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Steuerrecht
01.10.2024
Steuerrecht
FG München: Feststellungsverjährung durch eine Prüfungsanordnung

FG München, Urteil vom 6.8.2024 – 12 K 254/18

Volltext:BB-ONLINE BBL2024-2326-3

Leitsätze der Redaktion

1. Weil sich die Hemmungswirkung des § 171 Abs. 4 AO nur auf die in der Prüfungsanordnung bestimmten Prüfungsgegenstände beschränkt, muss der Gegenstand der Prüfung in der Prüfungsanordnung klar und eindeutig bezeichnet werden

2. Enthält die Prüfungsanordnung nur die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO, wird die Feststellungsverjährung für die Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO betreffend die nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte unter Progressionsvorbehalt nicht gehemmt

3. Die Prüfungsanordnung als Verwaltungsakt ist nach dem objektiven Erklärungsinhalt der Regelung auszulegen, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen durfte

 

Aus den Gründen

I. Streitig ist, ob der Bescheid für 2010 über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheid) nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) vom 26. September 2017 rechtswidrig ist; insbesondere ist streitig, ob Feststellungsverjährung eingetreten ist.

Die Klägerin (die ... GbR) ist eine […] Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Sitz [… bei L-Stadt]. Geschäftsführungsbefugte Gesellschafter sind die B-KG (die Beigeladene zu 1) mit Sitz in [… G-Stadt] mit einem Anteil von 100 Prozent und die C-GmbH (die Beigeladene zu 2) mit Sitz [… bei L-Stadt] mit einem Anteil von 0 Prozent.

Die Klägerin erzielt Einkünfte aus dem Erwerb, der Verwaltung und der laufenden Umschichtung von Edelmetallen und einzelnen Finanzinstrumenten. Am […] 2008 beteiligte sich die Klägerin als Kommanditistin an der […] mit Sitz in L. (im Folgenden L. KG) mit einem Anteil von 1000/1001. Weiterer Beteiligter an der L. KG ist die Komplementärin […] (im Folgenden L.-S.) mit einem Anteil von 1/1001 (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Gesellschaftsvertrag der Klägerin […] und den Gründungsvertrag der L.-S. und L. KG <Feststellungsakte für 2008> verwiesen).

Die Klägerin gab am 11. Oktober 2011 eine Erklärung über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2010 ab. Sie ermittelte im Streitjahr 2010 erstmals ihren Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich nach § 5 i.V.m. § 4 Abs. 1 Einkommensteuergesetz (EStG). Sie erklärte laufende Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.H.v. – 58.697,59 € (davon – 22.624,83 € aus dem Wechsel der Gewinnermittlungsart) und laut Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) steuerfreie laufende Einkünfte, für die ein Progressionsvorbehalt in Betracht kommt, i.H.v. – 80.726.789 €. In den ergänzenden Angaben wurde ausgeführt, eine gesonderte Feststellungserklärung für die steuerfreien Einkünfte, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen, sei nicht erforderlich, da an der ausländischen Gesellschaft nur eine deutsche Gesellschaft (die Klägerin) beteiligt sei. Die Feststellung erfolge daher direkt bei der deutschen Gesellschaft.

Der Beklagte – das Finanzamt – führte die Veranlagung ohne Abweichung von der Feststellungserklärung durch und erließ am 4. April 2012 einen entsprechenden Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2010 (Feststellungsbescheid) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 AO.

Am 22. August 2012 ordnete der Beklagte gegenüber der Klägerin eine steuerliche Außenprüfung nach § 193 Abs. 1 AO für den Zeitraum 2007 – 2010 an. Auszugsweise lautete die Anordnung: „Die Außenprüfung erstreckt sich auf: Gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung (§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO), einschl. des Gewerbesteuermessbetrags (§ 35 Abs. 2 EStG) […] Gewerbesteuer (einschl. gesonderte Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes 31.12.) […]“. Außerdem enthielt die Prüfungsanordnung den Hinweis, dass zwei Fachprüfer für Auslandsbeziehungen […] an der Betriebsprüfung teilnehmen (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die in den Akten befindliche Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 verwiesen).

In der vom 24. September 2014 bis 12. Oktober 2015 durchgeführten steuerlichen Außenprüfung vertraten die Betriebsprüfer u.a. die Auffassung, dass die Tätigkeit der ausländischen Gesellschaft, der L. KG, grundsätzlich vermögensverwaltend sei (Betriebsprüfungsbericht vom 12. Oktober 2015 […] für 2010 Tz. 1.12 mit Hinweis auf den Bericht des Fachprüfers für die Prüfung von Auslandsbeziehungen vom 7. Oktober 2015; ebenso Betriebsprüfungsbericht vom 12. Oktober 2015 […] für 2007 bis 2009 Tz. 1.5). Die ausländischen Einkünfte aus dem Goldhandel seien deshalb nicht nach DBA steuerfreie Einkünfte unter dem Progressionsvorbehalt (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht für 2010 vom 12. Oktober 2015 und den Bericht des Fachprüfers vom 7. Oktober 2015 verwiesen).

Bereits im Rahmen der Betriebsprüfung und auch nach deren Abschluss wurden intensiv die unterschiedlichen Rechtsansichten zwischen der Klägerin und dem Beklagten und dem Landesamt für Steuern (BayLfSt) ausgetauscht. Außerdem wandte sich die Klägerin […] an das Bayerische Staatsministerium der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat (BayFM). Das BayFM vertrat in seinem Antwortschreiben […] die Auffassung, dass die Angabe „gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung“ eine hinreichende Bestimmung des Prüfungsgegenstandes sei. Hiervon sei auch die Feststellung der dem Progressionsvorbehalt unterliegenden ausländischen Einkünfte umfasst, denn diese seien zweifellos Grundlagen für die Einkommensbesteuerung. Der Mindestumfang für die Außenprüfung ergäbe sich bereits aus den für die Jahre 2007 bis 2010 ergangenen Bescheiden, die sowohl eine Feststellung der Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO als auch nach § 180 Abs. 5 AO enthalte. Die Nennung der gesetzlichen Grundlage sei für die Wirksamkeit einer Prüfungsanordnung nicht erforderlich. Der im Klammerzusatz angegebene Hauptanwendungsfall der gesonderten und einheitlichen Feststellung sei als nähere, wenngleich in diesem Fall ggf. nicht vollständige, Begründung zu verstehen, die keinerlei Rechtswirkung entfalte. Selbst wenn man davon ausginge, dass durch den Klammerzusatz Zweifel an der Bestimmtheit des Verwaltungsaktes bestünden, müssten diese Zweifel durch Auslegung behoben werden. Bei verständiger Würdigung des Wortlauts der Prüfungsanordnung hätten die Betroffenen nicht davon ausgehen können, dass das Finanzamt die Außenprüfung nur auf einen Teil der gesonderten und einheitlichen Feststellung, nämlich lediglich auf die erklärten inländischen Einkünfte, habe beschränken wollen, zumal zu diesem Zeitpunkt die steuerliche Behandlung der Goldhandelstätigkeiten intensiv und vollumfänglich diskutiert worden sei. Wegen der Ausführungen im Einzelnen wird auf die beiden Schreiben verwiesen (Bl. 22ff und 42ff FG-Akte).

Mit Bescheid vom 4. November 2016 änderte der Beklagte den Feststellungsbescheid vom 4. April 2012 nach § 164 Abs. 2 AO und legte dabei die Auffassung aus dem Betriebsprüfungsbericht vom 12. Oktober 2015 zu Grunde. Der Beklagte stellte die Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 984.813,19 € fest (davon laufende inländische Einkünfte – 984.813,19 €). Eine Aussage zu nach DBA steuerfreien Einkünften, die als laufende Einkünfte dem Progressionsvorbehalt unterfallen, enthielt dieser Bescheid nicht. Außerdem wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Gegen diesen Feststellungsbescheid vom 4. November 2016 erhob die Klägerin Einspruch; über den Einspruch ist noch nicht entschieden.

Am 26. September 2017 erging ein weiterer Änderungsbescheid nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 AO. Die nach DBA steuerfreien Einkünfte wurden mit 0 € festgestellt. In den Begründungen dieses Feststellungsbescheides für 2010 wurde ausgeführt, dass der Betriebsprüfungsbericht vom 12. Oktober 2015 für das Jahr 2010 bislang noch nicht vollständig ausgewertet worden sei. Der Bescheid vom 4. November 2016 enthalte keine Angaben zu den laufenden Einkünften, die dem Progressionsvorbehalt unterliegen. Hierbei handele es sich um einen eigenständigen Verwaltungsakt gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO. Die Änderung erfolge gemäß § 164 Abs. 2 AO und der Vorbehalt der Nachprüfung werde auch hinsichtlich dieses Verwaltungsaktes aufgehoben.

Die Klägerin erhob auch gegen diesen Feststellungsbescheid vom 26. September 2017 Einspruch und beantragte Aussetzung der Vollziehung. Über den Einspruch hat der Beklagte noch nicht entschieden. Aussetzung der Vollziehung wurde gewährt. Der Beklagte vertrat im Rechtsbehelfsverfahren die oben dargestellte Auffassung des BayFM. Weiter war der Beklagte der Auffassung, der Umstand, dass in der Prüfungsanordnung für die Folgejahre vom 19. Oktober 2016 als Prüfungsgegenstand ausdrücklich die „einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO der nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte, die bei der Festsetzung der Steuer von Bedeutung sind“ genannt werde, diene lediglich der Vermeidung von Missverständnissen durch explizite Klarstellung. Daraus könne nicht geschlossen werden, dass in zuvor ergangenen Prüfungsanordnungen die Feststellung nach § 180 Abs. 5 AO nicht in dem Ausdruck „gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensbesteuerung“ umfasst gewesen wäre (vgl. Rb-Akte Bl 95).

Gegen diesen Feststellungsbescheid vom 26. September 2017 richtet sich die als Untätigkeitsklage erhobene Klage in dem vorliegenden Verfahren (Az. 12 K 254/18). Zur Begründung der Klage wird im Wesentlichen vorgetragen, eine Änderung oder Aufhebung der Feststellung der nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte, für die ein Progressionsvorbehalt in Betracht komme, sei im Jahr 2017 nicht mehr zulässig gewesen. Deshalb sei der Änderungsbescheid vom 26. September 2017 nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Nr. 1 AO rechtswidrig. Denn die mit Ablauf des Jahres 2011 beginnende Feststellungsfrist habe mit Ablauf des Jahres 2015 geendet und eine Ablaufhemmung für diese Besteuerungsgrundlage sei nicht eingetreten. Der Fristablauf sei auch nicht nach § 171 Abs. 4 AO durch die Außenprüfung gehemmt gewesen, da sich die Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 ausschließlich auf die Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO bezogen und damit den eigenständigen Verwaltungsakt nach § 180 Abs. 5 AO nicht berührt habe. Eine Außenprüfung könne nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO auf bestimmte Sachverhalte beschränkt werden. Das sei hier der Fall gewesen. Eine Auslegung oder Umdeutung der Prüfungsanordnung in der Form, dass diese auch die Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO umfasst habe, sei nicht möglich. Es entspräche dem Gebot der Rechtssicherheit, Rechtskundige beim Wort zu nehmen. Auch die Finanzverwaltung sei als rechtskundig anzusehen. Dass die Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 eine Beschränkung des sachlichen Umfangs der Außenprüfung beinhaltet habe, würde die Prüfungsanordnung für die Anschlussprüfung der Folgejahre vom 19. Oktober 2016 belegen, in der ausdrücklich die einheitliche und gesonderte Feststellung nach § 180 Abs. 5 AO benannt worden sei. Die Erläuterung des Beklagten, § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO sei in späteren Prüfungsanordnungen lediglich zur Vermeidung künftiger Irritationen aufgenommen worden, gehe fehl. Der Beklagte verkenne die Differenzierung in § 180 Satz 1 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO und § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO als eigenständige Verwaltungsakte. Ausgangspunkt jeder Auslegung sei der Wortsinn. Die Prüfungsanordnung habe eine genauere Beschreibung des Prüfungsumfangs in Form des Klammerzusatzes enthalten. Diese Einschränkung könne nicht gegen den Wortlaut weginterpretiert werden. Auch das Argument des Beklagten, bei verständiger Würdigung der Prüfungsanordnung habe die Klägerin nicht davon ausgehen können, dass lediglich inländische Einkünfte geprüft würden, überzeuge nicht. Denn die Finanzverwaltung habe bis zur Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) im Verfahren IV R 50/14 (BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 IV R 50/14, BStBl II 2017, 456) die Meinung vertreten, dass in vergleichbaren Fällen ausschließlich Einkünfte aus privater Vermögensverwaltung und damit inländische Einkünfte vorlägen. Die Klägerin habe daher sehr wohl davon ausgehen können, dass die Finanzverwaltung lediglich die Prüfung inländischer Einkünfte beabsichtige. Die Klägerin habe den Beklagten während der Betriebsprüfung bereits frühzeitig auf die nichtzutreffende Prüfungsanordnung hingewiesen und um Klarstellung gebeten (vgl. Einspruchsschreiben vom 9. Oktober 2017, Seite 8 als Anlage 2 zur Klageschrift vom 23. Januar 2018; FG-Akte Bl 20). Eine solche sei nicht erfolgt. Der Beklagte sei sich bei Erlass des Änderungsbescheids über dessen Rechtswidrigkeit im Klaren gewesen. Gleichwohl habe er sich über die rechtlichen Hindernisse hinweggesetzt, um das gewünschte Ergebnis zu erzielen.

Da der Beklagte bis zum heutigen Tage keine Einspruchsentscheidung erlassen habe, lägen auch die Voraussetzungen einer Untätigkeitsklage i.S.d. § 46 Finanzgerichtsordnung (FGO) vor. Die Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz sei in angemessener Zeit nicht eingetreten. Es werde ausschließlich um eine Entscheidung über den begründeten Zweifel aus dem Einspruch vom 9. Oktober 2017 gebeten. Zwar seien im Rahmen der Außenprüfung mehrere Sachverhalte aufgegriffen worden, über die Streit bestehe. Gegen die geänderten Festsetzungen, die auf diesen Streitpunkten basieren würden, sei jedoch gesondert Einspruch eingelegt worden, diese seien gerade nicht Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens. Eine Thematisierung dazu werde nicht gewünscht.

Zwar werde gegen einen Geschäftsführer einer mittelbaren Geschäftsführungsgesellschaft eine Fahndungsprüfung durchgeführt, der Gegenstand der Ermittlungen träfe jedoch auf die Klägerin nicht zu, so dass auch insoweit keine thematische Auseinandersetzung gewünscht und angestrebt werde. Es werde darauf hingewiesen, dass gegen die Klägerin weder ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei noch nach aktuellen gerichtlichen Einschätzungen eine Beurteilung als Steuerstraftat zu erwarten sei. Dennoch beharre der Beklagte darauf, möglicherweise in der Zukunft ein solches Verfahren zu eröffnen und nehme die Entscheidung schon einmal vorweg, um sich auf eine verlängerte Festsetzungsfrist berufen zu können. Das Vorliegen einer Steuerstraftat eröffne ggf. eine neue verfahrensrechtliche Änderungsmöglichkeit von bestehenden Veranlagungen. Es schließe jedoch nicht die Umdeutung einer nichtzutreffenden Änderungsnorm in eine korrekte ein.

Die Kläger hat inzwischen von ihrem ursprünglichen weiteren Begehren, festzustellen, dass der Bescheid für 2010 vom 26. September 2017 nichtig ist, Abstand genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid gemäß § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO für 2010 vom 26. September 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betreffend die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte aufzuheben,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beigeladene zu 1 und die Beigeladene 2 haben sich der Anfechtungsklage der Klägerin angeschlossen und dies umfangreich begründet (Beigeladene zu 1: Schriftsatz vom 22. Juli 2024, Nr. 764; Beigeladene zu 2: Schriftsatz vom 22. Juli 2024, Nr. 760). Insbesondere wird darauf hingewiesen, dass die Auslegung der Prüfungsanordnung ergibt, dass die Prüfung der Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO nicht Gegenstand des Verwaltungsaktes ist (Nr. 764, Seite 4) und der Beklagte beim Erlass der Prüfungsanordnung nicht den Willen hatte, auch die Prüfung der Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO zu regeln (Nr. 760, Seite 11).

Die Beigeladenen zu 1 und zu 2 beantragen jeweils, den Bescheid gem. § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO für 2010 vom 26. September 2017 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betreffend die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte aufzuheben,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Untätigkeitsklage unzulässig sei. Er habe der Klägerin vor der Klageerhebung mitgeteilt, dass ein zureichender Grund für die Nichtentscheidung vorliege. Am 30. November 2017 sei der Klägerin mitgeteilt worden, dass die Prüfungsberichte geändert werden müssten (Rb-Akte Bl 93-95) und am 13. März 2018 sei der geänderte Prüfungsbericht des Fachprüfers versendet worden. Am 15. November 2018 habe durch die Steuerfahndung eine Durchsuchung stattgefunden mit dem Ziel, die Betriebsstätte in L. zu überprüfen. In der Stellungnahme des Finanzamts an das Gericht vom 29. Januar 2020 habe dies das Finanzamt mitgeteilt. Erst mit Schreiben vom 20. April 2020 habe die Klägerin erstmals eine Untätigkeitsklage als Hilfsantrag formuliert und erst seit dem 22. März 2022 verfolge die Klägerin eine Untätigkeitsklage in der Hauptsache. Nachdem die Klägerin davor eine Feststellungsklage verfolgt habe, könne insoweit keine Untätigkeit des Finanzamts vorliegen.

Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach §§ 179, 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO auch die die Prüfung der nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte i.S. des Abs. 5 Nr. 1 AO einschließe. Nach der Rechtsprechung des BFH könne ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen würden. Diese Verwaltungsakte würden im Bescheid lediglich äußerlich auf einem Dokument zusammengefasst. Auch für die Klägerin seien mehrere Verwaltungsakte im Rahmen der gesonderten und einheitlichen Feststellung (§ 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO) ergangen, z.B. hinsichtlich des Gewerbesteuermessbetrags und der tatsächlich zu zahlenden Gewerbesteuer nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO i.V.m. § 35 Abs. 2 Satz 1 EStG oder hinsichtlich der anzurechnenden Steuerabzugsbeträge (hier Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag) nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 Nr. 2 AO. Weitere Feststellungen seien insbesondere auch die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des Gesamtgewinns, des laufenden Gewinns oder Verlustes sowie die Verteilung auf die Mitunternehmer, das Vorliegen und die Höhe des von einem Mitunternehmer erzielten Gewinns aus der Veräußerung seines Mitunternehmeranteils oder die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung. Die Aufzählung sei keineswegs abschließend. Es würde den Rahmen eines Steuerbescheids und auch einer Prüfungsanordnung sprengen, jeden einzelnen Verwaltungsakt samt Gesetzesgrundlage zu nennen. Mit solch exorbitanten Ausführungen wäre niemandem gedient. Der Regelungsgehalt der Prüfungsanordnung sei daher mittels Auslegung zu ermitteln. Aus der Prüfungsanordnung werde deutlich, dass Grundlagen der Einkommensbesteuerung, welche gesondert und einheitlich festgestellt werden, geprüft werden sollten. Der Begriff Grundlagen der Einkommensbesteuerung sei allgemein gehalten, da er eine Vielzahl von eigenständigen Verwaltungsakten und auch die nach DBA ausgenommenen Einkünfte umfasse. Diese Einkünfte unterlägen dem Progressionsvorbehalt und nähmen daher entscheidenden Einfluss auf die Höhe des Steuersatzes der Feststellungsbeteiligten. Somit ergebe sich bereits aus dem Wortlaut der Prüfungsanordnung, dass nicht nur die in § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO genannten Einkünfte Gegenstand der Außenprüfung seien, sondern alle Besteuerungsgrundlagen, die Einfluss auf die Einkommensbesteuerung haben. Außerdem seien die nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 AO festzustellenden Werte im Rahmen der Erklärung zur einheitlichen und gesonderten Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung und der Eigenheimzulage zu erklären. Dies sei im Streitfall auch erfolgt. Auch der Feststellungsbescheid vom 4. April 2012 enthalte Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a i.V.m. Abs. 5 AO. Auch im Hinblick auf die immense steuerliche Auswirkung der Feststellung habe die Klägerin davon ausgehen müssen, dass diese einer Überprüfung unterzogen werden würde. Dass sie dies auch getan habe, zeige ihr Verhalten während der Außenprüfung, in der die Aktivitäten ihrer l.ischen Tochtergesellschaft intensiv diskutiert worden seien. Im Übrigen seien weder die Klägerin noch die Finanzverwaltung davon ausgegangen, dass die Klägerin lediglich inländische Einkünfte aus Vermögensverwaltung erzielt habe. Die nunmehrige detailliertere Nennung in Prüfungsanordnungen diene lediglich der absoluten Klarstellung, sei aber im Grunde redundant. Die Bezeichnung in der Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 sei nicht missverständlich gewesen. Wie die Klägerin sie tatsächlich verstanden habe, sei völlig irrelevant. Derzeit sei die Finanzverwaltung noch damit befasst, den Sachverhalt zu ermitteln. Es würde eine Steuerfahndungsprüfung durchgeführt. Frühestens nach Abschluss dieser Maßnahme könne eine umfassende rechtliche Würdigung erfolgen. Zwar sei die zu beurteilende Feststellung unabhängig davon, ob auf Grund einer Steuerstraftat möglicherweise eine verlängerte Feststellungsfrist gelte, innerhalb der für sie geltenden Feststellungsfrist ergangen. Die Frage sei allenfalls hilfsweise relevant, falls das Gericht der Meinung der Finanzverwaltung nicht folge. In Bezug auf materielles Recht könnten sich jedoch durch die derzeit sattfindende Fahndungsprüfung durchaus Änderungen ergeben.

Während des Klageverfahrens 12 K 254/18 erließ der Beklagte am 29. Dezember 2021 zwei Änderungsbescheide über die gesonderten und einheitlichen Feststellungen für 2010: Im ersten Änderungsbescheid vom 29. Dezember 2021 mit Feststellungen nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO stellte er nach DBA steuerfreie ausländische Einkünfte in Höhe von 0 € fest. Im zweiten Änderungsbescheid vom 29. Dezember 2021 mit Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO stellte der Beklagte Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 106.799,59 € fest. Der erste Änderungsbescheid vom 29. Dezember 2021 mit den Feststellungen nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO wurde vom Beklagten mit Bescheid vom 18. April 2024 wieder aufgehoben. Die Hauptbeteiligten haben den insoweit geführten Rechtsstreit (wegen Feststellung der Nichtigkeit des Bescheides vom 29. Dezember 2021) in der Hauptsache für erledigt erklärt (Beschluss vom 27. Mai 2024, Az. 12 K 2380/23; Dok-Nr. 674 und 742).

Das vorliegende Klageverfahren 12 K 254/18 wurde mit Beschluss vom 25. März 2022 gemäß § 74 FGO ausgesetzt. Die Aussetzung wurde u.a. damit begründet, dass der angefochtene Feststellungsbescheid 2010 vom 26. September 2017 Folgebescheid eines vom Beklagten angekündigten Grundlagenbescheids ist. Mit Bescheid vom 18. November 2022 hat der Beklagte für die L. KG diesen angekündigten Grundlagenbescheid erlassen und gesondert und einheitlich Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO und nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO (nach DBA steuerfreie ausländische Einkünfte) für 2010 festgestellt. Dieser Feststellungsbescheid für die L. KG für 2010 wurde vom Beklagten in Auswertung des strafrechtlichen Ermittlungsberichts vom 15. November 2021 (ANr. 332/21) und des Berichts über die Außenprüfung bei der L. KG (ANr. 238/21) erlassen (Feststellungserklärungen für die L. KG waren nie eingereicht worden). Auf die Klägerin wurden Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von – 48.102,00 € und nach DBA steuerfreie ausländische Einkünfte in Höhe von 0,00 € zugerechnet. Gegen diesen Feststellungbescheid erhob die Klägerin Einspruch. Auf Antrag der Klägerin wurde das Klageverfahren 12 K 254/18 mit Beschluss vom 5. Oktober 2023 wieder aufgenommen.

Im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz gegen den Feststellungsbescheid für 2010 vom 18. November 2022 für die L. KG gewährte der Senat mit Beschluss vom 27. Oktober 2023 (Az. 12 V 1784/23) Aussetzung der Vollziehung für die Dauer des Einspruchsverfahrens mit der Maßgabe, dass vorläufig bis zur rechtskräftigen Entscheidung im Hauptverfahren davon auszugehen ist, dass der Feststellungsbescheid als aufgehoben gilt. Der Senat begründete die Aussetzung der Vollziehung damit, dass die Voraussetzungen der gesonderten und einheitlichen Feststellung für die L. KG nicht gegeben sind.

Mit Beschluss vom 13. Dezember 2023 wurde das vorliegende Klageverfahren 12 K 254/18 erneut gemäß § 74 FGO ausgesetzt mit der Begründung, dass der in diesem Verfahren angefochtene Feststellungsbescheid für 2010 vom 26. September 2017 Folgebescheid des von der Klägerin mit Einspruch angefochtenen Feststellungsbescheids für die L. KG für 2010 vom 18. November 2022 ist. Mit Bescheid für 2010 vom 15. März 2024 (Nr. 625) hat der Beklagte den Feststellungsbescheid für 2010 vom 18. November 2022 für die L. KG gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgehoben. Dieser Aufhebungsbescheid ist bestandskräftig geworden. Der Beklagte orientierte sich mit diesem Aufhebungsbescheid an dem Senatsbeschluss vom 27. Oktober 2023 (Az. 12 V 1784/23). Mit Beschluss vom 14. Mai 2024 wurde das vorliegende Klageverfahren 12 K 254/18 erneut aufgenommen.

Mit Beschluss vom 12. Juni 2024 wurden die B-KG (Beigeladene zu 1) und die C-GmbH (Beigeladene zu 2) notwendig zum Verfahren beigeladen.

Mit Urteil vom 22. November 2022 (Az. 12 K 518/22) entschied der Senat, dass der Bescheid für 2010 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen vom 4. November 2016 keinen negativen Feststellungsbescheid hinsichtlich der nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO zu treffenden Feststellungen enthält. Das Urteil ist nach der erfolglosen Nichtzulassungsbeschwerde des Beklagten rechtskräftig (BFH-Beschluss vom 6. September 2023 I B 73/22).

Am 27. Juli 2021 (Nr. 78), 19. Oktober 2021 (Nr. 150), 16. November 2021 (Nr. 221) und 22. März 2022 (Nr. 384) fanden mündliche Verhandlungen in dem vorliegenden Klageverfahren statt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Protokolle verwiesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die ausgetauschten Schriftsätze und das Protokoll über die mündliche Verhandlung am 30. Juli 2024 verwiesen.

II. Die zulässige Klage ist begründet.

1. Die mit Schriftsatz vom 23. Januar 2018 als Feststellungsklage erhobene und spätestens am 22. März 2022 auf eine – mit Zustimmung des Beklagten – umgestellte Klage (vgl. Protokoll vom 22. März 2022, Seite 7; Nr. 384) ist als Untätigkeitsklage (§ 46 FGO) zulässig.

Nach § 44 Abs. 1 FGO ist in Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf gegeben ist, eine Klage beim FG regelmäßig nur nach erfolgloser Durchführung des Vorverfahrens über jenen Rechtsbehelf zulässig. Ist aber über einen außergerichtlichen Rechtsbehelf ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden, so ist die Klage ohne vorherigen Abschluss des Vorverfahrens zulässig (§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine solche „Untätigkeitsklage“ hat die Klägerin im Streitfall spätestens am 22. März 2022 erhoben.

§ 46 Abs. 1 Satz 1 FGO verlangt die Mitteilung eines zureichenden Grundes für das Ausbleiben der Rechtsbehelfsentscheidung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist vor der Klageerhebung (Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz.16 [April 2021]). Eine besondere Form ist für die Mitteilung des Grundes für die Verzögerung in § 46 Abs. 1 FGO nicht vorgeschrieben. Sie muss deshalb nicht notwendig schriftlich erfolgen. Ein zureichender Grund kann in der Durchführung einer regulären Außenprüfung oder Steuerfahndungsprüfung liegen, wenn umfangreiche Sachverhaltsermittlungen notwendig sind, die sich sachgerecht nicht an Amtsstelle durchführen lassen, und die Prüfung zeitnah angesetzt wird (BFH-Beschluss vom 9. April 1968 I B 48/67, BFHE 92, 170, BStBl II 1968, 471; von Beckerath in Gosch, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 106.4 und 133 [Jan. 2018]).

Die angeführten Tatbestandsvoraussetzungen des § 46 FGO brauchen dabei erst im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung erfüllt zu sein. Die Klage kann also in die Zulässigkeit hineinwachsen (ständige Rechtsprechung; vgl. nur BFH-Urteile vom 29. Oktober 1981 I R 89/80, BFHE 134, 245, BStBl II 1982, 150; vom 28. September 1990 VI R 98/89, BFHE 162, 414, BStBl II 1991, 363; vom 19. April 2007 V R 48/04, BFHE 217, 194, BStBl II 2009, 315; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 6 [April 2021] m.w.N.).

Liegt zunächst ein zureichender Grund vor, muss die Behörde sicherstellen, dass sie vom Wegfall dieses Grundes erfährt, damit sie innerhalb angemessener Frist entscheiden kann. Im Übrigen muss sie das in ihrer Macht Stehende tun, den Grund zu beseitigen. Sie muss alle Möglichkeiten ausschöpfen, die dazu beitragen, dass das Vorverfahren abgeschlossen werden kann (BFH-Beschluss vom 13. Mai 1971 V B 61/70, BFHE 102, 31, BStBl II 1971, 492; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 15 [April 2021]). Fällt der zureichende Grund weg, beginnt nicht etwa die Sechsmonatsfrist von Neuem zu laufen (BFH-Beschluss vom 22. September 1967 VI B 19/67, BFHE 90, 274, BStBl II 1968, 61), sondern es verbleibt der Behörde nur noch eine vom Einzelfall abhängige angemessene Frist, innerhalb welcher zu entscheiden ist (so auch von Beckerath in Gosch, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 140 [Jan. 2018]; Steinhauff in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 167 [Okt. 2023]; Gräber/Teller, FGO, 9. Aufl. 2019, § 46 Rz. 20; Krumm in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 46 FGO Rz. 18 [April 2021]).

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Untätigkeitsklage zulässig. Denn – selbst wenn man eine Klageerhebung für die Untätigkeitsklage erst am 22. März 2022 annehmen wollte – sind die beiden der Klägerin vor diesem Zeitpunkt mitgeteilten Gründe, weshalb im Streitfall noch keine Einspruchsentscheidung ergehen konnte, auf jeden Fall inzwischen durch Zeitablauf entfallen. Der erste Grund für eine Nichtentscheidung über den Einspruch, dass eine Änderung des Berichts der Fachprüfer und des Betriebsprüfungsberichts erfolgen soll, wurde im Schreiben des Finanzamts vom 30. November 2017 (Rb-Akte Bl 95) an den Klägervertreter [… X-Man] mitgeteilt. Nach Auffassung des Senats ist aber bereits zweifelhaft, ob die Mitteilung, dass geänderte Prüfungsberichte noch nicht erstellt werden können (vgl. FA-Schreiben vom 4. Januar 2022, Seite 2 u.; Nr. 282), einen zureichenden Grund darstellt. Der weitere Grund für eine Nichtentscheidung, dass noch die Ergebnisse der Steuerfahndung abgewartet werden müssen, wurde der Klägerin am 9. Januar 2020 mitgeteilt (vgl. Protokoll vom 27. Juli 2021, Seite 3; Nr. 78). Diese beiden mitgeteilten Gründe sind inzwischen durch Zeitablauf entfallen. Der Beklagte hat selbst vorgetragen, dass der geänderte Bericht des Fachprüfers am 13. März 2018 an die Klägerin versendet wurde (FA-Schreiben vom 2. August 2024, Seite 5, Nr. 779); damit behauptet der Beklagte selbst, dass dieser Grund entfallen ist. Dass die Klägerin vorträgt, dass sie diesen Bericht vom 13. März 2018 nicht erhalten hat (Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 6. August 2024, Seite 2), tut in diesem Zusammenhang nichts zur Sache; im Übrigen befindet sich dieser geänderte Bericht auch nicht in den vorgelegten Akten. Die Berichte vom 15. November 2021 nach der durchgeführten Steuerfahndung wurden vom Beklagten mit dem Feststellungsbescheid für 2010 vom 18. November 2022 für die L. KG ausgewertet. Zwischenzeitlich wurde sogar der Feststellungsbescheid für die L. KG auch wieder am 15. März 2024 aufgehoben. Nach Auffassung des Senats ist seit Ende November 2022 eine ausreichende Zeitspanne verstrichen, in der der Beklagte über den Einspruch hätte entscheiden können. Auch der Umstand, dass die Klägerin zu Beginn des Rechtsstreits eine Klage auf Feststellung der Nichtigkeit des Bescheids vom 26. September 2017 verfolgt hatte, entbindet die Beklagte nicht von der Verpflichtung, über den Einspruch zu entscheiden. Dies gilt insbesondere deshalb, weil die Untätigkeitsklage spätestens am 22. März 2022 erhoben war und erst danach die Berichte nach der Steuerfahndung ausgewertet wurden. Der Senat kann deshalb nicht erkennen, wieso bis zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Einspruchsentscheidung nicht hätte nachgeholt werden können. Ebenso wie eine Arbeitsbelastung durch andere Klagen entbinden auch die vom Beklagten angeführten Verhandlungen über eine außergerichtliche Erledigung des Rechtsstreits, die nach seiner Darstellung bis zum 31. Juli 2024 geführt wurden (FA-Schreiben vom 2. August 2024, Seite 12; Nr. 779), nicht vom Erlass einer Einspruchsentscheidung im Streitfall. Im Übrigen wurden diese weiteren Gründe für eine Nichtentscheidung über den Einspruch erst nach Erhebung der Untätigkeitsklage und damit zu spät vorgetragen.

Da der Beklagte der (sachdienlichen) Klageänderung in die Untätigkeitsklage bereits mit Schreiben vom 4. Januar 2022 sowie in der mündlichen Verhandlung am 22. März 2022 zugestimmt hat (Protokoll vom 22. März 2022, Seite 7; Nr. 384; außerdem FA-Schreiben Nr. 282, Seite 2), ist das Gericht überrascht, dass der Beklagte kurz vor dem Termin am 6. August 2024 Zweifel an der Zulässigkeit der Untätigkeitsklage äußert. Zu Recht verfolgt die Klägerin die Untätigkeitsklage als alleinige Klage in diesem Verfahren weiter (Protokoll vom 22. März 2022, Seite 7).

2. Die zulässige Untätigkeitsklage ist auch begründet. Im Streitfall durfte der Beklagte den Änderungsbescheid vom 26. September 2017 über die Feststellung der nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte für 2010 nicht mehr erlassen, da zu diesem Zeitpunkt bereits Feststellungsverjährung eingetreten war.

a) Nach § 169 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO ist eine gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen, ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr zulässig, wenn die Feststellungsfrist abgelaufen ist. Nach § 164 Abs. 4 Satz 1 AO entfällt der Vorbehalt der Nachprüfung, wenn die Festsetzungsfrist (Feststellungsfrist) abgelaufen ist. Die Feststellungsfrist beträgt vier Jahre (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO). Sie beginnt tatsächlich (§ 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 181 Abs. 1 Satz 1 AO), wenn eine Feststellungserklärung abzugeben ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Feststellungserklärung eingereicht wird, demnach im Streitfall 2011. Danach ist die Feststellungsfrist im Streitfall mit Ablauf des 31. Dezember 2015 regulär abgelaufen.

b) Im Streitfall war für die Feststellungsfrist keine Ablaufhemmung eingetreten; demgemäß endete die Feststellungsfrist auch tatsächlich mit Ablauf des 31. Dezembers 2015. Der Ablauf der Feststellungsfrist war nicht nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gehemmt. Diese Vorschrift ist gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 AO auf das Feststellungsverfahren sinngemäß anzuwenden.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist der Eintritt der Hemmung nach § 171 Abs. 4 AO davon abhängig, dass die Außenprüfung aufgrund einer wirksamen Prüfungsanordnung (§ 196 AO) durchgeführt wird. Eine wirksame Prüfungsanordnung bildet den Rahmen für den Eintritt der Hemmungswirkung und bestimmt in persönlicher wie in sachlicher Hinsicht deren Reichweite. Eine unwirksame (nichtige) Prüfungsanordnung löst eine Hemmungswirkung nicht aus. Als Verwaltungsakt muss die Prüfungsanordnung inhaltlich hinreichend bestimmt sein (§§ 197 Abs. 1 Satz 1, 119 Abs. 1 AO). Die Prüfungsanordnung muss außerdem den Gegenstand der Prüfung klar und eindeutig bezeichnen (§§ 196, 194 Abs. 1 Satz 2 AO). In sachlicher Hinsicht erstreckt sich die Hemmungswirkung grundsätzlich nur auf die in der Prüfungsanordnung bestimmten Prüfungsgegenstände (§ 171 Abs. 4 Satz 1 AO: „Steuern, auf die sich die Außenprüfung erstreckt“; vgl. zuletzt etwa BFH-Urteil vom 18. Mai 2017 III R 20/14, BFHE 259, 188, BStBl II 2017, 1167). Mögliche Gegenstände einer Außenprüfung sind nach § 194 Abs. 1 Satz 2 AO vor allem bestimmte Steuerarten (dazu Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 194 AO Rz. 40 [Feb. 2011]; Seer in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 196 AO Rz. 29 [Aug. 2019]), Besteuerungszeiträume oder bestimmte Sachverhalte (dazu Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 194 AO Rz. 65 [Feb. 2011]: einzelne Besteuerungsgrundlagen im Rahmen einer bestimmten Einkunftsart). Wird die Außenprüfung wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für einen bestimmten Feststellungszeitraum angeordnet, erstreckt sie sich auf alle Besteuerungsgrundlagen, die Inhalt des Feststellungsbescheids sein können (Steinhauff, AO-StB 2021, 215, 216 Anm. zu BFH v. 27.10.2020 – IX R 16/19). Eine Prüfungsanordnung kann auch auf einzelne abtrennbare Aspekte des Streitfalles beschränkt werden; jedoch tritt dann nur insoweit Ablaufhemmung gem. § 171 Abs. 4 AO ein (BFH-Beschluss vom 3. Februar 2003 VIII B 39/02, BFH/NV 2003, 1028; BFH-Urteil vom 27. Oktober 2020 IX R 16/19, BFH/NV 2021, 813 Rz. 16 und 18; Frotscher in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 171 AO Rz. 116 [Nov. 2022]). Danach kann eine Außenprüfung z.B. auch auf die Frage beschränkt werden, ob der Steuerpflichtige einen Gewerbebetrieb unterhält oder Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1990 VIII R 45/88, BFHE 163, 98, BStBl II 1991, 278). Dann tritt auch nur insoweit Ablaufhemmung ein (vgl. BFH-Beschluss vom 3. Februar 2003 VIII B 39/02, BFH/NV 2003, 1028). Bei sinngemäßer Anwendung dieser Vorschriften auf das Feststellungsverfahren kommt eine Außenprüfung vor allem wegen bestimmter Besteuerungsgrundlagen in Betracht (vgl. § 194 Abs. 1 Satz 3 AO: „die zu überprüfenden einheitlichen Feststellungen“; BFH-Urteil vom 4. April 1989 VIII R 265/84, BFHE 156, 371, BStBl II 1989, 593). Wird die Außenprüfung (ohne sachliche Einschränkung) wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für einen bestimmten Feststellungszeitraum angeordnet, erstreckt sie sich auf alle Besteuerungsgrundlagen, die Inhalt des Feststellungsbescheids sein können. Nach ständiger Rechtsprechung kann etwa ein Gewinnfeststellungsbescheid eine Vielzahl selbständiger und damit auch selbständig anfechtbarer Feststellungen enthalten, die eigenständig in Bestandskraft erwachsen und deshalb für die in dem nämlichen Bescheid getroffenen und rechtlich nachgelagerten Feststellungen Bindungswirkung entfalten können. Solche selbständigen Feststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des laufenden Gesamthandsgewinns sowie dessen Verteilung auf die Mitunternehmer und die Höhe eines Sondergewinns bzw. einer Sondervergütung (BFH-Urteil vom 2. Oktober 2018 IV R 24/15, BFH/NV 2019, 516). Zwar hat die Rechtsprechung die rechtliche Selbständigkeit der jeweiligen Besteuerungsgrundlagen bisher in erster Linie in Bezug auf die Bestandskraft bejaht. Für die Teilverjährung kann jedoch nichts anderes gelten (vgl. insbesondere BFH-Urteil vom 27. Oktober 2020 IX R 16/19, BFHE 271, 305, BStBl II 2023, 95, m.w.N.; vgl. auch BFH-Urteile vom 12. Dezember 2013 IV R 33/10, BFH/NV 2014, 665, Rz. 38, und vom 12. April 2016 VIII R 24/13, BFH/NV 2016, 1537, Rz. 23). Voraussetzung dafür ist dann jedoch, dass die Prüfung von vornherein auf bestimmte Besteuerungsgrundlagen beschränkt worden ist (BFH-Urteil in BFHE 271, 305, BStBl II 2023, 95). Nur wenn die Außenprüfung (ohne sachliche Einschränkung) wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für einen bestimmten Feststellungszeitraum angeordnet wurde, erstreckt sie sich auf alle Besteuerungsgrundlagen, die Inhalt des Feststellungsbescheids sein können (BFH-Urteil in BFHE 271, 305, BStBl II 2023, 95, Rz. 18).

b) Nach diesen Grundsätzen führte die Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 zu keiner Hemmung der Feststellungsverjährung für die Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO betreffend die nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte unter Progressionsvorbehalt.

Die Beteiligten gehen zutreffend davon aus, dass Feststellungen nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO und § 180 Abs. 5 AO rechtlich selbständige Feststellungen sind, die in einem kombinierten Feststellungsbescheid faktisch zusammengefasst werden können, aber nicht müssen. § 180 Abs. 5 AO betrifft die gesonderte Feststellung von steuererheblichen Sachumständen außerhalb des Bereichs der „(steuerpflichtigen) Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende(n) andere(n) Besteuerungsgrundlagen“ (Brandis in Tipke Kruse, AO FGO, § 180 AO Rz. 102 [Mai 2023] m.w.N.; BFH-Beschluss vom 4. April 2007 I R 110/05, BFHE 217, 535, BStBl II 2007, 521; BFH-Urteile vom 28. November 2019 IV R 43/16, BFH/NV 2020, 511, Rn. 20; vom 21. Februar 2017 VIII R 46/13, BFHE 257, 198, BStBl II 2017, 745, Rn. 26). Dabei betrifft § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO Sachumstände, die für die Bemessung des Steuersatzes („steuerfreie Einkünfte“) von Bedeutung sind (Brandis in Tipke Kruse, AO FGO, § 180 AO Rz. 102 [Mai 2023] m.w.N.), konkret: die nach einem DBA von der (inländischen) Bemessungsgrundlage ausgenommenen (ausländischen) Einkünfte (Freistellungsmethode ohne nationale Rückfallklausel), soweit sie bei der inländischen Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen dennoch von Bedeutung sind (Brandis in Tipke Kruse, AO FGO, § 180 AO Rz. 103 [Mai 2023] m.w.N.).

Verwaltungsakte – und dazu zählt auch die im Streitfall vorliegende Prüfungsanordnung vom 22. August 2021 – sind unter Heranziehung des Rechtsgedankens von §§ 133 und 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen (Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 118 FGO Rz. 210 ff. [Nov. 2023] m.w.N.). Dabei ist der objektive Erklärungsinhalt der Regelung maßgeblich, wie ihn der Steuerpflichtige nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte. Im Zweifelsfalle ist das den Betroffenen weniger belastende Auslegungsergebnis vorzuziehen (BFH-Urteile vom 23. August 2023 X R 30/21, BFHE 282, 195, BStBl II 2024, 215; vom 11. Juli 2006 VIII R 10/05, BFHE 214, 18, BStBl II 2007, 96; vom 18. November 1997 VIII R 65/95, BFH/NV 1998, 573).

Demgemäß kommt es bei der Auslegung der Prüfungsanordnung durch den Senat allein auf den Erklärungsgehalt nach dem objektiven Empfängerhorizont der Klägerin zum Zeitpunkt des Erlasses der Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 an. Die Prüfungsanordnung vom 22. August 2012 enthielt eine hinreichende Bestimmung des Prüfungsumfangs der angeordneten Außenprüfung sowohl in sachlicher wie auch in zeitlicher Hinsicht. Aus Sicht der Klägerin war die Prüfungsanordnung auch verständlich. Sie durfte davon ausgehen, dass das Finanzamt, wenn es eine unbeschränkte Prüfung sämtlicher einheitlicher und gesonderter Besteuerungsgrundlagen anordnen will, entweder alle selbständigen Feststellungen ausdrücklich aufführt – was, worauf der Beklagte zurecht hinweist, den Verwaltungsakt unnötig aufblähen würde – oder jedenfalls keine Einschränkung durch Angabe nur einer von mehreren Rechtsgrundlagen vornimmt. Im Streitfall durfte die Klägerin den Klammerzusatz „§ 180 Abs. 1 Nr. 2a AO“ als grundsätzlich zulässige Einschränkung des Prüfungsumfangs auf diese Feststellung verstehen. Und nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO werden gesondert festgestellt „die einkommensteuerpflichtigen und körperschaftsteuerpflichtigen Einkünfte und mit ihnen im Zusammenhang stehende andere Besteuerungsgrundlagen, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind und die Einkünfte diesen Personen steuerlich zuzurechnen sind“. Dieses Verständnis der Prüfungsanordnung bot sich für die Klägerin vor allem deshalb an, weil die anschließende Erweiterung sich nur auf „einschl. des Gewerbesteuermessbetrags (§ 35 Abs. 2 EStG)“ bezog. Dass das Finanzamt beim Erlass der Prüfungsanordnung diese Einschränkung tatsächlich nicht vornehmen wollte, wurde für die Klägerin nicht erkennbar. Insbesondere musste sie es nicht aus dem Umstand ableiten, dass der Feststellungsbescheid vom 4. April 2012 eine kombinierte Feststellung enthielt auch zu § 180 Abs. 5 AO, da es im Ermessen der Behörde liegt, eine Außenprüfung einzuschränken. Die Klägerin muss sich nicht überlegen, was aus Sicht der Behörde sinnvollerweise mitgeprüft werden sollte und die Prüfungsanordnung entsprechend auslegen. Die Klägerin kann sich, wenn – wie im Streitfall – nur eine Feststellung genannt wird, auf den Wortlaut der Prüfungsanordnung verlassen. Aus ihrer Sicht wollte die Betriebsprüfung die „einkommensteuerpflichtigen […] Einkünfte“ (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO) und nicht die „von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte“ (§ 180 Abs. 5 Nr. 1 AO) einer steuerlichen Außenprüfung unterziehen. Dass die Gefahr bestand, dass die Klägerin die Prüfungsanordnung in diesem Sinne verstehen wird, haben auch der Betriebsprüfer und einer der Fachprüfer für Auslandsbeziehungen erkannt; darauf weist die Beigeladene zu 2 zu Recht unter Bezugnahme auf den E-Mail-Verkehr zwischen den beiden Personen hin (Schriftsatz vom 22. Juli 2024, Seite 6 f.; Nr. 760). Der Schluss des Beklagten, dass aus der Verweisung von § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO auf § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO auch die nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte mitumfasst seien, ist unvollständig. Wäre diese Schlussfolgerung richtig, würde dies bedeuten, dass von der steuerlichen Außenprüfung auch jedes Thema mitumfasst sein könnte, das in einer Norm eine entsprechende Anwendung von § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO anordnet (z.B. § 10e Abs. 7 Satz 2 EStG i.d.F. des Gesetzes vom 8.10.2009, BGBl I 2009, 3366; § 18 Abs. 1 Satz 3 AStG i.d.F Gesetz vom 20.12.2007, BGBl I 2007, 3150; § 35c Abs. 6 Satz 3 EStG i.d.F. Gesetz vom 21.12.2019, BGBl I 2019, 2886).

Der zusätzliche Hinweis in der Prüfungsanordnung, dass an der steuerlichen Außenprüfung Fachprüfer für Auslandsbeziehungen des Landesamtes für Steuern teilnehmen werden, zwingt nicht zu einer anderen Auslegung. Die Bestimmung des Prüfers für die steuerliche Außenprüfung ist kein eigenständiger Verwaltungsakt, sondern nur eine innerdienstliche Maßnahme (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1994 VII R 46/94, BFH/NV 1995, 758). Zwar ist für den Empfänger mit diesem Hinweis naheliegend, dass ausländische Einkünfte im Rahmen dieser Prüfung Thema sein werden. Der weitere Schluss aber, dass damit nach DBA steuerfreie ausländische Einkünfte unter Progressionsvorbehalt von der Prüfung umfasst sein sollen, ist nicht zwingend. Auslandsbeziehungen können auch im Inland steuerpflichtige ausländische Einkünfte mit dem Anrechnungsverfahren oder dem Abzugsverfahren sein, auch Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften, auch Beteiligungen an inländischen Kapitalgesellschaft mit ausländischen Einkünften oder sogar Fragen der Behandlung von ausländischen Girokonten.

Dass während der Betriebsprüfung die nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte tatsächlich geprüft wurden, führt nicht zur Ablaufhemmung nach § 171 Abs. 4 AO. Denn nur die Prüfungsanordnung bestimmt in sachlicher Hinsicht die Reichweite der Ablaufhemmung und nicht die tatsächliche Prüfung durch ein Überschreiten des Umfangs der Prüfungsanordnung (Frotscher in Schwarz/Pahlke/Keß, AO/FGO, § 171 AO Rz. 116 und 177 [Nov. 2022]; BFH-Urteil vom 18. Juli 1991 V R 54/87, BFHE 165, 13, BStBl II 1991, 824).

Die Überlegung des Beklagten, dass aus der Formulierung im BFH-Urteil vom 20. April 2021 – IV R 20/17 (BFH/NV 2021, 1191) gefolgert werden kann, dass durch den Verweis auf § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO gefolgert werden muss, dass auch die Feststellungen nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO mit umfasst sind, ist nach Auffassung des Senats unzutreffend. Aus der Formulierung „Bei der in das Feststellungsverfahren nach § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO aufzunehmenden Feststellung nach einem DBA steuerfreier, dem Progressionsvorbehalt unterliegender Einkünfte handelt es sich um eine gegenüber den übrigen Feststellungen rechtlich selbständige Feststellung“ (Rn. 18, juris) ergibt sich nach Auffassung des Senats nur die zutreffende Folgerung, dass für die nach DBA steuerfreien ausländischen Einkünfte einer Mitunternehmerschaft oder einer Gemeinschaft die Feststellung entsprechend der Regel des § 180 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a AO zu erfolgen hat. Dieser Verweis ergibt sich aber natürlich auch schon aus dem Gesetz in § 180 Abs. 5 AO und gilt sowohl für die Nr. 1 als auch die Nr. 2. Nach Auffassung des Senats versteht der Beklagte die Formulierung „entsprechend anzuwenden“ in § 180 Abs. 5 AO falsch. Eine „entsprechende“ Anwendung des § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO kann nämlich nur bedeuten, dass in erster Linie Einkünfte festzustellen sind. Die Vorschrift ist lediglich deshalb „entsprechend“ anzuwenden, weil keine steuerpflichtigen, sondern die nach einem DBA steuerbefreiten Einkünfte festzustellen sind (so BFH-Urteil vom 14. Juli 1993 I R 71/92, BFHE 172, 422, BStBl II 1994, 91, Rn. 16 zum Verständnis der Verweisung).

c) Mithin erstreckte sich die Prüfungsanordnung nicht auf die Prüfung der Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO (ebenso im Ergebnis: Dißars, NWB 2015, 3170, 3172). Für die Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO über „die nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung von der Bemessungsgrundlage ausgenommenen Einkünfte [die] bei der Festsetzung der Steuern der beteiligten Personen von Bedeutung sind“ ist somit keine Hemmung der Feststellungsverjährung nach § 171 Abs. 4 AO eingetreten. Eine Änderung der Feststellung nach § 180 Abs. 5 Nr. 1 AO aufgrund des Ergebnisses der Betriebsprüfung durfte somit nach dem 31. Dezember 2015 nicht mehr erfolgen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 1 Satz 1 AO).

d) Im Übrigen beruft sich der Beklagte auch zu Recht nicht auf eine verlängerte Festsetzungsfrist von fünf oder zehn Jahren nach § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 169 Abs. 2 Satz 2 AO. Nach Auffassung des Senats bietet der Streitfall keinen Anhaltspunkt mehr dafür, dass eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) oder eine leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO) vorliegt. Die Beteiligten haben in der mündlichen Verhandlung am 6. August 2024 übereinstimmend festgestellt, dass das Steuerstrafverfahren gegen den Geschäftsführer der Beigeladenen zu 2 gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) eingestellt wurde (Protokoll vom 6. August 2024, Seite 2).

e) Die eingetretene Feststellungsverjährung führt aber nicht dazu, dass der Bescheid unter einem besonders schweren Fehler leidet. Die Fehlerhaftigkeit ist überdies auch bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände nicht offenkundig, sondern bedarf einer genauen rechtlichen Prüfung aller Umstände. Deshalb ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung ein nach Ablauf der Festsetzungsfrist bzw. Feststellungsfrist bekanntgegebener Steuerbescheid zwar rechtswidrig, aber rechtlich existent und nicht nichtig i.S. von § 125 AO (BFH-Urteil vom 3. März 2011 III R 45/08, BFHE 233, 6, BStBl II 2011, 673 m.w.N.; Banniza in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, Vorbemerkung zu §§ 169-171 Rz. 38 [Feb. 2018] m.w.N.; Steinhauff, StBW 2011, 639). Daher ist der Änderungsbescheid vom 26. September 2017 nur rechtswidrig.

f) Der Beklagte hat im Übrigen den Bescheid über die gesonderten und einheitlichen Feststellung für 2010 für die L. KG zu Recht aufgehoben, da keine rechtliche Möglichkeit für dessen Erlass besteht (so BFH-Urteil vom 17. Februar 1993 II R 15/91, BFH/NV 1994, 1 zu § 171 Abs. 10 AO). Dies wurde vom Senat auch schon umfangreich im Beschluss vom 27. Oktober 2023 über die Aussetzung der Vollziehung (Az. 12 V 1784/23) dieses Bescheides ausgeführt.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Den Beigeladenen waren keine Kosten aufzuerlegen (§ 135 Abs. 3 FGO). Es entspricht der Billigkeit, die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu 1 und zu 2 zu erstatten, da sie sich dem Antrag der Klägerin angeschlossen haben, das gleiche wie die Klägerin beantragt haben und das Verfahren gefördert haben (§ 139 Abs. 4 FGO; Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 139 Rz. 158); die Kosten der Beigeladenen werden dem unterlegenen Beteiligten, dem Beklagten, auferlegt (Gräber/Stapperfend, FGO, 9. Aufl. 2019, § 139 Rz. 159). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

4. Die Revision wird zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Das Urteil vom 6. August 2024 wurde mit Berichtigungsbeschluss vom 20. August 2024 wegen einer offenbaren Unrichtigkeit dahingehend

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