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Steuerrecht
30.08.2010
Steuerrecht
: Forderungsabzinsung bei Wertsicherungsklausel

FG Saarland, Urteil 15.4.2010 - 1 K 1237/05

§ 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG


In dem Rechtsstreit

...

hat der 1. Senat des Finanzgerichts des Saarlandes

durch

den Präsidenten des Finanzgerichts Dr. Schmidt-Liebig als Vorsitzender,

den Richter am Finanzgericht Hardenbicker und

die Richterin am Finanzgericht Eggers-von Wittenburg sowie

die ehrenamtlichen Richter Referatsleiter Dipl.-Volkswirt Offermanns und Gärtnermeister Werding

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.4.2010

für Recht erkannt:

Tenor:

  • 1. Unter Änderung des Bescheides vom 4. Dezember 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2005 werden die gemeinschaftlich erzielten Einkünfte aus Kapitalvermögen 2000 ohne Ansatz von Zinsen i.H.v. 41.466 DM festgestellt. Dem Beklagten wird aufgegeben die jeweiligen Feststellungsbeträge neu zu berechnen.
  • 2. Die Kosten des Verfahrens werden dem Beklagten auferlegt.
  • 3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung abwenden, sofern nicht der Kläger zuvor Sicherheit leistet.
  • 4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Kläger ... waren Miteigentümer des bebauten Grundstücks ..., auf dem der Ehemann der Klägerin ein Unternehmen ... betrieb. Am 20. November 1990 veräußerten sie mit Wirkung zum 31. Dezember 1990 das Grundstück umsatzsteuerpflichtig für 690.000 DM netto an eine fremde Dritte, die nach der Übergabe auf dem Grundstück ein gleichartiges Unternehmen betrieb.

100.000 DM des Kaufpreises waren - ausdrücklich zinslos - erst zum 31. Dezember 2000 zu zahlen. Zur Sicherung der Wertbeständigkeit dieses gestundeten Kaufpreisanteils war unter II 2 des Vertrages eine Wertsicherungsklausel unter Anlehnung an den Lebenshaltungskostenindex vereinbart. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag Bezug genommen.

Zum Fälligkeitszeitpunkt zahlte die Käuferin aufgrund der Wertsicherungsklausel einen Betrag, der um 21.200 DM höher war als die gestundete Restschuld.

Bei Durchführung der Veranlagung des Streitjahres teilte der Beklagte den gestundeten Kaufpreisanteil in einen Tilgungs- und in einen Zinsanteil auf. Der nach § 12 Abs. 3 BewG errechnete Zinsanteil betrug 41.466 DM. Im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Einkunftsfeststellung 2000 vom 4. Dezember 2003 erfasste er sowohl den Zinsanteil des gestundeten Betrages i.H.v. 41.466 DM als auch den Erhöhungsbetrag infolge der Wertsicherungsklausel von 21.200 DM bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, insgesamt 62.666 DM. Dagegen legten die Kläger am 19. Dezember 2003 Einspruch ein, den der Beklagte mit Entscheidung vom 18. Juli 2005 als unbegründet zurückwies.

Am 22. August 2005 haben die Kläger Klage erhoben.

Sie beantragen,

unter Änderung des Bescheides vom 4. Dezember 2003 in Form der Einspruchsentscheidung vom 18. Juli 2005 die Einkünfte aus Kapitalvermögen 2000 ohne Ansatz von Zinsen i.H.v. 41.466 DM festzustellen.

Der Kaufvertrag sei ein gegenseitiger Vertrag. Die beiderseitigen Verpflichtungen stünden in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander (synallagmatische Verknüpfung). Jeder gehe davon aus, dass die Leistung des anderen Teils der eigenen gleichwertig sei.

Vorliegend hätten die Parteien die zinslose Gewährung des Restkaufpreises durch die Wertsicherungsklausel ausgeglichen und für eine zusätzliche Zinsvereinbarung keine Veranlassung gesehen. Deshalb sei die Umsatzsteuer auch auf Basis des Kaufpreises von 690.000 DM und nicht auf der des abgezinsten Betrages berechnet worden. Die Vertragsparteien hätten in Form der Wertsicherungsklausel eine Art Zinsvereinbarung getroffen. Der auf Grund der Wertsicherungsklausel zusätzlich zu zahlende Betrag sei als Zins zu qualifizieren (BFH vom 16. Januar 1979 VIII R 38/76).

Darüber hinaus sei nicht noch eine Abzinsung vorzunehmen. Die Parteien hätten die Wertbeständigkeit durch den Inflationsausgleich gesichert. Die Abzinsung sei zu berücksichtigen, wenn für die Überlassung von Kapital keine Gegenleistung vereinbart worden sei (Bl. 25).

Auch das BMF-Schreiben vom 26. Mai 2005 IV B 2 2-S 2175 - 7/05 zur Abzinsung von Verbindlichkeiten sehe unter RdNr. 14 f. Ausnahmen bei unverzinslich vereinbarten Verbindlichkeiten vor, wenn andere wirtschaftliche Nachteile einer Verbindlichkeit ohne Kapitalverzinsung gegenüberstünden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage als unbegründet abzuweisen.

Unter Bezugnahme auf seine Einspruchsentscheidung im Übrigen führt er ergänzend aus, es bestehe keine innere Verknüpfung zwischen der Wertsicherungsklausel und dem Zinsverzicht. Es handele sich um verschiedenartige Tatbestände im Vertragswerk. Das komme auch darin zum Ausdruck, dass auf Seite 5 unter Ziffer 2 die Wertsicherungsklausel ausdrücklich zum Zwecke der Sicherung der Wertbeständigkeit des Restkaufpreises vereinbart worden sei.

Insofern fehle es an Anhaltspunkten dafür, dass die Wertsicherungsklausel ein wirtschaftlicher Nachteil im Sinne der Rdn. 14ff. des BMF-Schreibens vom 26. Mai 2005 sei. Die Wertsicherungsklausel sei ein zusätzlich vereinbartes Entgelt und werde auch in Fällen einer verzinslichen Stundung zusätzlich vereinbart, ohne dass hierdurch die Verzinslichkeit in Frage zu stellen wäre. Sie stelle deshalb gerade keinen im Zusammenhang mit dem Verzicht auf eine Zinsvereinbarung zu sehenden wirtschaftlichen Nachteil im Sinne des BMF-Schreibens dar. Vorliegend gelte dies schon deswegen, weil die Wertsicherungsklausel nicht an den abgezinsten, sondern an den nicht abgezinsten Kapitalbetrag anknüpfe.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die Akten des Beklagten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.


Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet. Der Beklagte hat zu Unrecht die Einkommensteuer unter Ansatz von Zinsen für den gestundeten Kaufpreisanteil festgesetzt.


1. Rechtsgrundlagen

a.

Zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören nach § 20 Abs. 1 Satz 1 Nr. 7 EStG Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen jeder Art, wenn die Rückzahlung des Kapitalvermögens oder ein Entgelt für die Überlassung des Kapitalvermögens zur Nutzung zugesagt oder gewährt worden ist. Dies gilt unabhängig von der Bezeichnung und der zivilrechtlichen Ausgestaltung der Kapitalanlage.

b.

Sofern eine Gesamtzahlung einen Zinsanteil enthält, ist dieser als Einnahme aus Kapitalvermögen zu erfassen. Die Höhe der Einnahmen ist nach dem Bewertungsgesetz zu bestimmen. § 12 BewG, der die Bewertung von Kapitalforderungen und Schulden regelt, ist eine reine Bewertungsvorschrift. Er greift nur ein, wenn feststeht, dass eine Kapitalforderung steuerlich zu erfassen ist. Die vorrangige Frage, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen Kapitalforderungen bei der Besteuerung zu erfassen sind, ist nach den hierfür in Betracht kommenden Vorschriften des materiellen Steuerrechts - im Entscheidungsfall nach dem Einkommensteuerrecht - zu entscheiden (Gürsching/Stenger/Haas, BewG/ErbStG, 1998, § 12 BewG Rdn. 2 f.).

Ein Steuerpflichtiger ist einkommensteuerrechtlich nicht verpflichtet, seine Einkunftsressourcen (Arbeitskraft, Immobilien, Kapitalvermögen u.Ä.) auch tatsächlich in vollem Umfang zur Einkunftserzielung zu nutzen. Er kann diese einem anderen - aus welchen Gründen auch immer - unentgeltlich oder teilentgeltlich überlassen. Deshalb muss auch nicht ohne weiteres mit jeder längerfristigen unentgeltlichen Kapitalüberlassung ein einkommensteuerbarer Zinsertrag verbunden sein. Ob und inwieweit bei der Vereinbarung einer einheitlichen Gesamtzahlung mit steuerlicher Wirkung auf den Ansatz eines Zinsanteils verzichtet werden kann, hat der BFH für den Fall eines gerichtlichen Vergleichs über eine verzinsliche Enteignungsentschädigung entschieden (Urteil vom 28. Oktober 1998 X R 96/96, BStBl II 1999, 217 m.w.N.):

  • . Langfristig gestundete Entgelte sind grundsätzlich selbst bei einem ausdrücklichen Ausschluss einer Verzinsung durch die Vertragsparteien in einen steuerbaren Zinsanteil und einen nicht steuerbaren Tilgungsanteil aufzuteilen. Es ist nicht maßgebend, was die Vertragsparteien als Kaufpreis bezeichnen, sondern das, was der Käufer nach dem materiellen Inhalt des Kaufvertrages aufwenden muss. Gegenteilige Willensbekundungen der Vertragsparteien laufen steuerrechtlich leer. Die Vertragsparteien können zwar einen Sachverhalt vertraglich gestalten, aber nicht dessen steuerrechtliche Folgen bestimmen. Ohne Bedeutung ist, ob die Zinsansprüche ihre Rechtsgrundlage im privaten oder im öffentlichen Recht haben und ob sie auf vertraglicher oder gesetzlicher Grundlage geschuldet werden.
  • . Es ist allerdings denkbar, dass die Vertragsparteien einen wirtschaftlich begründeten Anlass hatten, eine Aufteilung abweichend vom Verhältnis der Teil- oder Verkehrswerte vorzunehmen, indem sie die Kapitalforderung nur der an sich zu verzinsenden Forderung - vorliegend dem gestundeten Kaufpreisanteil - zuordnen. Für die steuerliche Anerkennung einer solchen Zuordnung gelten die Grundsätze entsprechend, die von der Rechtsprechung zur Aufteilung eines Gesamtkaufpreises auf mehrere Wirtschaftsgüter entwickelt worden sind. Hiernach kann sich die Höhe des Kaufpreises für die Wirtschaftsgüter aus der vertraglichen Vereinbarung ergeben, wenn die Vertragsparteien eine Aufteilung vorgenommen haben und an der Ausgeglichenheit der jeweiligen Leistungen und Gegenleistungen keine Zweifel bestehen. Einer einvernehmlichen Aufteilung durch die Vertragsparteien ist dagegen nicht zu folgen, wenn sie nicht ernstlich gewollt ist und deswegen den wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht entspricht, weil in erster Linie Gründe der Steuerersparnis für sie maßgebend waren. Erweist sich die vertragliche Zuordnung eines Entgelts als nicht angemessen, so kann der von den Beteiligten vorgenommenen Aufteilung nicht gefolgt werden. Dies alles ist unter Berücksichtigung der tatsächlichen Umstände des Einzelfalles und der Interessenlage der Beteiligten zu prüfen.

Der Senat hält diese Grundsätze auch vorliegend für anwendbar. Denn was für den nachträglichen Zinsverzicht im Rahmen eines Vergleichs gilt, sollte auch für einen im Vorhinein vereinbarten Zinsverzicht im Zuge eines Vertragschlusses gelten. Denn in beiden Fällen geht es um die Aufteilung eines einheitlich vereinbarten Betrages.

Zahlungen, die im Hinblick auf eine Wertsicherungsklausel geleistet werden, fallen im privaten Einkunftsbereich beim Gläubiger als "Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen" unter die Einnahmen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, beim Schuldner unter die Schuldzinsen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG (BFH vom 25. Juni 1974 VIII R 109/69, BStBl II 1974, 735; vom 16. Januar 1979 VIII R 38/76, BStBl II 1979, 334). Das Steuerrecht wird auf der Grundlage des Nominalwertprinzips angewendet. Die Einkünfte aus Kapitalvermögen umfassen auch den Teil der Zinsen, der wirtschaftlich im Hinblick auf die Geldentwertung erzielt wird (grundlegend: BFH vom 27. Juli 1967 IV 300/64, BStBl III 1967, 690; vom 14. Mai 1974 VIII R 95/72, BStBl II 1974, 572). Daraus folgert der Senat für den Fall einer mit Wertsicherungsklausel und im übrigen unverzinslich gestundeten Kaufpreisforderung, dass solche Zahlungen, die ausschließlich im Hinblick auf die Geldentwertung geleistet werden, ebenfalls Zinscharakter haben und mit diesen wirtschaftlich gleichzusetzen sind. Auch bei ihnen handelt es sich - so wie es der zivilrechtliche Zinsbegriff (§ 246 BGB) voraussetzt - um eine Vergütung für den Gebrauch eines auf Zeit überlassenen Kapitals. Der Zinsbegriff setzt nicht die fortlaufende Entrichtung der Vergütung voraus. Es ist auch nicht begriffswesentlich, dass die Zinsen "in einem im voraus bestimmten Bruchteil des Kapitals" bestehen; die Zinshöhe kann von wechselnden Umständen (z.B. einem Basiszins) abhängen (Palandt/Heinrichs, BGB, 64. Auflage 2005, § 246 BGB Rdn. 1 m.w.N).


2. Anwendung auf den Entscheidungsfall

Die Zahlung des gestundeten Kaufpreisanteils i.H.v. 100.000 DM im Streitjahr enthält einkommensteuerlich keinen Zinsanteil. Die streitige Vereinbarung basiert auf einem angemessenen Interessenausgleich zwischen fremden Vertragsparteien im Zuge von Kaufpreisverhandlungen. Die im Entscheidungsfall vereinbarte Wertsicherungsklausel stellt ein angemessenes Entgelt für die Kapitalüberlassung in Form der (Teil-) Kaufpreisstundung im Zuge eines auf Grund unterschiedlicher Interessen ermittelten Kaufpreises dar. Die Zuordnung, die die Beteiligten in ihrem Kaufvertrag vom 20. November 1990 vorgenommen haben (keine feste Verzinsung des Restkaufpreises, stattdessen Inflationsausgleich), ist als wirtschaftlich angemessene Vereinbarung der Einkommenbesteuerung zu Grunde zu legen. Darüber hinaus weitere Zinsen i.H.v. 41.466 DM als steuerpflichtige Einnahmen anzusetzen, erscheint dem Senat nicht gerechtfertigt.

a.

Vorliegend geht es nicht - wie im Urteil des BFH vom 28. Oktober 1998 X R 96/96, BStBl II 1999, 217 - um die Zuordnung eines gesetzlich geschuldeten Zinsanspruchs am Ende des maßgeblichen Zinszeitraums, sondern um eine im vorhinein vereinbarte Aufteilung einer Gesamtzahlung im Zuge von Kaufpreisverhandlungen in Verbindung mit einer Wertsicherungsklausel.

Die Käuferin musste zwar einen Kaufpreisanteil i.H.v. 100.000 DM nicht zum 31. Dezember 1990, sondern erst zum 31. Dezember 2000 zahlen. Normalerweise sind Kaufpreisverbindlichkeiten mit der Vertragserfüllung durch den Verkäufer fällig und ab diesem Zeitpunkt zu verzinsen. Der Senat kann jedoch - nicht zuletzt auch aufgrund des lebensnahen Berichtes der Klägerin in der mündlichen Verhandlung über die damalige Verhandlungssituation (die Käuferin war damals nur in der Lage, 590.000 DM aufzubringen und zu finanzieren) - ohne weiteres nachvollziehen, dass der Abschluss des Kaufvertrages erst durch die partielle Kaufpreisstundung ohne feste und sofort zu zahlende Zinsbelastung zu Stande kommen konnte. Im Gegenzug wurde dem Interesse des Verkäufers am Werterhalt seiner Forderung durch die Vereinbarung einer am Lebenshaltungsindex orientierten Kapitalvergütung Rechnung getragen. Die Kapitalvergütung war nach Ablauf des Stundungszeitraumes zu berechnen und zu zahlen. Dies erscheint dem Senat als eine Regelung, die unter gleichgestellten natürlichen Personen den gegenseitigen Interessen in einer nachvollziehbaren Weise Rechnung trägt.

b.

Die Wertsicherungsklausel ist im Entscheidungsfall ein wirtschaftlicher Vorteil, der den Verzicht auf eine Festverzinsung plausibel erscheinen lässt. Hätten die Vertragsbeteiligten damals eine Verzinsung von beispielsweise 3% ohne Wertsicherungsklausel vereinbart, wäre dies steuerlich unbeanstandet geblieben; die Kläger hätten aber bei Vertragsschluss keineswegs sicher sein können, dass dieser Zinssatz den Wertverlust während der kommenden 10 Jahre ausgleicht. In der Tat hat sich der Wertverlust mit 21.200 DM auf mehr als die Hälfte des Betrages i.H.v. 41.466 DM belaufen, der bei einer Abzinsung mit 5,5% nach Maßgabe des § 12 Abs. 3 BewG anzusetzen gewesen wäre.

Laut telefonischer Auskunft des statistischen Landesamtes hat sich der Lebenshaltungsindex im Saarland - bezogen auf 2005 mit 100% - wie folgt entwickelt:

Jahr v.H. Steigerung zum Vorjahr (v.H.)

1985: 71,9

1986: 72,0 0,13*

1987: 72,3 0,42

1988: 72,9 0,82

1989: 74,9 2,74

1990: 76,8 2,54

2000: 93,2 21,35

*Berechnung: (72,0 - 71,9) X 100 : 71,9 = 0,13

Nach den eher geringfügigen Steigerungsraten in 1986 und 1987 hat sich die Inflationsrate 1988 verdoppelt. 1989 und 1990 hat sie sich gegenüber 1988 nochmals mehr als verdreifacht. In dieser Situation durften die Vertragsbeteiligten auch von künftig steigenden Geldentwertungsraten ausgehen, die dann in den Folgejahren in der Tat auch eingetreten sind. In welchem Umfang sich diese Entwicklung exakt fortsetzen würde, war aus der Sicht des Jahres 1990 nicht erkennbar (die Daten des Jahres 1990 lagen bei Vertragschluss noch nicht vor). Die Annahme einer durchschnittlichen Steigerungsrate von 3% erschien vor dem Hintergrund der bereits eingetretenen Steigerung keineswegs unwahrscheinlich, so dass die Wertsicherungsklausel geeignet erschien, eine - im nicht gewerblichen Geldverkehr übliche - moderate feste Verzinsung wirtschaftlich zu ersetzen.

Dass der Aspekt der Geldentwertung die Vertragspartner in der Tat in hohem Maße beschäftigt hat, zeigen die Vereinbarungen unter II 2 des Kaufvertrages (Bl. 8 f. FestA). Dort haben sie eine Schwankung des Lebenshaltungskostenindex von mehr als 5% in Betracht gezogen und für den Restkaufpreis i.H.v. 100.000 DM nebst Zahlungen aufgrund der Wertsicherungsklausel eine Sicherungshypothek i.H.v. 150.000 DM vereinbart. Der ggf. auf die Zahlungen wegen der Wertsicherungsklausel entfallende Betrag (50.000 DM) hat den vom Beklagten auf der Grundlage von 5,5% berechneten Abzinsungsbetrag (41.466 DM) noch erheblich überstiegen. Ob es zu einer solchen Zahlung kommen würde, erschien den Vertragspartnern zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses zumindest als nicht ausgeschlossen.

c.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Vertragsparteien als einander fremde Personen die Vereinbarung zur zinslosen Kaufpreisstundung dazu nutzen wollten, um die entsprechenden einkommensteuerlichen Folgen bei den Verkäufern zu umgehen. Dieses hat nicht einmal der Beklagte behauptet. Die unternehmerisch tätige Käuferin hätte die fraglichen Aufwendungen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten abziehen können. Gestundet wurde nicht der gesamte Kaufpreis, sondern nur ein geringerer Bruchteil desselben. Schon daraus ist zu schließen, dass die Beteiligten vornehmlich das Zustandekommen des Kaufvertrages im Auge hatten und nicht dessen steuerlichen Folgen. Einkommensteuerlich günstiger wäre es für die Kläger zudem wohl gewesen, einen moderaten - jährlich zu zahlenden - Zinssatz zu vereinbaren (z.B. 3%), anstatt einen in einem Betrag anfallenden Wertausgleich, der im Zahlungsjahr in vollem Umfang ungemildert zu versteuern ist.

d.

Der Senat teilt nicht die Auffassung des Beklagten, dass die Wertsicherungsklausel ein zusätzlich vereinbartes Entgelt sei, das auch in Fällen einer verzinslichen Stundung neben dieser vereinbart werde. Nach der dem Senat bekannten Vergabepraxis werden im gewerblichen Bankverkehr - auch langfristige - Darlehen nur gegen eine Zinszahlung ohne eine Wertsicherungsentschädigung vereinbart. Gerade bei den gegenwärtigen allgemein üblichen Darlehenskonditionen erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob durch die Zinsen überhaupt eine Wertsicherung des vom Anleger langfristig überlassenen Kapitals erreicht wird. Hierauf weisen auch die Prospekte langfristiger Kapitalanlagen warnend hin. In keinem Falle dürfte es möglich sein, neben dem üblichen Zinssatz zusätzlich einen angemessenen Inflationsausgleich zu vereinbaren. Nach dem Nominalwertprinzip ("Mark gleich Mark") ist ein solcher im Wirtschaftsleben grundsätzlich ausgeschlossen. Deshalb erscheint dem Senat eine Wertsicherungsklausel der hier vorliegenden Art durchaus als angemessenes Entgelt für die Kapitalüberlassung in Form der Kaufpreisstundung im Zuge eines auf Grund unterschiedlicher Interessen ermittelten Kaufpreises. Der gleichzeitige Ansatz des relativ hohen Abzinsungssatzes von 5,5% des § 12 Abs. 3 BewG zusammen mit dem vereinbarten Inflationsausgleich ist dagegen unbillig.

e.

Hieran ändern die Anordnungen des BMF-Schreibens vom 26. Mai 2005 IV B 2 2-S 2175 - 7/05, BStBl I 2005, 699 bereits deshalb nichts, weil diese § 6 Abs. 1 Nrn. 3, 3a EStG und damit zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb ergangen sind. Im Entscheidungsfall sind Einkünfte nach § 20 EStG streitig. Im Übrigen handelt es sich bei § 6 EStG - wie bei § 12 BewG - lediglich um eine Bewertungsvorschrift. Das BMF-Schreiben (s. Rdn. 16) erkennt zudem im Einzelfall Ausnahmen von der Abzinsung an, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Verzinslichkeit nicht gegeben ist. Es sind somit auch dort entsprechende Vorüberlegungen wie im Entscheidungsfall anzustellen, die auch zu demselben Ergebnis führen müssten.

Die Entscheidung des FG Baden-Württemberg vom 19. August 1992 12 K 378/87, EFG 1993, 229 kommt zu einem anderen Ergebnis. Ihr liegen jedoch nicht die Grundsätze des erst später ergangenen BFH-Urteils vom 28. Oktober 1998 X R 96/96, BStBl II 1999, 217 zugrunde.

3.

Der Klage war demnach stattzugeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Der Beklagte ist zur Berechnung der geänderten Feststellungsbeträge nach § 100 Abs. 2 S. 2 FGO verpflichtet.

Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen. Es ist zu klären, welche Bedeutung die Vereinbarung einer Wertsicherungsklausel im Falle einer im Übrigen unverzinslichen Kaufpreisstundung hat.


Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Revision zu.

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