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Steuerrecht
10.10.2024
Steuerrecht
EuGH: Gemeinsames Mehrwertsteuer-system – Recht auf Vorsteuerabzug – unentgeltliche Zurverfügungstellung des Gegenstands für ein Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten des Steuerpflichtigen (Rumänisches Vorabentscheidungsersuchen)

EuGH, Urteil vom 4.10.2024 – C-475/23; Voestalpine Giesserei Linz GmbH gegen Administraţia Judeţeană a Finanţelor Publice Cluj, Direcţia Generală Regională a Finanţelor Publice Cluj-Napoca

ECLI:EU:C:2024:866

Volltext BB-Online BBL2024-2389-1

Tenor

1. Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Praxis entgegen-steht, wonach einem Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand erworben hat, den er anschließend einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten dieses Steuerpflichtigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, der Abzug der Vorsteuer für den Erwerb dieses Gegenstands versagt wird, sofern diese Zurverfügungstellung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, einen oder mehrere besteuerte Ausgangsumsätze auszuführen oder andernfalls seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und sofern die Kosten für den Erwerb dieses Gegenstands zu den Kostenelementen entweder der von dem Steuerpflichtigen ausgeführten Umsätze oder der von ihm im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienst-leistungen gehören.

2. Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt wird, dass er keine getrennten Aufzeichnungen für seine feste Niederlassung in dem Mitgliedstaat, in dem die Steuerprüfung erfolgt, geführt habe, sofern die Steuerbehörden in der Lage sind, nachzuprüfen, ob die materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sind.

 

Aus den Gründen

1          Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Bestimmungen des Titels X der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. 2006, L 347, S. 1).

2          Es ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der Voestalpine Giesserei Linz GmbH (im Folgenden: VGL) auf der einen Seite und der Administrația Județeană a Finanțelor Publice Cluj (Kreisverwaltung für öffentliche Finanzen Cluj, Rumänien) sowie der Direcția Generală Regională a Finanțelor Publice Cluj-Napoca (Regionale Generaldirektion für öffentliche Finanzen Cluj-Napoca [Klausenburg], Rumänien) (im Folgenden zusammen: Finanzverwaltung) auf der anderen Seite über die Versagung des Abzugs der Vorsteuer, die beim Erwerb eines Gegenstands durch VGL – den diese einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten von VGL unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat – entrichtet wurde, durch die Finanzverwaltung.

 Rechtlicher Rahmen

 Unionsrecht

3          Titel X („Vorsteuerabzug“) der Richtlinie 2006/112 umfasst fünf Kapitel. In Kapitel 1 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“) dieses Titels steht u. a. Art. 168 der Richtlinie. Dieser sieht vor:

„Soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, ist der Steuerpflichtige berechtigt, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer folgende Beträge abzuziehen:

a)         die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden;

…“

4          Titel XI der Richtlinie über u. a. die Pflichten der Steuerpflichtigen enthält ein Kapitel 4 („Aufzeichnungen“), in dem sich Art. 242 der Richtlinie findet, der bestimmt:

„Jeder Steuerpflichtige hat Aufzeichnungen zu führen, die so ausführlich sind, dass sie die Anwendung der Mehrwertsteuer und ihre Kontrolle durch die Steuerverwaltung ermöglichen.“

 Rumänisches Recht

5          Art. 297 Abs. 4 Buchst. a der Legea nr. 227/2015 privind Codul fiscal (Gesetz Nr. 227/2015 über das Steuergesetzbuch) vom 8. September 2015 (Monitorul Oficial al României, Teil I, Nr. 688 vom 10. September 2015) sieht vor:

„Jeder Steuerpflichtige ist berechtigt, die Vorsteuer für Erwerbe abzuziehen, wenn diese für die Zwecke folgender Umsätze verwendet werden: steuerbare Umsätze.“

 Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

6          VGL, eine Gesellschaft mit Sitz in Österreich, stellt im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit verschiedene Gussteile her. Diese Teile lässt sie in Rumänien bearbeiten, wo sie mehrwertsteuerlich registriert ist. Zu diesem Zweck schloss sie einen Rahmenvertrag mit der Austrex Handels GmbH (im Folgenden: Austrex) mit Sitz in Österreich, wobei Letztere die Dienste eines Subunternehmens, nämlich der Global Energy Products SA (im Folgenden: GEP) mit Sitz in Rumänien, in Anspruch nehmen konnte.

7          Nach der Bearbeitung werden die Gussteile von VGL an Kunden in der Europäischen Union versandt und diesen in Rechnung gestellt. Aus den dem Gerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, dass VGL bei der Inrechnungstellung dieser Teile ihre rumänische Mehrwertsteuernummer angibt.

8          Im Rahmen der Bearbeitungstätigkeit stellt VGL Austrex eine ihr gehörende Immobilie in Cluj-Napoca (Rumänien) im Wege eines an GEP übertragbaren Nutzungsrechts zur Verfügung. Für die Zwecke von GEP, die die von VGL hergestellten Teile bearbeitet, stellt VGL auch einen Kran unentgeltlich zur Verfügung, den sie erworben und auf dem Gelände dieser Immobilie einbauen lassen hat.

9          Da die Finanzverwaltung eine Mehrwertsteuererklärung für Juni 2021 erfasste, die einen Negativsaldo mit Erstattungsoption auswies, wurde VGL einer vorgezogenen Steuerprüfung unterzogen. Bei dieser Prüfung stellte die Finanzverwaltung zum einen fest, dass VGL keine allgemeinen Kontenbilanzen erstellt habe, aus denen die Einnahmen und Ausgaben im Rahmen ihrer Tätigkeit in Rumänien hervorgingen, und zum anderen, dass die Immobilie, in der GEP ihre Tätigkeiten ausübe, Austrex unentgeltlich zur Verfügung gestellt worden sei. In Anbetracht dessen war sie der Ansicht, VGL habe nicht nachgewiesen, dass der Erwerb des Krans für die Zwecke ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit erfolgt sei, und versagte den Abzug der Vorsteuer für diesen Erwerb.

10        VGL focht den Steuerbescheid der Finanzverwaltung vor dem Tribunalul Cluj (Regionalgericht Cluj, Rumänien) an, das die Klage im Wesentlichen aus den von der Finanzverwaltung angeführten Gründen abwies. Das Gericht fügte hinzu, dass die in Rumänien ausgeübte Bearbeitungstätigkeit VGL nur mittelbar Einnahmen verschaffe, während die unmittelbar Begünstigten Austrex und GEP seien, da diese beiden Gesellschaften VGL Tätigkeiten in Rechnung stellten, für deren Ausführung der erworbene Kran verwendet werde.

11        VGL legte gegen das Urteil dieses Gerichts bei der Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj, Rumänien), dem vorlegenden Gericht, ein Rechtsmittel ein.

12        Das vorlegende Gericht fragt sich zum einen, ob eine nationale Praxis, die darin besteht, einem Steuerpflichtigen, wenn ein von diesem erworbener Gegenstand einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten dieses Steuerpflichtigen unentgeltlich zur Verfügung gestellt wird, das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung zu versagen, dass dieser Gegenstand als für die Zwecke der besteuerten Umsätze nicht dieses Steuerpflichtigen, sondern des Subunternehmens erworben angesehen werde, mit den Bestimmungen von Titel X der Richtlinie 2006/112, der den Vorsteuerabzug betrifft, vereinbar ist. Zum anderen fragt es sich, ob der Umstand, dass VGL für ihre feste Niederlassung in Rumänien keine getrennten Aufzeichnungen geführt hat, insoweit von Bedeutung ist.

13        Unter diesen Umständen hat die Curtea de Apel Cluj (Berufungsgericht Cluj) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.         Stehen die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 über das Recht auf Vorsteuerabzug einer nationalen Praxis entgegen, wonach in dem Fall, dass eine Gesellschaft einen Gegenstand erwirbt, den sie anschließend einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten der zuerst genannten Gesellschaft unentgeltlich zur Verfügung stellt, dieser Gesellschaft das Recht auf Abzug der Vorsteuer für den erworbenen Gegenstand mit der Begründung versagt wird, dass dieser Gegenstand als für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Subunternehmens und nicht als für die Zwecke der besteuerten Umsätze der Gesellschaft erworben angesehen werde?

2.         Stehen die Bestimmungen der Richtlinie 2006/112 über das Recht auf Vorsteuerabzug einer nationalen Praxis entgegen, wonach einem Steuerpflichtigen das Recht auf Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt wird, dass er keine getrennten Aufzeichnungen für seine feste Niederlassung in Rumänien geführt habe und die Steuerbehörden deshalb nicht in der Lage seien, zum einen die Lohnkosten für die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehenden Gussteile und zum anderen die gesamte in Rumänien durchgeführte Bearbeitungstätigkeit zu überprüfen?

 Zu den Vorlagefragen

 Zur ersten Frage

14        Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand erwirbt, den er anschließend einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten dieses Steuerpflichtigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, der Abzug der Vorsteuer für den Erwerb dieses Gegenstands mit der Begründung versagt wird, dass dieser Gegenstand als für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Subunternehmens und nicht als für die Zwecke der besteuerten Umsätze des Steuerpflichtigen erworben angesehen werde.

15        Art. 168 Buchst. a der Richtlinie sieht vor, dass der Steuerpflichtige, soweit die Gegenstände und Dienstleistungen für die Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden, berechtigt ist, in dem Mitgliedstaat, in dem er diese Umsätze bewirkt, vom Betrag der von ihm geschuldeten Steuer die in diesem Mitgliedstaat geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für Gegenstände und Dienstleistungen, die ihm von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht wurden oder werden, abzuziehen.

16        Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass das in Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 vorgesehene Recht auf Vorsteuerabzug integraler Bestandteil des Mechanismus der Mehrwertsteuer ist und grundsätzlich nicht eingeschränkt werden kann. Es kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).

17        Durch die Regelung über den Vorsteuerabzug soll der Unternehmer nämlich vollständig von der im Rahmen aller seiner wirtschaftlichen Tätigkeiten geschuldeten oder entrichteten Mehrwertsteuer entlastet werden. Das gemeinsame Mehrwertsteuersystem gewährleistet so die völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten unabhängig von ihrem Zweck und ihrem Ergebnis, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen (Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung).

18        Aus Art. 168 der Richtlinie 2006/112 ergibt sich, dass ein Steuerpflichtiger, soweit er zum Zeitpunkt des Erwerbs eines Gegenstands als solcher handelt und den Gegenstand für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet, berechtigt ist, die geschuldete oder entrichtete Mehrwertsteuer für diesen Gegenstand abzuziehen (Urteil vom 22. Oktober 2015, Sveda, C-126/14, EU:C:2015:712, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

19        Insbesondere geht aus Art. 168 der Richtlinie 2006/112 hervor, dass für die Inanspruchnahme des Rechts auf Vorsteuerabzug zwei Voraussetzungen erfüllt sein müssen. Erstens muss der Betroffene ein „Steuerpflichtiger“ im Sinne der Richtlinie sein. Zweitens müssen die zur Begründung dieses Rechts angeführten Gegenstände oder Dienstleistungen vom Steuerpflichtigen auf einer nachfolgenden Umsatzstufe für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze verwendet werden und auf einer vorausgehenden Umsatzstufe von einem anderen Steuerpflichtigen geliefert bzw. erbracht werden (Urteil vom 7. März 2024, Feudi di San Gregorio Aziende Agricole, C-341/22, EU:C:2024:210, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

20        In Bezug auf den ersten Teil dieser zweiten Voraussetzung, um den es im Ausgangsverfahren allein geht, ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen muss, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen auf der Eingangsstufe entrichteten Mehrwertsteuer setzt voraus, dass die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der besteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (Urteil vom 7. März 2024, Feudi di San Gregorio Aziende Agricole, C-341/22, EU:C:2024:210, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

21        Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Gegenstände und Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Steuerpflichtigen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (Urteile vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 7. März 2024, Feudi di San Gregorio Aziende Agricole, C-341/22, EU:C:2024:210, Rn. 30 und die dort angeführte Rechtsprechung).

22        Insoweit haben nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die Finanzverwaltungen und die nationalen Gerichte im Rahmen der Anwendung des Kriteriums des unmittelbaren Zusammenhangs alle Umstände zu berücksichtigen, unter denen die betreffenden Umsätze ausgeführt wurden, und nur die Umsätze heranzuziehen, die objektiv im Zusammenhang mit der der Steuer unterliegenden Tätigkeit des Steuerpflichtigen stehen. Das Vorhandensein eines solchen Zusammenhangs ist daher in Anbetracht des objektiven Inhalts des betreffenden Umsatzes zu beurteilen (Urteil vom 25. November 2021, Amper Metal, C-334/20, EU:C:2021:961, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

23        Um die Frage zu beantworten, ob VGL unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens das Recht hat, die für den Erwerb des Krans – den sie ihrem Vertragspartner Austrex und dessen Subunternehmen GEP unentgeltlich zur Verfügung gestellt hat – entrichtete Vorsteuer abzuziehen, ist also festzustellen, ob ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einerseits dem Erwerb dieses Gegenstands und andererseits einem oder mehreren besteuerten Ausgangsumsätzen von VGL oder andernfalls der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit von VGL besteht.

24        Aus den in der Vorlageentscheidung geschilderten Umständen des Ausgangsverfahrens ergibt sich, dass die Bearbeitung der Gussteile, deren Gewicht mehr als 10 t beträgt, ohne den von VGL erworbenen Kran nicht möglich gewesen wäre, so dass dessen Erwerb für die Durchführung der Bearbeitung unerlässlich war und VGL somit ohne einen solchen Erwerb ihre im Verkauf von Gussteilen bestehende wirtschaftliche Tätigkeit nicht hätte ausüben können (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 33).

25        Der Umstand, dass Austrex und ihr Subunternehmen GEP durch die unentgeltliche Zurverfügungstellung des in Rede stehenden Krans aus diesem einen direkten Vorteil ziehen, kann nicht dazu führen, dass VGL das Recht auf Abzug der Vorsteuer für dessen Erwerb versagt wird, wenn das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen diesem Erwerb und entweder einem oder mehreren besteuerten Ausgangsumsätzen von VGL oder ihrer gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit nachgewiesen wird, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist (vgl. entsprechend Urteile vom 22. Oktober 2015, Sveda, C-126/14, EU:C:2015:712, Rn. 34, und vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 35 und 40).

26        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass es nach der in den Rn. 20 und 21 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung für die Feststellung, dass im vorliegenden Fall ein Recht auf Vorsteuerabzug besteht, darauf ankommt, dass die Ausgaben auf der Eingangsstufe für den Erwerb des Krans ein Kostenelement eines oder mehrerer besteuerter Ausgangsumsätze von VGL oder andernfalls – als zu ihren allgemeinen Aufwendungen gehörende Ausgaben – ein Kostenelement der von ihr im Rahmen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, diese tatsächlichen Umstände zu prüfen.

27        In diesem Zusammenhang ist klarzustellen, dass der mögliche Einfluss der Tatsache, dass die Kosten für den Erwerb des Krans von VGL getragen wurden, auf den von GEP für die Bearbeitung der Erzeugnisse von VGL in Rechnung gestellten Preis unerheblich ist, da der Umstand, dass GEP den Kran unentgeltlich nutzte, für sich genommen nicht rechtfertigen kann, dass VGL der Abzug der Vorsteuer für diese Kosten versagt wird, wie in Rn. 25 des vorliegenden Urteils ausgeführt wurde.

28        Dem ist hinzuzufügen, dass es Sache des vorlegenden Gerichts ist, zu prüfen, ob sich die Zurverfügungstellung des Krans auf das beschränkte, was erforderlich war, um die Bearbeitung der Gussteile für Rechnung von VGL zu gewährleisten, oder ob sie über das zu diesem Zweck Erforderliche hinausging (vgl. entsprechend Urteil vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 37).

29        Wenn sich die Zurverfügungstellung des Krans auf das zum genannten Zweck Erforderliche beschränkte, müsste nämlich nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs das Recht auf Vorsteuerabzug für sämtliche durch dessen Erwerb hervorgerufenen Kosten anerkannt werden. Wenn hingegen diese Zurverfügungstellung über das hinausging, was erforderlich war, um die Bearbeitung der Gussteile zu gewährleisten, ist der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen einerseits dem Erwerb des Krans und andererseits den besteuerten Ausgangsumsätzen oder andernfalls der wirtschaftlichen Tätigkeit von VGL teilweise unterbrochen, so dass das Recht auf Vorsteuerabzug nur für die Vorsteuer zuzuerkennen wäre, die in Bezug auf den Teil der für den Erwerb des in Rede stehenden Krans angefallenen Kosten entrichtet wurde, der objektiv erforderlich war, um es VGL zu ermöglichen, ihre besteuerten Umsätze auszuführen bzw. ihre wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben (vgl. entsprechend Urteile vom 14. September 2017, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments, C-132/16, EU:C:2017:683, Rn. 38 und 39, sowie vom 16. September 2020, Mitteldeutsche Hartstein-Industrie, C-528/19, EU:C:2020:712, Rn. 38).

30        Nach alledem ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen, der einen Gegenstand erworben hat, den er anschließend einem Subunternehmen zur Ausführung von Tätigkeiten zugunsten dieses Steuerpflichtigen unentgeltlich zur Verfügung stellt, der Abzug der Vorsteuer für den Erwerb dieses Gegenstands versagt wird, sofern diese Zurverfügungstellung nicht über das hinausgeht, was erforderlich ist, um es dem Steuerpflichtigen zu ermöglichen, einen oder mehrere besteuerte Ausgangsumsätze auszuführen oder andernfalls seine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, und sofern die Kosten für den Erwerb dieses Gegenstands zu den Kostenelementen entweder der von dem Steuerpflichtigen ausgeführten Umsätze oder der von ihm im Rahmen seiner wirtschaftlichen Tätigkeit gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen gehören.

 Zur zweiten Frage

31        Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt wird, dass er keine getrennten Aufzeichnungen für seine feste Niederlassung in dem Mitgliedstaat, in dem die Steuerprüfung erfolgt, geführt habe und die Steuerbehörden deshalb nicht in der Lage seien, bestimmte tatsächliche Umstände nachzuprüfen.

32        Wie bereits in den Rn. 16 und 17 des vorliegenden Urteils im Wesentlichen ausgeführt, kann das in Titel X dieser Richtlinie geregelte Recht auf Vorsteuerabzug, das völlige Neutralität hinsichtlich der steuerlichen Belastung aller wirtschaftlichen Tätigkeiten gewährleisten soll, sofern diese Tätigkeiten selbst der Mehrwertsteuer unterliegen, grundsätzlich nicht eingeschränkt werden, und es kann für die gesamte Steuerbelastung der vorausgehenden Umsatzstufen sofort ausgeübt werden.

33        Nach ständiger Rechtsprechung gebietet das Grundprinzip der Neutralität der Mehrwertsteuer, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat (Urteil vom 7. März 2018, Dobre, C-159/17, EU:C:2018:161, Rn. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

34        Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass die Steuerverwaltung eines Mitgliedstaats, wenn sie über die Angaben verfügt, die für die Feststellung erforderlich sind, dass die materiellen Anforderungen erfüllt sind, hinsichtlich des Rechts des Steuerpflichtigen auf Abzug dieser Steuer keine zusätzlichen Voraussetzungen festlegen darf, die die Ausübung dieses Rechts vereiteln können (Urteil vom 9. Juli 2015, Salomie und Oltean, C-183/14, EU:C:2015:454, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).

35        Anders verhält es sich allerdings, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhindert, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden (Urteil vom 28. Juli 2016, Astone, C-332/15, EU:C:2016:614, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung).

36        In dieser Hinsicht ist klarzustellen, dass es sich bei den materiellen Anforderungen des Rechts auf Vorsteuerabzug um diejenigen handelt, die die eigentliche Grundlage und den Umfang dieses Rechts regeln, wie etwa die in Titel X Kapitel 1 („Entstehung und Umfang des Rechts auf Vorsteuerabzug“) der Richtlinie 2006/112 vorgesehenen, während die formellen Anforderungen dieses Rechts die Modalitäten und die Kontrolle seiner Ausübung sowie das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems regeln, wie etwa die Verpflichtungen zu Aufzeichnungen, Rechnungstellung und Steuererklärung (Urteil vom 28. Juli 2016, Astone, C-332/15, EU:C:2016:614, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

37        So sieht Titel XI dieser Richtlinie zum Zweck der Anwendung der Mehrwertsteuer und ihrer Kontrolle durch die Steuerverwaltung bestimmte Pflichten vor, die u. a. den steuerpflichtigen Schuldnern dieser Steuer obliegen, insbesondere das in Art. 242 der Richtlinie vorgeschriebene Führen angemessener Aufzeichnungen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 28. Juli 2016, Astone, C-332/15, EU:C:2016:614, Rn. 48).

38        Daraus folgt, dass ein Steuerpflichtiger nicht mit der Begründung an der Ausübung seines Rechts auf Vorsteuerabzug gehindert werden kann, dass er keine hinreichend ausführlichen Aufzeichnungen geführt habe, wenn die Finanzverwaltung in der Lage ist, ihre Kontrolle durchzuführen und zu prüfen, ob die materiellen Anforderungen erfüllt sind. Im vorliegenden Fall kann die Finanzverwaltung, auch wenn der Steuerpflichtige keine getrennten Aufzeichnungen für seine feste Niederlassung in Rumänien führt, diesem die Möglichkeit der Ausübung seines Rechts auf Vorsteuerabzug nicht verweigern, wenn sie in der Lage ist, alle für die Feststellung des Bestehens und des Umfangs dieses Rechts erforderlichen Nachprüfungen vorzunehmen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

39        Der Gerichtshof hat ferner entschieden, dass die Ahndung der Nichtbefolgung der Aufzeichnungs- und Erklärungspflichten durch den Steuerpflichtigen mit der Versagung des Rechts auf Vorsteuerabzug klar über das hinausgeht, was zur Erreichung des Ziels, die ordnungsgemäße Befolgung dieser Verpflichtungen sicherzustellen, erforderlich ist, da das Unionsrecht die Mitgliedstaaten nicht daran hindert, gegebenenfalls eine Geldbuße oder eine finanzielle Sanktion zu verhängen, die in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere eines Verstoßes gegen die mit dem Recht auf Vorsteuerabzug verbundenen formellen Anforderungen steht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 7. März 2018, Dobre, C-159/17, EU:C:2018:161, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).

40        Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass Art. 168 Buchst. a der Richtlinie 2006/112 dahin auszulegen ist, dass er einer nationalen Praxis entgegensteht, wonach einem Steuerpflichtigen der Vorsteuerabzug mit der Begründung versagt wird, dass er keine getrennten Aufzeichnungen für seine feste Niederlassung in dem Mitgliedstaat, in dem die Steuerprüfung erfolgt, geführt habe, sofern die Steuerbehörden in der Lage sind, nachzuprüfen, ob die materiellen Voraussetzungen des Rechts auf Vorsteuerabzug erfüllt sind.

 Kosten

41        Für die Beteiligten des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren Teil des beim vorlegenden Gericht anhängigen Verfahrens; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Neunte Kammer) für Recht erkannt:

 

 

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