnis mit der Bezeichnung „WarmMark“ besteht schematisch aus zwei aufeinanderliegenden Papierstreifen, die durch eine farblose Folie voneinander getrennt und von Papier umhüllt sind. Der untere der beiden Papierstreifen ist mit einer roten Substanz getränkt und von außen nicht sichtbar. Der obere Papierstreifen ist weiß und von außen durch kleine Folienfenster in der Papierumhüllung sichtbar. Wird die Trennfolie zurückgezogen, kommen die beiden Papierstreifen in direkten Kontakt. Sobald die Ansprechtemperatur erreicht oder überschritten wird, wandert die rote Substanz, deren Verflüssigungstemperatur der Ansprechtemperatur entspricht, durch Kapillarkräfte in den weißen Streifen. Durch das Kontrollfenster ist nun erkennbar, ob die Ansprechtemperatur erreicht wurde. Das Ausmaß der Rotfärbung lässt Rückschlüsse auf die Dauer der Exposition gegenüber der Ansprechtemperatur zu.

12 Das Erzeugnis mit der Bezeichnung „ColdMark“ ist ein Frostindikator, der aus einem am Ende zu einer Hohlkugel ausgeformten Kapillarröhrchen besteht, das sich in einer Kunststoffhülle befindet. Nur dieses Ende ist durch die Kunststoffhülle sichtbar. Es ist mit einer farblosen Flüssigkeit gefüllt, während der verdeckte Teil des Kapillarröhrchens eine violette Flüssigkeit enthält. Wird die auf dem Papierstreifen angegebene Temperaturschwelle unterschritten, wird infolge der Volumenkontraktion der farblosen Flüssigkeit in der Hohlkugel die Farbstofflösung aus dem Kapillarröhrchen angesaugt, und es tritt die irreversible Violettfärbung der vormals farblosen Flüssigkeit ein.

13 Im Januar 2011 erteilte das Hauptzollamt Hannover zwei verbindliche Zolltarifauskünfte, in denen es die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse als Erzeugnisse der chemischen Industrie, anderweit weder genannt noch inbegriffen, in die KN-Unterposition 3824 90 97 einreihte.

14 Rietveld legte gegen diese verbindlichen Zolltarifauskünfte Einspruch beim Hauptzollamt Hannover ein. Dieses wies den Einspruch am 19. September 2011 zurück, da die Einreihung in die KN-Position 3822 erfordere, dass bei Verwendung des Erzeugnisses eine chemische oder biochemische Reaktion stattfinde. Die Verfärbungen, die bei der Verwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Waren entstünden, beruhten jedoch nicht auf einem chemischen, sondern auf einem physikalischen Vorgang, nämlich der Migration farbiger Flüssigkeiten.

15 Die Klägerin des Ausgangsverfahrens erhob beim vorlegenden Gericht eine Klage mit dem Ziel der Einreihung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse in die KN-Position 3822. Zur Stützung ihrer Klage legte sie ein Schreiben von Herrn de Wolf vor, eines Bediensteten der Europäischen Chemikalienagentur, der zu dem Ergebnis kommt, dass diese Erzeugnisse unter die KN-Position 3822 fielen.

16 Das vorlegende Gericht führt aus, es teile die Auslegung des Hauptzollamts Hannover, nach der die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse nicht in die KN-Position 3822 einzureihen seien, da der darin enthaltene Begriff „Reagenz“ einen chemischen Vorgang voraussetze, während die Wirkungsweise dieser Erzeugnisse auf einem physikalischen Vorgang beruhe. Das Gericht ist jedoch der Auffassung, dass die Auslegung des Begriffs „Reagenz“ nicht außer allem Zweifel stehe.

17 Unter diesen Umständen hat das Finanzgericht Hamburg beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Ist der in der Position 3822 KN in den Worten Diagnostikreagenzien und Laborreagenzien verwendete Begriff „Reagenz“ so zu verstehen, dass es sich um eine Substanz handeln muss, die dazu dient, sich durch eine chemische Reaktion auf einen bzw. mit einem zu untersuchenden Stoff in chemischer Hinsicht umzuwandeln, um einen Zustand oder eine Eigenschaft des Stoffes anzuzeigen?

Zur Vorlagefrage

18 Zunächst ist daran zu erinnern, dass es nach ständiger Rechtsprechung im Rahmen des durch Art. 267 AEUV eingeführten Verfahrens der Zusammenarbeit zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof Aufgabe des Gerichtshofs ist, dem nationalen Gericht eine für die Entscheidung des bei diesem anhängigen Rechtsstreits sachdienliche Antwort zu geben. Hierzu hat er die ihm vorgelegten Fragen gegebenenfalls umzuformulieren (Urteil Lukoyl Neftohim Burgas, C330/13, EU:C:2014:1757, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19 Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Vorlageentscheidung, dass das vorlegende Gericht mit seiner Frage in Wirklichkeit wissen möchte, wie die KN-Position 3822 zum Zweck der Tarifierung von Erzeugnissen mit den Merkmalen der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse auszulegen ist.

20 Daher ist die Vorlagefrage so zu verstehen, dass mit ihr geklärt werden soll, ob die Diagnostik- und Laborreagenzien betreffende KN-Position 3822 dahin auszulegen ist, dass Temperaturindikatoren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse, die durch eine Farbänderung aufgrund der Änderung des Volumens der in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten irreversibel das Erreichen einer Ansprechtemperatur anzeigen, in diese Position einzureihen sind.

21 Nach ständiger Rechtsprechung ist im Interesse der Rechtssicherheit und der leichten Nachprüfbarkeit das entscheidende Kriterium für die zollrechtliche Tarifierung von Waren allgemein in deren objektiven Merkmalen und Eigenschaften zu suchen, wie sie im Wortlaut der KN-Position und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln festgelegt sind. Die von der Europäischen Kommission zur KN und von der WZO zum HS ausgearbeiteten Erläuterungen sind ein wichtiges, wenn auch nicht rechtsverbindliches Hilfsmittel für die Auslegung der einzelnen Tarifpositionen (Urteil Sysmex Europe, C480/13, EU:C:2014:2097, Rn. 29 und 30 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

22 Zudem ist festzustellen, dass der Verwendungszweck der Ware ein objektives Tarifierungskriterium sein kann, sofern er der Ware innewohnt, was sich anhand ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften beurteilen lässt (Urteil Sysmex Europe, EU:C:2014:2097, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23 Im vorliegenden Fall dienen die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse der Verwendung als Temperaturindikatoren. Sie sollen nach ihrer Anbringung auf Waren, die gegenüber Temperaturschwankungen besonders empfindlich sind, anzeigen, ob diese Waren bei ihrem Transport oder ihrer Lagerung einer zuvor festgelegten Temperatur ausgesetzt waren.

24 Die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse sind weder in der KN-Position 3822 noch in den Anmerkungen zu deren Abschnitten oder Kapiteln ausdrücklich genannt. Der Wortlaut der KN-Position 3822 erfasst nämlich insbesondere „Diagnostik- oder Laborreagenzien auf einem Träger und zubereitete Diagnostik- oder Laborreagenzien“.

25 Nach den HS-Erläuterungen zur Position 3822 bezieht sich diese auf mehrere Arten von Reagenzien, nämlich Diagnostik- und Laborreagenzien.

26 Hinsichtlich der Diagnostikreagenzien geht aus diesen Erläuterungen hervor, dass sie zur Auswertung physikalischer, biophysikalischer oder biochemischer Prozesse und des Gesundheitszustands von Menschen und Tieren verwendet werden und dass ihre Funktionen auf messbaren oder beobachtbaren Veränderungen der biologischen oder chemischen Substanzen, aus denen das Reagenz besteht, beruhen (vgl. in diesem Sinne Urteil Sysmex Europe, EU:C:2014:2097, Rn. 34).

27 nsoweit ist festzustellen, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse in Anbetracht ihrer objektiven Merkmale und Eigenschaften sowie ihres Verwendungszwecks nicht der Kategorie der Diagnostikreagenzien zuzuordnen sind.

28 Erstens ergibt sich nämlich aus der Beschreibung des vorlegenden Gerichts, dass diese Erzeugnisse, obwohl sie für den Transport oder die Lagerung von Erzeugnissen biologischen Ursprungs wie Blut verwendet werden können, keine – weder eine unmittelbare noch eine mittelbare – Reaktion mit diesen eingehen.

29 Zweitens werden die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse nicht zur Auswertung physikalischer, biophysikalischer oder biochemischer Prozesse und des Gesundheitszustands von Menschen oder Tieren verwendet. Diese Erzeugnissen machen die Umgebungstemperatur kenntlich, werten aber keine solche Prozesse oder Zustände aus.

30 Drittens beruht die Funktion der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse nicht auf einer Veränderung der Substanzen, aus denen sie bestehen, die auf eine wie auch immer geartete Reaktion mit den Erzeugnissen, mit denen sie verwendet werden sollen, zurückzuführen wäre.

31 Demnach gehören die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse daher nicht zur Kategorie der Diagnostikreagenzien im Sinne der KN-Position 3822.

32 Dasselbe gilt für Laborreagenzien. Die HS-Erläuterungen zur Position 3822 lassen nämlich nicht die Annahme zu, dass ein Laborreagenz anders als ein Diagnostikreagenz unter diese Position fallen könnte, ohne dass seine Funktion auf einer Veränderung der Substanzen, aus denen es besteht, beruht, die auf eine Reaktion mit den Erzeugnissen, mit denen es verwendet werden soll, zurückzuführen wäre.

33 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Diagnostik- und Laborreagenzien betreffende KN-Position 3822 dahin auszulegen ist, dass Temperaturindikatoren wie die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugnisse, die durch eine Farbänderung aufgrund der Änderung des Volumens der in ihnen enthaltenen Flüssigkeiten irreversibel das Erreichen einer Ansprechtemperatur anzeigen, nicht unter diese Position fallen.

Kosten

34 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

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