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Steuerrecht
08.08.2011
Steuerrecht
FG Schleswig-Holstein: Feststellung von Grundbesitzwerten nach § 151 Abs. 5 BewG

FG Schleswig-Holstein , Urteil  vom 09.12.2010 - Aktenzeichen 2 K 144/09
Redaktionelle Leitsätze: 1. Soweit das Lagefinanzamt von dem für die Festsetzung der Grundwerbersteuer zuständigen Finanzamt zur Feststellung eines Grundstückswertes auf einen bestimmten Stichtag aufgefordert wird, kann es grundsätzlich ohne weiterer Prüfung davon ausgehen, dass die Wertfeststellung für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung ist. 2. Die Einverständniserklärung eines Beteiligten zur Entscheidung durch den Berichterstatter kann nur widerrufen werden, wenn sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich wesentlich geändert hat
  Redaktionelle Normenkette: BewG § 151 Abs. 5; BewG § 138 Abs. 5 ; FGO § 79 a Abs. 3, Abs. 4;
Tatbestand: 
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Bescheides über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 14. August 2008 für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 12. Juni 2009.  
Mit notariellem Vertrag vom 3. Juni 2008 vereinbarte der Kläger mit Frau A, dass sich Frau A verpflichtet, ihr im Grundbuch des Amtsgerichts ..., an diejenige Person zu verkaufen, die ihr vom Kläger schriftlich benannt würde. Zum Zwecke der Erfüllung der vorgenannten Verpflichtung bot Frau A den vom Kläger zu benennenden Personen den Abschluss des in der Anlage der Urkunde niedergelegten Kaufvertrages an. Zudem bevollmächtigte Frau A den Kläger, bis zur Annahme des Kaufangebotes bestimmte Leistungen an ihrem Grundstück durchzuführen wie z.B. Beseitigung von Strauchwerk, Vermessung des Grundstücks, Bauanträge zu stellen, branchenübliche Vermarktungsaktivitäten vorzunehmen usw.. 
Weiter wurde vereinbart, dass Frau A das Kaufangebot jederzeit widerrufen konnte. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den notariellen Vertrag verwiesen.  
Am 14. August 2008 schloss der Kläger mit Frau A einen weiteren notariellen Vertrag. In der Vorbemerkung wird Bezug genommen auf die Urkunde vom 3. Juni 2008 und festgehalten, dass der Kläger umfangreiche Projektierungsleistungen erbracht und zur Übernahme der noch zu vermessenden Grundstücke die Käuferparteien X und Y benannt habe. Ebenfalls wurden die Kaufpreise bezeichnet. Die notariellen Kaufverträge mit diesen Verkaufsinteressenten sollten laut Vorbemerkung am 14. August 2008 beurkundet werden. Im Hinblick darauf wurde folgende Vereinbarung getroffen: Frau A verpflichtet sich, an den Kläger für Projektierungsleistungen ein Honorar als Aufwandsentschädigung zu zahlen, welches aus den durch die Kaufinteressenten eingezahlten Beträge auf das Notaranderkonto zu leisten war. Weiter beschlossen Frau A und der Kläger, dass die zwischen ihnen getroffenen Vereinbarungen in der Verhandlung vom 3. Juni 2008 aufgehoben würden, allerdings nur unter der aufschiebenden Bedingung, dass die Kaufverträge mit den Kaufparteien X und Y vollständig abgewickelt worden seien sowie die in diesem Vertrag vereinbarten Erfüllungsleistungen eingetreten seien.  
Das für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Finanzamt ... sah in diesen Vorgängen einen durch den Kläger verwirklichten grunderwerbsteuerpflichtigen Sachverhalt. Es forderte daher vom beklagten Finanzamt als Lagefinanzamt zunächst den Bedarfswert nach § 138 Abs. 1 Bewertungsgesetz ( BewG) an, weil die Bedarfsbewertung für die Besteuerung wegen der Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 Grunderwerbsteuergesetz - GrEStG) erforderlich sei. In der Anforderung vom 14. November 2008 legte es den Besteuerungszeitpunkt auf den 3. Juni 2008 fest. Nachdem der Kläger den darauf ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 3. Juni 2008 vom 12. März 2009 mit dem Einspruch angefochten hatte, änderte das Finanzamt den Zeitpunkt des grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgangs auf den 14. August 2008 ab. Es bat daher das Lagefinanzamt, den Bescheid vom 12. März 2009 aufzuheben und forderte es am 25. Mai 2008 auf, den Grundbesitzwert nach § 138 Abs. 1 Satz 1 BewG auf den 14. August 2008 festzustellen. Den darauf ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 14. August 2008 vom 12. Juni 2009, mit dem ein Grundbesitzwert in Höhe von 118.000,00 EUR festgestellt wird, focht der Kläger mit dem Einspruch an. Der Einspruch wurde vom Lagefinanzamt am 21. Juli 2009 als unbegründet zurückgewiesen. 
Mit seiner am 5. August 2009 beim Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Feststellungsbescheides vom 12. Juni 2009. Wie schon seinen Einspruch begründet er seine Klage damit, dass er das entsprechende Grundstück nicht erworben habe. Ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang liege nicht vor. Er habe die Rechte aus einem Kaufangebot an Dritte nicht abgetreten, er habe lediglich ein Benennungsrecht aus dem notariellen Kaufangebot vom 3. Juni 2008 gehabt, ein Abtretungsrecht habe nicht bestanden. Die Abtretung der Rechte aus dem Kaufangebot würde zur Folge gehabt haben, dass die Käufer X/Y einen Gesamtkaufpreis von 123.000,00 EUR zu zahlen gehabt hätten, gezahlt worden wären jedoch 142.328,00 EUR. Das Kaufangebot von Frau A an ihn sei mit notarieller Urkunde vom 14. August 2008 aufgehoben worden.  
Die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Feststellungsbescheid gegen ihn lägen nicht vor. Das Bewertungsgesetz in der Fassung vom 20. Dezember 2007 kenne nur Eigentümer und Käufer. Da er weder Eigentümer noch Käufer sei, könne der Feststellungsbescheid gegen ihn nicht wirksam werden. Darüber hinaus hätte das Finanzamt ... ihn auf der Grundlage des Feststellungsbescheides des Lagefinanzamtes für die Erhebung einer Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.130,00 EUR in Anspruch genommen. Obwohl er lediglich eine Projektentwicklungs- und Maklertätigkeit ausgeübt habe, für die er von Frau A ein Honorar erhalten habe, würde das Finanzamt ... mit der Unterstützung des Lagefinanzamts versuchen eine Rechtslage zu konstruieren, die ihm einen Vermögensschaden zufüge.  
Der Kläger beantragt daher sinngemäß, 
- den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes des (Lage-) Finanzamts ... auf den 14. August 2008 für Zwecke der Grunderwerbsteuer vom 12. Juni 2009 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 2009 aufzuheben.  
Das Finanzamt beantragt, 
- die Klage abzuweisen. 
Unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung trägt das Finanzamt vor, die Feststellung des Grundstückswertes sei vom Finanzamt ... als Lagefinanzamt des Grundstücks auf Anforderung des für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamts ... erfolgt (§ 138 BewG). Die Frage, ob die Feststellung eines Grundstückswertes rechtens sei, könne nur im Rahmen des Festsetzungsverfahrens zur Grunderwerbsteuer beim Finanzamt ... geklärt werden. Gemäß Grunderwerbsteuerbescheid vom 30. Juni 2009 des Finanzamts ... bestehe aber eine Grunderwerbsteuerpflicht, so dass eine Aufhebung des Grundstückswertes auf den 3. Juni 2008 vom 12. Juni 2009 nicht in Betracht komme. Eine Aufhebung des Grundbesitzwertes auf den 14. August 2008 wäre lediglich möglich, wenn im Rahmen der Festsetzung der Grunderwerbsteuer eine Grunderwerbsteuerpflicht verneint werden sollte.  
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorbereitenden Schriftsätze und die beigezogene Bewertungsakte Bezug genommen.  
Entscheidungsgründe: 
Die zulässige Klage ist unbegründet. 
Das Finanzamt hat zu Recht mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. Juni 2009 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes auf den 14. August 2008 für Zwecke der Grunderwerbsteuer den Wert für die wirtschaftliche Einheit in ... festgestellt und diesen Wert an den Kläger bekanntgegeben.  
Nach § 151 Abs. 5 BewG in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind Grundbesitzwerte auch festzustellen, wenn sie für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung sind. Nach § 151 Abs. 5 Satz. 2 i.V.m. § 151 Abs. 1 Satz 2 BewG ist die Entscheidung über eine Bedeutung für die Besteuerung von dem für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt zu treffen. Die Prüfung, ob ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt und welchen Wert das Finanzamt hierfür anzusetzen hat, obliegt dem für die Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamt. Das Lagefinanzamt hat allein den Wert auf den angeforderten Zeitpunkt festzustellen. Somit hatte das Finanzamt ... als zuständige Grunderwerbsteuerstelle zu entscheiden, ob der angeforderte Wert für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer von Bedeutung ist (siehe auch Gürsching/Stenger, BewG, § 151 Rz. 7,12, 23; Rössler/Troll, BewG, § 151 Rz. 35). Genauso hatte es zu entscheiden, ob ein Wert nach § 8 Abs. 1 oder Abs. 2 GrEStG der Festsetzung zu Grunde zu legen ist (Gürsching/Stenger, BewG, § 151 Rz. 44, Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 16. Juni 2005 II B 155/03, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des Bundesfinanzhofs -BFH/NV- 2005, 2053) sowie den Zeitpunkt vorzugeben, zu dem der Wert festzustellen war (Rössler/Troll, BewG, § 151 Rz. 48).  
Soweit das Lagefinanzamt dazu aufgefordert wird, eine Wertfeststellung auf einen bestimmten Stichtag für eine beabsichtigte Steuerfestsetzung vorzunehmen, kann es regelmäßig ohne weitere Prüfung davon ausgehen, dass die Feststellung des Grundbesitzwertes im Sinne von § 151 Abs. 5 BewG von Bedeutung ist (BFH-Urteil vom 29. November 2006, II R 42/05, Bundessteuerblatt -BStBl- II 2007, 319; vom 26. Januar 2006, II B 61/05, BFH/NV 2006, 921). Das Ersuchen um Feststellung eines solchen Wertes für Zwecke der beabsichtigten Steuerfestsetzung stellt keinen selbstständig anfechtbaren Verwaltungsakt, sondern einen verwaltungsinternen Vorgang dar (BFH vom 26. Januar 2006, II B 61/05, BFH/NV 2006, 921). Dieses Verfahren schließt es jedenfalls im Regelfall aus, im Rechtsmittelverfahren gegen den Feststellungsbescheid die Steuerbarkeit betreffende materiell-rechtliche Einwände zu berücksichtigen.  
Ob etwas anderes in den Fällen gilt, in denen die Feststellung des Grundbesitzwertes "unvertretbar" erscheint oder ein Fall objektiver Willkür vorliegt, kann dahinstehen, denn nach Meinung des BFH, der sich das Gericht anschließt, steht die Erforderlichkeit insbesondere dann völlig außer Frage, wenn die den Bedarfswert anfordernde Finanzbehörde - wie im Streitfall - auf der Grundlage des Bescheides über die Bedarfswertfeststellung tatsächlich Grunderwerbsteuer festgesetzt hat (BFH-Urteil vom 26. Januar 2006, II B 61/05, BFH/NV 2006, 921). Zwar ist die zitierte Rechtsprechung des BFH zum Merkmal der Erforderlichkeit des für Besteuerungszeitpunkte vor dem 1. Januar 2007 geltenden § 138 Abs. 5 BewG ergangen. Sie ist jedoch auf die Frage zu übertragen, ob eine Festsetzung "von Bedeutung" ist. Denn die "Erforderlichkeit" im Sinne des § 138 Abs. 5 ist objektives Merkmal, das nun im Rahmen der "Bedeutung für die Besteuerung" noch um ein zusätzliches subjektives Element ergänzt wird (s. Gürsching/Stenger, BewG, § 151 Rz. 8 sowie zur Bedeutung des subjektiven Elementes für den Verzicht auf die Wertfeststellung in bestimmten Fällen).  
Im Streitfall hat die Grunderwerbsteuerstelle in den vertraglichen Gestaltungen eine Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG gesehen. Aufgrund des mitgeteilten Wertes auf den 14. August 2008 hat es Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.130,00 EUR festgesetzt. Damit konnte das Lagefinanzamt ohne weitere Prüfung davon ausgehen, dass die Wertfeststellung für die Grunderwerbsteuer von Bedeutung ist. 
Die Frage, ob ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang vorliegt, ist somit im Verfahren gegen den Grunderwerbsteuerbescheid zu klären. Ebenfalls ist in diesem Verfahren zu klären, ob die Anforderung eines Wertes nach § 8 Abs. 2 GrEStG rechtmäßig war sowie zu welchem Zeitpunkt die Grunderwerbsteuer entstanden ist. Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwertes ist zwar ein für das Folgeverfahren bindender Grundlagenbescheid. Die Bindungswirkung reicht aber nach § 182 Abs. 1 Abgabenordnung ( AO) nur so weit wie sein notwendiger Inhalt (BFH-Beschluss vom 16. Juni 2005 II B 155/03, BFH/NV 2005, 2053), d.h. welcher Wert zu welchem Zeitpunkt festgestellt wird. Der Bescheid stellt einen Grundbesitzwert nach § 138 BewG i.H.v. 118.000 Euro auf den 14. August 2008 fest.  
Eine bindende Feststellung über die Zurechnung trifft der Bescheid nicht. Aus § 151 Abs. 5 Satz 3 BewG ergibt sich, dass § 151 Abs. 2 BewG nicht anzuwenden ist. Daher sind in dem Feststellungsbescheid für die Grundbesitzwerte für Zwecke der Grunderwerbsteuer unter anderem keine Feststellungen zu treffen über die Zurechnung der wirtschaftlichen Einheit. Jedoch muss nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AO der Feststellungsbescheid an den Inhaltsadressaten des Bescheides gerichtet sein. Soweit der Bescheid an den Kläger gerichtet ist, erschöpft sich daher die steuerliche Bedeutung in der Bestimmung des zutreffenden Inhaltsadressaten für den Bescheid nach § 179 Abs. 2 Satz 1 AO. Der Inhaltsadressat ist derjenige, der vom Inhalt des Bescheides betroffen wird (Klein/Ratschow, AO, § 179 Rz. 17). Da nach Auffassung der Grunderwerbsteuerstelle der Kläger aufgrund der vertraglichen Bestimmungen einen grunderwerbsteuerpflichtigen Vorgang verwirklicht hat, ist der Kläger derjenige, der vom Inhalt des Feststellungsbescheides betroffen wird, also zutreffender Inhaltsadressat.  
Die Feststellung des Grundbesitzwertes in Höhe von 118.000,00 EUR ist nach den vorliegenden Unterlagen nicht zu beanstanden. Auch der Kläger hat gegen die Höhe des Wertes keine Einwendungen vorgebracht.  
Sollte im Verfahren über die Grunderwerbsteuerpflicht festgestellt werden, dass ein grunderwerbsteuerpflichtiger Vorgang nicht vorliegt, ginge der Feststellungsbescheid ins Leere und würde sich nicht auswirken (BFH-Urteil vom 26. Oktober 2005, II R 53/02, BFH/NV 2006, 551).  
Die Klage war daher abzuweisen. 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung ( FGO).  
Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.  
Die Entscheidung konnte mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin anstelle des Senats ergehen, §§ 90 Abs. 2, 79 a Abs. 3 und 4 FGO. Zwar hat der Kläger seine Zustimmung zur Entscheidung durch die Berichterstatterin mit Schriftsatz vom 2. November 2010 widerrufen. Die Einverständniserklärung kann jedoch nur widerrufen werden, wenn sich die Prozesslage bei objektiver Betrachtung nachträglich wesentlich geändert hat (Gräber/Koch, FGO, § 79 a Rz. 26), nicht aber, wenn die Berichterstatterin eine von der Auffassung des Klägers abweichende Meinung vertritt. Im Streitfall hat sich die Prozesslage nachträglich nicht geändert. 
 

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