R&W Abo Buch Datenbank Veranstaltungen Betriebs-Berater
 
Steuerrecht
07.08.2009
Steuerrecht
FG Düsseldorf: Finanzamt muss eigenen Vorschlag umsetzen

FG Düsseldorf, Urteil vom 16.4.2009 - 11 K 4347/08 G

Tenor: Die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2000 bis 2002

vom 28. Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung

vom 16. Oktober 2008 werden dahingehend abgeändert, dass

Gewinne aus Gewerbebetrieb i.H.v. 486.680 DM (2000), 432.531

DM (2001) bzw. 171.445 EUR (2003) berücksichtigt werden.

Die Berechnung des jeweiligen Messbetrags wird dem Beklagten

übertragen.

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird

für notwendig erklärt.

Der Beklagte trägt die Verfahrenskosten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:                                                                                                                                     1

Streitig ist die Wirksamkeit einer Einspruchsrücknahme im Zusammenhang mit

einem Änderungsvorschlag seitens des beklagten Finanzamts.                                       2

Der Kläger betrieb bis zum 31. Dezember 2002 ein "McDonald's"-Restaurant in                        3

Astadt und erzielte gewerbliche Einkünfte.

Im Anschluss an eine Steuerfahndungsprüfung setzte der Beklagte mit

Änderungsbescheiden vom 14. Dezember 2005 Umsatzsteuernachforderungen für

die Jahre 1999 bis 2002 gegen den Kläger fest. Zugleich wurden mit Bescheiden

vom 28. Dezember 2005 die Nachprüfungsvorbehalte in den                                         4

Gewerbesteuermessbescheiden für die Jahre 2000 bis 2002 aufgehoben. Gegen

diese Bescheide legte der Kläger fristgemäß Einspruch ein und bat um

ertragsteuerliche Berücksichtigung der Umsatzsteuernachzahlungen.

Am 4. Juli 2008 traf der Kläger mit dem Beklagten eine tatsächliche Verständigung          5

hinsichtlich des Anteils des Außer-Haus-Verkaufs von Speisen und Getränken an

den vom Kläger erzielten Umsatzerlösen der Jahre 1999 bis 2002. Daraus

resultierte eine Erhöhung der Umsätze zum vollen Steuersatz und einer Minderung

der Umsätze zum ermäßigten Steuersatz. Am 29. Juli 2008 ergingen entsprechend

geänderte Umsatzsteuerbescheide.

Mit Schreiben vom 8. Juli 2008 schlug der Beklagte der Prozessbevollmächtigten

des Klägers "zwecks Erledigung der Einspruchsverfahren" vor, die aus den

Umsatzsteuernachforderungen resultierende Minderung der Umsatzerlöse sowie

die damit korrespondierenden Gewinnerhöhungen durch Minderung der

Gewerbesteuerrückstellungen dergestalt zu berücksichtigen, dass die Gewinne

aus Gewerbebetrieb auf 486.680 (2000), 432.531 DM (2001) bzw. 171.445 EUR

(2002) reduziert werden. Der Beklagte bat um Überprüfung, "ob die Einsprüche                6

gegen die Gewerbesteuermessbescheide durch diese Gewinnänderungen erledigt

werden können". Auf Blatt 13 f. der Gerichtsakte wird Bezug genommen.

Daraufhin äußerte sich die Prozessvertreterin des Klägers mit Schreiben vom 15.             7

Juli 2008 (siehe Gewerbesteuerakte des Beklagten) gegenüber dem Beklagten wie

folgt: "Unter Bezugnahme auf Ihr Schreiben in o.g. Angelegenheit vom 08.07.2008

teilen wir Ihnen mit, dass wir die Einsprüche gegen die

Gewerbesteuermessbescheide 2000 - 2002 zurücknehmen."

Im Anschluss daran war zwischen den Beteiligten streitig, ob (wirksame)

Einspruchsrücknahmen vorlagen. Der Beklagte behandelte die Einsprüche als

zurückgenommen und lehnte eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide im            8

Einspruchsverfahren bzw. auf der Grundlage sonstiger Korrekturvorschriften ab.

Der Kläger gab geänderte Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre ab.

Durch Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2008 verwarf der Beklagte die              9

Einsprüche als unzulässig. Zur Begründung führte er aus, die Einsprüche seien

wirksam zurückgenommen worden. Die Rücknahmen könnten angesichts des

klaren Wortlauts des Schreibens vom 15. Juli 2008 nicht ausgelegt oder

umgedeutet werden, zumal sie von einer rechtskundigen Person erklärt worden

seien. Ein Widerruf, eine Rücknahme oder eine Anfechtung der

Einspruchsrücknahmen komme nicht in Betracht. Ein der Wirksamkeit der

Einspruchsrücknahmen entgegenstehender krasser Fall unzulässiger Einwirkung

auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen sei nicht gegeben.

Das Finanzamt sei auch nicht nach Treu und Glauben oder aufgrund sonstiger

Zusagen zu einer Änderung verpflichtet gewesen. Insbesondere beziehe sich die

getroffene tatsächliche Verständigung nicht auf die Gewerbesteuer. Des weiteren

sei aber auch eine Änderung der Gewerbesteuermessbescheide auf der                           10

Grundlage sonstiger Änderungsvorschriften nicht mehr möglich, da

Festsetzungsverjährung eingetreten sei. Die Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a

der Abgabenordnung - AO - sei mit Rücknahme der Einsprüche am 16. Juli 2008

entfallen.

Der Kläger hat am 17. November 2008 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er                       11

Folgendes vor:

Die Einspruchsrücknahmen seien ausschließlich auf der Grundlage des

Änderungsvorschlags bzw. der Abhilfeerklärung des Beklagten, d.h. der in

Aussicht gestellten Berücksichtigung der fraglichen Gewinnminderungen, erfolgt.

Dies sei im Schreiben vom 15. Juli 2008 klar und unmissverständlich dargelegt

worden. Die Zusage, die fraglichen Gewinnminderungen vorzunehmen, sei

Voraussetzung bzw. Bedingung für die Einspruchsrücknahmen gewesen. Diese             12

Verknüpfung habe der Beklagte erkennen müssen, zumindest hätte eine

Nachfrage erfolgen müssen. Auch die Erklärungen rechtskundiger Personen

müssten ausgelegt werden. Es stelle sich als nahezu böswillig bzw. als

Täuschungshandlung dar, dass das Finanzamt die Rücknahmeerklärungen dazu

genutzt habe, von seiner Zusage abzurücken. Der Beklagte habe gegen seine

Fürsorgepflicht gegenüber dem Steuerbürger verstoßen.

Im Übrigen habe die Sachbearbeiterin der Rechtsbehelfsstelle des Beklagten, Frau    13

C., der Prozessvertreterin des Klägers mitgeteilt, dass mit einer Erstattung alsbald

zu rechnen sei.

Das beklagte Finanzamt sei verpflichtet gewesen, die fraglichen Bescheide nach

§ 173 Abs. 1 Nr. 2 AO zu ändern. Nach Kenntnis der anspruchsbegründenden

Tatsachen müsse zwingend ein Berichtigungsbescheid erlassen werden, § 173

Abs. 1 Nr. 2 AO stelle eine Mussbestimmung dar (Hinweis auf den Beschluss des

Niedersächsischen FG vom 30. Januar 1978 XII 330/77, EFG 1978, 360). Der

Mitwirkung oder Zustimmung des Steuerpflichtigen bedürfe es nicht. Dem stehe              14

ein anhängiger Einspruch - Gleiches gelte aber auch für dessen Rücknahme -

nicht entgegen.

Das Schreiben des Beklagten vom 8. Juli 2008 sei überflüssig gewesen und habe   15

für Verwirrung gesorgt. Es sei alleinige Aufgabe des Finanzamts gewesen, den

Änderungsrahmen der Bescheide zu berechnen. Es habe sich hierbei um eine

einfache Rechenaufgabe gehandelt. Einer Überprüfung seitens des

Steuerpflichtigen habe es nicht bedurft. Die Einspruchsrücknahmen seien daher

unwirksam.

Selbst wenn man von dem Grunde nach wirksamen Rücknahmen ausginge, könne

sich der Beklagte auf sie nicht berufen, da ihm habe klar sein müssen, dass die

Einspruchsrücknahmen erkennbar im Widerspruch zum wirklichen Willen des

Klägers standen und auf einem Irrtum seiner Verfahrensbevollmächtigten                                  16

beruhten. Er dürfe sich daher nach Treu und Glauben nicht auf die Rücknahmen

berufen (Hinweis auf das BGH-Urteil vom 21. März 1977 II ZB 5/77, VersR 1975,

574).

Der Kläger beantragt,                                                                                                                  17

die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 vom 28.

Dezember 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober

2008 dahingehend abzuändern, dass Gewinne aus Gewerbebetrieb i.H.v.                      18

486.680 DM (2000), 432.531 DM (2001) bzw. 171.445 EUR (2002)

berücksichtigt werden sowie

die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu                    19

erklären.

Der Beklagte beantragt,                                                                                                                  20

die Klage abzuweisen,                                                                                                             21

hilfsweise, die Revision zuzulassen.                                                                                        22

Zur Begründung nimmt er auf seine Einspruchsentscheidung Bezug. Ergänzend            23

macht er geltend, ihm sei es angesichts der Höhe der Gewinnänderungen sinnvoll

erschienen, die beabsichtigten Änderungen vor Erlass von Abhilfebescheiden mit

dem Kläger abzustimmen, um die Einspruchsverfahren einvernehmlich

abschließen zu können. Diese Vorgehensweise sei durchaus üblich und werde

insbesondere in den Fällen angewandt, in denen seitens des Einspruchsführers

noch kein bezifferter Änderungsantrag vorliegt.

Eine frühere Änderung der Gewerbesteuermessbescheide sei nicht möglich

gewesen, da die tatsächliche Verständigung zur Umsatzsteuer erst im Juli 2008

getroffen worden sei. Mit Rücknahme der Einsprüche sei sodann                                         24

Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass eine Änderung der Bescheide nicht

mehr möglich gewesen sei.

Die zuständige Sachbearbeiterin habe im Zusammenhang mit den                                          25

Einspruchsverfahren gegen die Gewerbesteuermessbescheide keine Erstattung

zugesagt. Die anderslautende Behauptung des Klägers sei nicht schlüssig, da die

Erstattung von Gewerbesteuern durch die hebeberechtigte Gemeinde erfolge und

nicht durch das Finanzamt.

Im Hinblick auf die Problematik der Einspruchsrücknahme unter einer Bedingung

sei zu beachten, dass die Prozessvertreterin des Klägers im Schreiben vom 15.

Juli 2008 keine "unechte" Bedingung geäußert habe, die Einsprüche seien              26

vielmehr ausdrücklich und "ohne wenn und aber" zurückgenommen worden. Eine

Auslegung komme im Hinblick darauf, dass die Einspruchsrücknahmen von einer

rechtskundigen Person erklärt worden seien, nicht in Betracht. Nach ständiger

Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - müssten Steuerberater und

Rechtsanwälte mit ihren Verfahrenserklärungen "beim Wort genommen" werden

(Hinweis auf das BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 35/06, BFH/NV 2006, 1800

m.w.N.).

Selbst wenn eine Auslegung des Schreibens vom 15. Juli 2008 für erforderlich                27

erachtet würde, sei entscheidend darauf abzustellen, wie das Finanzamt als

Erklärungsempfänger den objektiven Erklärungswert des Rücknahmeschreibens

verstehen musste (BFH-Urteil vom 19. Juni 1997 IV R 51/96, BFH/NV 1998, 6).

Unter Berücksichtigung der Gesamtumstände, dass nämlich nach Versand eines

Erledigungsvorschlags umgehend die Rücknahme der Einsprüche ohne jede

Einschränkung oder sonstigen Hinweis erklärt wurde, habe das Finanzamt das

Schreiben nur als unbedingte Rücknahme verstehen können, wobei es

unbeachtlich sei, ob aus Sicht des Finanzamts nachvollziehbare Gründe für die

Verfahrensbeendigung vorlagen.

Weiterhin dürfe die Auslegung einer Verfahrenserklärung nicht zur Annahme eines

Erklärungsinhalts führen, für den sich in der verkörperten Erklärung selbst keine

Anhaltspunkte mehr finden lassen (BFH-Urteil vom 26. April 2006 II R 35/06,                     28

BFH/NV 2006, 1800; BFH-Beschluss vom 2. November 2004 X B 59/04, BFH/NV

2005, 209). Die Auslegung der Einspruchsrücknahmen als bedingte Rücknahmen

finde im Schreiben vom 8. Juli 2008 keine Stütze.

Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass die Rücknahme eines Rechtsmittels nach    29

der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - nicht unter einer sog.

innerprozessualen Bedingung erfolgen dürfe (BGH-Urteil vom 26. September 2007

XII ZB 80/07).

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der

Gerichtsakte sowie der beigezogenen Steuerakten des Beklagten Bezug                         30

genommen.

Entscheidungsgründe:                                                                                                                         31

Die Klage ist begründet.                                                                                                                 32

Die Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2000 bis 2002 vom 28. Dezember            33

2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16. Oktober 2008 sind

rechtswidrig und verletzen den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1

Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der Beklagte hat die Änderung der

durch Einspruch angefochtenen Bescheide zu Unrecht abgelehnt. Der Kläger hatte

die Einsprüche nicht durch Rücknahme (§ 362 AO) verloren.

1. Der Kläger ist seiner Einsprüche gegen die Gewerbesteuermessbescheide für

die Jahre 2000 bis 2002 nicht durch Einspruchsrücknahme im Sinne von § 362 AO

verlustig geworden. Die durch Schreiben vom 15. Juli 2008 abgegebene                         34

Willenserklärung der Prozessvertreterin des Klägers hat nicht zu wirksamen

Einspruchsrücknahmen geführt, da sie unter der "unechten" Bedingung des

Erlasses von Abhilfebescheiden stand.

a) Entgegen der Auffassung des Klägers sind die Rücknahmeerklärungen seiner 35

Prozessvertreterin nicht bereits aufgrund einer Täuschungshandlung des

beklagten Finanzamts unwirksam. Die Rücknahmeerklärungen sind nicht auf

irgendwie geartete Täuschungshandlungen oder sonstige unlautere Mittel des

beklagten Finanzamts zurückzuführen. Insbesondere das Schreiben des

Finanzamts vom 8. Juli 2008 enthält keine derartigen Täuschungen. Bei dem Satz

"Bitte überprüfen Sie, ob die Einsprüche [auf der Basis der vorgeschlagenen

Änderung] erledigt werden können" handelt es sich um eine inhaltlich nicht zu

beanstandende, allgemein verwendete Formulierung. Sie war darauf gerichtet, die

Einsprüche ohne Einspruchsentscheidung auf der Basis von Abhilfebescheiden zu

erledigen, was voraussetzte, dass der Kläger mit den vorgeschlagenen

Änderungen einverstanden war und mit seinen unbezifferten Einsprüchen keine

weitergehenden Gewinnminderungen verfolgte.

b) Weiterhin können die Rücknahmeerklärungen, die als prozessuale

Willenserklärungen im Grundsatz der Auslegung zugänglich sind, auch nicht als

bloße Zustimmung zu dem Änderungsvorschlag des Finanzamts - und somit nicht

als Rücknahmen im Sinne des § 362 AO - ausgelegt werden. Die

Prozessvertreterin des Klägers hat ausdrücklich die Rücknahme der Einsprüche            36

erklärt. Diese Willenserklärung ist eindeutig und nicht auslegungsfähig. Des

weiteren geht der Beklagte zu Recht davon aus, dass die Erklärungen vor dem

Hintergrund der Erklärungsabgabe durch eine rechtskundige Person auch nicht in

bloße Zustimmungserklärungen umgedeutet werden können (vgl. BFH-Urteil vom

29. Juli 1986 IX R 123/82, BFH/NV 1987, 359).

c) Die Rücknahmen standen aber unter der Bedingung einer Änderung der                        37

betroffenen Gewerbesteuermessbescheide gemäß dem Vorschlag des beklagten

Finanzamts vom 8. Juli 2008. Sie sind daher mangels Bedingungseintritts nicht

wirksam geworden.

aa) Die Erklärung der Einspruchsrücknahmen unter der Bedingung der Änderung

der betroffenen Bescheide war zulässig. Einspruchsrücknahmen sind zwar im

Grundsatz bedingungsfeindlich und dürfen daher nicht von einer "echten" - d.h.

"außerprozessualen" - Bedingung abhängig gemacht werden. Nach richtiger

Auffassung sind jedoch "unechte" - d.h. "innerprozessuale" - Bedingungen

zulässig (Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 11. Januar 1929 I AB 760/28,

Mrozek-Kartei RAO § 237 Rn. 9; Tipke, in: Tipke/Kruse, AO/FGO, § 362 AO Rn. 6;

Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 362 AO Rn. 98; zu

Rechtsbehelfen allgemein Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG -            38

vom 10. April 2002 4 BN 12/02, HFR 2003, 190,). Eine zulässige unechte

Bedingung in diesem Sinne liegt vor, wenn die Rücknahme von einem Ereignis

abhängig gemacht wird, über welches das Finanzamt selbst entscheidet (Tipke, in:

Tipke/Kruse, AO/FGO, § 362 AO Rn. 6). Dementsprechend enthält die Erklärung

des Einspruchsführers, dass er seinen Einspruch zurücknehme, wenn im

Verfahren nach § 172 AO seinem Antrag auf Herabsetzung der festgesetzten

Steuer entsprochen werde, keine unzulässige Bedingung, weil die Rücknahme

nicht von - für die Finanzbehörde - ungewissen Ereignissen abhängen soll

(Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 362 AO Rn. 98).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an und folgt damit                          39

insbesondere nicht der vom Beklagten zitierten gegenteiligen Rechtsprechung des

BGH zur Rücknahme von Rechtsmitteln (Beschlüsse vom 26. Oktober 1989 IVb

ZB 135/88, NJW-RR 1990, 67, sowie vom 26. September 2007 XII ZB 80/07, HFR

2008, 287). Im Fall der Rücknahme eines Rechtsbehelfs unter einer unechten

Bedingung besteht nämlich gerade keine Ungewissheit über die

verfahrensbeendigende Wirkung der Rücknahme, die allein eine

Bedingungsfeindlichkeit aus Gründen der Rechtssicherheit rechtfertigen könnte.

Daher steht einer Erklärung der Rücknahme unter einer unechten Bedingung

nichts entgegen.

bb) Vorliegend ergab sich aus den Umständen der Einspruchsrücknahmen im

Schreiben der Prozessvertreterin des Klägers vom 15. Juli 2008, dass sie mit den

seitens des Finanzamts vorgeschlagenen Änderungen und einer Erledigung der

Einspruchsverfahren auf dieser Basis einverstanden war. Statt dem beklagten                   40

Finanzamt - was nahe gelegen hätte - dieses Einverständnis mitzuteilen (und ihr

Einspruchsbegehren entsprechend zu spezifizieren bzw. einzuschränken), hat die

Prozessvertreterin des Klägers unter Bezugnahme auf den Änderungsvorschlag

des Finanzamts vom 8. Juli 2008 die Rücknahme der Einsprüche erklärt. Dies

kann bei verständiger Würdigung des Sachverhalts allerdings nur so ausgelegt

werden, dass die Rücknahmen nur für den Fall gelten sollten, dass entsprechende

Abhilfebescheide seitens des Finanzamts erlassen werden (aufschiebende

Bedingung). Dafür finden sich durch die Bezugnahme auf das Schreiben des

Finanzamts vom 8. Juli 2008 genügende Anhaltspunkte.

Da das beklagte Finanzamt keine Abhilfebescheide erlassen hat, ist die                              41

aufschiebende Bedingung nicht eingetreten. Die Einspruchsrücknahmen sind

daher nicht wirksam geworden. Der Beklagte hat die Einsprüche folglich zu

Unrecht als unzulässig verworfen. Er hätte auf der Grundlage des § 172 Abs. 1

Satz 1 Nr. 2 a) AO Abhilfebescheide erlassen müssen. Festsetzungsverjährung

war aufgrund der Ablaufhemmung des § 171 Abs. 3a AO noch nicht eingetreten.

cc) Selbst unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Beklagten, wonach die

Einspruchsrücknahme weder unter einer echten noch unter einer unechten

Bedingung erklärt werden darf, kann hier nicht von wirksamen

Rücknahmeerklärungen des Klägers ausgegangen werden. Die Annahme einer               42

unzulässigen Bedingung hätte nämlich zur Folge, dass die Rücknahme insgesamt

- und nicht isoliert die Bedingung - als wirkungslos betrachtet werden müsste

(Birkenfeld, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 362 AO Rn. 97). Auf den

Bedingungseintritt käme es dann schon nicht mehr an.

2. In der Sache besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit, dass den                                43

streitbefangenen Gewerbesteuermessbescheiden ein Gewinn aus Gewerbebetrieb

i.H.v. 486.680 DM (2002), 432.531 DM (2001) bzw. 171.445 EUR (2002) zugrunde

zu legen ist. Der Senat hat keinerlei Anhaltspunkte, die gegen die sachliche

Richtigkeit dieser Besteuerungsgrundlagen sprechen. Die

Gewerbesteuermessbescheide sind entsprechend zu ändern.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.                                                 44

Die Entscheidung über die Notwendigerklärung der Zuziehung eines                          45

Bevollmächtigten für das Vorverfahren beruht auf § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO.

Die Übertragung der Berechnung des Messbetrags auf den Beklagte erfolgt aus §

100 Abs. 2 Satz 2 FGO. 46

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der Revisionsgründe des § 115 Abs.

2 FGO einschlägig ist. Zwar käme im Hinblick auf die Frage der Zulässigkeit der

Einspruchsrücknahme unter einer unechten Bedingung im Grundsatz eine

Revisionszulassung zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 FGO) in

Betracht. Hier kommt es jedoch auf diese Frage letztlich nicht an, da die

Einspruchsrücknahmen in keinem Fall - entweder mangels Eintritt der (zulässigen)

unechten Bedingung oder im Hinblick darauf, dass sie unter einer (unzulässigen)

unechten Bedingung erklärt wurden und damit wirkungslos sind - Wirksamkeit

erlangt haben.

stats