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Steuerrecht
30.10.2024
Steuerrecht
FG München: Folgen des Ausscheidens des Steuerpflichtigen als Mitunternehmer für die Bewertung dessen Sonderbetriebsausgaben

FG München, Urteil vom 12.8.2024 – 12 V 1261/24

Volltext BB-Online BBL2024-2582-2

Amtliche Leitsätze

1. Macht der Antragsteller Gründe i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht schlüssig geltend, ist der Antrag unzulässig.

2. Wenn der Steuerpflichtige kein Feststellungsbeteiligter ist, können auch seine Sonderbetriebsausgaben nicht Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung sein.

3. Nach dem Ausscheiden des Steuerpflichtigen als Mitunternehmer können dessen Sonderbetriebsausgaben als nachträgliche Betriebsausgaben gemäß § 24 Nr. 2 EStG unmittelbar in den Einkommensteuerfestsetzungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden.

4. Das Unterliegen eines oder einzelner Streitgenossen führt zu einer Kostenverteilung nach Quoten, wobei Gerichtskosten und außergerichtliche Kosten getrennt werden müssen.

 

Aus den Gründen

I. Der Antragsgegner, das Finanzamt, änderte mit Bescheiden vom 30. April 2024 gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) u.a. die Einkommensteuerfestsetzungen für 2004 und 2005. Bei der Einkommensteuer resultierte ein Nachzahlungsbetrag für 2004 i.H.v. 6.586 € und für 2005 i.H.v. 8.656 € und beim Solidaritätszuschlag für 2004 i.H.v. 362,24 € und für 2005 i.H.v. 476,09 €. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass sich die Änderungen aus den Mitteilungen vom 28. November 2023 für die Beteiligung an der […] (S-KG) ergeben würden. In diesen Mitteilungen für die Jahre 2004 bis 2010 ist ausgeführt:

„Der Feststellungsbeteiligte war im Feststellungszeitraum nicht beteiligt. Bisher festgestellte Besteuerungsgrundlagen entfallen.“

Gegen die Einkommensteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 30. April 2024 erhoben die beiden Antragsteller Einspruch und beantragten die Aussetzung der Vollziehung (AdV) der Einkommensteuer für 2004 und 2005 sowie des Solidaritätszuschlages hierzu. Außerdem beantragten die Antragsteller den Erlass der festgesetzten Zinsen zur Einkommensteuer in den Bescheiden für 2004 bis 2010 vom 30. April 2024 i.H.v. insgesamt 33.786,00 €. Den Erlassantrag begründeten die Antragsteller damit, dass die lange Bearbeitungszeit der Finanzbehörden und Finanzgerichte nicht den Antragstellern anzulasten sei.

Den Einspruch begründeten die Antragsteller im Wesentlichen damit, dass nachträgliche Sonderbetriebsausgaben für die Beteiligung an der S-KG geltend gemacht würden und zwar für 2004 i.H.v. 183.263,65 € und für 2005 i.H.v. 154.059,07 €. Die noch offenen Klageverfahren wegen der Einkommensteuer 2004 und 2005 seien bis zur endgültigen Entscheidung über die Grundlagenbescheide ausgesetzt. Nach Rücksprache mit dem Finanzgericht (FG) München sollten die laufenden Verfahren bezüglich der Einkommensteuer 2004 und 2005 dahingehend entschieden werden, dass die geltend gemachten Verlustabzugsbeträge als nachträgliche Sonderbetriebsausgaben in den Einkommensteuerbescheiden für 2004 und 2005 berücksichtigt würden. Der Antragsteller zu 1) habe seine Beteiligung an der S-KG zum 31. Dezember 2013 gekündigt. Außerdem werde auf den Beschluss des Finanzgerichts in Sachen AdV für die Einkommensteuer 2004 und 2005 vom 27. März 2018 (Az. 8 V 2534/17) verwiesen. Auch habe der Bundesfinanzhof (BFH) über eine Nichtzulassungsbeschwerde betreffend den verrechenbaren Verlust für den Antragsteller zu 1) an der S-KG noch nicht entschieden.

Mit Bescheid vom 5. Juni 2024 lehnte der Antragsgegner den Antrag auf AdV der Einkommensteuer für 2004 und 2005 sowie des Solidaritätszuschlags für 2004 und 2005 der beiden Antragsteller ab. Außerdem führte das Finanzamt im Schreiben vom 5. Juni 2024 aus, dass der gegen die Beteiligungseinkünfte gerichtete Einspruch beim zuständigen Feststellungsfinanzamt einzulegen sei, da der Antragsgegner an die Grundlagenbescheide gebunden sei. Mit Bescheid vom 10. Juni 2024 wurde der Erlassantrag wegen der Zinsen für 2004 bis 2010 abgelehnt.

Ihren Antrag an das FG wegen der AdV der Einkommensteuer für 2004 und 2005 des Solidaritätszuschlages für 2004 und 2005 und der Zinsen für 2004 bis 2010 begründen die Antragsteller mit den im Einspruchsverfahren vorgetragenen Argumenten. Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Verpflichtung zur Feststellung des verrechenbaren Verlustes für den Beteiligten in § 15a Einkommensteuergesetz (EStG), im Handelsgesetzbuch (HGB) und in der AO nachvollziehbar geregelt sei. Außerdem könnten nachträglich entstandene Sonderbetriebsausgaben eines ausgeschiedenen Mitunternehmers direkt im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt werden. Die Höhe der Sonderbetriebsausgaben sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Mit Bescheid vom 21. Mai 2013 seien die Grundlagenbescheide für die S-KG für 2004 und 2005 mit der Maßgabe von der Vollziehung ausgesetzt worden, dass Mehrbeträge an Verlust für 2004 i.H.v. 122.667,98 € und für 2005 i.H.v. 107.369,30 € zu berücksichtigen seien. Hinsichtlich der Zinsen würde nicht nur ein Erlassantrag vorliegen; es werde auf die Aktenlage verwiesen.

Die Antragsteller beantragen sinngemäß,

die Bescheide vom 30. April 2024 für 2004 und 2005 für die Dauer des Einspruchsverfahrens wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit wegen Einkommensteuer für 2004 i.H.v. 6.586,00 € und für 2005 i.H.v. 8.656,00 €, wegen Solidaritätszuschlag für 2004 i.H.v. 362,24 € und für 2005 i.H.v. 476,09 €.

sowie die Bescheide vom 30. April 2024 für 2004 bis 2010 wegen Zinsen für 2004 i.H.v. 5.639,00 €, für 2005 i.H.v. 6.928,00 €, für 2007 i.H.v. 3.166,00 €, für 2008 i.H.v. 372,00 €, für 2009 i.H.v. 2.057,00 € und für 2010 i.H.v. 15.606,00 €

von der Vollziehung auszusetzen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zur Begründung wird ausgeführt, dass über die begehrten Sonderbetriebsausgaben in den Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2004 und 2005 betreffend die S-KG zu entscheiden sei. Diese Feststellungsbescheide seien Grundlagenbescheide im Verhältnis zu den Einkommensteuerbescheiden als Folgebescheide. Entscheidungen in einem Grundlagenbescheid könnten nach § 42 Finanzgerichtsordnung (FGO) i.V.m. § 351 Abs. 2 AO nur durch Anfechtung dieses Grundlagenbescheides angegriffen werden. Dieser Grundsatz gelte im AdV-Verfahren sinngemäß. Im Streitfall habe das Finanzamt die Grundlagenbescheide korrekt umgesetzt. Bezüglich der Zinsfestsetzungen für 2004 bis 2010 habe nur ein Erlassantrag vorgelegen, der mit Bescheid vom 10. Juni 2024 abgelehnt worden sei.

Mit Beschluss vom 25. Juli 2024 hat der Berichterstatter die FG-Akten der Klageverfahren mit den Aktenzeichen (Az.) 8 K 2736/06, 8 K 1033/10 und 8 K 1034/10 sowie die FG-Akten der AdV-Verfahren mit den Az. 8 V 3022/06, 8 V 4732/06, 8 V 2824/10, 8 V 1929/12 und 8 V 2534/17 zum Verfahren beigezogen.

Die Klagen des Antragstellers zu 1) mit den Az. 8 K 2736/06 und 8 K 1034/10 betreffen die Einkommensteuer 2004 und die Klage des Antragstellers zu 1) mit dem Az. 8 K 1033/10 betrifft die Einkommensteuer 2005. Das Klageverfahren des Antragstellers zu 1) wegen Einkommensteuer 2004 und 2005 wurden gemäß § 74 FGO ausgesetzt und zwar das Verfahren für 2004 (8 K 2736/06) mit Beschluss vom 20. Oktober 2006 und das Verfahren für 2005 (8 K 1033/10) mit Beschluss vom 25. Juni 2013. Die Aussetzung der Klageverfahren wurde damit begründet, dass die Feststellungen betreffend die S-KG ein vorrangiges Rechtsverhältnis seien. Die ausgesetzten Verfahren wurden noch nicht wieder aufgenommen. Die Klage des Antragstellers zu 1) wegen Einkommensteuer 2004 (8 K 1034/10) wurde mit rechtskräftigem Urteil vom 26. November 2012 als unzulässig abgewiesen.

Der Antrag auf AdV vom 6. September 2010 des Antragstellers zu 1) wegen Einkommensteuer für 2004 und 2005 wurde als teilweise unzulässig hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und im Übrigen unbegründet hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und 2005 mit Beschluss vom 11. Januar 2011 (8 V 2824/10) abgelehnt. Der weitere Antrag auf AdV des Antragstellers zu 1) vom 18. Juni 2012 wegen Einkommensteuer für 2004 und 2005 wurde als teilweiser Änderungsantrag (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO) behandelt und, soweit er als zulässig erachtet wurde, als unbegründet hinsichtlich der Einkommensteuer 2004 und 2005 mit Beschluss vom 13. August 2012 (8 V 1929/12) abgelehnt. Der weitere Antrag des Antragstellers zu 1) vom 30. Oktober 2017 wegen AdV der Einkommensteuer für 2004 und 2005 wurde mit Beschluss vom 27. März 2018 (8 V 2534/17) als unzulässig abgelehnt, da nur Einwendungen gegen die Grundlagenbescheide erhoben wurden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und die vorgelegten Akten verwiesen.

1. II. Der Antrag der beiden Antragsteller auf AdV der Zinsfestsetzungen ist unzulässig.

Gegen den Bescheid über die Ablehnung eines Erlasses ist nach dem erfolglosen Einspruchsverfahren die Verpflichtungsklage gegeben (§ 40 Abs. 1 Satz 2 FGO; Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Rz. 145 m.w.N. [Juli 2023]). Wird – wie im Streitfall – ein beantragter Erlass abgelehnt, liegt kein vollziehbarer Verwaltungsakt vor. Folglich kann vorläufiger Rechtsschutz nicht durch AdV, sondern nur durch einstweilige Anordnung (§ 114 FGO) gewährt werden (Loose in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 227 AO Rz. 142 m.w.N. [Juli 2023]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 24 [Feb. 2021]). Der eindeutige Antrag der steuerlich vertretenen Antragsteller für eine AdV der Zinsfestsetzungen kann im Streitfall nicht in einen Antrag auf einstweilige Anordnung ausgelegt werden.

2. Der Antrag der beiden Antragsteller auf AdV des Solidaritätszuschlags ist unzulässig.

Die Festsetzung des Solidaritätszuschlags ist ein Folgebescheid zur Festsetzung der Einkommensteuer. Wird gegen die Festsetzung einer Zuschlagssteuer wie des Solidaritätszuschlags (Seiler in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 51a EStG Rz. 14) ausschließlich aus Gründen geklagt, die auch für die zu Grunde liegende Maßstabssteuer (Einkommensteuer) zu beachten sind, kann eine Klage schon mit Rücksicht auf das Grundlagen-Folgebescheid-Verhältnis keinen Erfolg haben (Hendricks in Schaumburg/Hendricks, Steuerrechtsschutz, 5. Auflage 2024, Rz. 3_7; Stapperfend in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2019, § 69 Rz. 139). Für den Antrag auf AdV eines Folgebescheids fehlt es am Rechtsschutzbedürfnis (BFH-Beschlüsse vom 29. Oktober 1987 VIII R 423/83, BStBl II 1988, 240; vom 12. Juli 2017 X B 16/17, BFHE 257, 523, BFH/NV 2017, 1204). Dies führt im Streitfall zur Unzulässigkeit des AdV-Antrages wegen des Solidaritätszuschlags für 2004 und 2005.

3. Der AdV-Antrag des Antragstellers zu 1) wegen Einkommensteuer 2004 und 2005 hat keinen Erfolg.

a) Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz durch AdV des Antragstellers zu 1) wegen Einkommensteuer 2004 und 2005 ist als Änderungsantrag an den Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zu messen; dieser Antrag ist unzulässig.

Die gerichtliche Entscheidung über einen Antrag auf AdV erwächst nicht in materielle Rechtskraft. Vielmehr kann das Gericht der Hauptsache einen einmal ergangenen Beschluss jederzeit ändern oder aufheben (§ 69 Abs. 6 Satz 1 FGO). Die Beteiligten können die Aufhebung und Änderung jedoch nur wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen (§ 69 Abs. 6 Satz 2 FGO). Von der in § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO getroffenen Regelung werden nach deren Sinn und Zweck nicht nur diejenigen Fälle erfasst, in denen formal die Aufhebung oder Änderung einer ergangenen AdV-Entscheidung begehrt wird. Vielmehr gilt die Begrenzung der Antragsmöglichkeit gleichermaßen, wenn zunächst ein Antrag auf AdV vom Gericht unanfechtbar abgelehnt worden war und nunmehr der Steuerpflichtige erneut einen solchen Antrag stellt. In einem derartigen Fall wird das Gericht ebenso wiederholt mit dem Begehren auf AdV befasst wie im Fall des Antrags auf Abänderung der ursprünglichen Entscheidung. Demgemäß ist die Zulässigkeit eines solchen Folgeantrags ebenfalls an die Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO gebunden (BFH-Beschlüsse vom 17. Oktober 2001 IV S 2/01, BFH/NV 2002, 218; vom 2. Juni 2005 III S 12/05, BFH/NV 2005, 1834 und vom 27. November 2009 II B 75/09, BFH/NV 2010, 692). Macht der Antragsteller derartige Gründe i.S. des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO nicht schlüssig geltend, ist der Antrag unzulässig (BFH-Beschlüsse vom 23. November 2004 IX B 88/04, BFHE 207, 513, BStBl II 2005, 297; und vom 27. November 2009 II B 75/09, BFH/NV 2010, 692).

Nach dieser Maßgabe ist der AdV-Antrag des Antragstellers zu 1) unzulässig, denn der Antragsteller zu 1) erwähnt schon gar nicht, dass für die Streitjahre in der Vergangenheit mehrere AdV-Beschlüsse des FG betreffend die Einkommensteuer 2004 und 2005 ergangen sind. Die Antragsteller verweisen nur auf einen AdV-Beschluss wegen der Einkommensteuer 2004 und 2005 vom 27. März 2018 (8 V 2534/17). Veränderte oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände im Sinne des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO werden vom Antragsteller zu 1) schon gar nicht erwähnt.

b) Im Übrigen wäre der AdV-Antrag des Antragstellers zu 1) auch unbegründet.

Denn der Verwaltungsakt, dessen AdV begehrt wird, muss durch Einspruch oder Klage angefochten worden sein. Die Berechtigung (Statthaftigkeit) zur AdV hängt nur von der Anfechtung, nicht von der Zulässigkeit der Anfechtung ab. Der Antrag auf AdV eines unzulässig angefochtenen Verwaltungsakts ist statthaft, aber unbegründet (Birkenfeld in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 195 [Jan. 2016]).

Im Streitfall wurden die Änderungsbescheide vom 30. April 2024 zur Einkommensteuer 2004 und 2005 gemäß § 68 FGO Gegenstand der ausgesetzten Klageverfahren mit den Az. 8 K 2736/06 und 8 K 1033/10. Wegen der rechtshängigen Klagen in den ausgesetzten Klageverfahren ist der Einspruch des Antragstellers zu 1) unzulässig. Denn nach § 68 Satz 2 FGO ist ein Einspruch gegen einen Änderungsbescheid neben der geänderten Klage ausgeschlossen (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 68 FGO Rz. 21 [Mai 2023]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 358 AO Rz. 21 [Feb. 2021]). Insoweit war die Rechtsbehelfsbelehrungin den angefochtenen Bescheiden unzutreffend.

Da sich der AdV-Antrag des Antragstellers zu 1) nur auf das laufende Einspruchsverfahren bezieht und der (steuerlich fachmännisch vertretene) Antragsteller zu 1) keine AdV für die Dauer seiner Klageverfahren Az. 8 K 2736/06 und 8 K 1033/10 begehrt, konnte der AdV-Antrag auch deshalb keinen Erfolg haben.

4. Der Antrag auf AdV gegen die Einkommensteuerbescheide für 2004 und 2005 vom 30. April 2024 der Antragstellerin zu 2) ist begründet.

a) Die Antragstellerin zu 2) ist an den Klageverfahren und war an den AdV-Verfahren des Antragstellers zu 1) nicht beteiligt. Deshalb ist ihr Einspruch nicht unzulässig und deshalb ist auch ihr AdV-Antrag nicht an den Voraussetzungen des § 69 Abs. 6 Satz 2 FGO zu messen.

b) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte (§ 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO).

Nach der BFH-Rechtsprechung bestehen ernstliche Zweifel i.S. von § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO, wenn bei summarischer Prüfung des angefochtenen Bescheids neben den für seine Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung einer entscheidungserheblichen Rechtsfrage oder Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen bewirken. Dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen, wird dabei nicht vorausgesetzt (vgl. BFH-Beschluss vom 15. April 2020 IV B 9/20 (AdV), BFH/NV 2020, 919, m.w.N.).

c) Nach diesen Maßgaben sind die Einkommensteuerfestsetzungen für 2004 und 2005 im beantragten Umfang von der Vollziehung auszusetzen. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.

aa) Aus den Mitteilungen vom 28. November 2023 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2004 und 2005 ist ersichtlich, dass der Antragsteller zu 1) nicht an der Gesellschaft, der S-KG, beteiligt war. Da der Antragsteller zu 1) kein Feststellungsbeteiligter ist, können auch seine Sonderbetriebsausgaben nicht Gegenstand der gesonderten und einheitlichen Feststellung sein (vgl. nur Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 180 AO Rz. 16 [Aug. 2021] m.w.N.; BFH-Urteile vom 1. Oktober 1992 IV R 130/90, BFHE 170, 36, BStBl II 1993, 574; vom 14. Mai 2002 VIII R 8/01, BFHE 199, 198, BStBl II 2002, 532), denn es fehlt an der Beteiligung mehrerer Personen an den Einkünften (BFH-Urteile vom 6. November 2012 VIII R 49/10, BFHE 239, 338, BStBl II 2013, 309, Rn. 47; vom 22. Januar 2003 X R 60/99, BFH/NV 2003, 900). Die Ausführungen des Antragsgegners zur Bindungswirkung von Grundlagenbescheiden und zur Präklusion von Einwendungen gemäß § 351 Abs. 2 AO sind nach Auffassung des Senats angesichts dieser klaren Rechtslage unverständlich.

bb) Die vom Antragsteller zu 1) geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben für 2004 und 2005 sind demgemäß nach summarischer Prüfung als nachträgliche Betriebsausgaben gemäß § 24 Nr. 2 EStG unmittelbar in den Einkommensteuerfestsetzungen der Streitjahre bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb des Antragstellers zu 1) zu berücksichtigen (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 180 AO Rz. 56 [Aug. 2021] m.w.N.). Der beschließende Senat hat insoweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte in rechtlicher Hinsicht, denn der Antragsgegner hat insoweit eine ablehnende Entscheidung getroffen. Da sich der Antragsgegner im Übrigen auch gar nicht gegen die Höhe der geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben wendet, geht der beschließende Senat nach summarischer Prüfung davon aus, dass es wahrscheinlich ist, dass dem Antragsteller zu 1) nachträgliche Betriebsausgaben in Form von Sonderbetriebsausgaben entstanden sind. Zwar hat der Antragsteller zu 1) die Höhe der geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben für 2004 i.H.v. 183.263,65 € und für 2005 i.H.v. 154.059,07 € nicht durch präsente Beweismittel (§ 155 Satz 1 FGO i.V.m. § 294 Zivilprozessordnung ) glaubhaft gemacht, obwohl ihn insoweit die Feststellungslast trifft (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 94 [Feb. 2021] m.w.N.). Der Antragsteller zu 1) hat aber durch die Vorlage der Kopie der Mitteilung über die AdV des Grundlagenbescheids für die S-KG vom 21. Mai 2013 glaubhaft gemacht, dass das Feststellungsfinanzamt im Jahr 2013 davon ausging, dass nach summarischer Prüfung Sonderbetriebsausgaben für 2004 i.H.v. 122.667,98 € und für 2005 i.H.v. 107.369,30 € berücksichtigt werden könnten. Damit hat der Antragsteller nach Auffassung des beschließenden Senats erweisbare Tatsachen vortragen, die geeignet sind, zu dem Schluss zu gelangen, dass Verluste aus Gewerbebetrieb aus der Beteiligung an der S-KG in dieser Höhe wahrscheinlich sind (Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 69 FGO Rz. 94 [Feb. 2021] m.w.N.). Den Antragsgegner trifft die Verpflichtung, im Hauptsacheverfahren den maßgeblichen Sachverhalt aufzuklären (Stapperfend in Gräber, FGO, 9. Aufl. 2009, § 69 Rz. 167).

cc) Die entsprechende Minderung des zu versteuernden Einkommens der Antragsteller im vorliegenden Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz führt zur begehrten AdV der Einkommensteuer für 2004 i.H.v. 6.586 € und der Einkommensteuer für 2005 i.H.v. 8.656 €.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, wobei die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten bei verbundenen Verfahren getrennt werden müssen (Brandis in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 135 FGO Rz. 24 [Juli 2023] m.w.N.; BFH-Beschluss vom 13. Dezember 1999 III B 15/99, BFH/NV 2000, 827, Rn. 39). Der Senat hält es für ermessensgerecht (§ 135 Abs. 5 FGO), die Gerichtskosten verhältnismäßig zu teilen und dem Antragsteller zu 1) und der Antragstellerin zu 2) die Kosten nicht nach Kopfteilen, sondern entsprechend ihrer Erfolgsquoten aufzuerlegen. Von den außergerichtlichen Kosten trägt der Antragsgegner die der teilweise obsiegenden Antragstellerin zu 2) in Höhe von 35/100; die übrigen außergerichtlichen Kosten trägt die Antragstellerin zu 2) selbst. Der vollständig unterlegene Antragsteller zu 1) trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

 

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