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Steuerrecht
21.01.2016
Steuerrecht
FG Münster: Führt die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft, die der GG einer StB-GmbH gegenüber einem Mandanten übernommen hat zu WK?

FG Münster, Urteil vom 15.10.2015 – 3 K 472/14 E

Volltext:BB-ONLINE BBL2016-214-3

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Sachverhalt

Die Beteiligten streiten, ob Aufwendungen des Klägers für die Inanspruchnahme aus einer Bürgschaft als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit gem. § 19 Einkommensteuergesetz (EStG) zu berücksichtigen sind.

Die Kläger sind Eheleute und werden für das Streitjahr 2012 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger ist neben drei weiteren Gesellschaftern in Höhe von 12.500 Euro (= 25 %) am Stammkapital der SteuerberatungsGmbH (SteuerberatungsGmbH) beteiligt und bei dieser Gesellschaft als Steuerberater tätig. Im Streitjahr bezog er aufgrund seiner Anstellung als Gesellschafter – Geschäftsführer Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit gem. § 19 EStG. Der Bruttoarbeitslohn belief sich einschließlich einer Tantieme von X Euro auf X Euro. Darüber hinaus erhielt der Kläger eine Gewinnausschüttung der SteuerberatungsGmbH über X Euro (Einkünfte gem. § 20 Abs. 2 EStG).

In der für das Streitjahr abgegebenen Einkommensteuererklärung machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit unter Vorlage entsprechender Belege Werbungskosten in Höhe von X Euro geltend und trug dazu vor, er sei aus der zugunsten eines Mandanten eingegangenen Bürgschaft über X Euro in Anspruch genommen worden. Zur Begleichung der Bürgschaftsforderung sei ein Darlehn aufgenommen worden, für das Zinsen in Höhe von X Euro angefallen seien. Bei der Bürgschaft habe es sich um eine mandatserhaltende Maßnahme gehandelt, die den Fortbestand des Unternehmens des Mandanten und damit auch die Honorarforderung der SteuerberatungsGmbH habe sichern sollen. Der Regress gegenüber dem Mandanten sei nicht erfolgreich gewesen.

Der Beklagte vertrat die Auffassung, dass die Übernahme der Bürgschaft nicht durch das Arbeitsverhältnis des Klägers, sondern durch seine Stellung als Gesellschafter der SteuerberatungsGmbH veranlasst gewesen sei. Deshalb seien die Aufwendungen als nachträgliche Anschaffungskosten auf die Beteiligung zu qualifizieren. Dementsprechend setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2012 ohne die Berücksichtigung der geltend gemachten Aufwendungen fest. Zu den Einzelheiten wird auf den Einkommensteuerbescheid 2012 (Blatt 12 f der Gerichtsakte) Bezug genommen.

Den dagegen erhobenen Einspruch vom 20.03.2013 wies der Beklagte durch Einspruchsentscheidung vom 23.01.2014 als unbegründet zurück. Auf die Einspruchsentscheidung (Blatt 39 bis 42 der Gerichtsakte) wird hingewiesen.

Mit der Klage 19.02.2014 verfolgen die Kläger das Begehren auf Berücksichtigung der Aufwendungen für die Bürgschaftsinanspruchnahme als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit weiter.

Unter Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs vom 16.11.2011 VI R 97/10 (BStBl. II 2012, 343) vertritt der Kläger die Auffassung, die von ihm geltend gemachten Aufwendungen stünden in einem engeren Bezug zu seiner Tätigkeit als Geschäftsführer und damit zu seinen Einkünften gem. § 19 EStG als zu seiner Beteiligung an der SteuerberatungsGmbH. Sie seien deshalb als seine Einnahmen aus beruflicher Tätigkeit sichernde und erhaltende Aufwendungen im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG anzusehen und nicht als nachträgliche Anschaffungskosten auf seine Beteiligung oder gar als privat veranlasste Aufwendungen zu qualifizieren. Ein verwandt- oder bekanntschaftliches Verhältnis zu dem Mandanten, zu dessen Gunsten er die Bürgschaft übernommen habe, bestehe nicht. Eine private Veranlassung, die der Beklagte annehme, sei daher auszuschließen. Der enge, den Bezug zum Gesellschaftsverhältnis überlagernde Bezug der Aufwendungen für die Bürgschaft zu seinen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit ergebe sich insbesondere aus der Tatsache, dass ein Ausfall der bis zum Zeitpunkt der Bürgschaft aufgelaufenen Honorarforderungen gegenüber dem Mandanten und eine im Raum stehende Beendigung des Mandats sich unmittelbar auf seinen Tantiemeanspruch und damit auf einen wesentlichen Teil seines Arbeitslohns ausgewirkt hätten. Dies werde durch das Protokoll der Gesellschafterversammlung vom 08.02.2011 (Einkommensteuerakte, unmittelbar vor der Einspruchsentscheidung) bestätigt, wonach ein etwaiger Ausfall der Honorarforderung zu Lasten seiner Tantieme abzuwickeln sei. Da er die Bürgschaft übernommen habe, seien der in der Folge eingetretene, nicht durch Drittschuldner- und Regresszahlungen des Mandanten abgedeckte Ausfall der Honorarforderung und die Beendigung des Mandats nicht zu Lasten seiner Tantieme gegangen. Demgegenüber seien seine Gesellschaftsbeteiligung oder eine etwaige Gewinnausschüttung aufgrund des untergeordneten Verhältnisses des betroffenen Mandats zum Gesamtumsatz und zum Gesamtforderungsbestand der SteuerberatungsGmbH durch etwaige Honorarausfälle oder die Beendigung des Mandatsverhältnisses nicht betroffen gewesen.

Im Übrigen sei die Übernahme der Bürgschaft zum damaligen Zeitpunkt, als der grundsätzlich solide aufgestellte Mandant aufgrund der überraschenden Kündigung einer umfangreichen Lieferantenkreditlinie in die wirtschaftliche Schieflage geraten sei und er als Steuerberater in Absprache mit den maßgeblichen örtlichen Banken und dem fraglichen Lieferanten intensiv an einer Lösung des Problems gearbeitet habe, unter kaufmännischen Gesichtspunkten vernünftig und nicht hochrisikobehaftet gewesen. Die Bank 1 habe eine weitere Kreditlinie über X Euro gewährt, die er durch die Übernahme der Bürgschaft gewissermaßen unter dem Gesichtspunkt einer erweiterten Mandantenbetreuung und –bindung teilweise besichert habe. Die Bank 1 habe ihm auch signalisiert, im Ernstfall diese Kreditlinie zunächst aus anderen vorhandenen Sicherheiten glattzustellen, so dass seine Inanspruchnahme wenig wahrscheinlich gewesen sei. Allerdings habe diese Aussage nach einem Vorstandswechsel dann keinen Bestand mehr gehabt. Im Übrigen seien derartige Bürgschaftsübernahmen nicht unüblich, wie er infolge eines weiteren Falls aus dem Kollegenkreis wisse.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 18.03.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 23.01.2014 zu ändern und weitere Werbungskosten in Höhe von 25.405 Euro bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

              die Klage abzuweisen.

Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs verweist er darauf, dass in Fällen, in denen neben dem Arbeitsverhältnis eine nicht nur geringe Gesellschaftsbeteiligung bestehe, Aufwendungen des Gesellschafter – Geschäftsführers regelmäßig durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst seien. Insbesondere sei nicht davon auszugehen, dass ein angestellter Steuerberater ohne Gesellschafterstellung eine derartige Bürgschaft eingegangen wäre.

Außerdem hält er die Übernahme von Bürgschaftsverpflichtungen zur Absicherung lediglich durchschnittlicher Honorarforderungen für unüblich. Die übernommene Bürgschaft überschreite die vom Ausfall bedrohte Honorarforderung, was die Maßnahme unwirtschaftlich erscheinen lasse, ebenso wie die Tatsache, dass es sich um ein unrentables Mandat handele. Dies werde auch durch das Protokoll der Gesellschafterversammlung der SteuerberatungsGmbH bestätigt, ausweislich dessen die Mitgesellschafter des Klägers diesen auf die fehlende Wirtschaftlichkeit des Mandats hingewiesen hätten.

Das vom Kläger in Bezug genommene Urteil des Bundesfinanzhofs VI R 97/10 behandle im Übrigen einen anderen Sachverhalt.

Die Berichterstatterin hat den Sach- und Streitstand mit den Beteiligten am 10.07.2015 erörtert. Auf das Protokoll des Erörterungstermins wird hingewiesen (Blatt 83 bis 85 der Gerichtsakte). Der Mandant des Klägers hat sich schriftlich geäußert (Blatt 93 der Gerichtsakte).

Der Senat hat in der Sache am 15.10.2015 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

Die Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO). Die Einkommensteuerfestsetzung 2012 hat unter Berücksichtigung weiterer Werbungskosten i. H. v. X Euro i. S. d. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit zu erfolgen.

Werbungskosten sind gem. § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Nach ständiger Rechtsprechung liegen Werbungskosten vor, wenn die Aufwendungen durch den Beruf bzw. durch die Erzielung steuerpflichtiger Einnahmen veranlasst sind. Das ist der Fall, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt wurden (vgl. BFH, Urteil vom 16.11.2011 VI R 97/10, BStBl. II 2012, 343 mit weiteren Nachweisen zur Rechtsprechung). Nicht abzugsfähig sind privat veranlasste Aufwendungen.

Privat veranlasste Aufwendungen liegen im Streifall nicht vor. Der Senat kann unter Berücksichtigung der glaubhaften und glaubwürdigen Aussagen des Klägers nicht feststellen, dass zwischen dem Kläger und seinem Mandanten ein verwandtschaftliches oder freundschaftliches Näheverhältnis bestand, aufgrund dessen der Kläger sich zur Übernahme der Bürgschaft bereit erklärt hat. Vielmehr sind dem Kläger die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Mandatsbearbeitung im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Steuerberater entstanden. Allein die Tatsache, dass sich die Bürgschaftsübernahme letztlich als wirtschaftliche Fehlentscheidung erwiesen hat und der Kläger tatsächlich in Anspruch genommen wurde, führt nicht dazu, dass die Aufwendungen dem nicht einkunftsrelevanten Bereich zuzuordnen wären.

Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 EStG sind Werbungskosten bei der Einkunftsart abzuziehen, bei der sie erwachsen sind. Stehen Aufwendungen mit mehreren Einkunftsarten in einem objektiven Zusammenhang, sind sie bei der Einkunftsart zu berücksichtigen, zu der sie nach Art und Weise die engere Beziehung haben. Sie sind der Einkunftsart zuzuordnen, die im Vordergrund steht und die Beziehungen zu anderen Einkünften verdrängt. Ist der Geschäftsführer einer GmbH in einem nicht nur unbedeutenden Umfang an der Gesellschaft beteiligt, ist regelmäßig davon auszugehen, dass eine Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist (vgl. BFH, Urteile vom 26.11.1993 VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242; vom 05.10.2004 VIII R 64/02, BFH/NV 2005, 54; vom 25.11.2010 VI R 34/08, BStBl. II 2012, 24;vom 16.11.2011 VI R 97/10, BStBl. II 2012, 343, jeweils mit weiteren Nachweisen zu Rechtsprechung und Literatur). Diese Rechtsprechungsgrundsätze sind sämtlich zu Fallgestaltungen entwickelt worden, in denen ein Gesellschafter – Geschäftsführer bzw. ein Geschäftsführer mit dem Bestreben, als Gesellschafter aufgenommen zu werden, „ihrer“ GmbH eine finanzielle Stützungsmaßnahme (Darlehn, Bürgschaft, verlorener Zuschuss) gewährt haben. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass ein fremder, nicht durch eine Beteiligung mit der Gesellschaft verbundener Arbeitnehmer im Regelfall weniger bereit sein wird, das Risiko einer derartigen Maßnahme einzugehen, als ein an der Gesellschaft beteiligter Arbeitnehmer, der auch Einfluss auf die Leitung der Gesellschaft nehmen kann (vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1993 VI R 3/92, BStBl. II 1994, 242).

Der vorliegend zu entscheidende Fall unterscheidet sich maßgeblich von diesen Konstellationen, da hier der Kläger nicht „seiner“ Gesellschaft eine finanzielle Stützungsmaßnahme gewährt, sondern die Bürgschaft für einen von ihm im Rahmen seines Arbeitsverhältnisses als Steuerberater betreuten Mandanten übernommen hat. Trotz der Stellung des Klägers als nicht nur gering beteiligter Gesellschafter der SteuerberatungsGmbH liegt insofern eine Verbindung der Bürgschaftsübernahme mit der Gesellschaftsbeteiligung nicht auf der Hand wie bei einer Stützungsmaßnahme zugunsten der Gesellschaft selbst. Aufgrund dieser anders gelagerten Konstellation im vorliegenden Fall scheidet deshalb nach Auffassung des Senats der von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs beschriebene Regelfall der Zuordnung der Aufwendungen zum Gesellschaftsverhältnis und damit zu etwaigen Einkünften gem. § 17 EStG aus.

Es ist zwar zutreffend, dass mit der Stützung eines Mandanten auch die Gesellschaft gestützt wird, indem das Mandat und der damit zusammenhängende Umsatz auf weitere Zeit oder sogar auf Dauer erhalten bleiben. Dies führt aber letztlich nur zu einem mittelbaren Zusammenhang mit der Stellung des Klägers als Gesellschafter, insbesondere, weil es sich nicht um ein Mandat gehandelt hat, von dem der wirtschaftliche Bestand der Gesellschaft und damit die Gesellschafterstellung des Klägers abhängig bzw. betroffen gewesen wäre. Unmittelbar und deshalb vorrangig ist dagegen der Zusammenhang der Aufwendungen mit dem Arbeitsverhältnis des Klägers. Denn die Aufwendungen sind durch die berufliche Beratungstätigkeit des Klägers im Zusammenhang mit dem konkreten Mandat entstanden. Sie sind deshalb der beruflichen Sphäre des Klägers zuzuordnen. Darüber hinaus hat der Kläger auch einen direkten Einfluss der Aufwendungen auf die von ihm erzielten Einnahmen dargelegt. Denn ein Ausfall der Honorarforderung wäre zu Lasten der von ihm als Teil seines Arbeitslohns bezogenen Tantieme gegangen. Das ergibt sich aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung.

Soweit der Beklagte meint, die Bürgschaftsübernahme zugunsten eines Mandanten sei deshalb dem gesellschaftsrechtlichen Bereich und damit den Einkünften gem. § 17 EStG zuzuordnen, weil ein angestellter Steuerberater eine derartige Bürgschaft üblicherweise nicht übernehme, teilt der Senat diese Sichtweise nicht. Denn derartige Bürgschaftsübernahmen gehören -wenn auch nicht als Regelfall, jedoch in diversen Einzelfällen- zur Mandatsbetreuung im Rahmen einer umfassenden steuerrechtlichen und wirtschaftsberatenden Tätigkeit. So hat auch der Kläger auf einen weiteren Fall eines Kollegen hingewiesen. Im Übrigen meint der Senat, dass für einen etwaigen Fremdvergleich auch nicht zwingend auf den Fall eines angestellten Steuerberaters zurückzugreifen ist. Denn die Steuerberatungsgesellschaft mit beschränkter Haftung, in der die Gesellschafter ihre steuerberatende Tätigkeit als angestellte Geschäftsführer ausüben, ist nach Auffassung des Senats das Pendant zur Freiberufler-Sozietät, deren Gesellschafter infolge ihrer freiberuflichen Tätigkeit als Steuerberater Einkünfte gem. § 18 EStG erzielen. In dieser Konstellation würde die Inanspruchnahme aus einer zugunsten eines Mandanten übernommenen Bürgschaft zu Betriebsausgaben gem. § 4 Abs. 4 EStG führen und nicht die Vermögensebene betreffen.

Die Entscheidung zur Steuerberechnung beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.

Die Kostenentscheidung ergeht gem. § 135 Abs. 1 FGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit gem. §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird zur Fortbildung des Rechts gem. § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

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