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Steuerrecht
11.04.2024
Steuerrecht
FG Köln: Finanzamt darf einen Investitionsabzugsbetrag für nachträglich steuerbefreite Photovoltaikanlage streichen

FG Köln, Beschluss vom 14.3.2024 – 7 V 10/24, Beschwerde eingelegt (Az. BFH III B 24/24)

ECLI:DE:FGK:2024:0314.7V10.24.00

Volltext BBL2024-854-3

Sachverhalt

I. Die Beteiligten streiten über die Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrags für eine Photovoltaikanlage.

Der Antragsteller erzielte im Streitjahr 2021 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit und wird einzeln zur Einkommensteuer veranlagt. In der Einkommensteuererklärung für 2021 erklärte er erstmals auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb, da er beabsichtigte, eine Photovoltaikanlage anzuschaffen und den produzierten, nicht selbst verbrauchten Strom in das allgemeine Stromnetz gegen Entgelt einzuspeisen. Im November 2022 schaffte der Antragsteller eine fremdfinanzierte Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 11,2 kWp zu einem Preis von ... € an.

Im Rahmen eines Einspruchsverfahrens gegen den ersten Einkommensteuerbescheid 2021 vom 20.04.2022 beantragte er bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb für die Anschaffung der Photovoltaikanlage, einen Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung – EStG – in Höhe von... € (50 % von ... €) zu bilden. Hierdurch berechnete er einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe des Investitionsabzugsbetrags, da er im Streitjahr noch keinerlei Einnahmen erzielte.

Der Antragsgegner berücksichtigte den Investitionsabzugsbetrag zunächst antragsgemäß und setzte die Einkommensteuer mit einem nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung – AO – geänderten Einkommensteuerbescheid vom 27.05.2022 auf ... € ohne einen Vorbehalt der Nachprüfung oder eine Vorläufigkeit der Einkünfte aus Gewerbebetrieb fest.

Mit Bescheid vom 21.11.2023 änderte der Antragsgegner die Einkommensteuerfestsetzung für 2021 nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG. Zur Begründung führte er aus, dass Investitionsabzugsbeträge, die in vor dem 01.01.2022 endenden Wirtschaftsjahren in Anspruch genommen und bis einschließlich zum 31.12.2021 noch nicht gewinnwirksam hinzugerechnet worden seien, laut BMF-Schreiben vom 17.07.2023, IV C 6 – S 2121/23/10001:001 Rn. 19 rückgängig zu machen seien, wenn in eine nach § 3 Nr. 72 EStG begünstigte Photovoltaikanlage investiert werde und der einzige Betriebszweck in deren Betrieb bestehe. Die Einkommensteuer setzte der Antragsgegner auf ... € fest. Zinsen gemäß § 233a der Abgabenordnung wurden nicht festgesetzt, da diese nicht mindestens 10 € betrugen.

Gegen den Änderungsbescheid legte der Antragsteller am 29.11.2023 Einspruch ein, über den bislang nicht entschieden wurde und beantragte zugleich die Aussetzung der Vollziehung beim Antragsgegner. Die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG sei durch das Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 rückwirkend zum 01.01.2022 eingeführt worden. Es handele sich insoweit um eine unzulässige Rückwirkung, da in bereits realisierte Steuertatbestände (Investitionsentscheidungen und Anschaffungen der Photovoltaikanlage) eingegriffen werde. Der Gesetzgeber missachte die notwendige Planungs- und Investitionssicherheit von Gewerbetreibenden, zu denen auch Photovoltaikanlagenbetreiber zählen würden. Diese belastende Rechtsänderung sei unzulässig, da eine besondere Rechtfertigung fehle und diese auch zur Erreichung des Gesetzeszwecks nicht geeignet und erforderlich sei. Der Antragsteller verweist auf weitere anhängige Verfahren vor den Finanzgerichten (s. Einspruchsschreiben vom 29.11.2023).

Der Antragsgegner führte im Einspruchsverfahren mit Schreiben vom 06.12.2023 ergänzend aus, dass § 7g Abs. 3 EStG allein darauf abstelle, dass die Hinzurechnung tatsächlich unterblieben sei. Insoweit verweist der Antragsgegner auf das BFH-Urteil vom 03.12.2019 (Az. X R 11/19, BStBl II 2020, 276). Es sei zudem langjährige Verwaltungsauffassung, dass eine Rückgängigmachung (auch vor Ablauf der Investitionsfrist) erfolge, wenn aufgrund (zukünftiger) steuerlicher Verhältnisse eine Hinzurechnung nicht mehr erfolgen könne. So seien Investitionsabzugsbeträge rückgängig zu machen, wenn z.B. zur Gewinnermittlung nach § 5a Abs. 1 EStG (Tonnagebesteuerung) oder § 13a EStG (Durchschnittsbesteuerung bei Land- und Forstwirten) übergegangen werde. Auch hier liege die Begründung darin, dass nach dem Wechsel der Gewinnermittlungsart eine gewinnwirksame Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 2 EStG nicht mehr erfolgen könne. Zur weiteren Aufklärung des Sachverhalts forderte der Antragsgegner im Einspruchsverfahren erstmalig folgende Unterlagen an:

Überschussprognose über 20 Jahre unter Berücksichtigung insbesondere der garantierten Einspeisevergütung und Entnahmen für selbst verbrauchten Strom als Einnahmen und der Abschreibung auf 20 Jahre, der Schuldzinsen, Wartungskosten sowie weiterer kalkulierbarer Kosten als Ausgaben

Einspeisevertrag und Darlehnsvertrag

Abrechnung über den eingespeisten und ggf. direkt verbrauchten Strom für das letzte Jahr

Der Antragsgegner wies darauf hin, dass sich für den selbst verbrauchten Strom der Wert der Entnahme grundsätzlich nach den anteiligen Herstellungskosten, bei denen auch die ertragsteuerlichen Abschreibungen und Finanzierungskosten zu berücksichtigen seien, bemesse. Aus Vereinfachungsgründen bestünden keine Bedenken, den Entnahmewert mit einem Preis von 20 ct netto je kWh ohne weitere Nachweise anzusetzen. Anderenfalls werde um Vorlage der Stromrechnung für das letzte Jahr gebeten.

Eine Aussetzung der Vollziehung gewährte der Antragsgegner zunächst nicht, da ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides nicht erkennbar seien. Nach Vorlage der Unterlagen könnte ggf. erneut die Aussetzung der Vollziehung beantragt werden.

Der Antragsteller wies mit seinem Schreiben vom 11.12.2023 auf weitere anhängige finanzgerichtliche Verfahren hin und beantragte das Ruhen des Einspruchsverfahrens. Zudem bekräftigte er seinen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung. In der Sache führte der Antragsteller aus, dass das o.g. BMF-Schreiben keinerlei Begründung für die Rückgängigmachung enthalte. Diese lasse sich auch nicht aus dem Gesetz ableiten, sondern sei allein mit profiskalischen Gedanken und der Steuermaximierung zu begründen. Im Einzelnen wird auf das Schreiben des Antragstellers vom 11.12.2023 Bezug genommen (Bl. 24ff. d. elektronischen Gerichtsakte).

Sodann lehnte der Antragsgegner die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung mangels ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide ohne weitere Begründung mit Verfügung vom 28.12.2023 ab (Bl. 28 d. elektronischen Gerichtsakte).

Daraufhin hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 30.12.2023 beim beschließenden Senat (Eingang bei Gericht am 03.01.2024) die Aussetzung der Vollziehung beantragt. Zur Begründung vertieft er sein Vorbringen zur Verfassungsmäßigkeit dahingehend, dass eine Verletzung von Art. 3 des Grundgesetzes – GG – vorliege, die nicht zu rechtfertigen sei. Die Rücknahme des gewährten Investitionsabzugsbetrags bewirke eine Verletzung der Besteuerungsgleichheit, denn das Gesetz führe zu völlig ungleichen Wirkungen, die aufgrund der gesetzgeberischen Konstellation auch nicht bloß reflexartig zu Lasten des Antragstellers greifen würden. Überwiegende öffentliche Belange, die den Rechtsschutz des Antragstellers zurückstellen würden, seien nicht zu erkennen. Der allgemeine Hinweis des Antragsgegners auf die Gefährdung der öffentlichen Haushaltslage reiche nicht aus.

Darüber hinaus verweist der Antragsteller darauf, dass er die Photovoltaikanlage mit Gewinnerzielungsabsicht betreibe. Der Antragsgegner stütze die Rückgängigmachung auf § 3 Nr. 72 EStG und damit reflexartig auf § 3c Abs. 1 EStG. Dies sei aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unzulässig. Er, der Antragsteller, habe seine Investitionsentscheidung bereits vor Kenntnis von dem Entwurf des Jahressteuergesetzes 2022 getroffen. Im Regierungsentwurf (dort S. 102) werde anerkannt, dass Photovoltaikanlagen zur Beschleunigung der Energiewende und zum Ausbau der erneuerbaren Energien einen erheblichen Beitrag leisten könnten, in der Praxis die Installation jedoch häufig durch bürokratische Hürden erschwert werde. Die Steuerbefreiung solle die Energiewende durch Entbürokratisierung beschleunigen. Sie sei ursprünglich ab dem 01.01.2023 vorgesehen gewesen. Erst mit der Beschlussempfehlung des Finanzausschusses vom 30.11.2022 sei die geplante Steuerbefreiung in Art. 1 des Jahressteuergesetzes 2022 „verschoben“ worden und habe damit für die Einkommensteuer ab 01.01.2022 gegolten. Zudem sei der Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer für die Lieferung von Photovoltaikanlagen eingeführt worden, jedoch unverändert zum Regierungsentwurf erst ab dem 01.01.2023. Zur Entbürokratisierung und Beschleunigung der Energiewende hätte der Gesetzgeber den Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer und die Steuerbefreiung bei der Einkommensteuer zu einem gemeinsamen Stichtag einführen müssen. Obwohl der Bundesrat darauf hingewiesen habe, dass mit dem Nullsteuersatz auch die Erklärungspflichten für Kleinunternehmer entfallen müssten, habe der Gesetzgeber an diesen festgehalten. Erst mit dem Wachstumschancengesetz solle insoweit eine inhaltliche Lücke geschlossen werden. Zudem habe der Gesetzgeber versäumt, die bürokratische Anzeigepflicht nach § 138 AO zu beseitigen. Auf diese solle nun im Verwaltungswege für Erwerbstätigkeiten, die ab dem 01.01.2023 aufgenommen worden seien, verzichtet werden (BMF-Schreiben vom 12.06.2023). Dadurch würden Vorschriften korrigiert und die Grundsätze der Gewaltenteilung missachtet. Es zeige sich, dass mit dem Jahressteuergesetz 2022 eine Rechtslage geschaffen werde, die unausgegoren und mit Blick auf die hier relevanten Normen des Einkommensteuerrechts unklar und unabgestimmt sei. Für Photovoltaikanlagenbetreiber, die ihre Anlage vor dem 31.12.2022 angeschafft hätten, komme der Nullsteuersatz bei der Umsatzsteuer für die Lieferung der Anlage nicht in Betracht. Daher müssten diese auf die Kleinunternehmerregelung verzichten, die Anlage vollständig dem Unternehmen zuordnen und für die Umsatzsteuervoranmeldungen bzw. die Umsatzsteuerjahreserklärung die Umsätze aus der Einspeisung und aus dem Selbstverbrach ermitteln sowie die Vorsteuer aus den Leistungsbezügen feststellen. Um die Erklärungspflichten nach der Umsatzsteuer erfüllen zu können, müssten sämtliche Geschäftsvorfälle zusammengestellt und aufgezeichnet werden. Ein (rückwirkender) Wegfall der Gewinnermittlung entlaste die Photovoltaikanlagenbetreiber nicht, wenn für Zwecke der Umsatzsteuer alle Einnahmen und Ausgaben festzustellen seien. Durch die rückwirkende Steuerbefreiung hätte auch die Investitionsbereitschaft nicht mehr erhöht werden können. Die rückwirkende Steuerbefreiung habe nur dem Zweck gedient, den handwerklichen Pfusch am Gesetzesentwurf zu vertuschen. Hinsicht des Investitionsabzugsbetrags hätte eine Einschränkung auf Bestellungen nach einem Stichtag erfolgen können.

Belastende rückwirkende Änderungen seien generell abzulehnen. Fördervorschriften, die zu einem bestimmten Handeln motivieren, müssten unter einem noch höheren Schutz stehen. Die rückwirkende Streichung von Förder- und Subventionsvorschriften könne in keinem Fall zu rechtfertigen sein.

Zudem würden Alt-Anlagenbetreiber, die Gewinne von z.B. 7.000 € erzielen würden, unerwartete Steuergeschenke erhalten, während Neu-Anlagebetreibern die Investitionsförderung aus § 7g EStG ohne Gründe und Rechtfertigung gestrichen würden.

Soweit der Antragsgegner ein berechtigtes Interesse an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes verneine, sei ein solches anzunehmen. Dies folge aus dem verfassungsrechtlich garantierten Anspruch eines Steuerpflichtigen auf folgerichtige Umsetzung der einmal getroffenen Belastungsentscheidung im Sinne der Belastungsgleichheit. Es seien auch keine schwerwiegenden Interessen an der Aussetzung der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts ersichtlich. Selbst bei Sachverhalten mit ganz erheblicher fiskalischer Breitenwirkung, wie der Bemessung der Entfernungspauschale, seien ernstliche verfassungsrechtliche Zweifel ausreichend gewesen, um vorläufigen Rechtsschutz zu gewähren.

Im Übrigen wird auf die Schriftsätze des Antragstellers vom 15.01.2024, 25.01.2024, 09.02.2024 und 12.02.2024 verwiesen (Bl. 66ff., 76ff., 80 und 83 d. elektronischen Gerichtsakte).

Im Rahmen des Einspruchsverfahrens gegen den Einkommensteuerbescheid 2021 vom 21.11.2023 legte der Antragsteller die vom Antragsgegner angeforderte Totalgewinnprognose sowie den Darlehnsvertrag und die Nachweise zur Einspeisevergütung beim Antragsgegner vor (s. Schreiben vom 10.01.2024 nebst Anlagen, Rb-Akte d. Ag.). Dabei prognostizierte der Antragsteller bis 2041 einen Totalgewinn von 244,06 €. Bei seiner Berechnung legte er ein Entgelt für die Netzeinspeisung von 0,0808 € pro kWh, für den Selbstverbrauch von 0,20 € pro kWh und für Verkäufe ab 2027 von 0,35 € pro kWh (1.750 kWh p.a.) zu Grunde (s. Bl. 11 d. elektronischen Gerichtsakte). Bei den Ausgaben berücksichtigte er eine lineare Absetzung für Abnutzung über eine Nutzungsdauer von 20 Jahren (... € p.a.) und Zinsen von insgesamt ... €.

Eine Einspruchsentscheidung ist bis zum heutigen Tag der Entscheidung nicht ergangen.

Der Antragsteller beantragt,

den Einkommensteuerbescheid 2021 vom 21.11.2023 von der Vollziehung auszusetzen bzw. die Vollziehung aufzuheben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Ergänzend trägt der Antragsgegner vor, dass durch § 52 Abs. 2 Satz 27 EStG eindeutig für alle Einnahmen ab dem 01.01.2022 die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 72 EStG und in der Folge für alle Betriebsausgaben ab dem 01.01.2022 das Betriebsausgabenabzugsverbot des § 3c Abs. 1 EStG anzuwenden sei. § 3 Nr. 72 EStG finde im Streitfall Anwendung, da die Voraussetzungen erfüllt seien. Daher gelte § 3c Abs. 1 EStG vollumfänglich. Die Vorschrift greife auch dann ein, wenn die steuerfreien Einnahmen in Zukunft zu erwarten seien und die zu beurteilenden Aufwendungen mit diesen im Zusammenhang stehen würden (vgl. BFH-Urteil vom 20.09.2006 I R 59/05, BFHE 215, 130, BStBl II 2007, 756 Rn. 27).

Zunächst habe der Antragsgegner dem Antrag auf Bildung eines Investitionsabzugsbetrags zwar stattgegeben. Im Rahmen der Veranlagung des Jahres, in dem die nach § 3 Nr. 72 EStG steuerfreie Photovoltaikanlage angeschafft worden sei, sei festgestellt worden, dass der Investitionsabzugsbetrag rückgängig zu machen sei (vgl. BMF-Schreiben vom 17.07.2023, IV C 6 – S 2121/23/10001:001 Rn. 19).

Ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung sei grundsätzlich abzulehnen, soweit im Rahmen des Rechtsbehelfs Zweifel an der formellen bzw. materiellen Verfassungsmäßigkeit einer dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Gesetzesvorschrift geltend gemacht werden würden. Einem solchen Antrag sei nur dann zu entsprechen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bestehen würde, dem der Vorrang vor dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukomme. Soweit eine Aussetzung der Vollziehung im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes führe, habe das Interesse an einer geordneten Haushaltsführung Vorrang, wenn der durch die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts eintretende Eingriff bei dem Antragsteller als eher gering einzustufen sei und dieser Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen habe. Ob ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes bestehen würden, müsse dann in der Regel nicht geprüft werden (AEAO zu § 361 Nr. 2.5.4 m.w.N.). An einem solchen berechtigten Interesse fehle es im Streitfall.

Aus den Gründen

II. Der Antrag wird abgelehnt.

1. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 in Verbindung mit Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Finanzgericht die Vollziehung eines angefochtenen Verwaltungsakts ganz oder teilweise aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte.

Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts sind zu bejahen, wenn bei überschlägiger Prüfung des angefochtenen Verwaltungsakts im Aussetzungsverfahren neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung der Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs – BFH – seit dem Beschluss vom 10.02.1967 III B 9/66, BStBl III 1967, 182). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist über die zu klärende Frage im summarischen Verfahren nicht abschließend zu entscheiden (BFH-Beschluss vom 20.05.1997 VIII B 108/96, BFHE 183, 174 unter II.2.a. m.w.N.). Es ist überdies nicht erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe überwiegen (BFH-Beschluss vom 27.09.1994 VIII B 21/94, BFHE 175, 516, 517 m.w.N.).

2. Nach summarischer Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Einkommensteuerbescheids 2021 vom 21.11.2023. Zu Recht hat der Antragsgegner den Investitionsabzugsbetrag in Höhe von ... € im Streitjahr gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 7g Abs. 2 Sätze 1 und 2 EStG rückgängig gemacht.

a. Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ist ein Steuerbescheid zu ändern, wenn ein Gewinn, für den ein Investitionsabzugsbetrag nach Satz 1 der Vorschrift rückgängig zu machen ist, bereits einer Steuerfestsetzung zu Grunde gelegt wurde.

Gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG sind in Anspruch genommene Investitionsabzugs-beträge i.S.d. § 7g Abs. 1 EStG – im Jahr der Bildung – rückgängig zu machen, wenn sie nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des jeweiligen Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG hinzugerechnet wurden. Die (gewinnerhöhende) Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG setzt voraus, dass im Wirtschaftsjahr ein begünstigtes Wirtschaftsgut i.S.d. § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG angeschafft oder hergestellt wurde. § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG definiert begünstigte Wirtschaftsgüter als abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die mindestens bis zum Ende des Wirtschaftsjahrs der Anschaffung oder Herstellung vermietet oder in einer inländischen Betriebsstätte des Betriebs ausschließlich oder fast ausschließlich betrieblich genutzt werden.

b. Im Streitfall ist nach summarischer Prüfung die Rückgängigmachung des im Streitjahr zunächst gebildeten Investitionsabzugsbetrags zu Recht erfolgt, da die Voraussetzungen des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG erfüllt sind (vgl. BMF-Schreiben vom 17.07.2023, IV C 6 – S 2121/23/10001:001 Rn. 19; ebenso Rothe, FR 2023, 878, 886; Dorn/Isinger, DB 2023, 1830; Gragert NWB 2023, 2479, 2487). Aufgrund der Gesetzesänderung mit Wirkung zum 01.01.2022 durch das Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 (BGBl. I 2022 Nr. 51, S. 2294 (2295)) konnte der Antragsteller ab dem Veranlagungszeitraum 2022 eine – gewinnerhöhende – Hinzurechnung i.S.d. § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG nicht mehr vornehmen, da es ihm gemäß § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG verwehrt war, eine Gewinnermittlung für seinen Betrieb zu erstellen. Ist eine Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG ausgeschlossen, ist der Investitionsabzugsbetrag im Jahr des Abzugs rückgängig zu machen (vgl. zum Fall der unterlassenen Hinzurechnung: BFH-Urteil vom 03.12.2019 X R 11/19, BFHE 266, 571, BStBl II 2020, 276 unter 1. und 2.). Unerheblich ist nach § 7g Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz EStG, dass der Antragsgegner die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags bereits vor Ablauf des eigentlichen Investitionszeitraums vorgenommen hat, zumal der Antragsteller nicht vorgetragen hat, dass er seinen Betrieb über die Grenze des § 3 Nr. 72 EStG hinaus erweitern wollte bzw. erweitert hat. Entscheidend ist, dass der Antragsteller ab dem 01.01.2022 gemäß § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG für seine Einkünfte aus dem Betrieb der Photovoltaikanlage keine Gewinnermittlung mehr erstellen und eine solche beim Antragsgegner einreichen darf, da seine gewerblichen Einkünfte nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG steuerfrei sind (so auch Rothe, FR 2023, 878, 886; Dorn/Isinger, DB 2023, 1830). Mit dem Jahressteuergesetz 2022 vom 16.12.2022 (BGBl. I 2022 Nr. 51, S. 2294 (2295)) hat der Gesetzgeber die Vorschrift des § 3 Nr. 72 EStG erstmalig in das Einkommensteuergesetz eingeführt und die zeitliche Anwendung auf den 01.01.2022 zurückbezogen (§ 52 Abs. 4 Satz 28 EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 20 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) des Jahressteuergesetzes 2022).

Zwar hat der Antragsteller im November 2022 eine Photovoltaikanlage angeschafft, bei der es sich um ein abnutzbares bewegliches Wirtschaftsgut des Anlagevermögens i.S.d. § 7g Abs. 1 Satz 1 EStG handelt, welches in seinem Betrieb fast ausschließlich betrieblich genutzt wird. Jedoch erzielt der Antragsteller mit seiner angeschafften Photovoltaikanlage, eine Gewinnerzielungsabsicht unterstellt, Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, die seit dem 01.01.2022 insgesamt nach § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG steuerfrei sind. Die Voraussetzung für eine Steuerfreiheit der Einnahmen i.S.d. § 3 Nr. 72 Satz 1 EStG liegen im Streitfall vor, da die vom Antragsteller angeschaffte Photovoltaikanlage auf dem Dach seines Einfamilienhauses mit einer Bruttoleistung von 11,2 kWp den Vorgaben des § 3 Nr. 72 Satz 1 Buchst. a) EStG entspricht. Der beschließende Senat kann daher im Ergebnis offenlassen, ob der Antragsteller überhaupt die für die Annahme gewerblicher Einkünfte erforderliche Gewinnerzielungsabsicht hat (vgl. dazu Urteile des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 21.07.2023 5 K 1120/22, juris und vom 13.11.2023 10 K 646/22, juris), da bereits aus der Steuerfreiheit der Einkünfte folgt, dass für diese steuerfreien Einkünfte kein Gewinn mehr zu ermitteln ist, § 3 Nr. 72 Satz 2 EStG. Diese Vorschrift ist zwingend und hat zur Folge, dass die Steuerpflichtigen keine Gewinnermittlung – auch nicht freiwillig –  erstellen und einreichen dürfen. Soweit für umsatzsteuerliche Zwecke für das Jahr 2022 weiterhin noch Aufzeichnungen erforderlich sind und die allgemeine Anzeigepflicht nach § 138 AO weiter besteht, führt dies für den Bereich der Einkommensteuer zu keinem anderen Ergebnis.

Im Ergebnis fehlt es schon an einer zu erstellenden Gewinnermittlung, bei der eine gewinnerhöhende Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags erfolgen kann. Eine isolierte Hinzurechnung des Investitionsabzugsbetrags als gewerbliche Einnahme ohne eine entsprechende Gewinnermittlung hält der beschließende Senat nach summarischer Prüfung nicht für denkbar (s. aber Schiffers/Seifert, DStZ 2023, 122 (135)). Aufgrund der fehlenden Gewinnermittlung ab dem 01.01.2022 ist auch eine nach § 7g Abs. 2 Satz 3 EStG wahlweise (innerbilanzielle) gewinnmindernde Verringerung der Anschaffungs- und Herstellungskosten um bis zu 50 Prozent, höchstens jedoch um die Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 Satz 1 EStG nicht mehr möglich. Auch wenn der Investitionsabzugsbetrag – anders als die alte Ansparabschreibung des § 7g EStG a.F. – außerbilanziell zu bilden und wieder hinzuzurechnen ist, kann der Investitionsabzugsbetrag nicht losgelöst von einer Gewinnermittlung gesehen werden, da der Investitionsabzugsbetrag eine Verlagerung von Abschreibungspotential in Wirtschaftsjahre vor der Anschaffung oder Herstellung begünstigter Wirtschaftsgüter ermöglicht (vgl. Reddig in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 7g EStG Rn. 3). Hierdurch sollte nach den Vorstellungen des Gesetzgebers die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe verbessert und deren Liquidität sowie Eigenkapitalbildung unterstützt werden, verbunden mit einer Stärkung der Investitions- und Innovationskraft (BT-Drs. 18/4902 S. 48). Die Wirkung des Abzugsbetrags erschöpft sich letztlich jedoch in einer zinslosen Steuerstundung (vgl. Reddig in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 7g EStG Rn. 3; Pfirrmann in: Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 7g Rn. 1).

Schließlich stand der Änderung des angefochtenen Einkommensteuerbescheids für 2021 vom 27.05.2022 auch nicht dessen Bestandskraft entgegen. § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ermöglicht die Änderung von Steuerbescheiden auch dann, wenn der Gewinn des maßgebenden Wirtschaftsjahres bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung zugrunde gelegt wurde.

c. Gegen die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags bestehen bei summarischer Prüfung auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere liegen keine Verstöße gegen die aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) abgeleiteten Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Rechtssicherheit vor.

Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Rechtsnorm gegen diese verfassungsrechtlichen Grundsätze verstößt, ist zwischen der „echten“ Rückwirkung (Rückbewirkung von Rechtsfolgen) und der „unechten“ Rückwirkung (tatbestandliche Rückanknüpfung) zu unterscheiden (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 2 BvL 1/03, BVerfGE 127, 31 Rn. 56; vom 25.03.2021 2 BvL 1/11, BVerfGE 157, 177 Rn. 52 und vom 30.06.2020 1 BvR 1679/17, 1 BvR 2190/17, BVerfGE 155, 238 Rn. 129).

aa. Danach entfaltet eine Rechtsnorm eine – grundsätzlich unzulässige – „echte" Rückwirkung, wenn ihre Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt ihrer Verkündung für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll („Rückbewirkung von Rechtsfolgen"). Erst mit der Verkündung, das heißt, mit der Ausgabe des ersten Stücks des Verkündungsblattes, ist eine Norm rechtlich existent. Bis zu diesem Zeitpunkt, zumindest aber bis zum endgültigen Gesetzesbeschluss (vgl. BVerfG-Beschluss vom 03.12.1997 2 BvR 882/97, BVerfGE 97, 67 (79) m.w.N.), muss der von einem Gesetz Betroffene grundsätzlich darauf vertrauen können, dass seine auf geltendes Recht gegründete Rechtsposition nicht durch eine zeitlich rückwirkende Änderung der gesetzlichen Rechtsfolgenanordnung nachteilig verändert wird (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 07.07.2010 2 BvL 1/03, BVerfGE 127, 31 Rn. 56 m.w.N.). Im Steuerrecht liegt eine „echte" Rückwirkung vor, wenn der Gesetzgeber eine bereits entstandene Steuerschuld nachträglich abändert (vgl. BVerfG-Beschluss vom 10.10.2012 1 BvL 6/07, BVerfGE 132, 302 Rn 44 m.w.N.). Für den Bereich des Einkommensteuerrechts bedeutet dies, dass die Änderung von Normen mit Wirkung für einen abgeschlossenen Veranlagungszeitraum der Kategorie der „echten" Rückwirkung zuzuordnen ist; denn nach § 38 AO i.V.m. § 36 Abs. 1 EStG entsteht die Einkommensteuer mit dem Ablauf des Veranlagungszeitraums, d.h. des Kalenderjahres, § 25 Abs. 1 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2022 IV R 42/19, BFHE 278, 42, BStBl II 2023, 118 unter IV.2.aa.).

bb. Soweit belastende Rechtsfolgen einer Norm erst nach ihrer Verkündung eintreten, tatbestandlich aber von einem bereits ins Werk gesetzten Sachverhalt ausgelöst werden („tatbestandliche Rückanknüpfung"), liegt eine „unechte" Rückwirkung vor (vgl. nur BVerfG-Beschluss vom 22.03.1983 2 BvR 475/78, BVerfGE 63, 343; BVerfG; vom 14.05.1986 2 BvL 2/83, BStBl II 1986, 628, BVerfGE 72, 200; BVerfG, vom 05.02.2002 2 BvR 305/93, BVerfGE 105, 17). Eine solche unechte Rückwirkung ist nicht grundsätzlich unzulässig, denn die Gewährung vollständigen Schutzes zugunsten des Fortbestehens der bisherigen Rechtslage würde den dem Gemeinwohl verpflichteten Gesetzgeber in wichtigen Bereichen lähmen und den Konflikt zwischen der Verlässlichkeit der Rechtsordnung und der Notwendigkeit ihrer Änderung im Hinblick auf einen Wandel der Lebensverhältnisse in nicht mehr vertretbarer Weise zu Lasten der Anpassungsfähigkeit der Rechtsordnung lösen. Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht insbesondere nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu schützen. Soweit nicht besondere Momente der Schutzwürdigkeit hinzutreten, genießt die bloß allgemeine Erwartung, das geltende Recht werde zukünftig unverändert fortbestehen, keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz.

cc. Zu prüfen sind damit die Rechtsfolgen der jeweiligen Rechtsnorm, die für verfassungswidrig erachtet wird.

Die hier für den angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2021 einschlägige Änderungsvorschrift des § 7g Abs. 3 i.V.m. § 7g Abs. 2 EStG hat weder im Streitjahr noch im Investitionsjahr 2022 eine Änderung erfahren. Sie galt im Streitjahr unverändert fort. Die zuvor dargestellten Voraussetzungen für die Rückgängigmachung eines gebildeten Investitionsabzugsbetrags waren somit allen Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 2021 bekannt.

Lediglich die Einführung des Steuerbefreiungstatbestandes des § 3 Nr. 72 EStG wurde durch die zeitliche Anwendung des § 52 Abs. 4 Satz 28 EStG i.d.F. des Art. 1 Nr. 20 Buchst. a) Doppelbuchst. bb) des Jahressteuergesetzes 2022 auf den 01.01.2022 zurückbezogen. Die Rechtsfolge des § 3 Nr. 72 EStG ist zum einen die Steuerfreiheit der Einnahmen aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage unter bestimmten Voraussetzungen (§ 3 Nr. 72 Satz 1 EStG) und zum anderen die Befreiung der Steuerpflichtigen von der Gewinnermittlungspflicht für derartige Einkünfte (§ 3 Nr. 72 Satz 2 EStG). Hierdurch sollten bürokratischen Hürden, insbesondere durch die Installation von Photovoltaikanlagen verbundene steuerliche Pflichten, abgebaut werden (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Dr. 20/3879, S. 87). Da aufgrund der geringen Einspeisevergütungen regelmäßig durch die Steuerpflichtigen kein Totalüberschuss mehr erzielt werden könne, würden sich die Steuerpflichtigen nach der Installation der Anlage mit Fragen der Finanzbehörden zur Gewinnerzielungsabsicht konfrontiert sehen. Um das Ziel des Bürokratieabbaus zu erreichen und einen steuerlichen Anreiz zu setzen, hat der Gesetzgeber daher die Steuerfreiheit der Einnahmen aus dem Betrieb von Photovoltaikanlagen unter bestimmten Voraussetzungen und die Befreiung von der Gewinnermittlungspflicht beschlossen (vgl. Gesetzesentwurf der Bundesregierung BT-Drs. 20/3879, S. 87f.).

Durch diese Rechtsfolgen des § 3 Nr. 72 EStG ist jedoch unmittelbar keine belastende Wirkung zuungunsten der Steuerpflichtigen eingetreten, sondern im Gegenteil eine begünstigende Wirkung durch eine Steuerbefreiung der gewerblichen Einkünfte aus dem Betrieb einer Photovoltaikanlage von der Einkommensteuer entstanden. Aus diesem Grund ist eine verfassungswidrige Rückwirkung und eine Verletzung des Grundsatzes des Vertrauensschutzes bereits aufgrund der begünstigenden Rechtsfolgenwirkung der Norm ausgeschlossen.

Der Umstand, dass mit der rückwirkenden Steuerbefreiung im Einzelfall als Rechtsreflex auch steuerlich nachteilige Folgen einhergehen, führt bei summarischer Prüfung nicht zu einem anderen Ergebnis. Soweit der Antragsteller geltend macht, dass sein Vertrauen in die Rechtsordnung durch die Einführung des § 3 Nr. 72 EStG verletzt worden sei, da ein von ihm in Anspruch genommener Investitionsabzugsbetrag für die Anschaffung einer Photovoltaikanlage nunmehr wieder rückgängig gemacht wird, kann der beschließende Senat dem nicht folgen. Das Vertrauen des Steuerpflichtigen in den Bestand des zunächst gewährten Investitionsabzugsbetrags steht immer unter dem Vorbehalt der möglichen Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags nach § 7g Abs. 3 EStG, wenn eine Hinzurechnung nach § 7g Abs. 2 EStG innerhalb des Drei-Jahres-Zeitraums nicht erfolgt ist. Auch die Abhängigkeit der Investitionsentscheidung und späteren tatsächlichen Investition von der Inanspruchnahme etwaiger Sonderabschreibungen gemäß § 7g Abs. 2 und 5 EStG ändert daran nichts. Nur mittelbare belastende Rechtsfolgen führen nicht zur Verfassungswidrigkeit einer begünstigenden Rechtsnorm.

3. Die beantragte Aussetzung der Vollziehung wäre dem Antragsteller im Übrigen auch aufgrund des mangelnden besonderen Aussetzungsinteresses nicht zu gewähren.

a. Selbst bei verfassungsrechtlichen Zweifeln an der Gültigkeit einer dem angefochtenen Verwaltungsakt zugrunde liegenden Norm setzt die Aussetzung der Vollziehung wegen des Geltungsanspruchs jedes formell ordnungsgemäß zustande gekommenen Gesetzes grundsätzlich voraus, dass ein besonderes berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes besteht, dem der Vorrang gegenüber dem öffentlichen Interesse am Vollzug des Gesetzes zukommt (vgl. BFH-Beschlüsse vom 30.01.2001 VII B 291/00, BFH/NV 2001, 1031; vom 06.11.2001 II B 85/01, BFH/NV 2002, 508; vom 27.08.2002 XI B 94/02, BStBl II 2003, 18; vom 01.04.2010 II B 168/09, BStBl II 2010, 558; vom 20.09.2022 II B 3/22, BFH/NV 2022, 1328; vom 18.01.2023 II B 53/22 (AdV), BFH/NV 2023, 382; vom 09.03.2023 VI B 31/22 (AdV), BFH/PR 2023, 574).

Bei der Prüfung, ob ein solch berechtigtes Aussetzungsinteresse des Steuerpflichtigen besteht, ist dieses mit den gegen die Gewährung von Aussetzung der Vollziehung sprechenden öffentlichen Belangen abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich einerseits auf die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Steuerbescheids eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen und andererseits auf die Auswirkungen einer Aussetzung der Vollziehung hinsichtlich des Gesetzesvollzuges und des öffentlichen Interesses an einer geordneten Haushaltsführung an (vgl. BFH-Beschlüsse vom 01.04.2010 II B 168/09, BStBl II 2010, 558; vom 20.09.2022 II B 3/22 (AdV), BFH/NV 2022, 1328; vom 18.01.2023 II B 53/22 (AdV), BFH/NV 2023, 382).

Dem bis zu einer gegenteiligen Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts bestehenden Geltungsanspruch jedes formell verfassungsmäßig zustande gekommenen Gesetzes ist der Vorrang einzuräumen, wenn die Aussetzung der Vollziehung eines Verwaltungsakts im Ergebnis zur vorläufigen Nichtanwendung eines ganzen Gesetzes bzw. einer Norm führen würde, hingegen sowohl die Bedeutung und die Schwere des durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheids im Einzelfall eintretenden Eingriffs beim Steuerpflichtigen als eher gering einzustufen sind als auch der Eingriff keine dauerhaften nachteiligen Wirkungen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19.02.2018 II B 75/16, BFH/NV 2018, 706; vom 18.01.2023 II B 53/22 (AdV), BFH/NV 2023, 382).

b. Ein solch (besonderes) berechtigtes Interesse des Antragstellers an der Gewährung der Aussetzung der Vollziehung ist nicht erkennbar. Insbesondere kann im Streitfall nicht angenommen werden, dass die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrags für den Antragsteller zu einer derart schwerwiegenden Belastung führt, dass ihm irreparable Nachteile drohen. Vielmehr würde die Aussetzung der Vollziehung wegen verfassungsrechtlicher Bedenken gegen § 3 Nr. 72 EStG zur (faktischen) Unanwendbarkeit der Norm führen und damit für zahlreiche Steuerpflichtige, die von der begünstigenden Wirkung der Norm durch die Steuerfreistellung bei der Einkommensteuer profitieren, zu einer weitreichenden und unzumutbaren Rechtsunsicherheit führen.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

5. Die Beschwerde wird gemäß § 128 Abs. 3 Satz 2 FGO in Verbindung mit § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

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