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Steuerrecht
19.05.2017
Steuerrecht
FG München: Feststellung einer Einlagenrückgewähr von Kapitalgesellschaften aus einem EU-Mitgliedstaat gemeinschaftsrechtskonform

FG München, Urteil vom 22.11.20166 K 2548/14, rkr.

Volltext des Urteils: BB-ONLINE BBL2017-1188-1

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Sachverhalt

I. Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft (AG) mit Sitz in und wird beim beklagten Finanzamt (FA) u. a. zur Körperschaftsteuer und zur Gewerbesteuer veranlagt.

Im Streitjahr 2007 erhielt die Klägerin von ihrer EU-Tochtergesellschaft mit Sitz in Österreich, eine Ausschüttung in Höhe von €.

Mit den Steuererklärungen zur Körperschaft- und der Gewerbesteuer reichte die Klägerin eine Sachverhaltsdokumentation zu dieser Einlagenrückgewähr bei dem beklagten Finanzamt (FA) ein. Mit Bescheiden jeweils vom veranlagte das FA erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abgabenordnung – AO -).

Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung gelangte der Beklagte jedoch zu der Auffassung, dass die Einlagenrückgewähr nicht steuerneutral erfolgen könne. Den nach § 27 Abs. 8 Satz 1 und 4 Körperschaftsteuergesetz (KStG) erforderlichen Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern (BZSt) zur Feststellung einer Einlagenrückgewähr hat die nicht gestellt.

Mit Änderungsbescheiden vom behandelte das FA die Einlagenrückgewähr als reguläre Ausschüttung im Sinne des § 8b Abs. 5 KStG und erhöhte das Einkommen der Klägerin um € (= 5 % von €).

Mit dem Einspruch beantragte die Klägerin zugleich eine abweichende Festsetzung der Steuer aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO, die das FA mit Schreiben vom ablehnte.

Den gegen die Änderungsbescheide eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Eine Einlagenrückgewähr könne auch eine Körperschaft in einem anderen Staat der Europäischen Union, wie im Streitfall Österreich, erbringen. Hierfür sehe das Gesetz nach der ab 2006 geltenden gesetzlichen Regelung einen förmlichen Antrag der ausschüttenden Körperschaft beim Bundeszentralamt für Steuern bis zum Ende des Kalenderjahres vor, das dem Jahr der Leistung folgt. Für das hier maßgebliche Jahr 2007 sei ein solcher Antrag bis zum 31. Dezember 2008 indes nicht gestellt worden, obwohl dies der Klägerin als Alleingesellschafterin der ausschüttenden Gesellschaft ohne weiteres möglich gewesen wäre. Für das FA sei entscheidend, dass das Gesetz zur Anerkennung einer Einlagenrückgewähr eine solche Frist vorsehe. Hieran sei das FA gebunden. Über etwaige Verstöße verfassungsrechtlicher und europarechtlicher Art hätte nur die Judikative, nicht aber das FA als Organ der Exekutive zu befinden.

Mit der hiergegen gerichteten Klage beruft sich die Klägerin weiterhin darauf, die im Jahr 2007 erfolgte Einlagenrückgewähr durch eine EU-Tochterkapitalgesellschaft der Klägerin habe steuerneutral zu erfolgen.

Das FA schließe unter Verweis auf § 27 Abs. 8 KStG die Berücksichtigung einer Einlagenrückgewähr bei einer EU-Tochterkapitalgesellschaft aus, wenn kein gesondertes Feststellungsverfahren beim Bundeszentralamt für Steuern innerhalb einer Ultimofrist durchgeführt worden sei. Dies bedeute aber eine Schlechterstellung von EU-Tochterkapitalgesellschaften gegenüber Drittstaatskapitalgesellschaften, da für diese nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) auch nach der seit dem Jahr 2006 gültigen Rechtlage eine Einlagenrückgewähr ohne Feststellungsverfahren und ohne Ultimofrist möglich sei. Diese Diskriminierung von EU-Tochterkapitalgesellschaften gegenüber Drittstaatstochterkapitalgesellschaften sei europa- und verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt und widerspreche der Intention des Gesetzgebers bei Erlass der Vorschrift. Zudem würden Mitwirkungspflichten in unzulässiger Weise auf eine ausländische, nicht in Deutschland steuerpflichtige Gesellschaft verlagert.

Aus dem Wortlaut des Gesetzestextes von § 27 Abs. 8 KStG ergebe sich, dass für die Anerkennung einer Einlagenrückgewähr

- die Tochterkapitalgesellschaft aus dem EU-Ausland einen Antrag auf Feststellung eines steuerlichen Einlagekontos

- nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck

- bis zum Ende des Kalenderjahres, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Ausschüttung erfolge

- beim Bundeszentralamt für Steuern

- zusammen mit einer Dokumentation zu den Kapitalverhältnissen bei der ausländischen EU-Tochterkapitalgesellschaft für Zwecke der Ermittlung des steuerlichen Einlagekontos nach Maßgabe der deutschen Steuergesetze notwendig sei.

Erfolge keine gesonderte Feststellung der Kapitalrückzahlung so gelte diese als Ausschüttung nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder Nr. 9 Einkommensteuergesetz (EStG).

Aus der Gesetzesbegründung lasse sich entnehmen, dass die Rückgewähr von Einlagen an den Gesellschafter nicht als steuerpflichtige Dividende behandelt werden solle. Dies werde für Einlagenrückzahlungen inländischer Körperschaften durch die §§ 27 bis 29 KStG geregelt. Für Einlagenrückzahlungen ausländischer Körperschaften seien vergleichbare Regeln anwendbar, die überwiegend auf Richterrecht beruhten, sich in der Ausgestaltung allerdings von §§ 27 ff. KStG unterscheiden würden. Mit der Einführung von § 27 Abs. 8 KStG habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, in anderen EU-Staaten ansässige Kapitalgesellschaften mit inländischen Kapitalgesellschaften bei Kapitalrückzahlungen gleichzustellen. Eine Ausschlussfrist werde in der Gesetzesbegründung weder genannt noch begründet. Für Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten seien Einlagenrückzahlungen möglich, für die keine gesonderte Feststellung erforderlich sei. Damit ergebe sich, dass es seit der Einführung des § 27 Abs. 8 KStG drei verschiedene Wege zur Einlagenrückgewähr gebe, die von der Herkunft der Kapitalgesellschaft abhängig seien.

Der Wille des Gesetzgebers bei Einführung des § 27 Abs. 8 KStG sei darauf gerichtet gewesen, Ausschüttungen durch EU-Kapitalgesellschaften zu erleichtern. Eine Schlechterstellung solcher Ausschüttungen gegenüber Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten sei nicht gewollt gewesen. Wenn für diese erleichterte Nachweispflichten und vor allem keine Ausschlussfrist zum Tragen kämen, sei die Norm durch teleologische Auslegung dahin zu reduzieren, dass eine Kapitalrückzahlung wie bei Gesellschaften aus Drittstaaten möglich sei.

Zudem würden durch § 27 Abs. 8 KStG ausländische Gesellschaften, die in den meisten Fällen keine steuerlichen Pflichten in Deutschland zu erfüllen hätten, mit Antrags- und Nachweispflichten in erheblichem Umfang belastet. Der Anteilseigner selbst, um dessen Steuerlast es gehe, habe hingegen nicht mitzuwirken. Dies verstoße gegen die sonst übliche Systematik der Mitwirkung im Besteuerungsverfahren und gegen die verfassungsrechtlichen Gebote der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Steuererhebung.

Mit der Regelung des § 27 Abs. 8 KStG werde gegen das europarechtliche Gebot der Gleichbehandlung verstoßen, da bei EU-Tochtergesellschaften der Antrag auf Feststellung einer Kapitalrückzahlung innerhalb der Jahresfrist gestellt werden müsse und für Gesellschaften aus Drittstaaten eine solche Ausschlussfrist nicht bestehe. Hierdurch werde die europarechtlich geschützte Kapitalverkehrsfreiheit sowie die Niederlassungsfreiheit verletzt. Denn durch die vorgesehene Jahresfrist für die Beantragung der Feststellung einer Einlagenrückgewähr würden Investitionen in anderen EU-Ländern schlechter gestellt als Investitionen im Inland oder in Drittstaaten. Die von § 27 Abs. 8 KStG geforderte Antrags- und Nachweispflicht beschränke die europarechtlichen Grundfreiheiten in unzulässiger Weise, da sie vom inländischen Gesellschafter regelmäßig nicht beeinflusst werden könnten. Eine Rechtfertigung für die Einschränkungen der Grundrechte lasse sich nicht erkennen.

Zudem sprächen verfassungsrechtliche Grundsätze wie das Leistungsfähigkeitsprinzip dagegen, eine Einlagenrückgewähr aus formalen Gründen nicht als solche anzuerkennen, da eine bloße Rückzahlung von Kapital die Leistungsfähigkeit nicht erhöhe.

Im Falle der Unabänderbarkeit der Steuerbescheide sei die Steuer indes sofort zu erlassen, da die Erhebung einer Steuer auf einen eindeutig nicht steuerbaren Vorgang unbillig sei.

Zum weiteren Vorbringen der Klägerin wird auf den Schriftsatz vom verwiesen. Mit Fax vom begründete die Klägerin die Klage ergänzend unter Hinweis auf die neueste Rechtsprechung und Literatur.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid 2007 und den Gewerbesteuermessbetragsbescheid 2007, beide und in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , dergestalt abzuändern, dass die Einlagenrückgewähr in Höhe von € steuerneutral behandelt wird,

hilfsweise den Erlass aus Billigkeitsgründen nach § 163 AO.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Klageerwiderung beruft sich das FA auf die Einspruchsentscheidung.

Zum weiteren Vorbringen des Beklagten wird auf den Schriftsatz vom verwiesen.

Auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.

Aus den Gründen

II. Die Klage ist unbegründet. Eine steuerlich neutrale Einlagenrückgewähr ist nach § 27 Abs. 8 KStG nicht anzuerkennen, da kein rechtzeitiger Antrag auf gesonderte Feststellung gestellt worden ist.

1. a) Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 KStG haben unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften die nicht in das Nennkapital geleisteten Einlagen am Schluss jedes Wirtschaftsjahres auf einem besonderen Konto, dem steuerlichen Einlagekonto, auszuweisen. Das steuerliche Einlagekonto dient mit Blick auf die Besteuerung des Anteilseigners dazu, die nicht steuerpflichtige Auskehrung von Einlagen, die von § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG als Einlagenrückgewähr bezeichnet wird, zu identifizieren bzw. von grundsätzlich steuerpflichtigen Gewinnausschüttungen zu separieren. Um dies zu gewährleisten, wird ausgehend von dem Bestand am Ende des vorangegangenen Wirtschaftsjahres das steuerliche Einlagekonto um die jeweiligen Zu- und Abgänge des Wirtschaftsjahres fortgeschrieben (§ 27 Abs. 1 Satz 2 KStG ) und zum Schluss eines jeden Wirtschaftsjahres gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 2 Satz 1 KStG). Der Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für den Bescheid über die gesonderte Feststellung zum folgenden Feststellungszeitpunkt (§ 27 Abs. 2 Satz 2 KStG; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 30. Januar 2013 I R 35/11, BStBl II 2013, 560 [BB 2013, 1455m. BB-Komm. Scholz]).

Körperschaften, die in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union unbeschränkt steuerpflichtig sind, können gemäß § 27 Abs. 8 Satz 1 KStG eine Einlagenrückgewähr leisten, wenn sie Leistungen im Sinne des § 20 Abs. 1 Nr. 1 oder 9 EStG gewähren können. Die Einlagenrückgewähr ist in entsprechender Anwendung des § 27 Abs. 1 bis 6 KStG und der §§ 28 und 29 KStG zu ermitteln. Der als Leistung im Sinne des § 27 Abs. 8 Satz 1 KStG zu berücksichtigende Betrag wird auf Antrag der Körperschaft für den jeweiligen Veranlagungszeitraum gesondert festgestellt (§ 27 Abs. 8 Satz 3 KStG). Der Antrag ist nach dem amtlich vorgeschriebenen Vordruck bis zum Ende des Kalenderjahres zu stellen, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Leistung erfolgt ist. Die Antragsfrist ist eine Ausschlussfrist.

Im Hinblick auf in einem anderen Mitgliedstaat der EU unbeschränkt steuerpflichtige Körperschaften wird - anders als bei in Deutschland unbeschränkt steuerpflichtigen Körperschaften - somit nicht der Bestand des steuerlichen Einlagekontos gesondert festgestellt, sondern die Summe der im jeweiligen Veranlagungszeitraum als Einlagenrückgewähr zu qualifizierenden Leistungen. Gemäß § 27 Abs. 8 Satz 2 KStG ist die Einlagenrückgewähr in entsprechender Anwendung der Abs. 1 bis 6 zu ermitteln. Die ausländische Körperschaft hat danach nach ihren ausländischen Bilanzen den Bestand des anzusetzenden steuerlichen Einlagekontos zum Schluss des der Leistung vorangegangenen Wirtschaftsjahres zu ermitteln. Maßgeblich für die Ermittlung der Einlagenrückgewähr ist aufgrund der Verweisung gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG der auf den Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres ermittelte ausschüttbare Gewinn (Berninghaus in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 27 Rz. 160 – 164; Stimpel in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, § 27 Rz. 233 – 239; Kluth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, § 27 Rz. 70 – 76; vgl. auch Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. April 2016, BStBl I 2016, 468).

Eine Einlagenrückgewähr kann auch von einer Gesellschaft getätigt werden, die in einem Drittstaat ansässig ist und für die kein steuerliches Einlagekonto im Sinne des § 27 KStG geführt wird. Unter Fortführung der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFH/NV 2011, 669 [RIW 2011, 255]) ist § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auch nach Einführung des § 27 Abs. 8 KStG unionsrechtskonform dahingehend auszulegen, dass eine Einlagenrückgewähr auch von einer Gesellschaft getätigt werden kann, die in einem Drittstaat ansässig ist und für die kein steuerliches Einlagekonto i.S. des § 27 KStG geführt wird. Dies gilt auch dann, wenn für Gesellschaften aus Drittstaaten ein formelles Feststellungsverfahren für das steuerliche Einlagekonto nach § 27 Abs. 1 bzw. Abs. 8 KStG fehlt. Zwar stehen Anteilseigner einer Drittstaaten-Körperschaft damit unter Umständen besser als Anteilseigner einer im Inland oder in einem EU-Mitgliedstaat ansässigen Kapitalgesellschaft. Jedoch sind die für diese geregelten Nachweisvorschriften weder unmittelbar noch analog anwendbar (BFH-Urteil vom 13. Juli 2016 VIII R 47/13, DStR 2016, 2395 [RIW 2016, 847]).

b) Nach diesen Grundsätzen ist die Zahlung der € nicht als Einlagenrückgewähr anzuerkennen.

Die ausschüttende Gesellschaft ist in einem anderen Mitgliedsstaat der EU ansässig. Einen Antrag auf gesonderte Feststellung einer Einlagenrückgewähr hat die ausschüttende österreichische Gesellschaft beim Bundeszentralamt für Steuern nicht gestellt. Dies kann nach Ablauf der vorgesehenen Frist nicht mehr nachgeholt werden (§ 27 Abs. 8 Satz 3 KStG, § 110 AO). Die Zahlung der € als Einlagenrückgewähr anzuerkennen, ist daher nicht möglich.

2. Das von § 27 Abs. 8 KStG vorgesehene Verfahren zur gesonderten Feststellung einer Einlagenrückgewähr bei Ausschüttungen von Gesellschaften aus einem anderen EU-Staat verstößt weder gegen Verfassungsrecht noch gegen europäisches Recht.

a) Auf dem Gebiet des Verfahrensrechts fehlen unionsrechtliche Vorschriften, sodass die Ausgestaltung des Verfahrensrechts grundsätzlich Sache der einzelnen Mitgliedstaaten ist (Grundsatz der Verfahrensautonomie). Diese haben nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), dessen Grundsätzen der BFH folgt, dabei allerdings den Effektivitätsgrundsatz sowie das Äquivalenzprinzip zu beachten (zuletzt BFH-Beschluss vom 8. September 2015 V B 5/15, BFH/NV 2016, 7; vgl. auch BFH-Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09, BStBl II 2011, 151 [BB-Entscheidungsreport Geuenich, BB 2011, 100]).

Gegen den Effektivitätsgrundsatz wird verstoßen, wenn dem Betroffenen die Geltendmachung seiner durch Unionsrecht vermittelten Rechte unmöglich gemacht oder übermäßig erschwert wird (vgl. BFH-Urteil vom 21. Januar 2015 X R 40/12, BStBl II 2016, 117). Zum Effektivitätsgrundsatz hat der EuGH entschieden, dass die Festlegung angemessener Ausschlussfristen für die Rechtsverfolgung im Interesse der Rechtssicherheit, die zugleich den Abgabepflichtigen und die Behörde schützt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist, und dass solche Fristen nicht geeignet sind, die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (BFH-Beschluss vom 8. September 2015 V B 5/15, BFH/NV 2016, 7; BFH-Urteil vom 18. August 2015 VII R 5/14, BFH/NV 2016, 1; EuGH-Urteil vom 11. Juli 2002 C-62/00 Marks & Spencer, HFR 2002, 943 [EWS 2003, 581 Tenor, RIW 2002, 808 Tenor] und zuletzt EuGH-Urteil vom 27. Juli 2016 C-332/15 Astone, UR 2016, 683).

Das Äquivalenzprinzip verlangt, dass die Mitgliedsstaaten die verfahrensrechtlichen Fristen, die zur Durchsetzung des Unionsrechts einzuhalten sind, nicht ungünstiger ausgestalten als in den nur das innerstaatliche Recht betreffenden Verfahren (BFH-Urteil vom 16. September 2010 V R 57/09, BStBl II 2011, 151 [BB-Entscheidungsreport Geuenich, BB 2011, 100]).

b) § 27 Abs. 8 KStG verstößt nicht gegen das Äquivalenzprinzip.

Die Klägerin führt zutreffend aus, dass es für die Anerkennung einer steuerlich neutralen Einlagenrückgewähr drei Möglichkeiten gibt, abhängig von der Herkunft der Ausschüttung. Die unterschiedlichen Möglichkeiten beruhen indes auf verfahrensrechtlich nicht vergleichbaren Ausgangssituationen der jeweils Betroffenen, so dass kein Verstoß gegen das Äquivalenzprinzip vorliegt.

aa) Für Ausschüttungen von inländischen Kapitalgesellschaften ist eine jährliche gesonderte Feststellung zum Kapitalkonto nach §§ 27 ff. KStG notwendig, für die die allgemeinen Steuererklärungs- und Verjährungsfristen gelten. Im Rahmen der allgemeinen Erklärungspflichten führt dies für die inländischen Kapitalgesellschaften zu keinem größeren zusätzlichen Aufwand, so dass es sachgerecht ist, Tatsachen auch für zukünftige steuerliche Zwecke zu ermitteln und festzustellen. Darüber hinaus ist für bestimmte Ausschüttungen Kapitalertragsteuer anzumelden und abzuführen (§ 45a EStG). Dies gilt auch, wenn ein Steuerabzug nicht oder nicht in voller Höhe vorzunehmen ist (§ 45a Abs. 1 Satz 2 EStG). Die innerhalb eines Kalendermonats einbehaltene Steuer ist jeweils bis zum zehnten des folgenden Monats abzuführen (§ 44 Abs. 1 Satz 5 EStG).

bb) Für ausländische Kapitalgesellschaften wird ein Kapitalkonto nach §§ 27 ff. KStG nicht laufend jährlich festgestellt. Um dennoch Kapitalrückzahlungen von Gesellschaften aus EU-Mitgliedsstaaten entsprechend inländischen Ausschüttungen freizustellen, sieht § 27 Abs. 8 KStG statt dessen ein Verfahren zur gesonderten Feststellung einer Einlagenrückgewähr vor, das nur anlässlich eines konkreten Bedarfs durchzuführen ist. Ausländische Gesellschaften werden damit verfahrensrechtlich insoweit günstiger behandelt, als der jährliche Aufwand für Feststellungserklärungen bei ihnen entfällt. Es wird der ausländischen Gesellschaft erspart, jährlich nur wegen der bloßen Möglichkeit von künftigen Kapitalrückzahlungen, Erklärungen abgeben zu müssen. Das Verfahren ist dem inländischen Feststellungsverfahren nach §§ 27 ff. KStG nachgebildet, berücksichtigt indes die unvermeidbaren Unterschiede, die sich aus dem fehlenden Kapitalkonto bei der ausländischen Gesellschaft ergeben (vgl. hierzu auch BFH-Urteil vom 11. Februar 2015 I R 3/14, BStBl II 2015, 816 Rz. 10). Für die Beurteilung, ob eine Einlagenrückgewähr vorliegt, sind Grundkenntnisse und Ermittlungen über das jeweilige ausländische Bilanz- und Gesellschaftsrecht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 13. Juli 2016 VIII R 47/13 Rz. 19, DStR 2016, 2395 [RIW 2016, 847]). Der damit verbundene Aufwand muss von ausländischen Kapitalgesellschaften und der deutschen Steuerverwaltung nur bei konkretem Bedarf erbracht werden, der in der Praxis selten anfällt.

cc) Schließlich ist nach der Rechtsprechung des BFH auch eine Einlagenrückgewähr bei Zahlungen von Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten anzuerkennen, die ihrerseits eigenen Regeln folgt. Entscheidend für die Beurteilung ist, ob unter Heranziehung des ausländischen Handels- und Gesellschaftsrechts von einer Rückzahlung aus einer Kapitalrücklage auszugehen ist (BFH-Urteil vom 20. Oktober 2010 I R 117/08, BFH/NV 2011, 255 [RIW 2011, 255]).

Die Mitwirkungs- bzw. Nachweispflicht einer EU-Tochterkapitalgesellschaft entspricht der Pflicht einer inländischen Kapitalgesellschaft zur Feststellung ihres Kapitalkontos. Lediglich bei Gesellschaften aus Drittstaaten ist eine solche Verpflichtung der ausländischen Gesellschaft nicht vorgesehen, sondern der Anteilseigner kann selbst den Nachweis erbringen, dass es sich bei einer Ausschüttung um eine Einlagenrückgewähr handelt. In diesen Fällen hat der Anteilseigner die Möglichkeit aber auch die Obliegenheit, den entsprechenden Nachweis selbst gegenüber seinem Veranlagungsfinanzamt zu erbringen. Angesichts der Vielzahl an möglichen Ländern, aus denen eine solche Ausschüttung erfolgen könnte, ist es nicht in jedem Fall vorteilhaft, den Nachweis einer Kapitalrückzahlung entsprechend dem jeweiligen Handels- und Gesellschaftsrecht des Ausschüttungsstaates als Steuerpflichtiger selbst führen zu müssen. Dieser Nachweis ist möglicherweise einfacher, möglicherweise jedoch auch sehr viel schwieriger zu erbringen, verglichen mit dem nationalen Verfahren oder dem entsprechenden Verfahren nach § 27 Abs. 8 KStG bei Erklärung und Feststellung durch die Kapitalgesellschaft.

Im Inland und entsprechend im Verfahren bei Ausschüttungen aus dem EU-Ausland liegt die Verpflichtung zum Nachweis über die Höhe des ausgeschütteten Kapitals bei der Kapitalgesellschaft. Diese muss den Antrag auf Feststellung der Einlagenrückgewähr stellen (§ 27 Abs. 8 KStG) oder - im Falle einer inländischen Kapitalgesellschaft – ihr Kapitalkonto feststellen lassen. Aufgrund der von der Kapitalgesellschaft zu führenden Bücher und - bei inländischen Kapitalgesellschaften in Hinblick auf die Anmeldung von Kapitalertragsteuer – ist diese Verpflichtung der Kapitalgesellschaft zur Erklärung über eine Einlagenrückgewähr bzw. das ausschüttbare Eigenkapital sachgerecht.

Bei inländischen Kapitalgesellschaften trifft diese Erklärungspflicht die Kapitalgesellschaft als eigenständiges Steuersubjekt mit eigenen Verpflichtungen (z.B. Kapitalertragsteuer); die gegenüber der inländischen Kapitalgesellschaft getroffenen Feststellungen haben Bindungswirkung gegenüber den Anteilseignern. Letztlich beruht dies auf der Überlegung, dass es einer Gesellschaft zugemutet werden kann, ihre Kenntnis vom Sachverhalt (auch) zugunsten ihrer Gesellschafter zu nutzen. EU-Kapitalgesellschaften treffen grundsätzlich zwar keine Erklärungspflichten in Inland; § 27 Abs. 8 KStG eröffnet EU-Kapitalgesellschaften entsprechend inländischen Kapitalgesellschaften indes die Möglichkeit zur Antragstellung, um es den Gesellschaftern mit Hilfe der Gesellschaft zu ermöglichen, entsprechend dem Verfahren für Inländer, eine steuerfreie Einlagenrückgewähr nachweisen zu können. Bei Kapitalgesellschaften mit Sitz in der EU kann auch typischerweise davon ausgegangen werden, dass sie in Deutschland rechtlich und faktisch hinreichend handlungsfähig und in der Lage sind, Nachweise für eine Einlagenrückgewähr zu erbringen. Bei Kapitalgesellschaften aus Drittstaaten ist nicht in jedem Fall gewährleistet, dass die Kapitalgesellschaften bei der Ermittlung und dem Nachweis von steuerlichen Sachverhalten mitwirken.

c) Die in § 27 Abs. 8 KStG vorgegebene Frist zur Feststellung einer Einlagenrückgewähr verletzt nicht den Effektivitätsgrundsatz.

Die Frist des § 27 Abs. 8 KStG ist nicht unangemessen kurz. Die Frist beträgt im ungünstigsten Fall ein Jahr (bei Ausschüttung im Dezember) und im günstigsten Fall knapp zwei Jahre (bei einer Ausschüttung im Januar). Innerhalb der Frist des § 27 Abs. 8 KStG ist es möglich und zumutbar, den Antrag beim Bundeszentralamt für Steuern zu stellen und die der Ausschüttung zugrunde liegenden Buchführungsunterlagen als Nachweis vorzulegen. Eine Überforderung von ausländischen Gesellschaften erfolgt nicht. Die inländischen Fristen zur Anmeldung der Kapitalertragsteuer sind deutlich kürzer. Dabei ist gerade im Falle der Klägerin, die als Muttergesellschaft auf die Handlungen der ausschüttenden EU-Tochterkapitalgesellschaft Einfluss nehmen kann, zu berücksichtigen, dass ein fristgerechter Antrag möglich war. Zu berücksichtigen ist, dass die deutschen Steuerpflichtigen eine zügige Klärung im Feststellungsverfahren für ihre eigene Steuererklärung benötigen.

Die Frist zur Feststellung mag in der Gesetzesbegründung und –beratung nicht genannt sein; in dem veröffentlichten und damit bindenden Gesetzestext ist die Frist enthalten. Eine teleologische Auslegung dahin, dass die im Gesetz ausdrücklich genannte Antragsfrist des § 27 Abs. 8 KStG nicht zur Anwendung kommt, kommt nicht in Betracht. Die Bestimmung einer Antragsfrist ist zudem im Steuerrecht nicht ungewöhnlich.

Die verschiedenen Verfahren zur Anerkennung einer Einlagenrückgewähr hat der BFH in seiner jüngsten Entscheidung (BFH-Urteil vom 13. Juli 2016 VIII R 47/13, DStR 2016, 2395 [RIW 2016, 847]) ausdrücklich dahingehend gewürdigt, dass Anteilseigner einer Drittstaaten-Körperschaft „unter Umständen besser als Anteilseigner einer im Inland oder in einem EU-Mitgliedsstaat ansässigen Kapitalgesellschaft“ gestellt sind, für die eine gesonderte Feststellung notwendig ist. Trotz der Unterschiede mit Vor- und Nachteilen bei der Anerkennung einer steuerneutralen Einlagenrückgewähr hat der BFH nicht die Folgerung gezogen, ein bestimmtes Verfahren benachteilige die Steuerpflichtigen in verfassungs- oder europarechtlich unzulässiger Weise und daher sei ein Verfahren (oder gar alle verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zur Feststellung einer Einlagenrückgewähr) insgesamt zu verwerfen.

3. Der Hilfsantrag auf abweichende Festsetzung der Steuer nach § 163 AO hat keinen Erfolg.

Billigkeitsentscheidungen nach § 163 AO sind Gegenstand eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens und nicht Gegenstand der Steuerfestsetzung (Loose in Tipke/Kruse, AO, § 163 AO Rz 20 f.; BFH-Urteil vom 3. September 2009 IV R 17/07, BStBl II 2010, 631; BFH-Beschluss vom 18. September 2000 IV B 139/99, BFH/NV 2001, 452).

Den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung hat die Klägerin im Einspruchsverfahren gestellt. Hierzu hat das FA mit Schreiben vom zwar Stellung genommen, eine Entscheidung hat das FA hiermit indes nicht getroffen. Einen Untätigkeitseinspruch (§ 347 Abs. 1 Satz 2 AO; Gräber/Levedag FGO § 46 Rn. 5) hat die Klägerin nicht eingelegt.

Sollte die Einspruchsentscheidung als stillschweigende Ablehnung des Billigkeitsantrags anzusehen sein, ist der Antrag jedenfalls unbegründet.

Nach § 163 Satz 1 AO können Steuern niedriger festgesetzt werden und einzelne Besteuerungsgrundlagen bei der Festsetzung der Steuern unberücksichtigt bleiben, wenn die Erhebung der Steuer nach Lage des einzelnen Falls unbillig wäre.

Der Zweck des § 163 AO liegt darin, sachlichen und persönlichen Besonderheiten des Einzelfalls, die der Gesetzgeber in der Besteuerungsnorm nicht berücksichtigt hat, durch eine nicht den Steuerbescheid selbst ändernde Korrektur des Steuerbetrags insoweit Rechnung zu tragen, als sie die steuerliche Belastung als unbillig erscheinen lassen (BFH-Urteil vom 17. April 2013 II R 13/11, BFH/NV 2013, 1383, m.w.N.).

Die Entscheidung über die abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen ist eine Ermessensentscheidung der Finanzverwaltung (§ 5 AO), die gemäß § 102 FGO nur eingeschränkter gerichtlicher Nachprüfung unterliegt (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19. Oktober 1971 GmS-OGB 3/70, BStBl II 1972, 603). Stellt das Gericht eine Ermessensüberschreitung oder einen Ermessensfehler fest, ist es grundsätzlich auf die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung beschränkt. Nur wenn der Ermessensspielraum im konkreten Fall derart eingeengt ist, dass nur eine einzige Entscheidung als ermessensgerecht in Betracht kommt (sog. Ermessensreduzierung auf Null), ist es befugt, seine Entscheidung an die Stelle der Ermessensentscheidung der Verwaltungsbehörde zu setzen und nach § 101 Satz 1 FGO eine Verpflichtung zum Erlass auszusprechen (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 24. August 2011 I R 87/10, BFH/NV 2012, 161; vom 21. August 2012 IX R 39/10, BFH/NV 2013, 11; in BFH/NV 2013, 1383).

Sachlich unbillig ist die Festsetzung einer Steuer, wenn sie zwar äußerlich dem Gesetz entspricht, aber den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderläuft, dass die Erhebung der Steuer als unbillig erscheint. So verhält es sich, wenn nach dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Gesetzgebers angenommen werden kann, dass der Gesetzgeber die im Billigkeitswege zu entscheidende Frage --wenn er sie als regelungsbedürftig erkannt hätte-- im Sinne der beabsichtigten Billigkeitsmaßnahme entschieden hätte (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2013, 11, Rz 14, und in BFH/NV 2013, 1383, Rz 13).

Eine Billigkeitsentscheidung darf jedoch nicht dazu führen, die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes zu unterlaufen. Sie darf nicht die Wertung des Gesetzes durchbrechen oder korrigieren, sondern nur einem ungewollten Überhang des gesetzlichen Steuertatbestandes abhelfen (vgl. BFH-Urteil vom 22. Oktober 2014 II R 4/14, BStBl II 2015, 237).

Nach diesen Grundsätzen ist es nicht ermessensfehlerhaft, wenn eine Billigkeitsmaßnahme nach § 163 AO unter Hinweis auf die versäumte Antragsfrist des § 27 Abs. 8 KStG abgelehnt wird.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

 

 

 

 

 

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