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Steuerrecht
21.01.2016
Steuerrecht
FG Münster: Ersatz für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit ist Arbeitslohn

FG Münster, Urteil vom 1.12.2015 – 1 K 1387/15 E

Volltext:BB-ONLINE BBL2016-214-2

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Sachverhalt

Streitig ist, ob eine im Jahr 2012 (Streitjahr) geleistete Ausgleichszahlung für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit eine steuerpflichtige Einnahme darstellt.

Die Kläger sind Eheleute und werden im Streitjahr mit Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit (Ehemann und Ehefrau) und Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Ehemann) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Der Kläger steht als Feuerwehrbeamter im Dienst der Stadt A.

In den Jahren 2002 bis 2007 betrug die wöchentliche Dienst- bzw. Arbeitszeit des Klägers – entgegen geltenden Rechts – (teilweise) mehr als 48 Stunden. Die Stadt A gewährte dem Kläger dafür mit Bescheiden aus Februar und Oktober 2012 einen finanziellen Ausgleich in Höhe von insgesamt 14.537,16 EUR. Die Berechnung der Ausgleichszahlung erfolgte in Anlehnung an das Gesetz über die Mehrarbeit von Feuerwehrleuten.

In der Steuererklärung für das Streitjahr gab der Kläger die Ausgleichszahlung (zunächst) als Entschädigung bzw. Arbeitslohn für mehrere Jahre an. Das beklagte Finanzamt bezog den vorgenannten Betrag dementsprechend als nach § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuernden Arbeitslohn für mehrere Jahre in die Veranlagung der Kläger für das Streitjahr ein und erließ unter dem 27.12.2013 den streitgegenständlichen Steuerbescheid.

Mit Schreiben vom 14.01.2014 (Eingang beim Beklagten: 18.01.2014) legte der Kläger gegen diesen Bescheid Einspruch ein. Das Einspruchsschreiben führte im Briefkopf nur den Kläger auf; auch war der Einspruch allein von dem Kläger unterschrieben.

Zur Begründung seines Einspruchs führte der Kläger an, bei der Ausgleichszahlung handele es sich um eine Schadensersatzleistung, die nicht der Einkommensteuer unterliege. Zugleich beantragte er sinngemäß, das Einspruchsverfahren im Hinblick auf die zu dieser Zeit beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängigen Revisionsverfahren VI R 39/14, VI R 40/14 und VI R 41/14 ruhend zu stellen. Nachdem der BFH die Revisionen als unzulässig verworfen hatte, fragte der Beklagte in einem an beide Eheleute gerichteten Schreiben an, ob der Einspruch vor diesem Hintergrund aufrecht erhalten oder zurückgenommen werden solle.

Mit Schreiben vom 01.03.2015 (Eingang beim Beklagten: 02.03.2015) teilten die Kläger dem Beklagten wörtlich mit: … „hiermit nehmen wir den Einspruch vom 18.01.2014 nicht [fett] zurück.“ Das Schreiben führte beide Eheleute im Briefkopf auf und war auch von beiden unterschrieben.

Mit Einspruchsentscheidung vom 10.04.2015, die an beide Eheleute gerichtet war, wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die an den Kläger ausgezahlte Ausgleichszahlung stelle steuerpflichtigen Arbeitslohn dar, der zutreffend der tariflich ermäßigten Besteuerung unterworfen worden sei.

Zum Arbeitslohn gehörten auch Entschädigungen, die vom Arbeitgeber als Ersatz für entgangenen Arbeitslohn geleistet worden seien oder für Dienste gezahlt würden, die über die regelmäßige Arbeitszeit hinausgingen. Hierzu zählten die Entlohnung für Überstunden, Überschichten, Sonntagsarbeit, Nachtarbeit und besondere Zuwendungen, die aufgrund des Dienstverhältnisses oder eines früheren Dienstverhältnisses gezahlt würden. Die an den Kläger geleistete Schadensausgleichzahlung sei nur deshalb erfolgt, weil der Kläger tatsächlich mehr gearbeitet habe. Sie – die Ausgleichszahlung – sei deshalb für eine Beschäftigung gewährt worden. Ein nicht steuerbarer Schadensersatz im Sinne der Lohnsteuerhilferichtlinie (H 19.3 LStH 2012) läge nicht vor, weil nicht erkennbar sei, dass der Arbeitgeber seine arbeitsvertragliche Fürsorgepflicht schuldhaft verletzt habe.

Die Kläger haben am 04.05.2015 die vorliegende Klage erhoben.

Sie sind der Auffassung, dass es sich bei der Ausgleichszahlung um eine Schadensersatzleistung handele, die auf einer schuldhaften Verletzung von Arbeitgeberpflichten beruhe. Derartige Leistungen zählten nicht zu den Einkünften aus nicht selbständiger Tätigkeit.

Sowohl nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) als auch des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) – die Kläger verweisen insoweit auf die Entscheidungen des EuGH in der Rechtssache C-429/09 und des BVerwG in dem Verfahren 2 C 70/11 – sei zunächst davon auszugehen, dass für unionsrechtswidrig geleistete Zuvielarbeit ein unionsrechtlicher Schadensersatzanspruch (Staatshaftungsanspruch) und ein beamtenrechtlicher Ausgleichsanspruch bestehe. Beide Ansprüche seien vorrangig auf die Gewährung von Freizeitausgleich, also Naturalrestitution, und nur ausnahmsweise unter bestimmten Voraussetzungen auf Zahlung einer Geldentschädigung gerichtet. Das BVerwG habe dabei dezidiert darauf hingewiesen, dass der Geldausgleich nur in Anlehnung an die zum jeweiligen Zeitpunkt der Zuvielarbeit geltenden Stundensätze für Mehrarbeit im Vollzugsdienst zu gewähren sei.

Weiterhin habe das BVerwG festgestellt, dass der (Schadensersatz-)Anspruch, gleich ob er als Freizeitausgleich oder finanzielle Entschädigung gewährt werde und gleich ob er auf Unions- oder Beamtenrecht gestützt werde, jedenfalls auf einer schuldhaften Verletzung von Arbeitgeberpflichten beruhe. Damit habe das BVerwG zumindest inzident dargelegt, dass die Entschädigungs- bzw. Ausgleichszahlung nicht zu den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit gehöre.

Auch die übereinstimmende Feststellung des EuGH und des BVerwG, dass der Ausgleichsanspruch vorrangig auf Freizeitausgleich und nur nachrangig auf eine Entschädigung in Geld gerichtet sei, belege, dass es sich bei der Ausgleichszahlung um einen nicht zu versteuernden Schadensersatz handele. Denn wäre es möglich gewesen, an Stelle der gezahlten Entschädigung den ursprünglich geschuldeten Freizeitausgleich zu gewähren, hätte eine Steuerpflicht nicht bestanden. Die Ausgleichszahlung trete nunmehr an die Stelle des Freizeitausgleichs und ersetze diesen, sei also Vermögensschaden und damit Schadensersatz, aber insbesondere nicht vergleichbar mit einem Anspruch auf Urlaubsabgeltung.

Diese Auffassung bestätige auch das BVerwG indem es ausführe, dass die Grundsätze der Mehrarbeitsvergütung lediglich zur Berechnung der Zahlungsansprüche des Beamten heran gezogen worden seien. Daraus ergäbe sich, dass es sich bei der Zahlung gerade nicht um Ersatz für entgangenen Arbeitslohn handele, sondern stattdessen um Ersatz für entgangene und nicht zu versteuernde Freizeit des Beamten.

Ferner seien Schadensersatzleistungen des Arbeitgebers nicht schon deshalb Arbeitslohn, weil sie tatsächlich oder rechtlich mit dem Arbeitsverhältnis zusammen hingen. Arbeitslohn läge erst dann vor, wenn sich die Leistungen des Arbeitgebers bei objektiver Betrachtung als Frucht der Arbeitsleistung des Arbeitnehmers erwiesen. Im Streitfall käme der Ausgleichszahlung keine Entlohnungsfunktion zu. Die Leistung sei damit nicht für eine Beschäftigung i. S. v. § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG gezahlt worden.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom 27.12.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 10.04.2015 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte in Höhe von 14.537,16 EUR nicht der Besteuerung unterworfen werden,

hilfsweise,

die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

                            die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Die Beteiligten haben jeweils mit Schriftsätzen vom 16.06.2015 übereinstimmend auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Aus den Gründen

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I. Die Sachentscheidungsvoraussetzung liegen auch im Hinblick auf die Klage der Ehefrau und Klägerin vor. Insbesondere ist die Klage der Klägerin nicht mangels Durchführung eines Einspruchsverfahrens unzulässig.

Nach § 44 Abs. 1 FGO ist die Klage in den Fällen, in denen ein außergerichtlicher Rechtsbehelf – wie im Streitfall –  gegeben ist, vorbehaltlich der §§ 45 und 46 FGO nur zulässig, wenn ein Vorverfahren über den außergerichtlichen Rechtsbehelf ganz oder zum Teil erfolglos geblieben ist.

Dies erfordert, dass ein Rechtsbehelf (Einspruch) überhaupt eingelegt worden ist.

Die Klägerin hat zwar nicht bereits mit Schreiben vom 14.01.2014 Einspruch gegen den streitgegenständlichen Einkommensteuerbescheid erhoben. Allerdings wertet der erkennende Senat das gemeinsame Schreiben der Kläger vom 01.03.2015 als Rechtsbehelfsschrift der Klägerin, über die in der an beide Eheleute gerichteten Einspruchsentscheidung (mit-)entschieden wurde.

1. Nach § 357 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung (AO) ist der Einspruch als statthafter Rechtsbehelf gegen Steuerbescheide schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären; es genügt, wenn aus dem Schriftstück hervorgeht, wer den Einspruch eingelegt hat (§ 357 Abs. 1 Satz 2 AO). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH muss sich aus der Rechtsbehelfsschrift hinreichend klar ergeben, wer die Verwaltungsentscheidung angreift. Werden Eheleute – wie im Streitfall –  zusammen veranlagt, muss feststehen, welcher Ehegatte sich beschwert fühlt und die Nachprüfung des Steuerbescheides begehrt. Dabei hat ein von dem einen Ehegatten eingelegter Rechtsbehelf nicht ohne Weiteres die Wirkung eines auch von dem anderen Ehegatten eingelegten Rechtsbehelfs. Selbst wenn angenommen würde, dass der den Rechtsbehelf einlegende Ehegatte bereits aufgrund der gemeinsamen, von beiden Eheleuten unterschriebenen Einkommensteuererklärung von dem anderen Ehegatten wirksam zur Vornahme aller im Besteuerungsverfahren erforderlichen Rechtshandlungen bevollmächtigt worden wäre, so ist für die wirksame Rechtsbehelfseinlegung des einen Ehegatten auch für den anderen erforderlich, dass der das Rechtsmittel führende Ehegatte unmissverständlich zum Ausdruck bringt, er lege den Rechtsbehelf auch für den anderen Ehegatten ein (vgl. BFH-Urteil vom 20.12 2006 X R 38/05, BFHE 216, 297, BStBl. II 2007, 823).

Aus dem gegen den Einkommensteuerbescheid für 2012 gerichteten Einspruchsschreiben vom 14.01.2014 geht nicht hervor, dass dieser Rechtsbehelf auch für die Klägerin eingelegt werden sollte. Das Einspruchsschreiben nennt im Briefkopf allein den Kläger, ist in der Ich-Form geschrieben und ausschließlich vom Kläger unterschrieben. Diese Umstände sprechen erkennbar für eine Einspruchseinlegung allein durch den Kläger. Ein Vorverfahren ist damit in Bezug auf die Klägerin jedenfalls noch nicht mit Zugang des nur vom Kläger unterzeichneten Schriftsatzes vom 14.01.2014 eingeleitet worden.

2. Die Kläger haben allerdings mit Schreiben vom 01.03.2015 gemeinsam erklärt, dass sie ihren Einspruch vom 18.01.2014 nicht zurücknehmen. Das Schreiben nennt im Briefkopf beide Kläger, ist in der Wir-Form geschrieben und von beiden Eheleuten unterschrieben. In Bezug auf den Kläger enthält es lediglich die Mitteilung, dass an dem bereits eingelegten Einspruch festgehalten werde. Im Hinblick auf die Klägerin kommt dem Schreiben demgegenüber nach Auffassung des erkennenden Senats eine weitergehende (verfahrensrechtliche) Bedeutung zu. Denn in dem Schreiben bringt die Klägerin erstmals in schriftlicher Form erkennbar zum Ausdruck, dass auch sie sich gegen den Einkommensteuerbescheid vom 27.12.2013 wendet und dessen Änderung begehrt. Ihre Ausführungen legt der Senat daher als Einspruch aus.

II. In der Sache hat die Klage jedoch keinen Erfolg. Der Einkommensteuerbescheid vom 27.12.2013 und die Einspruchsentscheidung vom 10.04.2015 sind jedenfalls nicht zu Lasten der Kläger rechtswidrig und verletzen sie nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

1. Die Klage der Klägerin war bereits deshalb abzuweisen, weil der angefochtene Einkommensteuerbescheid vom 27.12.2013 gegenüber der Klägerin in Bestandskraft erwachsen ist und Änderungstatbestände nicht ersichtlich sind. Der Senat kann dabei offen lassen, ob das beklagte Finanzamt den Einspruch der Klägerin vom 01.03.2015 bereits als unzulässig hätte verwerfen müssen. Für einen etwaigen darin liegenden Rechtsverstoß fehlt der Klägerin jedenfalls die Beschwer.

2. Im Übrigen hat das beklagte Finanzamt im Ergebnis zutreffend die im Streitjahr an den Kläger gezahlte Entschädigung für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit als steuerpflichtigen Arbeitslohn im Sinne des § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG behandelt und die darauf entfallende Einkommensteuer zu Recht nach § 34 EStG festgesetzt.

Der erkennende Senat hält insoweit an seiner Rechtsprechung fest, wonach Entschädigungszahlungen an Feuerwehrbeamte für rechtswidrig erbrachte Mehrarbeit als steuerpflichtiger Arbeitslohn der Einkommensteuer unterliegen (vgl. FG Münster-Urteile vom 31.03.2014 1 K 2795/13 E, 1 K 3818/13, 1 K 3820/13 E, EFG 2014, 1579; juris).

a) Zu den Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit gehören nach § 19 Abs. 1 Nr. 1 EStG Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen sowie andere Bezüge und Vorteile für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst. Dabei ist nach dem Veranlassungsprinzip zu bestimmen, ob eine Einnahme für die Beschäftigung gewährt wird. Arbeitslohn setzt deshalb voraus, dass die Einnahme durch das Arbeits- bzw. Dienstverhältnis veranlasst ist (vgl. Schmidt/Krüger EStG § 19 Rz 45). Dies erfordert wiederum einen objektiven Zurechnungszusammenhang zwischen Einnahme und Dienstverhältnis. Die Zuwendung muss mit Rücksicht auf das Dienstverhältnis gewährt worden sein. Das bedeutet, dass der Arbeitgeber die Zuwendung im Weitesten Sinne als Gegenleistung für das Zurverfügungstellen der individuellen Arbeitskraft des Arbeitnehmers erbringt. Ob dies der Fall ist, kann nur unter Berücksichtigung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles beurteilt werden (BFH-Urteile vom 20.11.2008 VI R 25/05, BStBl. II 2009, 382; vom 01.02.2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898; vom 30.06.2011 VI R 80/10, BFHE 234, 195, BStBl. II 2011, 948; BFH-Beschluss vom 28.06.2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870). Dabei sind auch die subjektiven Vorstellungen des Arbeitnehmers und insbesondere die des Arbeitgebers über den Zweck der Zuwendung in den Blick zu nehmen (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.2011 VI R 80/10 a. a. O.).

Aus diesen Grundsätzen folgt wiederum, dass kein Arbeitslohn vorliegt, wenn die Zuwendung wegen anderer Rechtsverhältnisse oder aufgrund sonstiger, nicht auf dem Dienstverhältnis beruhender Beziehungen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber gewährt wird (vgl. BFH-Beschlüsse vom 17.01.2005 VI B 30/04, BFH/NV 2005, 884; vom 28.06.2007 VI B 23/07, BFH/NV 2007, 1870, jeweils m. w. N.; BFH-Urteile vom 01.02.2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898; vom 24.01.2001 I R 100/98, BFHE 195, 102, BStBl. II 2001, 509; vom 22.03.1985 VI R 170/82, BFHE 143, 544, BStBl. II 1985, 529; vom 20.11.2008 VI R 25/05 a. a. O; vom 19.08.2004 VI R 33/97, BFHE 207, 230, BStBl. II 2004, 1076).

Dem Tatbestandsmerkmal "für eine Beschäftigung" ist des Weiteren zu entnehmen, dass ein dem Arbeitnehmer vom Arbeitgeber zugewendeter Vorteil Entlohnungscharakter haben muss (vgl. BFH-Urteil vom 04.06.1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl. II 1993, 687). Die Zuwendung des Arbeitgebers muss sich bei objektiver Betrachtung für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeitsleistung erweisen. Allein der Umstand, dass eine Leistung des Arbeitgebers bloß tatsächlich oder rechtlich im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht, reicht zur Bejahung des Tatbestandsmerkmals "für eine Beschäftigung" nicht aus (BFH-Urteil vom 20.09.1996 VI R 57/95, BStBl. II 1997, 144).

Dementsprechend führen Schadensersatzleistungen des Arbeitgebers nicht zu steuerpflichtigem Arbeitslohn, wenn sie sich bei wertender Betrachtung gerade nicht als Frucht einer Arbeitsleistung erweisen, sondern stattdessen Schäden, die im Privatvermögen des Arbeitnehmers entstanden sind, ausgleichen sollen. In diesen Fällen erhält der Arbeitnehmer die Leistung nämlich nicht, weil er eine Arbeitsleistung erbracht hat, sondern weil ihm ein zivilrechtlicher Anspruch auf Schadensersatz zusteht. Dass ein solcher (Schadensersatz-)Anspruch ohne das Arbeitsverhältnis nicht entstanden wäre, ist dann wiederum unerheblich (BFH-Urteil vom 20.09.1996, a. a. O.).

b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze steht zur Überzeugung des erkennenden Senats fest, dass der Kläger die Ausgleichszahlung für das Zurverfügungstellen seiner individuellen Arbeitskraft erhalten hat und sie demnach durch das Dienstverhältnis veranlasst ist.

Die Argumentation der Kläger stellt im Kern darauf ab, dass die Ausgleichszahlung in rechtlicher Hinsicht auf der Erfüllung eines (europarechtlichen) Schadensersatzanspruchs beruht und (ausschließlich) deshalb geleistet worden ist, weil der Arbeitgeber (Dienstherr) des Klägers – die Stadt A – schuldhaft seine (ihre) Pflichten gegenüber dem Kläger verletzt hat.

Diese Argumentation lässt außeracht, dass die Rechtsnatur eines Anspruchs, dessen Erfüllung beim Anspruchsberechtigten zu einem Vermögenszufluss führt, für die steuerrechtliche Einordnung der erbrachten Leistung nicht das allein ausschlaggebende Kriterium ist. Vielmehr sind sämtliche Umstände des Einzelfalles in die steuerrechtliche Würdigung und Bewertung der konkreten Leistung einzubeziehen. Insofern kann es nach Auffassung des erkennenden Senats für das Steuerrecht dahin stehen, ob bzw. dass der Europäische Gerichtshof in seiner Rechtsprechung davon ausgeht, dass dem Anspruch des Arbeitnehmers wegen rechtswidrig geleisteter Zuvielarbeit Schadenscharakter zukommt. Ebenso kann die Feststellung des BVerwG, dass der Entschädigungsanspruch keinen Schaden im Sinne des nationalen zivilrechtlichen Schadensersatzrechts abgelte (vgl. BVerwG-Urteil vom 26.07.2012 2 C 29/11, BVerwGE 143, 381), nicht (allein) für die Einordnung als Arbeitslohn herangezogen werden.

Entscheidend ist vielmehr, dass sich die Leistung der Stadt A bei wertender Betrachtung als Frucht der Arbeitsleistung des Klägers in den Jahren 2002 bis 2007 darstellt.

Denn die Entschädigungsleistung hängt vorliegend nicht bloß in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht mit dem zwischen dem Kläger und der Stadt A bestehenden Dienstverhältnis zusammen. Der Kläger hat die Entschädigungszahlung vielmehr gerade deshalb erhalten, weil er über den rechtlich zulässigen Rahmen hinaus zusätzliche Dienste geleistet hat. Diese zusätzlichen Dienste und nicht etwa der Umstand, dass die Stadt A ihre Arbeitgeberpflichten mit der Anordnung der zusätzlichen Dienste schuldhaft verletzt hat, sind das unmittelbar auslösende Moment für die im Nachhinein erfolgte Ausgleichszahlung. Die konkrete Art der Berechnung der Entschädigungshöhe in Anlehnung an das Gesetz über die Mehrarbeit von Feuerwehrleuten belegt dies ebenso wie die hypothetische Erwägung, dass der Kläger keinen Ausgleich erhalten hätte, wenn er die (rechtswidrige) Mehr- bzw. Zuvielarbeit tatsächlich nicht erbracht hätte. Die von der Stadt A verwirklichte Pflichtverletzung stellt sich im Rahmen der steuerrechtlichen Einordnung der Entschädigungszahlung demgegenüber als steuerrechtlich irrelevanter Begleitumstand dar.

Demnach besteht der Zweck der Ausgleichszahlung bei wertender Betrachtung nicht darin, einen Schaden im Privatvermögen des Klägers auszugleichen. Die Ausgleichszahlung ist vielmehr „Gegenleistung“ für die Erbringung von Diensten, die nicht schon durch die in den Jahren 2002 bis 2007 an den Kläger ausgezahlten Bezüge abgegolten waren.

Dieser Sichtweise steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Entschädigungsanspruch zuvorderst auf die Gewährung von Freizeitausgleich gerichtet ist. Denn zum einen kommt es für die steuerrechtliche Einordnung der Entschädigung nicht auf einen hypothetischen, sondern auf den tatsächlichen Leistungsinhalt an. Zum anderen ist der dem Streitfall zugrunde liegende Sachverhalt bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise vergleichbar mit Entschädigungszahlungen, die ein Arbeitgeber für verfallene Urlaubstage leistet. Derartige Entschädigungen stellen nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes steuerpflichtigen Arbeitslohn dar (vgl. BFH-Urteil vom 21.02.2003 VI R 74/00, BFHE 201, 300, BStBl. II 2003, 496).

Letztendlich entspricht die Einordnung als Arbeitslohn auch dem Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die Ausgleichszahlung kompensiert keinen zuvor im Privatvermögen des Klägers eingetretenen Vermögensnachnachteil, sondern erhöht dessen Leistungsfähigkeit als Folge der erbrachten Mehr- bzw. Zuvielarbeit.

c) Der Einkommensteuerbescheid vom 27.12.2013  ist auch im Übrigen nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat die Ausgleichszahlung zutreffend nach der Tarifvorschrift des § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG begünstigt besteuert.

III. Die Revision wird zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen.

IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

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