EuGH-Schlussanträge: EuGH-Schlussanträge: Gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten
GA Rantos, Schlussanträge vom 30.9.2021 – C-257/20, „Viva Telecom Bulgaria“ EOOD gegen Direktor na Direktsia „Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika“ – Sofia (Beteiligte: Varhovna administrativna prokuratura na Republika Bulgaria)
ECLI:EU:C:2021:779
BB-ONLINE BBL2021-2390-1
Schlussanträge
1. Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie für die Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 des Zakon za korporativnoto podohodno oblagane (Körperschaftsteuergesetz) nicht heranzuziehen sind, da diese Vorschrift keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt.
2. Art. 4 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 03.06.2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass Zinszahlungen, wie sie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie beschrieben sind, als Gewinnausschüttungen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30.11.2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten qualifiziert werden.
3. Die Richtlinie 2011/96 ist dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung auf eine Quellensteuer auf fiktive Zinseinkünfte aus einem zinslosen Darlehen findet, das die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft gewährt hat.
4. Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die in Anwendung des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ und zur Bekämpfung der Steuerumgehung eine Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen vorsieht, die eine gebietsansässige Tochtergesellschaft, der von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft ein zinsloses Darlehen gewährt worden war, unter Marktbedingungen an Letztere hätte zahlen müssen, sofern die in dieser Regelung vorgesehene Steuerberichtigung auf einer Einzelfallprüfung des betreffenden Geschäfts beruht und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, Beweise dafür beizubringen, dass dieses Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen getätigt wurde.
5. Die Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12.02.2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass sie einer Quellensteuer, wie sie Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, nicht entgegensteht.
Aus den Gründen
I. Einleitung
1. In der vorliegenden Rechtssache geht es um die Frage, ob das Unionsrecht einer mitgliedstaatlichen steuerrechtlichen Regelung entgegensteht, die in Anwendung des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ und zur Bekämpfung der Steuerumgehung die Erhebung einer Quellensteuer auf fiktive Zinsen vorsieht, die eine gebietsansässige Tochtergesellschaft unter marktüblichen Bedingungen an ihre gebietsfremde Muttergesellschaft hätte zahlen müssen, von der sie ein zinsloses Darlehen erhalten hatte. Damit wirft diese Rechtssache ein dem Gerichtshof bekanntes Problem auf, nämlich inwiefern eine nationale Regelung im Bereich der direkten Steuern, die der Missbrauchsbekämpfung dient, mit den Bestimmungen über die Freizügigkeit vereinbar ist.
2. Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen ergeht im Rahmen eines bulgarischen Steuerrechtsstreits über ein in eine Kapitalzuführung umwandelbares zinsloses Darlehen, das einer Gesellschaft mit Sitz in Bulgarien, der „Viva Telecom Bulgaria“ (im Folgenden: Klägerin), von ihrer alleinigen Kapitalanteilseignerin, einer Gesellschaft mit Sitz in Luxemburg, der InterV Investment Sàrl (im Folgenden: InterV Investment), gewährt worden war.
3. Der Gerichtshof wird in dieser Rechtssache zu entscheiden haben, inwiefern nationale Steuervorschriften zur Betrugsbekämpfung in dem höchst sensiblen Bereich der Besteuerung konzerninterner Umsätze innerhalb der Europäischen Union mit dem primären und dem sekundären Unionsrecht vereinbart werden können.
II. Rechtlicher Rahmen
A. Unionsrecht
1. Beitritt der Republik Bulgarien zur Europäischen Union
4. Nach Art. 20 des Protokolls über die Bedingungen und Einzelheiten der Aufnahme der Republik Bulgarien und Rumäniens in die Europäische Union(2) und Art. 23 der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Bulgarischen Republik und Rumäniens und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge(3) gelten als Übergangsmaßnahmen in Bezug auf die Republik Bulgarien die im jeweiligen Anhang VI dieses Protokolls und dieser Akte aufgeführten Maßnahmen unter den in jenen Anhängen festgelegten Bedingungen.
5. In Nr. 3 des jeweiligen Abschnitts 6 („Steuerwesen“) dieser mit „Liste nach Artikel 20 des Protokolls: Übergangsmaßnahmen, Bulgarien“ bzw. „Liste nach Artikel 23 der Beitrittsakte: Übergangsbestimmungen, Bulgarien“ überschriebenen Anhänge wird auf die Richtlinie 2003/49/EG(4), geändert durch die Richtlinie 2004/76/EG(5), verwiesen und Folgendes bestimmt:
„Es wird Bulgarien gestattet, die Bestimmungen des Artikels 1 der Richtlinie 2003/49 ... bis zum 31. Dezember 2014 nicht anzuwenden. Während dieser Übergangszeit darf der Steuersatz für Zinsen oder Lizenzgebühren, die an ein verbundenes Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder an eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte eines verbundenen Unternehmens eines Mitgliedstaats gezahlt werden, bis zum 31. Dezember 2010 10 % und in den darauf folgenden Jahren bis zum 31. Dezember 2014 5 % nicht überschreiten.“
2. Richtlinie 2003/49
6. In den Erwägungsgründen 2 und 4 der Richtlinie 2003/49 heißt es:
„(2) Diese Forderung ist bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren gegenwärtig nicht erfüllt; die nationalen Steuervorschriften, gegebenenfalls in Verbindung mit bilateralen oder multilateralen Übereinkünften, können nicht immer die Beseitigung der Doppelbesteuerung gewährleisten, und ihre Anwendung bringt für die Unternehmen oftmals Belastungen durch Verwaltungsaufwand sowie Cashflow-Probleme mit sich.
...
(4) Das geeignetste Mittel, um die genannten Belastungen und Probleme zu beseitigen und die steuerliche Gleichbehandlung innerstaatlicher und grenzübergreifender Finanzbeziehungen zu gewährleisten, besteht darin, die Steuern – unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden – bei Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren in dem Mitgliedstaat, in dem diese Einkünfte anfallen, zu beseitigen; besonders notwendig ist die Beseitigung dieser Steuern bei Zahlungen zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten sowie zwischen Betriebsstätten derartiger Unternehmen.“
7. Art. 1 („Anwendungsbereich und Verfahren“) dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) In einem Mitgliedstaat angefallene Einkünfte in Form von Zinsen oder Lizenzgebühren werden von allen in diesem Staat darauf erhebbaren Steuern – unabhängig davon, ob sie an der Quelle abgezogen oder durch Veranlagung erhoben werden – befreit, sofern der Nutzungsberechtigte der Zinsen oder Lizenzgebühren ein Unternehmen eines anderen Mitgliedstaats oder eine in einem anderen Mitgliedstaat belegene Betriebsstätte eines Unternehmens eines Mitgliedstaats ist.
(2) Eine Zahlung, die von einem Unternehmen eines Mitgliedstaats oder einer in einem Mitgliedstaat belegenen Betriebsstätte eines Unternehmens eines anderen Mitgliedstaats getätigt wurde, gilt als in dem betreffenden Mitgliedstaat (im Folgenden ‚Quellenstaat‘ genannt) angefallen.
...
(4) Ein Unternehmen eines Mitgliedstaats wird nur als Nutzungsberechtigter der Zinsen oder Lizenzgebühren behandelt, wenn es die Zahlungen zu eigenen Gunsten und nicht nur als Zwischenträger, etwa als Vertreter, Treuhänder oder Bevollmächtigter für eine andere Person erhält.
...“
8. Art. 2 („Bestimmung der Begriffe ‚Zinsen‘ und ‚Lizenzgebühren‘“) Buchst. a der Richtlinie lautet:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie bezeichnet der Ausdruck
‚Zinsen‘ Einkünfte aus Forderungen jeder Art, auch wenn die Forderungen durch Pfandrechte an Grundstücken gesichert oder mit einer Beteiligung am Gewinn des Schuldners ausgestattet sind, insbesondere Einkünfte aus öffentlichen Anleihen und aus Obligationen einschließlich der damit verbundenen Aufgelder und der Gewinne aus Losanleihen; Zuschläge für verspätete Zahlung gelten nicht als Zinsen“.
9. Art. 4 („Ausschluss von Zahlungen als Zinsen oder Lizenzgebühren“) der Richtlinie sieht vor:
„(1) Der Quellenstaat muss die Vorteile dieser Richtlinie nicht gewähren bei
a) Zahlungen, die nach dem Recht des Quellenstaats als Gewinnausschüttung oder als Zurückzahlung von Kapital behandelt werden,
...
d) Zahlungen aus Forderungen, die nicht mit Bestimmungen über die Rückzahlung der Hauptschuld verbunden sind oder wenn die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist.
(2) Bestehen zwischen dem Zahler und dem Nutzungsberechtigten von Zinsen oder Lizenzgebühren oder zwischen einem von ihnen und einem Dritten besondere Beziehungen und übersteigt deshalb der Betrag der Zinsen oder Lizenzgebühren den Betrag, den der Zahler und der Nutzungsberechtigte ohne diese Beziehungen vereinbart hätten, so finden die Bestimmungen dieser Richtlinie nur auf letztgenannten Betrag Anwendung.“
10. Art. 5 („Betrug und Missbrauch“) der Richtlinie 2003/49 lautet:
„(1) Diese Richtlinie steht der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch nicht entgegen.
(2) Die Mitgliedstaaten können im Fall von Transaktionen, bei denen der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung, die Steuerumgehung oder der Missbrauch ist, den Rechtsvorteil dieser Richtlinie entziehen bzw. die Anwendung dieser Richtlinie verweigern.“
3. Richtlinie 2008/7/EG
11. Art. 3 („Kapitalzuführungen“) der Richtlinie 2008/7/EG(6) bestimmt:
„Für die Zwecke dieser Richtlinie und vorbehaltlich von Artikel 4 gelten die nachstehenden Vorgänge als ‚Kapitalzuführungen‘:
...
h) die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ihren Gegenwert in einer Änderung der Gesellschaftsrechte finden oder geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen;
i) die Darlehensaufnahme durch eine Kapitalgesellschaft, wenn der Darlehensgeber Anspruch auf eine Beteiligung an den Gesellschaftsgewinnen hat;
j) die Darlehensaufnahme durch eine Kapitalgesellschaft bei einem Gesellschafter, beim Ehegatten oder bei einem Kind eines Gesellschafters sowie die Aufnahme von Darlehen bei Dritten, wenn ein Gesellschafter für ein solches Darlehen Sicherheit leistet; Voraussetzung ist, dass diese Darlehen die gleiche Funktion haben wie eine Erhöhung des Kapitals.“
12. Art. 5 („Keinen indirekten Steuern unterliegende Vorgänge“) Abs. 1 dieser Richtlinie sieht vor:
„Die Mitgliedstaaten erheben von Kapitalgesellschaften keinerlei indirekten Steuern auf
a) Kapitalzuführungen;
b) Darlehen oder Leistungen im Rahmen der Kapitalzuführungen;
...“
4. Richtlinie 2011/96/EU
13. In den Erwägungsgründen 3 bis 5 der Richtlinie 2011/96/EU(7) heißt es:
„(3) Diese Richtlinie zielt darauf ab, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte auf Ebene der Muttergesellschaft zu beseitigen.
(4) Zusammenschlüsse von Gesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten können notwendig sein, um binnenmarktähnliche Verhältnisse in der Union zu schaffen und damit das Funktionieren eines solchen Binnenmarktes zu gewährleisten. Sie sollten nicht durch Beschränkungen, Benachteiligungen oder Verfälschungen, insbesondere aufgrund von steuerlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten, behindert werden. Demzufolge müssen wettbewerbsneutrale steuerliche Regelungen für diese Zusammenschlüsse geschaffen werden, um die Anpassung von Unternehmen an die Erfordernisse des Binnenmarktes, eine Erhöhung ihrer Produktivität und eine Stärkung ihrer Wettbewerbsfähigkeit auf internationaler Ebene zu ermöglichen.
(5) Derartige Zusammenschlüsse können zur Schaffung von aus Mutter- und Tochtergesellschaften bestehenden Unternehmensgruppen führen.“
14. Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:
„(1) Jeder Mitgliedstaat wendet diese Richtlinie an
...
b) auf Gewinnausschüttungen von Tochtergesellschaften dieses Mitgliedstaats an Gesellschaften anderer Mitgliedstaaten;
...
(2) Liegt – unter Berücksichtigung aller relevanten Fakten und Umstände – eine unangemessene Gestaltung oder eine unangemessene Abfolge von Gestaltungen vor, bei der der wesentliche Zweck oder einer der wesentlichen Zwecke darin besteht, einen steuerlichen Vorteil zu erlangen, der dem Ziel oder Zweck dieser Richtlinie zuwiderläuft, so gewähren die Mitgliedstaaten Vorteile dieser Richtlinie nicht.
Eine Gestaltung kann mehr als einen Schritt oder Teil umfassen.
(3) Für die Zwecke von Absatz 2 gilt eine Gestaltung oder eine Abfolge von Gestaltungen in dem Umfang als unangemessen, wie sie nicht aus triftigen wirtschaftlichen Gründen vorgenommen wurde, die die wirtschaftliche Realität widerspiegeln.
(4) Die vorliegende Richtlinie steht der Anwendung einzelstaatlicher oder vertraglicher Bestimmungen zur Verhinderung von Steuerhinterziehung, Steuerbetrug oder Missbrauch nicht entgegen.“
15. Art. 5 der Richtlinie lautet:
„Die von einer Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft ausgeschütteten Gewinne sind vom Steuerabzug an der Quelle befreit.“
B. Bulgarisches Recht
16. Art. 1 Nr. 4 des Zakon za korporativnoto podohodno oblagane (Körperschaftsteuergesetz)(8) (im Folgenden: ZKPO) bestimmt:
„Dieses Gesetz regelt die Besteuerung der darin aufgeführten Einkünfte, die in der Republik Bulgarien von gebietsansässigen oder gebietsfremden juristischen Personen erzielt werden.“
17. Art. 5 ZKPO lautet:
„(1) Die Gewinne unterliegen der Körperschaftsteuer.
(2) Die Einkünfte der in diesem Gesetz genannten gebietsansässigen oder gebietsfremden juristischen Personen unterliegen einer Steuer, die an der Quelle erhoben wird.“
18. Art. 12 Abs. 5 ZKPO sieht vor:
„Wenn sie von gebietsansässigen juristischen Personen oder Einzelunternehmern oder von gebietsfremden juristischen Personen oder Einzelunternehmern mittels einer Betriebsstätte bzw. eines konkreten Geschäftssitzes im Inland erzielt werden oder wenn sie an gebietsfremde juristische Personen von gebietsansässigen natürlichen Personen oder von gebietsfremden natürlichen Personen mit konkretem Geschäftssitz gezahlt werden, gelten folgende Einkünfte als solche inländischen Ursprungs:
1. Zinsen, einschließlich der in Leasingraten enthaltenen Zinsen.
...“
19. Art. 16 („Steuerhinterziehung“) ZKPO sieht vor:
„(1) (... in Kraft seit dem 1. Januar 2010) Werden ein oder mehrere Rechtsgeschäfte, darunter solche zwischen nicht miteinander verbundenen Personen, unter Voraussetzungen eingegangen, die zu Steuerhinterziehung führen, so ist die Bemessungsgrundlage ungeachtet dieser Rechtsgeschäfte, einzelner ihrer Voraussetzungen oder ihrer Rechtsform zu bestimmen; als Bemessungsgrundlage wird jene herangezogen, die sich ergeben würde, wenn ein gewöhnliches Rechtsgeschäft entsprechender Art bei marktüblichen Preisen getätigt würde und auf dasselbe wirtschaftliche Ergebnis gerichtet wäre, ohne zur Steuerhinterziehung zu führen.
(2) Als Steuerhinterziehung gelten auch
...
3. die Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten mit einem Zinssatz, der vom marktüblichen Zins zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts abweicht, einschließlich der Fälle zinsloser Darlehen oder anderer zeitlich begrenzter unentgeltlicher finanzieller Hilfe, sowie der Erlass von Krediten oder die Rückzahlung von nicht mit der Tätigkeit in Verbindung stehenden Krediten auf eigene Rechnung;
...“
20. Art. 20 („Steuersatz“) ZKPO lautet:
„Der Steuersatz für die Körperschaftsteuer beträgt 10 %.“
21. Der Dritte Teil („Steuerabzug an der Quelle“) des ZKPO umfasst u. a. die Art. 195 bis 202a.
22. In Art. 195 („Steuerabzug an der Quelle bei Gebietsfremden“) ZKPO heißt es:
„(1) ... (in Kraft seit dem 1. Januar 2011) Die von gebietsfremden juristischen Personen erzielten Einkünfte inländischen Ursprungs ... unterliegen einer endgültigen Quellensteuer.
(2) Die Steuer nach Abs. 1 wird von den gebietsansässigen juristischen Personen einbehalten ..., die die Einkünfte an die gebietsfremden juristischen Personen entrichten ...
...
(6) Keiner Quellensteuer unterliegen:
...
3. (... in Kraft seit dem 1. Januar 2015) Einkünfte aus Zinsen sowie aus Urheberrechts- und Lizenzgebühren unter den Voraussetzungen der Abs. 7 bis 12;
...
(7) (... in Kraft seit dem 1. Januar 2015) Einkünfte aus Zinsen sowie aus Urheberrechts- und Lizenzgebühren unterliegen nicht der Quellensteuer, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
...
(11) (... in Kraft seit dem 1. Januar 2015) Die Abs. 7, 8, 9 und 10 gelten nicht für:
1. Einkünfte, die eine Gewinnausschüttung oder eine Rückzahlung von Kapital darstellen;
...
4. Einkünfte aus Forderungen, die nicht mit Bestimmungen über die Rückzahlung der Hauptschuld verbunden sind oder wenn die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist;
...
7. Einkünfte aus Geschäften, bei denen der hauptsächliche Beweggrund oder einer der hauptsächlichen Beweggründe die Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung ist.“
23. Art. 199 („Bemessungsgrundlage für die Quellensteuer auf Einkünfte von Nichtansässigen“) Abs. 1 ZKPO sieht vor:
„Die Bemessungsgrundlage für die Festsetzung der Steuer, die für die Einkünfte nach Art. 195 Abs. 1 an der Quelle einbehalten wird, ist der Bruttobetrag dieser Einkünfte ...“
24. Art. 200 („Steuersatz“) Abs. 2 ZKPO bestimmte in seiner ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung:
„... Der Steuersatz für die Steuer auf die Einkünfte gemäß Art. 195 beträgt 10 %, ausgenommen in den Fällen nach Art. 200a.“
25. Mit Wirkung vom 1. Januar 2015 wurde diese Bestimmung wie folgt geändert:
„... Der Steuersatz für die Steuer auf die Einkünfte gemäß Art. 195 beträgt 10 %.“
26. Art. 200a ZKPO sah in seiner ab dem 1. Januar 2011 geltenden, am 1. Januar 2014 geänderten und ergänzten Fassung bis zu seiner mit Wirkung vom 1. Januar 2015 erfolgten Aufhebung vor:
„(1) Der Steuersatz für die Steuer auf Einkünfte aus Zinsen sowie aus Urheberrechts- und Lizenzgebühren beträgt 5 %, wenn folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:
...
(5) Abs. 1 bis 4 gelten nicht für
1. Einkünfte, die eine Gewinnausschüttung oder eine Rückzahlung von Kapital darstellen;
...
4. Einkünfte aus Forderungen, die nicht mit Bestimmungen über die Rückzahlung der Hauptschuld verbunden sind oder wenn die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist;
...“
27. Art. 202a („Neuberechnung der an der Quelle abgezogenen Steuer“) Abs. 1 bis 4 in seiner seit dem 1. Januar 2010 geltenden Fassung lautet(9):
„(1) ... Eine gebietsfremde juristische Person, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums ihren steuerlichen Sitz hat, kann eine Neuberechnung der Quellensteuer beantragen, die von den in Art. 12 Abs. 2, 3, 5 und 8 genannten Einkünfte abgezogen wurde. Beantragt die gebietsfremde Person eine Neuberechnung der einbehaltenen Quellensteuer, so bezieht sich die Neuberechnung auf alle in Art. 12 Abs. 2, 3, 5 und 8 genannten Einkünfte, die sie in dem Geschäftsjahr erzielt hat.
(2) Beantragt die gebietsfremde Person eine Neuberechnung der Quellensteuer für die von ihr erzielten Einkünfte, so entspricht die neu berechnete Steuer der Körperschaftsteuer, die auf diese Einkünfte erhoben worden wäre, wenn sie von einer gebietsansässigen juristischen Person erzielt worden wären. Hat die gebietsfremde Person im Zusammenhang mit den Einkünften im Sinne von Satz 1 Aufwendungen getätigt, für die eine Aufwandsteuer geschuldet wäre, wenn sie von einer gebietsansässigen juristischen Person getätigt worden wären, so erhöht sich der Betrag der neu berechneten Steuer um diese Steuer.
(3) Übersteigt der Betrag der Quellensteuer nach Art. 195 Abs. 1 den nach Abs. 2 neu berechneten Steuerbetrag, so ist der Unterschiedsbetrag bis zur Höhe der Quellensteuer nach Art. 195 Abs. 1 zu erstatten, die die gebietsfremde Person nicht von der in ihrem Wohnsitzstaat geschuldeten Steuer abziehen kann.
(4) In der jährlich einzureichenden Steuererklärung ist anzugeben, ob eine Neuberechnung der einbehaltenen Quellensteuer beantragt wird. Der Gebietsfremde muss die Steuererklärung bis zum 31. Dezember des Jahres, das auf das Jahr folgt, in dem die Einkünfte erzielt wurden, bei der Teritorialna direktsia na Natsionalna agentsia za prihodite – Sofia [(Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen – Sofia, Bulgarien)] abgeben.“
III. Ausgangsrechtsstreit, Vorlagefragen und Verfahren vor dem Gerichtshof
28. Am 22. November 2013 schloss die Klägerin als Darlehensnehmerin mit ihrer alleinigen Kapitalanteilseignerin, der InterV Investment, einen Darlehensvertrag, mit dem ihr diese als Darlehensgeberin ein zinsloses Wandeldarlehen gewährte, das 60 Jahre nach Inkrafttreten des Vertrags fällig werden sollte (im Folgenden: streitiges Darlehen). In diesem Vertrag war vorgesehen, dass die Verpflichtung der Darlehensnehmerin zur Rückzahlung jederzeit nach der Finanzierungsbewilligung erlöschen sollte, falls die Darlehensgeberin beschloss, eine Sacheinlage in Höhe des geschuldeten Darlehensbetrags in das Kapital der Darlehensnehmerin einzubringen.
29. Mit Bescheid vom 16. Oktober 2017 nahm die Teritorialna direktsia na Natsionalna agentsia za prihodite (Gebietsdirektion der Nationalen Agentur für Einnahmen, Bulgarien) (im Folgenden: Finanzverwaltung) bei der Klägerin eine Steuerberichtigung für den Zeitraum vom 14. Februar 2014 bis zum 31. März 2015 vor und gab ihr nach Art. 195 Abs. 2 ZKPO auf, Quellensteuer für bestimmte der InterV Investment gewährte Zinseinkünfte zu zahlen.
30. Nachdem die Finanzverwaltung festgestellt hatte, dass das streitige Darlehen zum Zeitpunkt der Steuerprüfung nicht in Kapital umgewandelt worden war(10) und dass die Darlehensnehmerin das Darlehen weder zurückgezahlt noch Zinsen darauf entrichtet hatte, nahm sie an, dass ein Geschäft gegeben sei, das den Tatbestand der „Steuerhinterziehung“ im Sinne von Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO erfülle, worunter die Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten mit einem Zinssatz, der vom marktüblichen Zins zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts abweicht, einschließlich der Fälle zinsloser Darlehen, zu verstehen ist. Die Finanzverwaltung legte in ihrem Bescheid zur Berechnung der von der Darlehensnehmerin nicht gezahlten Zinsen den marktüblichen Zinssatz für das Darlehen fest und erhob sodann auf diese Zinsen eine Quellensteuer von 10 %.
31. Mit Urteil vom 29. März 2019 wies das Administrativen sad Sofia (Verwaltungsgericht Sofia, Bulgarien) die Klage ab, mit der die Klägerin die Rechtswidrigkeit dieses Bescheids geltend gemacht hatte, und führte zur Begründung aus, das streitige Darlehen sei ein finanzieller Vermögenswert der Klägerin, der aus der unterbliebenen Zinszahlung ein Vorteil erwachsen sei, während die Darlehensgeberin einen wirtschaftlichen Verlust erlitten habe, weil ihr diese Zinsen entgangen seien. Der Darlehensbetrag sei zur Rückzahlung bestimmter, im Darlehensvertrag aufgeführter finanzieller Verpflichtungen der Darlehensnehmerin verwendet worden und daher nicht dem Eigenkapital zuzurechnen.
32. Mit ihrer Kassationsbeschwerde beim vorlegenden Gericht, dem Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien), beantragt die Klägerin, dieses Urteil aufzuheben.
33. Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Klägerin vor, bei der Erhebung von Quellensteuer auf fiktive Zinseinkünfte seien die nachgewiesenen wirtschaftlichen Beweggründe für die Gewährung eines zinslosen Darlehens unberücksichtigt geblieben. Sie selbst sei zur Zahlung von Zinsen für das streitige Darlehen finanziell nicht in der Lage gewesen, während InterV Investment zum Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrags über dieses Darlehen die alleinige Kapitalanteilseignerin gewesen sei. Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO stehe insoweit im Widerspruch zur Rechtsprechung des Gerichtshofs, als er den Parteien eines Vertrags über ein zinsloses Darlehen nicht erlaube, stichhaltige wirtschaftliche Erwägungen für die Darlehensgewährung darzutun.
34. Die Klägerin macht hilfsweise geltend, da die Republik Bulgarien von der Möglichkeit nach Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 Gebrauch gemacht habe, wonach die Mitgliedstaaten Zinsen für Darlehen, die sie steuerlich als Einkünfte aus Eigenkapitalinstrumenten behandelten, vom Geltungsbereich dieser Richtlinie ausnehmen dürften, finde die Richtlinie 2011/96 Anwendung, die diese Art von Einkünften betreffe. Nach Art. 5 dieser Richtlinie seien von einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft an ihre gebietsfremde Muttergesellschaft ausgeschüttete Gewinne jedoch vom Steuerabzug an der Quelle befreit. Das streitige Darlehen sei eine Kapitalzuführung im Sinne von Art. 3 Buchst. h bis j der Richtlinie 2008/7, die nach Art. 5 dieser Richtlinie keiner indirekten Steuer unterliegen dürfe.
35. Unter diesen Umständen hat das Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht) beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:
1. Stehen der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nach Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV und das Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf vor Gericht gemäß Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) einer nationalen Regelung wie der des Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO entgegen?
2. Handelt es sich bei Zinszahlungen gemäß Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 um Gewinnausschüttungen, für die Art. 5 der Richtlinie 2011/96 gilt?
3. Ist auf Zahlungen aus einem von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 erfassten zinslosen Darlehen, das 60 Jahre nach Vertragsschluss fällig wird, die Regelung des Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 sowie des Art. 5 der Richtlinie 2011/96 anwendbar?
4. Stehen Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV, Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 sowie Art. 5 der Richtlinie 2011/96 und Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 einer nationalen Regelung wie jener von Art. 195 Abs. 1, Art. 200 Abs. 2 ZKPO und des Art. 200a Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 4 ZKPO (aufgehoben) in den jeweiligen Fassungen, die vom 1. Januar 2011 bis zum 1. Januar 2015 in Kraft waren, und des Art. 195 Abs. 1, Abs. 6 Nr. 3 und Abs. 11 Nr. 4 ZKPO in der Fassung nach dem 1. Januar 2015 sowie einer Besteuerungspraxis entgegen, wonach nicht gezahlte Zinsen aus einem zinslosen Darlehen, das einer gebietsansässigen Tochtergesellschaft von der Muttergesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt wurde und 60 Jahre nach dem 22. November 2013 fällig ist, einer Quellensteuer unterliegen?
5. Stehen Art. 3 Abs. 1 Buchst. h bis j, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 der Richtlinie 2008/7 einer nationalen Regelung wie jener von Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 und Art. 195 Abs. 1 ZKPO über die Quellenbesteuerung fiktiver Zinseinkünfte auf der Grundlage eines zinslosen Darlehens, das einer gebietsansässigen Gesellschaft von einer Gesellschaft eines anderen Mitgliedstaats gewährt wird, die alleinige Anteilseignerin des Kapitals der Darlehensnehmerin ist, entgegen?
6. Verletzt die Umsetzung der Richtlinie 2003/49 im Jahr 2011 vor Ablauf der in Anhang VI, Abschnitt „Steuerwesen“, Nr. 3 der Beitrittsakte und des Protokolls zum Beitrittsvertrag bestimmten Übergangsfrist in Art. 200 Abs. 2 und Art. 200а Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 4 ZKPO mit einem festgesetzten Steuersatz von 10 % statt des in der Akte und im Protokoll vorgeschriebenen maximalen Satzes von 5 % nicht die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes?
36. Die Klägerin, die Finanzverwaltung, die bulgarische Regierung und die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht. Diese Verfahrensbeteiligten haben auch in der Sitzung vom 30. Juni 2021 mündlich verhandelt.
IV. Würdigung
A. Vorbemerkungen
37. Mit seinen sechs Fragen möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob eine Quellensteuer gegen das primäre Unionsrecht aus Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV, Art. 47 der Charta sowie den Art. 49 und 63 AEUV (erste und vierte Frage) und/oder gegen das sekundäre Unionsrecht aus der Richtlinie 2003/49 (zweite, dritte, vierte und sechste Frage), der Richtlinie 2011/96 (zweite, dritte und vierte Frage) bzw. der Richtlinie 2008/7 (fünfte Frage) verstößt.
38. Vor einer rechtlichen Analyse der Fragen des vorlegenden Gerichts halte ich folgende Vorbemerkungen für angebracht.
1. Steuersouveränität der Mitgliedstaaten und Unionsrecht
39. Ich möchte daran erinnern, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen und eine Harmonisierung dieser Steuern nicht vorgeschrieben ist, dass die Mitgliedstaaten bei der Ausübung ihrer Befugnisse aber das Gemeinschaftsrecht wahren müssen(11). Nach dieser Rechtsprechung können die Bestimmungen über die in den Verträgen verankerten Freiheiten auch die Befugnis eines Mitgliedstaats zur Festlegung der Voraussetzungen und Modalitäten der Besteuerung einer von Staatsangehörigen anderer Mitgliedstaaten aus einer Tätigkeit im Besteuerungsmitgliedstaat erzielten Einkünfte beschränken(12).
40. Außerdem hat der Gerichtshof, wenngleich die Mitgliedstaaten bei der Feststellung einer Steuerhinterziehung autonom handeln, entschieden, dass eine nationale Regelung nur dann die Verhinderung von Steuerhinterziehung und Missbrauch bezweckt, wenn ihr spezifisches Ziel in der Verhinderung von Verhaltensweisen liegt, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Konstruktionen zu dem Zweck zu errichten, ungerechtfertigt einen Steuervorteil zu nutzen(13).
2. Internationale Steuerpraxis und Unionsrecht
a) Bestimmungen zur Missbrauchsbekämpfung
41. Auf internationaler Ebene wird das steuerpolitische Ziel verfolgt, Doppelbesteuerung zu vermeiden, ohne dass die Folge davon eine Nichtbesteuerung oder eine Steuerverkürzung aufgrund von Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung – insbesondere durch „Treaty-Shopping“ – wäre.
42. Besonders deutlich kommt dies im Rahmen internationaler Steuerabkommen zum Ausdruck, die Vorschriften zur Missbrauchsbekämpfung enthalten, mit denen bei Steuerhinterziehung oder Missbrauch die Anwendung von Bestimmungen ausgeschlossen werden soll, die dem Steuerpflichtigen Rechte verleihen. Derartige Normen wurden sowohl in das Unionsrecht als auch in die innerstaatliche Rechtsordnung mehrerer Mitgliedstaaten aufgenommen, wie die vorliegende Rechtssache zeigt.
43. Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein Steuerpflichtiger nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs keinen Anspruch auf ein Recht oder einen Vorteil aus dem Unionsrecht hat, sofern die fragliche Transaktion wirtschaftlich betrachtet eine rein künstliche Gestaltung darstellt und darauf ausgerichtet ist, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen(14).
44. Ich stelle außerdem fest, dass mit den Richtlinien 2003/49 und 2011/96, die Gegenstand der Vorlagefragen sind, das gemeinsame Ziel verfolgt wird, Steuerhinterziehung zu vermeiden, und dass die Mitgliedstaaten demgemäß die Möglichkeit haben, nicht nur die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, um diese Art von Betrug zu verhindern, sondern bei Betrug oder Missbrauch auch die Rechtsvorteile dieser Richtlinien zu entziehen oder deren Anwendung zu verweigern.
b) Fremdvergleichsgrundsatz
45. Der „Fremdvergleichsgrundsatz“ (arm’s length principle) – der u. a. in Art. 9 des Musterabkommens der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)(15) verankert ist, das den Konsens der Mitglieder dieser Organisation widerspiegelt – soll gewährleisten, dass innerhalb einer Unternehmensgruppe agierende Steuerpflichtige im Rahmen des allgemeinen Körperschaftsteuerrechts genauso behandelt werden wie solche, die unabhängig auf dem Markt tätig sind.
46. Diesen Grundsatz hat auch der Gerichtshof anerkannt, der sowohl für den Bereich der Steuern als auch für außersteuerliche Bereiche entschieden hat, dass der Fremdvergleich ein geeignetes Kriterium darstellt, um ein künstliches Konstrukt von echten wirtschaftlichen Transaktionen zu unterscheiden, und in diesem Zusammenhang ein objektives Kriterium darstellt, anhand dessen ermittelt werden kann, ob der fragliche Vorgang im Wesentlichen darauf ausgerichtet ist, einen Steuervorteil zu erlangen(16).
B. Zur ersten Vorlagefrage
47. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO gegen Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV sowie gegen das in Art. 47 der Charta verankerte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf und ein unparteiisches Gericht verstößt.
48. Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 4 EUV „inhaltlich wie formal“ für „Maßnahmen der Union“ gilt, während Art. 12 Buchst. b EUV die Rolle der nationalen Parlamente im Hinblick auf die Wahrung des Grundsatzes der Subsidiarität betrifft. Diese Bestimmungen enthalten somit Grundsätze, nach denen das Gesetzgebungsverfahren der Union, nicht aber der Mitgliedstaaten zu gestalten ist. Insoweit hat der Gerichtshof entschieden, dass eine ähnliche Frage, die dasselbe vorlegende Gericht in einer anderen Rechtssache unlängst gestellt hatte, nicht zu beantworten sei, da die erwähnten Bestimmungen nationale Rechtsvorschriften nicht beträfen und auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar seien(17).
49. Was weiter das in Art. 47 der Charta vorgesehene Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf betrifft, so binden die Erfordernisse, die sich aus dem Schutz der Grundrechte ergeben, die Mitgliedstaaten nach ständiger Rechtsprechung nur, wenn sie das Unionsrecht anwenden(18).
50. Nach Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO gilt die Inanspruchnahme oder Gewährung von Krediten mit einem Zinssatz, der vom marktüblichen Zins zum Zeitpunkt des Abschlusses des Rechtsgeschäfts abweicht, einschließlich der Fälle zinsloser Darlehen, als Steuerhinterziehung. Diese bulgarische Rechtsvorschrift stellt weder die Umsetzung einer Richtlinie der Union noch die Anwendung oder Durchführung einer anderen unionsrechtlichen Bestimmung dar.
51. Daher ist im Licht von Art. 51 der Charta festzustellen, dass deren Bestimmungen auf eine solche bulgarische Steuervorschrift, die keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt, nicht anwendbar sind.
52. Ich schlage somit vor, auf die erste Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV sowie Art. 47 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie für die Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO nicht heranzuziehen sind, da diese Vorschrift keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt.
C. Zur zweiten Vorlagefrage
53. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Zinszahlungen im Sinne von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 Gewinnausschüttungen darstellen können, die unter Art. 5 der Richtlinie 2011/96 fallen.
54. Die Richtlinie 2003/49, mit der eine Harmonisierung im Bereich der direkten Steuern verwirklicht wird, damit die Wirtschaftsteilnehmer vom Binnenmarkt profitieren können, soll ausweislich ihrer Erwägungsgründe 2 bis 4 eine Doppelbesteuerung bei Zahlungen von Zinsen zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten beseitigen und gewährleisten, dass diese Zahlungen einmal in einem einzigen Mitgliedstaat besteuert werden, indem eine Besteuerung der Zinsen im Quellenstaat zulasten des Nutzungsberechtigten dieser Zinsen verboten wird(19).
55. Als Erstes stellt sich die Frage, ob fiktive Zinsen, wie sie von der Finanzverwaltung im vorliegenden Fall ermittelt wurden, unter diese Richtlinie subsumiert und als „Zinszahlungen“ im Sinne von Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/49 angesehen werden können, und zwar speziell in der vorliegenden Rechtssache, in der überhaupt keine gesonderte Zahlung erfolgt ist.
56. Die Richtlinie 2003/49 gilt, wie ihr fünfter Erwägungsgrund belegt, für „Zahlungen“. In ihrem Art. 1 („Anwendungsbereich und Verfahren“) spricht sie eindeutig von einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen „Nutzungsberechtigten der Zinsen“, der „eine Zahlung“ erhält, die von einer im Quellenstaat ansässigen Gesellschaft „getätigt wurde“.
57. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich ebenfalls, dass Zinsen, da sie in Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2003/49 als „Einkünfte aus Forderungen jeder Art“ definiert sind, nur beim „tatsächlichen“ Nutznießer als Einkünfte aus solchen Forderungen anfallen können, so dass mit dem Ausdruck „Nutzungsberechtigter der Zinsen“ im Sinne dieser Richtlinie eine Einheit gemeint ist, der die „an sie gezahlten“ Zinsen wirtschaftlich „tatsächlich“ zustehen und die daher frei über deren Verwendung bestimmen kann(20).
58. Wenn die Finanzverwaltung aber fiktive Zinsen für ein zinsloses Darlehen erfasst und besteuert(21), erhält der Darlehensgeber keine Zinsen und kann daher nach meiner Meinung nicht als deren „tatsächlicher Nutzungsberechtigter“ angesehen werden.
59. Als Zweites weise ich darauf hin, dass auch dann, wenn fiktive Zinsen als „Zinszahlungen“ im Sinne der Richtlinie 2003/49 anzusehen wären, diese Zahlungen, da sie sich auf ein erst 60 Jahre nach Vertragsschluss fälliges zinsloses Darlehen beziehen, jedenfalls unter die Ausnahmeregelung in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie fallen würden, wonach „Zahlungen aus Forderungen, die nicht mit Bestimmungen über die Rückzahlung der Hauptschuld verbunden sind oder wenn die Rückzahlung mehr als 50 Jahre nach der Begebung fällig ist“, vom Anwendungsbereich dieser Richtlinie ausgenommen sind. Die Laufzeit des streitigen Darlehens betrug 60 Jahre, so dass die Richtlinie 2003/49 auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar ist.
60. Als Drittes und Letztes ist meines Erachtens der Vollständigkeit halber auch zu berücksichtigen, dass mit der Richtlinie 2003/49 ein doppeltes Ziel verfolgt wird: Vermeidung von Doppelbesteuerung(22) sowie Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Missbrauch(23).
61. So dürfen zwecks Vermeidung einer Doppelbesteuerung grenzüberschreitender Zinszahlungen Zinsen im Quellenstaat nicht zulasten des Nutzungsberechtigten dieser Zinsen besteuert werden(24). Im vorliegenden Fall droht aber keine gegen die Richtlinie 2003/49 verstoßende Doppelbesteuerung, denn die von der Finanzverwaltung erfassten fiktiven Zinsen sind in Luxemburg nicht steuerbar, weil die entsprechenden Beträge nicht an die Muttergesellschaft abgeführt wurden.
62. Was die Gefahr von Missbrauch und Steuerhinterziehung betrifft, so steht Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 2003/49 der Anwendung einzelstaatlicher Vorschriften zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch nicht entgegen. Im Übrigen würde eine Umgehung des nationalen Steuerrechts akzeptiert, wenn der von der Klägerin befürworteten Auslegung gefolgt werden sollte. Dies würde in der Praxis bedeuten, dass verbundene Gesellschaften unter Verstoß gegen das nationale Recht Darlehen aufnehmen (oder andere Arten konzerninterner Geschäfte tätigen) und sich dann auf das Unionsrecht berufen könnten, um dem nationalen Steuerrecht (und möglicherweise auch der Steuer) zu entgehen. Eine solche Auslegung liefe aber den Zielen der Richtlinie zuwider, zu denen die Bekämpfung von Steuerbetrug gehört(25).
63. Infolgedessen kann die Richtlinie 2003/49 meines Erachtens keine Anwendung auf einen Fall wie den des Ausgangsverfahrens finden.
64. Ich schlage deshalb vor, auf die zweite Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 4 der Richtlinie 2003/49 dahin auszulegen ist, dass er nicht verlangt, dass Zinszahlungen, wie sie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie beschrieben sind, als „Gewinnausschüttungen“ im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2011/96 qualifiziert werden.
D. Zur dritten Vorlagefrage
65. Mit seiner dritten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob die Regelung des Art. 1 Abs. 1 Buchst. b und Abs. 3 sowie des Art. 5 der Richtlinie 2011/96 auf Zahlungen aus einem von Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 erfassten zinslosen Darlehen, das 60 Jahre nach Vertragsschluss fällig wird, anwendbar ist.
66. Die Richtlinie 2011/96 zielt darauf ab, Dividendenzahlungen und andere Gewinnausschüttungen von in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaften an ihre in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft von Quellensteuern zu befreien und die Doppelbesteuerung derartiger Einkünfte bei der Muttergesellschaft zu beseitigen, um Zusammenschlüsse von Gesellschaften auf Unionsebene zu erleichtern(26).
67. Im Hinblick darauf gilt die Richtlinie 2001/96 nach ihrem Art. 1 Abs. 1 Buchst. b für „Gewinnausschüttungen“, die eine Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft im Rahmen einer grenzüberschreitenden Beziehung vornimmt.
68. Der Begriff „Gewinnausschüttung“ ist als solcher in dieser Richtlinie nicht definiert.
69. Hierzu hat der Gerichtshof entschieden, dass der Mitgliedstaat, in dem eine Gesellschaft ihren Sitz hat, die von dieser Gesellschaft an die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft gezahlten Zinsen als Gewinnausschüttung behandeln darf(27). Diese Feststellung wurde allerdings in einem Kontext getroffen, in dem die Tochtergesellschaft – anders als es vorliegend der Fall ist – tatsächlich Zinsen als Vergütung für das Darlehen gezahlt hatte.
70. Ich bin daher der Ansicht, dass fiktive Zinsen, die von der Finanzverwaltung nur erfasst wurden, um eine nach nationalem Recht als verdeckt geltende Transaktion zu besteuern, nicht als „Gewinnausschüttungen“ im Sinne der Richtlinie 2011/96 angesehen werden können, zumal zwischen beiden Konzerngesellschaften keine tatsächliche Zinszahlung stattgefunden hat.
71. Ich weise auch darauf hin, dass es ebenso wie bei der Richtlinie 2003/49 zu den Hauptzielen der Richtlinie 2011/96 gehört, sowohl Doppelbesteuerung als auch Steuerhinterziehung und Missbrauch zu verhindern. Insoweit verweise ich auf meine Ausführungen in den Nrn. 61 und 62 der vorliegenden Schlussanträge, die für die Richtlinie 2011/96 entsprechend gelten.
72. Aus diesen Gründen meine ich, dass die Richtlinie 2011/96 auf einen Sachverhalt wie den des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar ist.
73. Ich schlage deshalb vor, auf die dritte Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 2011/96 dahin auszulegen ist, dass sie keine Anwendung auf eine Quellensteuer auf fiktive Zinseinkünfte aus einem zinslosen Darlehen findet, das die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft gewährt hat.
E. Zur vierten Vorlagefrage
74. Die vierte Frage besteht aus zwei Hauptteilen, zwischen denen differenziert werden muss.
75. Im ersten Teil geht es um die Frage, ob eine Quellenbesteuerung mutmaßlicher Zinszahlungen für ein zinsloses Darlehen mit der Richtlinie 2003/49 und mit der Befreiung von der Quellensteuer gemäß der Richtlinie 2011/96 zu vereinbaren ist. Gegenstand des zweiten Teils ist die gleiche Frage, allerdings im Hinblick auf die Erfordernisse des Art. 49 und des Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV.
76. Insoweit sind nach dem jüngsten Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) in den verbundenen Rechtssachen N Luxembourg 1 u. a.(28) von vornherein zwei Fälle zu unterscheiden.
77. Der erste Fall ist der, dass die Regelung der Quellensteuerbefreiung der Richtlinie 2003/49 nicht anwendbar ist, weil ein Betrug oder Missbrauch im Sinne von deren Art. 5 vorliegt. Nach der in Nr. 43 der vorliegenden Schlussanträge dargestellten Rechtsprechung kann sich eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft dann nicht auf die im AEU-Vertrag verankerten Freiheiten berufen, um die nationale Regelung über die Besteuerung der an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft gezahlten Zinsen anzugreifen. Dies muss meines Erachtens entsprechend für die Richtlinie 2011/96 gelten, da diese in ihrem Art. 1 Abs. 2 eine ähnliche Bestimmung wie Art. 5 der Richtlinie 2003/49 bezüglich ihrer Nichtanwendbarkeit bei Betrug oder Missbrauch enthält.
78. Der zweite Fall ist der, dass die Regelung der Quellensteuerbefreiung der Richtlinie 2003/49 (und entsprechend der Richtlinie 2011/96) deshalb nicht anwendbar ist, weil die jeweiligen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, ohne dass ein Betrug oder ein Missbrauch im Sinne von Art. 5 der Richtlinie (bzw. Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2011/96) vorliegt. In einem solchen Fall ist zu prüfen, ob Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung über die Besteuerung der Zinsen wie der, um die es im Ausgangsverfahren geht, entgegenstehen(29).
79. Zunächst ist festzustellen, dass das vorlegende Gericht nur danach fragt, ob die Art. 195, 200 und 200a ZKPO, in denen die Modalitäten der Quellensteuer bzw. des Verfahrens der Neuveranlagung und der Steuererstattung für Gebietsfremde geregelt sind, mit Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV vereinbart werden können.
80. Ich bin jedoch der Ansicht, dass die Analyse dieser Frage nicht auf die genannten nationalen Rechtsvorschriften beschränkt, sondern die gesamte bulgarische Steuerregelung für gebietsfremde Gesellschaften in Betracht gezogen werden sollte(30). Daher schlage ich vor, die folgende Prüfung sowohl auf Art. 16 ZKPO (der die Besteuerung gebietsfremder Gesellschaften bei Verletzung des Fremdvergleichsgrundsatzes regelt) als auch auf Art. 199 ZKPO (der die Bemessungsgrundlage für die an der Quelle einbehaltene Steuer auf Einkünfte gebietsfremder Gesellschaften betrifft) sowie auf Art. 202a ZKPO (der die Neuberechnung und Erstattung der einbehaltenen Quellensteuer bei gebietsfremden Gesellschaften regelt) zu erstrecken.
81. Aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht nämlich hervor, dass nicht nur rein formal die Befreiung von einer bestimmten Steuerart geprüft werden darf, sondern der steuerliche Gesamtzusammenhang der Besteuerung gebietsfremder Gesellschaften zu berücksichtigen und somit eine umfassende (materiell-rechtliche) Prüfung vorzunehmen ist(31).
1. Zu den Richtlinien 2003/49 und 2011/96
82. Diese Frage habe ich, soweit es die Richtlinien 2003/49 und 2011/96 betrifft, im Rahmen meiner Vorschläge zur zweiten und zur dritten Vorlagefrage beantwortet, wobei ich zu dem Schluss gekommen bin, dass die Richtlinien auf den Sachverhalt des Ausgangsverfahrens nicht anwendbar sind(32).
2. Zu den Art. 49 und 63 AEUV
83. Zur Beantwortung der vierten Frage des vorlegenden Gerichts ist zunächst zu prüfen, ob die Art. 49 und 63 AEUV einer nationalen Regelung entgegenstehen, wonach die auf gebietsfremde Gesellschaften automatisch angewandte Regelung diesen Gesellschaften im Gegensatz zu gebietsansässigen Gesellschaften nicht den Abzug der mit dem fraglichen Darlehen verbundenen Kosten gestattet. Wenn dem so ist, muss geprüft werden, ob eine solche Ungleichbehandlung zum einen durch eine Regelung der Neuveranlagung und Steuererstattung, welche gebietsfremde Gesellschaften in Anspruch nehmen können, beseitigt werden kann und zum anderen durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses zu rechtfertigen ist. In diesem Fall muss die Anwendung dieser Beschränkung noch geeignet sein, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und darf nicht das hierfür erforderliche Maß überschreiten.
a) Zu den einschlägigen Bestimmungen des AEU-Vertrags
84. Soweit das vorlegende Gericht den Gerichtshof nach der Vereinbarkeit der betreffenden bulgarischen Regelung mit den Vertragsbestimmungen über die Niederlassungsfreiheit und den freien Kapitalverkehr (Art. 49 und 63 AEUV) fragt, ist zunächst zu ermitteln, anhand welcher dieser Vertragsbestimmungen diese Regelung zu prüfen ist.
85. Fragen im Zusammenhang mit der Besteuerung von Zinsen und Kapitalerträgen, die zwischen Gesellschaften zweier Mitgliedstaaten gezahlt werden, können grundsätzlich sowohl dem freien Kapitalverkehr(33) als auch der Niederlassungsfreiheit zugerechnet werden, Letzterer insbesondere dann, wenn es sich um ein Darlehen zwischen verbundenen Gesellschaften in einer Konstellation handelt, bei der eine Gesellschaft eines Mitgliedstaats am Kapital einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft eine Beteiligung hält, aufgrund deren sie einen bestimmenden Einfluss auf deren Entscheidungen ausüben sowie deren Tätigkeiten lenken kann(34).
86. Um festzustellen, ob eine nationale Regelung unter die eine oder die andere Verkehrsfreiheit fällt, ist nach ständiger Rechtsprechung jedoch auf den Gegenstand der betreffenden Regelung abzustellen(35).
87. Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO für alle Fälle der Gewährung zinsloser Darlehen gilt, d. h. nicht nur für solche an verbundene Unternehmen, und unabhängig vom Umfang der Beteiligung des Darlehensgebers am Kapital des Darlehensnehmers. Dies scheint auf den ersten Blick ein Grund zu sein, die vierte Vorlagefrage unter dem Aspekt des freien Kapitalverkehrs zu prüfen.
88. Ich bin jedoch der Meinung, dass der Sachverhalt der vorliegenden Rechtssache eine Prüfung der fraglichen bulgarischen Regelung im Hinblick auf die Niederlassungsfreiheit nahelegt. Abgesehen davon, dass InterV Investment zu dem Zeitpunkt, als der Vertrag über das streitige Darlehen geschlossen wurde, alleinige Kapitalanteilseignerin der Klägerin war, deuten nämlich die Merkmale des Darlehens, insbesondere seine Laufzeit und die Bedingungen für seine Rückzahlung, darauf hin, dass es nur zwischen verbundenen Unternehmen vereinbart worden sein konnte. Es besteht also zweifellos ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen diesen Gesellschaften, das InterV Investment angesichts ihrer Beteiligung am Kapital der Klägerin einen bestimmenden Einfluss auf deren Entscheidungen sichert und ihr ermöglicht, deren Tätigkeiten zu lenken.
89. Ein solcher Lösungsansatz stünde im Übrigen im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs in mehreren Fällen, in denen die jeweilige nationale Regelung und die bulgarischen Rechtsvorschriften Gemeinsamkeiten aufweisen. So hat der Gerichtshof in der Rechtssache SGI anhand der Niederlassungsfreiheit eine belgische Regelung geprüft, nach der die Finanzverwaltung den Gewinnen einer gebietsansässigen Gesellschaft einkommensteuerrechtlich die fiktiven Zinsen für ein einer gebietsfremden Tochtergesellschaft gewährtes zinsloses Darlehen hinzurechnen durfte, da, obwohl diese Regelung auch für nicht verbundene Gesellschaften galt, der Sachverhalt in dieser Rechtssache verbundene Gesellschaften betraf(36).
90. Wenngleich ich zu der Ansicht neige, dass die vierte Frage eher unter dem Gesichtspunkt der Niederlassungsfreiheit geprüft werden sollte, ist es durchaus denkbar, die fragliche nationale Regelung im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr zu analysieren.
91. Obwohl sich meine Prüfung darauf beschränkt, ob die fraglichen nationalen Maßnahmen mit der Niederlassungsfreiheit vereinbar sind, werde ich im Folgenden doch zu den gleichen Ergebnissen gelangen wie bei einer Analyse der Frage im Hinblick auf den freien Kapitalverkehr. Denn der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs verbietet ebenso wie der Grundsatz der Niederlassungsfreiheit Maßnahmen, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die in diesem Mitgliedstaat Ansässigen von Investitionen in anderen Staaten abzuhalten(37).
92. Sollte die fragliche nationale Regelung schließlich zu Beschränkungen des freien Kapitalverkehrs führen, wären derartige Auswirkungen die unvermeidliche Konsequenz einer etwaigen Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und rechtfertigten daher keine Prüfung dieser Regelung im Hinblick auf Art. 63 AEUV(38).
b) Diskriminieren die Art. 195 und 199 ZKPO gebietsfremde gegenüber gebietsansässigen Gesellschaften?
93. Nach ständiger Rechtsprechung soll mit Art. 49 AEUV die Inländerbehandlung von Gesellschaften im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt werden; er verbietet jede auf dem Sitz beruhende Diskriminierung von Gesellschaften(39) und ganz allgemein jede ungerechtfertigte Beschränkung der freien Niederlassung(40).
94. Aus Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 ZKPO ergibt sich, dass diese Bestimmung für jedes zinslose Darlehen gilt, unabhängig davon, ob nur gebietsansässige oder auch gebietsfremde Unternehmen involviert sind. Außerdem findet unstreitig ein und derselbe Zinssatz von 10 % Anwendung, unabhängig davon, ob der Darlehensgeber ein gebietsansässiges oder ein gebietsfremdes Unternehmen ist.
95. Die Art. 195 und 199 ZKPO zeigen jedoch, dass gebietsfremde Unternehmen, die derartige Geschäfte tätigen, einer steuerlichen Sonderbehandlung unterliegen. Während die fiktiven Zinsen für ein von einem gebietsfremden Unternehmen gewährtes Darlehen der Quellensteuer unterliegen, die eine sofortige und endgültige Besteuerung darstellt, ohne dass die Möglichkeit eines Abzugs der mit der Darlehensgewährung verbundenen Kosten bestünde, hängt die Besteuerung der fiktiven Zinsen für ein von einem gebietsansässigen Unternehmen gewährtes Darlehen körperschaftsteuerrechtlich vom Gewinn oder Verlust dieses Unternehmens ab, wobei alle mit der Darlehensgewährung verbundenen Kosten berücksichtigt werden.
96. In diesem Stadium meiner Analyse weise ich darauf hin, dass sich der Gerichtshof in zahlreichen Urteilen mit dieser Frage sowohl unter dem Aspekt des freien Kapitalverkehrs als auch unter dem Aspekt der Niederlassungsfreiheit befasst hat. Konkret hat der Gerichtshof in einer Reihe von Rechtssachen, die einen ähnlichen Sachverhalt wie das Ausgangsverfahren aufweisen, entschieden, dass eine nationale Regelung, nach der eine gebietsfremde Gesellschaft mittels einer von einer gebietsansässigen Gesellschaft erhobenen Quellensteuer auf die ihr von Letzterer gezahlten Zinsen besteuert wird, ohne dass sie Kosten wie etwa Zinsaufwendungen abziehen kann, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der betreffenden Darlehenstätigkeit stehen – während eine solche Abzugsmöglichkeit bei gebietsansässigen Gesellschaften anerkannt wird, die Zinszahlungen von einer anderen gebietsansässigen Gesellschaft erhalten –, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit darstellt(41). Die gleiche Feststellung hat der Gerichtshof in Bezug auf den freien Kapitalverkehr getroffen(42).
97. In Anbetracht dessen bin ich der Auffassung, dass ein solcher Unterschied bei den steuerlichen Berechnungsmodalitäten eine unter Art. 49 AEUV fallende Beschränkung darstellen kann.
98. Der vorliegende Fall unterscheidet sich jedoch insofern von jenen Rechtssachen, als das bulgarische Recht in Art. 202a ZKPO offenbar ein Verfahren vorsieht, das es gebietsfremden Unternehmen erlaubt, steuerlich genauso behandelt zu werden wie gebietsansässige Unternehmen. Vor einer Prüfung, ob die mit den Art. 195 und 199 ZKPO eingeführte diskriminierende Maßnahme gerechtfertigt werden kann, ist somit zu untersuchen, ob Art. 202a ZKPO die vorstehend festgestellte Ungleichbehandlung gebietsfremder gegenüber gebietsansässigen Unternehmen beseitigen kann.
c) Kann Art. 202a ZKPO die diskriminierenden Merkmale der für Gebietsfremde gemäß den Art. 195 und 199 ZKPO geltenden Steuerregelung beseitigen?
1) Anwendungsbereich des Art. 202a ZKPO
99. Laut den schriftlichen Erklärungen der Finanzverwaltung und der bulgarischen Regierung regelt Art. 202a ZKPO ein Verfahren, das gebietsfremden Unternehmen die Möglichkeit eröffnet, das für gebietsansässige Unternehmen vorgesehene Steuersystem zu wählen. Im Rahmen dieses Verfahrens könnten sie also zum einen Kosten wie etwa in unmittelbarem Zusammenhang mit der betreffenden Darlehenstätigkeit stehende Zinsaufwendungen abziehen und zum anderen im Fall von Verlusten die Erstattung der einbehaltenen Quellensteuer oder eine Befreiung von dieser Steuer erwirken.
100. Hätte die Klägerin im vorliegenden Fall für dieses System optiert, wäre sie in Bulgarien nicht körperschaftsteuerpflichtig gewesen, da sie (ihren eigenen Angaben zufolge) im maßgeblichen Zeitraum Verluste erlitten habe.
101. Die Klägerin bezweifelt, dass das in Art. 202a ZKPO vorgesehene Verfahren geeignet ist, die Diskriminierung auszugleichen, die auch dann bestehen bleibe, wenn ein gebietsfremdes Unternehmen für diese Vorschrift optiert habe; das Erstattungsverfahren erfolge nämlich nicht unverzüglich.
102. Auf der Grundlage der Angaben seitens der Klägerin, der Finanzverwaltung und der bulgarischen Regierung in der mündlichen Verhandlung lässt sich das in Art. 202a ZKPO vorgesehene Neuveranlagungs- und Erstattungsverfahren wie folgt zusammenfassen.
103. Das Verfahren nach Art. 202a ZKPO ist kein Standardverfahren. Um es in Anspruch nehmen zu können, muss ein gebietsfremdes Unternehmen in seiner Steuererklärung ausdrücklich dafür optieren. Auch wenn ein Unternehmen von dieser Wahlmöglichkeit Gebrauch macht, wird die Quellensteuer nach den Art. 195 und 199 ZKPO erhoben, d. h., die Steuer wird direkt an der Quelle von den Bruttoeinkünften abgezogen. Das gebietsfremde Unternehmen kann erst in einem zweiten Schritt eine Steuererstattung verlangen, wenn sich nach seiner Neuveranlagung durch die Finanzverwaltung herausstellt, dass es Verluste erlitten hat.
104. Was die Dauer des Neuveranlagungs- und Erstattungsverfahrens nach Art. 202a ZKPO betrifft, so ist in der mündlichen Verhandlung eine Meinungsverschiedenheit zwischen der Klägerin, der zufolge dieses Verfahren sehr lange dauern kann, und der Finanzverwaltung sowie der bulgarischen Regierung zutage getreten, die eine übermäßig lange Dauer dieses Verfahrens in Abrede stellen.
105. Der Regelungsgehalt der Steuererstattung gemäß Art. 202a ZKPO gibt Anlass zu folgenden Bemerkungen.
106. Zunächst ergibt sich aus einer Gesamtbetrachtung des Art. 202a Abs. 1 bis 4 ZKPO, dass diese Regelung gebietsfremden Unternehmen in der Tat die Möglichkeit eröffnet, eine Neufestsetzung der bereits an der Quelle einbehaltenen Steuer gemäß der für gebietsansässige Unternehmen geltenden Regelung zu beantragen. Diese Bestimmung scheint darauf abzuzielen, die steuerliche Behandlung gebietsfremder Unternehmen an diejenige von Unternehmen mit Sitz in Bulgarien anzugleichen oder zumindest anzunähern.
107. In einem solchen Zusammenhang hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Recht auf Abzug von Betriebsausgaben nach dem Einbehalt der Quellensteuer auch die Gestalt einer Rückerstattung eines Bruchteils der an der Quelle abgezogenen Steuer annehmen kann(43).
108. Es ist jedoch festzustellen, dass trotz dieser für gebietsfremde Unternehmen eröffneten Möglichkeit weiterhin die Gefahr besteht, dass gebietsansässige Unternehmen in den Genuss eines Steuervorteils kommen könnten. Gebietsansässigen Unternehmen könnte dadurch nämlich ein Liquiditätsvorteil verschafft werden, da sie im Gegensatz zu gebietsfremden Unternehmen im Fall von Verlusten keine Steuern auf die fiktiven Zinsen zahlen müssten.
109. Bei einem gebietsfremden defizitären Unternehmen entspricht dieser „Liquiditätsnachteil“ konkret der Zeitspanne zwischen dem Zeitpunkt des Abzugs der Quellensteuer und dem Zeitpunkt der Erstattung der überschüssigen Steuer durch die Finanzverwaltung.
110. Meines Erachtens hängt der Umfang des aus dieser Ungleichbehandlung resultierenden Liquiditätsvorteils, der ein Diskriminierungsmerkmal darstellen kann, in hohem Maße von den nationalen Verfahrensbestimmungen und der Praxis der Finanzverwaltung bei der Durchführung des Verfahrens nach Art. 202a ZKPO ab. Dauert also das Verfahren für eine Neuberechnung und eine mögliche Erstattung übermäßig lange, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, kann der einem gebietsansässigen gegenüber einem gebietsfremden Unternehmen zugutekommende Liquiditätsvorteil beträchtlich sein und somit eine Diskriminierung oder ein Hindernis für den freien Kapitalverkehr darstellen. Ist diese Dauer dagegen angemessen, könnte eine solche Maßnahme die Diskriminierung gebietsfremder gegenüber gebietsansässigen Unternehmen mildern oder beseitigen. Der Umstand, dass das bulgarische Recht Verzugszinsen vorsieht, könnte diese Liquiditätsdiskriminierung möglicherweise mildern, sofern die genannte Dauer nicht beträchtlich ist.
111. Dabei ist zu beachten, dass die Frage, ob die an gebietsfremde Unternehmen gezahlten Zinsen nachteilig behandelt wurden, für jedes Steuerjahr einzeln beurteilt werden muss(44).
112. Sodann sind bei der Prüfung der Anwendung von Art. 202a ZKPO neben der Frage der Rückzahlungsdauer alle Umstände zu berücksichtigen, die zu einer unterschiedlichen Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Unternehmen führen können. Obwohl mit diesem Artikel bezweckt wird, eine Gleichbehandlung beider Unternehmensarten herzustellen, wodurch im Prinzip Ungleichbehandlungen (mit Ausnahme des zuvor festgestellten Liquiditätsvorteils) ausgeschlossen werden sollten, muss sichergestellt werden, dass es bei seiner Anwendung nicht zu anderen Formen der Diskriminierung kommt. Dies hängt also eng mit den Zahlungsmodalitäten nach bulgarischem Körperschaftsteuerrecht zusammen, einschließlich ihrer Periodizität und der Möglichkeit, eine Steuerstundung oder andere Erleichterungen zu erwirken, die den festgestellten Liquiditätsvorteil erhöhen können. Sollte das bulgarische Recht z. B gebietsansässigen defizitären Unternehmen gestatten, ihre Besteuerung anzupassen oder auf ein späteres Jahr zu verschieben, in dem sie wieder Gewinne erzielen, könnte dies ihren Liquiditätsvorteil gegenüber gebietsfremden Unternehmen vergrößern(45).
113. Schließlich wird das Ausmaß, in dem diese Bestimmung eine solche Diskriminierung mildern kann, meines Erachtens in der Praxis auch davon abhängen, inwieweit das gebietsfremde Unternehmen die von ihm geltend gemachten abzugsfähigen Kosten nachweisen kann und inwieweit die Steuerbehörden des Sitzstaats des Darlehensnehmers, hier Bulgariens, in der Lage sind, eine wirksame Kontrolle auszuüben. Insoweit ist festzustellen, dass weder das vorlegende Gericht noch die anderen Parteien des Ausgangsverfahrens angeführt haben, dass zwischen dem Großherzogtum Luxemburg und der Republik Bulgarien ein bilaterales Abkommen bestehe, das eine derartige Situation erfasse.
114. Ein Verfahren, das sicherstellt, dass gebietsfremde Unternehmen nicht diskriminiert werden, und gleichzeitig gewährleistet, dass die Steuerbehörden prüfen können, ob die entstandenen Kosten eine Erstattung rechtfertigen, setzt aber eine Zusammenarbeit und einen Informationsaustausch zwischen den Steuerbehörden der beteiligten Mitgliedstaaten (oder Drittländer) voraus. Abgesehen von bilateralen Verträgen zwischen den Mitgliedstaaten ist eine solche Zusammenarbeit übrigens auch in der Richtlinie 2011/16/EU(46) vorgesehen, mit der u. a. sichergestellt werden soll, dass sowohl Doppelbesteuerungen als auch Steuerausfälle infolge von Betrug oder Missbrauch verhindert werden(47).
115. Es ist daher grundsätzlich Sache des vorlegenden Gerichts, in Anbetracht der vorstehenden Ausführungen und unter Berücksichtigung der Verfahrensvorschriften und der nationalen Verwaltungspraxis in Steuersachen zu prüfen, ob die unterschiedliche Behandlung gebietsansässiger und gebietsfremder Unternehmen bei Anwendung von Art. 202a ZKPO zu einem Liquiditätsvorteil führen kann.
2) Zur objektiven Vergleichbarkeit der steuerlichen Situation gebietsansässiger und gebietsfremder Unternehmen
116. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine Diskriminierung nur in der Anwendung unterschiedlicher Vorschriften auf vergleichbare Sachverhalte oder in der Anwendung derselben Vorschrift auf unterschiedliche Sachverhalte bestehen(48).
117. Was zunächst Art. 16 ZKPO betrifft, so dürfte außer Zweifel stehen, dass diese Bestimmung gleichermaßen für gebietsansässige und gebietsfremde Unternehmen gilt.
118. Obwohl gebietsansässige wie auch gebietsfremde Unternehmen einer Quellensteuer unterliegen, unterscheiden sich jedoch, wie vorstehend dargelegt, die Modalitäten der Steuerberechnung bei diesen beiden Unternehmensarten. So behandelt das bulgarische Steuerrecht gebietsfremde Unternehmen, die gemäß den Art. 195 und 199 ZKPO mit ihrem Bruttoeinkommen an der Quelle besteuert werden (wobei diese Regelung im Übrigen automatisch Anwendung findet), anders als gebietsansässige Unternehmen, die mit ihrem Nettoeinkommen an der Quelle besteuert werden.
119. Zwar hat der Gerichtshof in der Rechtssache Truck Center entschieden, eine unterschiedliche Behandlung, die in der Anwendung unterschiedlicher Besteuerungstechniken je nach dem Wohnsitz des Steuerpflichtigen bestehe, betreffe Sachverhalte, die objektiv nicht miteinander vergleichbar seien(49); anders als in jener Rechtssache, in der der dort in Rede stehende Mobiliensteuervorabzug nur bei Zinsen vorgenommen wurde, die gebietsfremden Empfängergesellschaften zuflossen, sehen im Ausgangsverfahren die einschlägigen Rechtsvorschriften sowohl für gebietsansässige als auch für gebietsfremde Steuerpflichtige die gleiche Art der Erhebung der Zinssteuer vor, nämlich einen Steuerabzug an der Quelle(50).
120. Wenn also ein Mitgliedstaat nicht nur gebietsansässige, sondern auch gebietsfremde Unternehmen hinsichtlich der Zinsen, die sie von einem in diesem Staat ansässigen Unternehmen erhalten, ein und derselben Steuer unterwirft, nähern sich die jeweiligen Situationen dieser beiden Kategorien von Steuerpflichtigen einander an, so dass sie steuerlich gleich behandelt werden müssen(51).
121. Aus den Art. 195 und 199 ZKPO geht aber hervor, dass der gebietsansässigen Unternehmen gewährte Liquiditätsvorteil gebietsfremden Unternehmen nicht zugutekommt. Allerdings könnte die in Art. 202a ZKPO eröffnete Wahlmöglichkeit, vorbehaltlich der Feststellungen in den Nrn. 109 bis 115 der vorliegenden Schlussanträge, dieses Ziel verwirklichen.
3) Zum fakultativen Charakter des Art. 202a ZKPO
122. Nach ständiger Rechtsprechung kann eine die Verkehrsfreiheiten beschränkende nationale Regelung auch dann mit dem Unionsrecht unvereinbar sein, wenn ihre Anwendung fakultativ ist, denn das Bestehen einer Wahlmöglichkeit, die unter Umständen zur Vereinbarkeit einer Situation mit dem Unionsrecht führen könnte, kann für sich allein nicht die Rechtswidrigkeit eines Systems heilen, das nach wie vor einen mit dem Unionsrecht unvereinbaren Besteuerungsmechanismus enthält(52).
123. Es stellt sich daher die Frage, ob die Regelung in Art. 202a ZKPO als fakultativ zu betrachten ist; wenn ja, wäre diese Regelung nicht geeignet, die diskriminierenden Wirkungen der in den Art. 195 und 199 ZKPO vorgesehenen Regelung auszuschließen.
124. Die Kommission hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, die Regelung in Art. 202a ZKPO sei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, insbesondere nach den Urteilen in den Rechtssachen Gielen(53) und Autoridade Tributária e Aduaneira (Steuer auf Veräußerungsgewinne aus Immobilien)(54), nicht fakultativer Natur, sondern als Verfahren der Steuererstattung zu qualifizieren.
125. Ich stelle fest, dass sich diese beiden Rechtssachen in zwei wesentlichen Punkten vom Ausgangsverfahren unterscheiden. Zunächst beeinflussten die Steuerpflichtigen in diesen beiden Rechtssachen mit ihrer Wahl, anders als bei der fraglichen bulgarischen Regelung, unmittelbar die von ihnen erhobene Steuer. Nach der fraglichen bulgarischen Regelung wird hingegen das Bruttoeinkommen eines gebietsfremden Unternehmens, unabhängig davon, ob es sich für eine der beiden verfügbaren Regelungen entscheidet, an der Quelle besteuert. Erst in einem späteren Stadium wird, sofern es für die Regelung des Art. 202a ZKPO optiert hat, seine steuerliche Situation neu beurteilt und kommt eine Erstattung in Betracht. Außerdem ging es bei den vorerwähnten Rechtssachen im Gegensatz zum vorliegenden Fall nicht um einen möglichen Missbrauch oder Steuerbetrug.
126. Gleichwohl kann meines Erachtens der fakultative Charakter des Art. 202a ZKPO nicht in Frage gestellt werden.
127. So spricht allein die Tatsache, dass der Steuerpflichtige zwischen zwei unterschiedlichen Regelungen unabhängig von der daraus für ihn jeweils resultierenden steuerlichen Behandlung wählen kann, für den fakultativen Charakter dieses Artikels. Dies gilt umso mehr, wenn die mit dem Unionsrecht unvereinbare Regelung, wie es hier der Fall zu sein scheint, diejenige ist, die automatisch angewandt wird, falls der Steuerpflichtige keine Wahl getroffen hat.
128. Auch der Umstand, dass der in Art. 202a ZKPO vorgesehene Mechanismus mehr einem Verfahren der Steuererstattung im Rahmen der Quellensteuer ähnelt, kann aus meiner Sicht nicht in Frage stellen, dass er dem Steuerpflichtigen eine Wahlmöglichkeit eröffnet.
d) Zu den Rechtfertigungen
129. Zuletzt stellt sich die Frage, ob die unterschiedliche Behandlung gebietsfremder Unternehmen gerechtfertigt werden kann. Dabei ist zu prüfen, a) ob mit der bulgarischen Regelung ein mit dem Vertrag zu vereinbarendes Ziel verfolgt wird und ob sie durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist, b) ob sie geeignet ist, die Erreichung des verfolgten Ziels zu gewährleisten, und c) ob sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.
130. Dazu tragen die Finanzverwaltung und die bulgarische Regierung vor, mit der in Rede stehenden Regelung würden in angemessener Weise legitime politische Ziele verfolgt, die namentlich darauf gerichtet seien, erstens eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und zweitens Steuerhinterziehung oder -umgehung zu bekämpfen.
1) Zum Rechtfertigungsgrund der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten
131. Der Gerichtshof hat entschieden, dass die ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten als Rechtfertigung für eine Beschränkung der Grundfreiheiten anerkannt werden kann, wenn mit der betreffenden Regelung u. a. Verhaltensweisen verhindert werden sollen, die geeignet sind, das Recht eines Mitgliedstaats auf Ausübung seiner Steuerhoheit für die in seinem Hoheitsgebiet durchgeführten Tätigkeiten zu gefährden(55).
132. Dieses Ziel ist Ausdruck der Fiskalhoheit der Mitgliedstaaten. Diese beinhaltet das Recht eines Staates, sein Steueraufkommen zu schützen, insbesondere hinsichtlich der auf seinem Gebiet erwirtschafteten Gewinne (Territorialitätsprinzip), und seine Steuerrechtsordnung autonom zu gestalten (Autonomieprinzip)(56).
133. Mangels einer Harmonisierung liegt die Erhebung der direkten Steuern beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts in der Hand der Mitgliedstaaten. Es ist ebenfalls Sache der Mitgliedstaaten, die Kriterien für die Aufteilung ihrer Besteuerungsbefugnis durch den Abschluss von Doppelbesteuerungsabkommen oder durch einseitige Maßnahmen festzulegen(57).
134. Wie Generalanwältin Kokott in der Rechtssache N Luxembourg 1 u. a. hervorgehoben hat(58), ist in Auslandssachverhalten nicht immer sichergestellt, dass der Empfänger seine Einkünfte auch ordnungsgemäß versteuert. In der Regel erfährt der Ansässigkeitsstaat des Zinsempfängers nämlich selten etwas von dessen Einkünften aus dem Ausland, wenn es keine funktionierenden Datenaustauschsysteme zwischen den Finanzbehörden gibt. In einem solchen Fall stellt die Quellenbesteuerung im Wohnsitzstaat des Zinsschuldners also eine besondere Besteuerungstechnik dar, die im Wesentlichen darauf abzielt, eine (Mindest-)Besteuerung des Zinsempfängers zu gewährleisten.
135. Nach ständiger Rechtsprechung kann jedoch eine nationale Steuerregelung, wonach wie im Fall der Art. 195 und 199 ZKPO bei Gebietsfremden die Bruttoeinkünfte, ohne Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, während bei Gebietsansässigen die Nettoeinkünfte, nach Abzug der Betriebsausgaben, besteuert werden, nicht im Hinblick auf das Ziel der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten gerechtfertigt werden(59). Dies gilt auch für den Fall, dass die Anwendung des Art. 202a ZKPO trotz dessen fakultativer Natur eine Diskriminierung in Form eines Liquiditätsvorteils für gebietsansässige Unternehmen zur Folge haben sollte(60).
136. Im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs(61) bin ich deshalb der Ansicht, dass die gesamte für gebietsfremde Unternehmen geltende bulgarische Steuerregelung, einschließlich des Art. 16 ZKPO, zu prüfen ist, weshalb ich angesichts der mit dieser Bestimmung verfolgten Ziele auch untersuche, ob die Bekämpfung von Betrug und Missbrauch als Rechtfertigung angeführt werden kann.
2) Zum Rechtfertigungsgrund der Bekämpfung von Betrug und Missbrauch
137. Der Gerichtshof hat bereits entschieden, dass die Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann(62).
138. Die Annahme eines Missbrauchs hängt von einer Gesamtwürdigung der Umstände des jeweiligen Falles ab, die von den zuständigen nationalen Behörden vorzunehmen ist und gerichtlich nachprüfbar sein muss(63). Diese Gesamtwürdigung ist zwar Sache des vorlegenden Gerichts(64); für die Beurteilung, ob die betreffenden Vorgänge im Rahmen normaler Handelsgeschäfte stattfinden oder nur dem Zweck dienen, missbräuchlich in den Genuss von im Unionsrecht vorgesehenen Vorteilen zu kommen, kann der Gerichtshof dem vorlegenden Gericht aber nützliche Anhaltspunkte geben(65).
139. Wie der Gerichtshof klargestellt hat, kann der Umstand allein, dass einer gebietsansässigen Gesellschaft ein Darlehen von einer verbundenen Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat gewährt wird, keine allgemeine Vermutung für missbräuchliche Praktiken begründen und keine Maßnahme rechtfertigen, die die Ausübung einer vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheit beeinträchtigt(66). Einem Steuerpflichtigen steht jedoch kein Recht oder Vorteil aus dem Unionsrecht zu, wenn der fragliche Vorgang wirtschaftlich betrachtet eine rein künstliche Gestaltung darstellt und darauf ausgerichtet ist, der Anwendung der Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats zu entgehen(67).
140. Hierzu stelle ich fest, dass mit Art. 16 ZKPO die Steuerhinterziehung dadurch bekämpft werden soll, dass der „Fremdvergleichsgrundsatz“ in das bulgarische Recht umgesetzt wird, der sowohl in der internationalen Steuerpraxis als auch in der Rechtsprechung des Gerichtshofs als geeignetes Mittel zur Vermeidung künstlicher Gestaltungen bei grenzüberschreitenden Transaktionen anerkannt ist(68).
141. Ich bin daher der Ansicht, dass bei einer Gesamtwürdigung des steuerlichen Kontexts im vorliegenden Fall die in der streitigen Regelung – insbesondere in Art. 16 ZKPO – vorgesehene steuerliche Behandlung gerechtfertigt ist, weil die Gefahr einer Nichtbesteuerung bestand, die sich zum einen daraus ergab, dass die Zinseinkünfte in dem Mitgliedstaat, in dem sie erzielt werden sollten (dem Großherzogtum Luxemburg), wegen der Besonderheiten des streitigen Darlehens (insbesondere weil es angesichts des zinslosen Darlehens keinen tatsächlichen Nutzungsberechtigten der Zinsen gab) nicht besteuert wurden, und zum anderen daraus, dass das streitige Darlehen bis zum Zeitpunkt der Steuerberichtigung und damit im streitgegenständlichen Zeitraum von der Klägerin nicht in Kapital umgewandelt worden war (und daher in Bulgarien nicht als Kapitalzuführung besteuert werden konnte)(69). Art. 16 ZKPO gewährleistet daher nach meiner Meinung als Vorschrift zur Missbrauchsbekämpfung eine wirksame Steuererhebung.
142. Sollte das vorlegende Gericht in Anwendung der innerstaatlichen Rechtsgrundsätze im Einklang mit dem Unionsrecht also zu dem Schluss kommen, dass eine missbräuchliche Gestaltung vorliegt, wäre eine Quellenbesteuerung, wie sie Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, möglich. Die Frage würde im vorliegenden Fall aber hinfällig, da diese Besteuerung eine Folge des Missbrauchs wäre und sich ein Steuerpflichtiger nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs bei Betrug oder Missbrauch nicht auf die Normen des Unionsrechts berufen kann(70).
143. Wie in den Nrn. 41 bis 44 der vorliegenden Schlussanträge dargelegt, steht ein solcher Lösungsansatz im Einklang mit der internationalen Steuerpraxis, dem Unionsrecht und der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Missbrauch und Betrug.
144. Abschließend stelle ich fest, dass die vorstehende Argumentation nicht nur dann durchgreift, wenn das legitime Ziel der Verhinderung von Betrug und Missbrauch isoliert betrachtet wird, sondern auch dann, wenn es zusammen mit dem Ziel der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten betrachtet wird.
145. Dazu hat der Gerichtshof entschieden, dass die Ziele der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und der Vermeidung einer Steuerumgehung miteinander verknüpft sind. Aus der Sicht des Gerichtshofs können nämlich Verhaltensweisen, die darin bestehen, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu dem Zweck zu errichten, die Steuer zu umgehen, die normalerweise für Gewinne aus inländischen Tätigkeiten geschuldet wird, das Recht der Mitgliedstaaten zur Ausübung ihrer Steuerzuständigkeit für diese Tätigkeiten gefährden und so eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten beeinträchtigen(71).
146. Der Gerichtshof hat allerdings die gemeinsame Berücksichtigung dieser Rechtsfertigungsgründe in ganz bestimmten Fallgestaltungen anerkannt, nämlich dann, wenn die Bekämpfung der Steuerumgehung einen besonderen Aspekt des Allgemeininteresses darstellt, der mit der notwendigen Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu tun hat. Aufgrund dessen hat der Gerichtshof festgestellt, dass die betreffenden Maßnahmen insbesondere wegen der Notwendigkeit, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren, gerechtfertigt sein können, auch wenn sie nicht speziell auf rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen abzielen, deren Zweck darin besteht, die Steuer zu umgehen, die normalerweise für Gewinne aus inländischen Tätigkeiten geschuldet wird(72).
147. In Anbetracht dieser beiden Ziele, die hauptsächlich auf die Vermeidung von Steuerumgehungen, hilfsweise aber auch auf die gebotene Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten (zusammen mit dem erstgenannten Ziel) gerichtet sind, bin ich der Ansicht, dass eine Regelung, wie sie Gegenstand des Ausgangsverfahrens ist, mit dem AEU-Vertrag zu vereinbarende Ziele verfolgt, die durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind, und dass die Regelung geeignet ist, die Erreichung dieser Ziele zu gewährleisten.
3) Zur Verhältnismäßigkeitsprüfung
148. Schließlich stellt sich die Frage, ob das im bulgarischen Recht geregelte Besteuerungsverfahren im Rahmen der Ermittlung von Steuerhinterziehung oder Missbrauch mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist.
149. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs können sich die zuständigen nationalen Behörden bei der Prüfung, ob ein Vorgang Steuerhinterziehung und Missbrauch als Beweggrund hat, nicht darauf beschränken, vorgegebene allgemeine Kriterien anzuwenden; vielmehr müssen sie den Vorgang als Ganzes individuell prüfen(73).
150. In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof entschieden, dass nationale Rechtsvorschriften, die eine Prüfung objektiver und nachprüfbarer Umstände vorsehen, damit festgestellt werden kann, ob ein geschäftlicher Vorgang eine rein künstliche Konstruktion zu ausschließlich steuerlichen Zwecken darstellt, nicht über das hinausgehen, was zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken erforderlich ist, wenn erstens in jedem Fall, in dem eine solche Konstruktion nicht auszuschließen ist, dem Steuerpflichtigen, ohne ihn übermäßigen Verwaltungszwängen zu unterwerfen, die Möglichkeit eingeräumt wird, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen(74).
151. Für die Vereinbarkeit solcher Rechtsvorschriften mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist zweitens erforderlich, dass die gezahlten Zinsen, falls sich der betreffende geschäftliche Vorgang nach einer Prüfung solcher Umstände als eine rein künstliche Konstruktion erweisen sollte, für die es keine realen wirtschaftlichen Gründe gibt, nur insoweit in ausgeschüttete Gewinne umqualifiziert werden dürfen, als sie den Betrag übersteigen, der ohne eine besondere Beziehung zwischen den Vertragspartnern oder zwischen diesen und einem Dritten vereinbart worden wäre(75).
152. In diesem Zusammenhang ist der Umstand, dass einer gebietsansässigen Gesellschaft von einer gebietsfremden Gesellschaft ein Darlehen zu Bedingungen gewährt wurde, die die betreffenden Gesellschaften unter Bedingungen des freien Wettbewerbs nicht vereinbart hätten, für den Mitgliedstaat des Sitzes der Darlehensnehmerin ein objektives, für Dritte nachprüfbares Kriterium, um feststellen zu können, ob der fragliche geschäftliche Vorgang ganz oder teilweise eine rein künstliche Konstruktion darstellt, die im Wesentlichen darauf ausgerichtet ist, der Anwendung des Steuerrechts dieses Mitgliedstaats zu entgehen(76).
153. Art. 16 ZKPO scheint auch das zweite Kriterium der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu erfüllen: Mit der in dieser Vorschrift vorgesehenen steuerlichen Abhilfemaßnahme soll dafür gesorgt werden, dass Darlehen zwischen verbundenen Unternehmen unter Bedingungen des freien Wettbewerbs vereinbart werden, wobei der anwendbare Zinssatz dergestalt berichtigt wird, dass die Berechnung der nicht gezahlten Zinsen zum marktüblichen Zinssatz erfolgt.
154. Was schließlich die Besteuerungspraxis der bulgarischen Verwaltung anbelangt, so scheint das Vorbringen der Klägerin, wonach diese Steuer „aufgrund einer unwiderlegbaren Vermutung der Steuerhinterziehung“ zu entrichten sei, ohne dass sich die an der Transaktion beteiligten Parteien darauf berufen könnten, dass diese aus wirtschaftlichen Erwägungen getätigt worden sei, nicht durch Art. 16 ZKPO bestätigt zu werden, der jede Steuerberichtigung von einer Gesamtwürdigung der vom Steuerpflichtigen vorgelegten Beweise und der von der Finanzverwaltung ermittelten Beweise abhängig macht.
155. Daher bin ich vorbehaltlich der vom vorlegenden Gericht durchzuführenden Überprüfung der vorgenannten Punkte der Meinung, dass das in Art. 16 ZKPO vorgesehene Steuerberichtigungsverfahren die in der Rechtsprechung des Gerichtshofs aufgestellten Verhältnismäßigkeitskriterien erfüllt und nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der verfolgten Ziele erforderlich ist.
156. Folglich schlage ich vor, auf die vierte Frage zu antworten, dass Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV dahin auszulegen sind, dass sie grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die in Anwendung des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ und zur Bekämpfung der Steuerumgehung eine Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen vorsieht, die eine gebietsansässige Tochtergesellschaft, der von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft ein zinsloses Darlehen gewährt worden war, unter Marktbedingungen an Letztere hätte zahlen müssen, sofern die in dieser Regelung vorgesehene Steuerberichtigung auf einer Einzelfallprüfung des betreffenden Geschäfts beruht und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, Beweise dafür beizubringen, dass dieses Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen getätigt wurde.
F. Zur fünften Vorlagefrage
157. Die fünfte Frage geht dahin, ob Art. 3 Buchst. h bis j, Art. 5 Abs. 1 Buchst. a und b, Art. 7 Abs. 1 und Art. 8 der Richtlinie 2008/7 nationalen Rechtsvorschriften wie Art. 16 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 und Art. 195 Abs. 1 ZKPO über die Quellenbesteuerung fiktiver Zinseinkünfte im Rahmen des streitigen Darlehens entgegenstehen.
158. Die Richtlinie 2008/7 harmonisiert abschließend die Fälle, in denen die Mitgliedstaaten die Ansammlung von Kapital indirekten Steuern unterwerfen dürfen(77), um die Faktoren, die die Wettbewerbsbedingungen verfälschen oder den freien Kapitalverkehr behindern können, so weit wie möglich auszuschalten und auf diese Weise das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten(78).
159. Im Hinblick darauf schreibt Art. 5 Abs. 1 Buchst. a dieser Richtlinie den Mitgliedstaaten vor, von Kapitalgesellschaften keinerlei „indirekten Steuern“ auf „Kapitalzuführungen“ zu erheben.
160. Zur Beantwortung der aufgeworfenen Frage ist zunächst zu klären, ob ein zinsloses Darlehen, wie es im vorliegenden Fall von der alleinigen Kapitalanteilseignerin der begünstigten Gesellschaft gewährt wurde, eine „Kapitalzuführung“ im Sinne von Art. 3 Buchst. h der Richtlinie 2008/7 darstellt.
161. Die Antwort auf diese Frage ergibt sich sowohl aus dem Inhalt der vorerwähnten Bestimmung als auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs.
162. So ist in Art. 3 Buchst. h der Richtlinie 2008/7 eine „Kapitalzuführung“ definiert als „die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft durch Leistungen eines Gesellschafters, die keine Erhöhung des Kapitals mit sich bringen, sondern ... geeignet sind, den Wert der Gesellschaftsanteile zu erhöhen“.
163. Auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs geht hervor, dass die Erhöhung des Gesellschaftsvermögens grundsätzlich jede Form der Erhöhung des Gesellschaftsvermögens einer Kapitalgesellschaft umfasst(79). So hat der Gerichtshof entschieden, dass die Gewährung eines zinslosen Darlehens eine „Kapitalzuführung“ darstellen kann(80).
164. Schließlich deuten meines Erachtens die Merkmale des streitigen Darlehens, insbesondere seine Umwandelbarkeit und seine lange Laufzeit, zusätzlich darauf hin, dass darin eine „Kapitalzuführung“ gesehen werden kann.
165. Zum zweiten Teil der Frage, ob nämlich die nach den Art. 16 und 195 ZKPO erhobene Steuer in den Geltungsbereich der Richtlinie 2008/7, insbesondere ihres Art. 5 Abs. 1 Buchst. a, fällt, ist festzustellen, dass die Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung von Kapitalgesellschaften keinerlei indirekten Steuern auf Kapitalzuführungen erheben dürfen.
166. Die Richtlinie 2008/7 verbietet den Mitgliedstaaten indessen nicht, auf Kapitalzuführungen direkte Steuern zu erheben.
167. Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, erstreckt sich diese Richtlinie nicht auf die direkten Steuern, die wie die Körperschaftsteuer grundsätzlich in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, bei deren Ausübung allerdings das Unionsrecht zu beachten ist(81).
168. Es steht außer Zweifel, dass die im Ausgangsverfahren in Rede stehende Quellensteuer eine direkte Einkommensteuer, und zwar eine Erhebungsform der Körperschaftsteuer, ist.
169. Ich schlage deshalb vor, auf die fünfte Vorlagefrage zu antworten, dass die Richtlinie 2008/7 dahin auszulegen ist, dass sie einer Quellensteuer, wie sie Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, nicht entgegensteht.
G. Zur sechsten Vorlagefrage
170. Mit seiner sechsten und letzten Frage führt das vorlegende Gericht aus, dass nach Art. 200 Abs. 2 und Art. 200a Abs. 1 und Abs. 5 Nr. 4 ZKPO in der am 1. Januar 2011 geltenden Fassung der Satz der Quellensteuer 10 % beträgt, während sich der im Rahmen der gewährten Übergangsfrist geltende maximale Satz auf 5 % belief. Das vorlegende Gericht möchte wissen, ob ein solcher Unterschied die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes verletzt.
171. Aus der Prüfung der zweiten Frage in den Nrn. 54 bis 63 der vorliegenden Schlussanträge ergibt sich, dass das im Ausgangsverfahren in Rede stehende zinslose Darlehen u. a. unter die Ausnahmeregelung des Art. 4 Abs. 1 Buchst. d der Richtlinie 2003/49 fällt und dass diese Richtlinie auf den Sachverhalt des vorliegenden Falles keine Anwendung findet.
172. In Anbetracht dessen halte ich die sechste Frage im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits für gegenstandslos.
V. Ergebnis
173. Nach alledem schlage ich dem Gerichtshof vor, die Vorlagefragen des Varhoven administrativen sad (Oberstes Verwaltungsgericht, Bulgarien) wie folgt zu beantworten:
1. Art. 5 Abs. 4 und Art. 12 Buchst. b EUV sowie Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind dahin auszulegen, dass sie für die Auslegung von Art. 16 Abs. 2 Nr. 3 des Zakon za korporativnoto podohodno oblagane (Körperschaftsteuergesetz) nicht heranzuziehen sind, da diese Vorschrift keine Umsetzung des Unionsrechts darstellt.
2. Art. 4 der Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten ist dahin auszulegen, dass er nicht verlangt, dass Zinszahlungen, wie sie in Art. 4 Abs. 1 Buchst. d dieser Richtlinie beschrieben sind, als Gewinnausschüttungen im Sinne von Art. 5 der Richtlinie 2011/96/EU des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten qualifiziert werden.
3. Die Richtlinie 2011/96 ist dahin auszulegen, dass sie keine Anwendung auf eine Quellensteuer auf fiktive Zinseinkünfte aus einem zinslosen Darlehen findet, das die Muttergesellschaft ihrer Tochtergesellschaft gewährt hat.
4. Art. 49 und Art. 63 Abs. 1 und 2 AEUV sind dahin auszulegen, dass sie grundsätzlich einer nationalen Regelung nicht entgegenstehen, die in Anwendung des „Fremdvergleichsgrundsatzes“ und zur Bekämpfung der Steuerumgehung eine Quellenbesteuerung der fiktiven Zinsen vorsieht, die eine gebietsansässige Tochtergesellschaft, der von ihrer gebietsfremden Muttergesellschaft ein zinsloses Darlehen gewährt worden war, unter Marktbedingungen an Letztere hätte zahlen müssen, sofern die in dieser Regelung vorgesehene Steuerberichtigung auf einer Einzelfallprüfung des betreffenden Geschäfts beruht und dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit eingeräumt wird, Beweise dafür beizubringen, dass dieses Geschäft aus wirtschaftlichen Gründen getätigt wurde.
5. Die Richtlinie 2008/7/EG des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital ist dahin auszulegen, dass sie einer Quellensteuer, wie sie Gegenstand der vorliegenden Rechtssache ist, nicht entgegensteht.
1 Originalsprache: Französisch.
2 ABl. 2005, L 157, S. 29.
3 ABl. 2005, L 157, S. 203, im Folgenden: Beitrittsakte.
4 Richtlinie des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 2003, L 157, S. 49).
5 Richtlinie des Rates vom 29. April 2004 zur Änderung der Richtlinie 2003/49 (ABl. 2004, L 157, S. 106).
6 Richtlinie des Rates vom 12. Februar 2008 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital (ABl. 2008, L 46, S. 11).
7 Richtlinie des Rates vom 30. November 2011 über das gemeinsame Steuersystem der Mutter- und Tochtergesellschaften verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. 2011, L 345, S. 8) in der durch die Richtlinie (EU) 2015/121 des Rates vom 27. Januar 2015 (ABl. 2015, L 21, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 2011/96).
8 DV Nr. 105 vom 22. Dezember 2006.
9 Der Inhalt dieser Bestimmung wird nicht vom vorlegenden Gericht, sondern von der Finanzverwaltung (teilweise) und der bulgarischen Regierung (vollständig) in ihren jeweiligen schriftlichen Erklärungen mitgeteilt.
10 Diese Umwandlung fand am 31. Oktober 2018 statt.
11 Vgl. Urteile vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 21), und vom 13. Dezember 2005, Marks & Spencer (C‑446/03, EU:C:2005:763, Rn. 29).
12 Vgl. Urteil vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 24).
13 Vgl. Urteil vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 60).
14 Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).
15 Musterabkommen zur Beseitigung der Doppelbesteuerung sowie der Steuerverkürzung und ‑umgehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen in der Fassung des OECD-Update 2017 vom 21. November 2017.
16 Vgl. Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C‑255/02, EU:C:2006:121, Rn. 86), und vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 81).
17 Vgl. Urteil vom 25. Juli 2018, TTL (C‑553/16, EU:C:2018:604, Rn. 30 bis 35).
18 Vgl. Urteil vom 19. September 2013, Betriu Montull (C‑5/12, EU:C:2013:571, Rn. 70 und die dort angeführte Rechtsprechung).
19 Vgl. Urteile vom 21. Juli 2011, Scheuten Solar Technology (C‑397/09, EU:C:2011:499, Rn. 24, 25 und 28), sowie vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 85, 86 und 108).
20 Vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Scheuten Solar Technology (C‑397/09, EU:C:2011:499, Rn. 27).
21 Mit der Erfassung und Besteuerung fiktiver Zinsen soll der Vorteil besteuert werden, der sich für den Darlehensnehmer aus einem zinslosen Darlehen ergibt.
22 Vgl. Erwägungsgründe 2 bis 4 der Richtlinie 2003/49.
23 Vgl. Art. 5 der Richtlinie 2003/49.
24 Vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Scheuten Solar Technology (C‑397/09, EU:C:2011:499, Rn. 24, 25 und 28).
25 Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).
26 Vgl. Urteil vom 2. April 2020, GVC Services (Bulgaria) (C‑458/18, EU:C:2020:266, Rn. 31).
27 Vgl. Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 89).
28 Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 155).
29 Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 156).
30 Dies berührt nicht die alleinige Befugnis des nationalen Gerichts zur Auslegung des nationalen Rechts.
31 Vgl. Urteil vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek (C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 29 ff.).
32 Siehe Nrn. 53 bis 73 der vorliegenden Schlussanträge.
33 Vgl. Urteil vom 3. Oktober 2013, Itelcar (C-282/12, EU:C:2013:629, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung).
34 Vgl. Urteil vom 17. September 2009, Glaxo Wellcome (C‑182/08, EU:C:2009:559, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).
35 Vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 25 und die dort angeführte Rechtsprechung).
36 Vgl. Urteil vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 25 bis 37).
37 Vgl. Urteil vom 30. April 2020, Société Générale (C‑565/18, EU:C:2020:318, Rn. 22 und die dort angeführte Rechtsprechung).
38 Vgl. Beschluss vom 10. Mai 2007, Lasertec (C‑492/04, EU:C:2007:273, Rn. 25).
39 Vgl. Urteil vom 3. März 2020, Vodafone Magyarország (C‑75/18, EU:C:2020:139, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).
40 Vgl. Urteil vom 20. Januar 2021, Lexel (C‑484/19, EU:C:2021:34, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).
41 Vgl. Urteile vom 12. Juni 2003, Gerritse (C‑234/01, EU:C:2003:340, Rn. 29 und 55), vom 3. Oktober 2006, FKP Scorpio Konzertproduktionen (C‑290/04, EU:C:2006:630, Rn. 42), und vom 15. Februar 2007, Centro Equestre da Lezíria Grande (C‑345/04, EU:C:2007:96, Rn. 23).
42 Vgl. Urteile vom 17. September 2015, Miljoen u. a. (C‑10/14, C‑14/14 und C‑17/14, EU:C:2015:608, Rn. 57), und vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 17).
43 Vgl. Urteil vom 13. Juli 2016, Brisal und KBC Finance Ireland (C‑18/15, EU:C:2016:549, Rn. 42).
44 Vgl. Urteile vom 2. Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek (C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 41), und vom 22. November 2018, Sofina u. a. (C‑575/17, EU:C:2018:943, Rn. 30 und 52).
45 Vgl. Urteil vom 22. November 2018, Sofina u. a. (C‑575/17, EU:C:2018:943, Rn. 34).
46 Richtlinie 2011/16/EU des Rates vom 15. Februar 2011 über die Zusammenarbeit der Verwaltungsbehörden im Bereich der Besteuerung und zur Aufhebung der Richtlinie 77/799/EWG (ABl. 2011, L 64, S. 1).
47 So kann durch einen solchen Mechanismus, wie die internationale Steuerpraxis zeigt, eine doppelte Anrechnung abzugsfähiger Ausgaben verhindert werden; denn der erste Staat kann bei seiner Anwendung die Betriebsausgaben überprüfen, die bei der Berechnung der im zweiten Staat gezahlten Steuer berücksichtigt wurden. Es ist auch üblich, dass die Steuerbehörden eines Staates im Rahmen eines solchen Mechanismus den Staat, in dem der teilweise besteuerte Steuerpflichtige ansässig ist, über dessen Erstattungsantrag informieren können.
48 Vgl. Urteil vom 14. Februar 1995, Schumacker (C‑279/93, EU:C:1995:31, Rn. 30).
49 Vgl. Urteil vom 22. Dezember 2008, Truck Center (C‑282/07, EU:C:2008:762, Rn. 41).
50 Vgl. Urteil vom 17. September 2015, Miljoen u. a. (C‑10/14, C‑14/14 und C‑17/14, EU:C:2015:608, Rn. 72).
51 Vgl. Urteil vom 8. November 2007, Amurta (C‑379/05, EU:C:2007:655, Rn. 38 und 39), sowie Beschluss vom 12. Juli 2012, Tate & Lyle Investments (C‑384/11, nicht veröffentlicht, EU:C:2012:463, Rn. 31 und 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).
52 Vgl. Urteil vom 8. Juni 2016, Hünnebeck (C‑479/14, EU:C:2016:412, Rn. 42 und die dort angeführte Rechtsprechung).
53 Vgl. Urteil vom 18. März 2010 (C‑440/08, EU:C:2010:148, Rn. 43 und die dort angeführte Rechtsprechung).
54 Vgl. Urteil vom 18 März 2021 (C‑388/19, EU:C:2021:212, Rn. 45).
55 Vgl. Urteil vom 5. Juli 2012, SIAT (C‑318/10, EU:C:2012:415, Rn. 45).
56 Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache Allianzgi-Fonds Aevn (C‑545/19, EU:C:2021:372).
57 Vgl. Urteil vom 5. Juli 2005, D. (C‑376/03, EU:C:2005:424, Rn. 50 und 51 und die dort angeführte Rechtsprechung).
58 Vgl. Schlussanträge der Generalanwältin Kokott in der Rechtssache N Luxembourg 1 (C‑115/16, EU:C:2018:143).
59 Vgl. die in Nr. 96 der vorliegenden Schlussanträge angeführte Rechtsprechung.
60 Vgl. Urteil vom 22. November 2018, Sofina u. a. (C‑575/17, EU:C:2018:943, Rn. 34).
61 Vgl. Urteil vom 2 Juni 2016, Pensioenfonds Metaal en Techniek (C‑252/14, EU:C:2016:402, Rn. 29 ff.).
62 Vgl. Urteil vom 8. März 2017, Euro Park Service (C‑14/16, EU:C:2017:177, Rn. 65).
63 Vgl. Urteil vom 17. Juli 1997, Leur-Bloem (C‑28/95, EU:C:1997:369, Rn. 41).
64 Vgl. Urteil vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 59 und die dort angeführte Rechtsprechung).
65 Vgl. Urteil vom 17. Dezember 2015, WebMindLicenses (C‑419/14, EU:C:2015:832, Rn. 34 und die dort angeführte Rechtsprechung).
66 Vgl. Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 73 und die dort angeführte Rechtsprechung).
67 Vgl. Urteil vom 26. Februar 2019, N Luxembourg 1 u. a. (C‑115/16, C‑118/16, C‑119/16 und C‑299/16, EU:C:2019:134, Rn. 109 und die dort angeführte Rechtsprechung).
68 Siehe Nr. 46 der vorliegenden Schlussanträge.
69 In diesem Zusammenhang erinnere ich daran, dass die Umwandlung des Darlehens nach der Steuerberichtigung durch die Finanzverwaltung erfolgt ist.
70 Vgl. Urteile vom 21. Februar 2006, Halifax u. a. (C-255/02, EU:C:2006:121, Rn. 68), und vom 22. November 2017, Cussens u. a. (C‑251/16, EU:C:2017:881, Rn. 27).
71 Vgl. Urteil vom 18. Juli 2007, Oy AA (C‑231/05, EU:C:2007:439, Rn. 62).
72 Vgl. Urteile vom 18. Juli 2007, Oy AA (C‑231/05, EU:C:2007:439, Rn. 58, 59 und 63), sowie vom 21. Januar 2010, SGI (C‑311/08, EU:C:2010:26, Rn. 66 und 67).
73 Vgl. Urteil vom 20. Dezember 2017, Deister Holding und Juhler Holding (C‑504/16 und C‑613/16, EU:C:2017:1009, Rn. 62 und die dort angeführte Rechtsprechung).
74 Vgl. Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 82), und Beschluss vom 23. April 2008, Test Claimants in the CFC and Dividend Group Litigation (C‑201/05, EU:C:2008:239, Rn. 84).
75 Vgl. Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 83).
76 Vgl. Urteil vom 13. März 2007, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation (C‑524/04, EU:C:2007:161, Rn. 81).
77 Vgl. Urteil vom 19. Oktober 2017, Air Berlin (C‑573/16, EU:C:2017:772, Rn. 27 und die dort angeführte Rechtsprechung).
78 Vgl. Urteil vom 22. April 2015, Drukarnia Multipress (C‑357/13, EU:C:2015:253, Rn. 31).
79 Vgl. Urteil vom 12. Januar 2006, Senior Engineering Investments (C‑494/03, EU:C:2006:17, Rn. 34).
80 Vgl. Urteil vom 17. September 2002, Norddeutsche Gesellschaft zur Beratung und Durchführung von Entsorgungsaufgaben bei Kernkraftwerken (C‑392/00, EU:C:2002:500, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).