Niedersächsisches FG: Ermäßigter Umsatzsteuersatz bei Verkauf von Speisen durch Imbisswagen
Niedersächsisches FG, Urteil vom 21.08.2008 - 5 K 428/07
Orientierungssatz:
Der Verkauf von Speisen durch Imbisswagen unterliegt auch dann dem ermäßigten Steuersatz, wenn zwar Einrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle vorhanden sind und tatsächlich genutzt werden, die erbrachten Dienstleistungen aber der gesamten Leistung nicht das Gepräge geben.
Sachverhalt
Streitig ist die Aufteilung der Entgelte, die auf den ermäßigten Umsatzsteuersatz entfallen.
Der Kläger betreibt einen rollenden Imbiss, für den er im Streitjahr (2004) auf Wochenmärkten drei gleichartige Imbisswagen eingesetzt hat. Er bietet in seinen Fahrzeugen verzehrfertig zubereitete Speisen (insbesondere verschiedene Würste, Pommes frites) und Getränke an. Die Imbisswagen verfügen über eine Verkaufstheke mit Spritzschutz aus Glas und ein darunter angebrachtes umlaufendes "Brett" aus Resopal, das zum Verzehr an Ort und Stelle genutzt werden kann. Seitlich befindet sich über der Deichsel eine herausklappbare "Zunge", die nach Art eines Tisches in gleicher Höhe und aus dem gleichen Material hergestellt ist wie die umlaufende "Verzehrtheke". Der Bereich, in dem sich Kunden zum Zweck des Verzehrs aufhalten können, ist durch ein herausklappbares Dach vor Regen geschützt. Wegen der Einzelheiten zu diesen bei Imbissbetrieben üblichen und vom Hersteller der Imbisswagen bereits installierten "Verzehrvorrichtungen" wird auf die vom Beklagten gefertigten Fotos ... verwiesen.
Für das Streitjahr (2004) erklärte er Umsätze zum Regelsteuersatz (16 v. H.) i.H.v. ... € und Umsätze zum ermäßigten Steuersatz (7 v. H.) i.H.v. ... € sowie Vorsteuerbeträge i.H.v. ... €. ... Der Beklagte stimmte dieser Steueranmeldung zunächst zu.
Bei einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, der Kläger habe im Streitjahr lediglich den Verkauf von Getränken zum Regelsteuersatz gebucht; alle Speisen dagegen seien zum ermäßigten Steuersatz verbucht worden. Verschiedene Ortsbesichtigungen des Prüfers hätten ergeben, dass die Kunden des Klägers die Waren in der Regel an Ort und Stelle verzehrten. Da der Kläger keine Angaben zum Umfang des Verzehrs an den Imbisswagen gemacht habe, seien die Umsätze zum Regelsteuersatz auf 70 % geschätzt worden.
Aufgrund des Ergebnisses der Außenprüfung erließ der Beklagte am 27.12.2006 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004, der auf § 164 Abs. 2 Abgabenordnung (AO) gestützt wurde.
Ein hiergegen eingelegter Einspruch wurde als unbegründet abgewiesen, da der Imbisswagen des Klägers über Vorrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle verfüge und „nach der bisher geltenden Verwaltungsauffassung" die Voraussetzungen des § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG erfüllt seien, unabhängig davon, ob der Kunde die Verzehreinrichtung tatsächlich genutzt habe.
Hiergegen erhob der Kläger die vorliegende Klage, mit der er geltend macht, die Einnahmen aus dem Verkauf von Speisen (Bratwurst und ähnliche Produkte) unterlägen insgesamt dem ermäßigten Steuersatz. Besondere Vorrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle seien an seinem Verkaufsanhänger nicht vorhanden. Über der Deichsel des Verkaufsanhängers sei vom Hersteller des Imbisswagens ein Brett angebracht, um eine ansonsten bestehende Unfallgefahr zu beseitigen. Ohne derartigen "Deichselschutz" bestehe sowohl die Gefahr, dass Besucher des Wochenmarktes über die Deichsel des Imbisswagens stolperten als auch die Gefahr eines Kontakts mit der stets unter diesem "Deichselschutz" stehenden Propangasflasche. Der Kläger verweist ebenfalls auf das vom Betriebsprüfer gefertigte Foto. Die Tatsache, dass der "Deichselschutz" auch als Tisch genutzt werde, ändere nichts an dessen primärem Zweck, Unfälle zu verhüten.
Nach der Rechtsprechung des EuGH sei der volle Steuersatz bei der Abgabe von Speisen nur dann anzuwenden, wenn Dienstleistungselemente bei weitem überwiegen; es müssten hierfür Einrichtungen vorhanden sein, durch die ein Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestaltet werde, so wie dies in einem Restaurant der Fall sei. Mit einem Restaurant sei die Tätigkeit des Klägers nicht vergleichbar. Dieser erbringe keine Dienstleistungen, sondern liefere lediglich die fertigen Speisen.
Der Kläger erklärte, er könne keine Angaben dazu machen, in welchem Umfang seine Kundschaft seine Produkte an Ort und Stelle verzehre. Dies sei schon deshalb nicht möglich, weil Kunden häufig lediglich einen Teil der gekauften Speisen an den Verkaufswagen verzehrten. So sei es nicht ungewöhnlich, dass Kunden zunächst weggingen um die Speisen "im Gehen" zu verzehren, dann aber zum Imbisswagen zurückkehrten, weil ein Verzehr am Wagen bequemer sei. Umgekehrt gebe es andere Kunden, die zunächst einen Teil der Speisen am Wagen verzehrten und später weggingen, wenn die noch zu verzehrende (Rest-)Menge kleiner, nicht mehr so heiß und damit leichter zu transportieren sei. Falls ein tatsächlicher Verzehr an Ort und Stelle das für die Höhe der Umsatzsteuer maßgebliche Abgrenzungskriterium wäre, wäre es für den Kläger unmöglich, neben der Bedienung der laufenden Kundschaft zuverlässige Aufzeichnungen darüber zu führen, inwieweit "frühere" Kunden die gekauften Waren an Ort und Stelle verzehrten.
Der Kläger erklärte ferner, Sitzgelegenheiten oder Stehtische gebe es an seinem Imbiss nicht. Die Imbisswagen ständen ausschließlich auf Wochenmärkten. Dort gebe es auch keine (benachbarten) Getränkestände, an denen die Kunden des Klägers die von ihm zubereiteten Speisen verzehren könnten. Vielmehr erfolge der Verzehr entweder an dem Imbissstand oder die Kunden nähmen die Speisen mit, ohne dass ihm im Einzelnen bekannt sei, wo diese verzehrt würden.
Der Kläger beantragt,
die Umsatzsteuer 2004 auf ... € herabzusetzen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Ansicht, die Imbisswagen des Klägers verfügten über besondere Vorrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle. Während einer ca. 1 1/2 -stündigen Ortsbesichtigung, die im Rahmen der Betriebsprüfung erfolgt sei, hätten sämtliche Kunden die gekauften Waren an dem Imbissstand eingenommen. Da der Prüfer keinen einzigen Kunden beobachtet habe, der Speisen mitgenommen habe, sei die Schätzung von 70 % (voller Steuersatz) zu 30 % (ermäßigter Steuersatz) eine großzügige Schätzung zugunsten des Klägers.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet. Die Umsätze des Klägers aus dem Verkauf von Speisen unterliegen dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 1 Umsatzsteuergesetz (UStG) i.V.m. der Anlage 2 zum UStG.
1. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG ermäßigt sich die Steuer auf 7 v.H. für die Lieferung der in der Anlage 2 bezeichneten Gegenstände.
Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen eines Unternehmers u.a. Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen. Sonstige Leistungen sind Leistungen, die keine Lieferungen sind (§ 3 Abs. 9 Satz 1 UStG).
Dementsprechend gilt nach Art. 14 Abs. 1 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Mehrwertsteuersystem-Richtlinie, MwStSystR) die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen, als Lieferung eines Gegenstandes. Als Dienstleistung gilt jeder Umsatz, der keine Lieferung eines Gegenstandes ist (Art. 24 Abs. 1 MwStSystR).
Nach § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG in der im Streitjahr (2004) geltenden Fassung war die Abgabe von Speisen und Getränken zum Verzehr an Ort und Stelle eine sonstige Leistung. Speisen und Getränke wurden zum Verzehr an Ort und Stelle im Sinne dieser Vorschriften abgegeben, wenn sie nach den Umständen der Abgabe dazu bestimmt waren, an einem Ort verzehrt zu werden, der mit dem Ort der Abgabe in einem räumlichen Zusammenhang stand, und besondere Vorrichtungen für den Verzehr an Ort und Stelle bereitgehalten wurden (§ 3 Abs. 9 Satz 5 UStG a.F.).
§ 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG in der im Streitjahr (2004) geltenden Fassung wurden durch das Jahressteuergesetz 2008 vom 20.12.2007 aufgehoben. Die Gesetzesbegründung bezeichnete dies als Klarstellung. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe mit Urteilen vom 10.08.2006 (V R 55/04) und 26.10.2006 (V R 58/04) entschieden, der Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 UStG sei nicht in vollem Umfang gemeinschaftsrechtskonform; stattdessen müsse für jeden einzelnen Umsatz entschieden werden, ob das Lieferelement oder das Element der sonstigen Leistung überwiege. Auch im Bereich der Restaurationsumsätze richte sich die Abgrenzung zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen nach den allgemein geltenden umsatzsteuerrechtlichen Grundsätzen. Da die Finanzverwaltung § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG bereits im Sinne der BFH-Rechtsprechung ausgelegt habe, habe die Aufhebung dieser Vorschriften lediglich klarstellenden Charakter (Begründung zu Art. 8 Nr. 3 im Gesetzentwurf zum Jahressteuergesetz 2008, BR-Drucks. 544/07 S. 99 f.).
2. Zur Abgrenzung von Lieferungen und Dienstleistungen i.S. der Art. 5 und 6 der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH in seinem Urteil vom 2. Mai 1996 C-231/94 --Faaborg-Gelting Linien A/S-- (UR 1996, 220) wörtlich ausgeführt:
"12 Ob bestimmte Umsätze Lieferungen von Gegenständen oder Dienstleistungen sind, richtet sich nach ihrem Wesen. Dieses ist im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zu ermitteln.
13 Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen. Dabei wird dem Gast zugleich eine organisatorische Gesamtheit zur Verfügung gestellt, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u.a.) als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst. Gegebenenfalls werden Kellner das Gedeck auflegen, den Gast beraten, die angebotenen Speisen oder Getränke erläutern, diese auftragen und schließlich nach dem Verzehr die Tische abräumen.
14 Somit ist der Restaurationsumsatz durch eine Reihe von Vorgängen gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei weitem überwiegen. Er ist daher als Dienstleistung im Sinne von Artikel 6 Absatz 1 der Sechsten Richtlinie zu betrachten. Etwas anderes gilt hingegen, wenn sich der Umsatz auf Nahrungsmittel "zum Mitnehmen" bezieht und daneben keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen."
Hieran anschließend hat er im Urteil vom 10. März 2005 Rs. C-491/03 --Hermann-- (BFH/NV Beilage 2005, 210) zur Frage, ob die Frankfurter Getränkesteuersatzung (GetrStS) verbrauchsteuerpflichtige Waren (i.S. von Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 92/12/EWG des Rates vom 25. Februar 1992 über das allgemeine System, den Besitz, die Beförderung und die Kontrolle verbrauchsteuerpflichtiger Waren --Richtlinie 92/12/EWG--) oder Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren erbracht werden, Folgendes ausgeführt:
"21 Um zu bestimmen, ob die mit der GetrStS erhobene Steuer verbrauchsteuerpflichtige Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 2 der Richtlinie 92/12 oder eher die Dienstleistungen betrifft, die im Zusammenhang mit verbrauchsteuerpflichtigen Waren im Sinne von Artikel 3 Absatz 3 Unterabsatz 2 der Richtlinie erbracht werden, ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu berücksichtigen (vgl. analog Urteil Faaborg-Gelting Linien, Randnrn. 12 bis 14).
22 Da die Vermarktung eines Gegenstands immer mit einer minimalen Dienstleistung, wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw., verbunden ist, können bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils an der Gesamtheit eines komplexen Geschäftes, zu dem auch die Lieferung eines Gegenstands gehört, nur die Dienstleistungen berücksichtigt werden, die sich von denen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind.
23 Auch wenn die aufgrund der GetrStS erhobene Steuer an den unmittelbaren Verzehr an Ort und Stelle und damit an ein dienstleistungsbezogenes Element anknüpft, das sich von den Vorgängen unterscheidet, die notwendig mit der Vermarktung alkoholhaltiger Getränke verbunden sind, so lässt sich doch nicht allgemein sagen, dass bei allen in den Anwendungsbereich dieser Steuer fallenden Vorgängen das Dienstleistungselement immer überwiegen wird.
24 Demnach ist für jeden besteuerten Umsatz festzustellen, welches das überwiegende Element ist.
25 Aus dem Vorlagebeschluss geht hervor, dass die Volkswirt Weinschänken GmbH eine Gaststätte betreibt, in der sie Speisen und Getränke serviert.
26 Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke an Kunden im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit geht mit einer Reihe von Dienstleistungen einher, die sich von den Vorgängen unterscheiden, die notwendig mit der Vermarktung solcher Waren verbunden sind. Es handelt sich um die Zurverfügungstellung einer Infrastruktur, die einen möblierten Speisesaal mit Nebenräumen (Garderobe, Toiletten usw.) umfasst, um die Beratung und Information der Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, um die Darbietung der Getränke in einem geeigneten Gefäß, um die Bedienung bei Tisch und schließlich um das Abdecken der Tische und die Reinigung nach dem Verzehr (vgl. in diesem Sinne Urteil Faaborg-Gelting Linien A/S, RandNr. 13).
27 Die Abgabe alkoholhaltiger Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit ist durch ein Bündel von Elementen und Handlungen gekennzeichnet, von denen die Lieferung des Gegenstands selbst nur einen Bestandteil darstellt und bei denen die Dienstleistungen überwiegen."
Nach diesen Grundsätzen ist für jeden besteuerten Umsatz zu entscheiden, ob eine --dem ermäßigten Steuersatz unterliegende-- Lieferung von Speisen oder eine --dem Regelsteuersatz unterliegende-- Dienstleistung vorliegt. Es kommt nicht auf ein quantitatives Überwiegen des Dienstleistungselements der Bewirtung gegenüber der Speisenlieferung an, sondern darauf, ob das Dienstleistungselement qualitativ überwiegt (BFH-Urteile vom 10.08.2006 V R 38/05, BStBl. II 2007, 482; vom 26.10.2006 V R 58/04, BStBl. II 2007, 487).
3. Der Senat ist der Ansicht, dass der Kläger nach diesen Maßstäben bei der Abgabe der von ihm zubereiteten Speisen ausschließlich Lieferungen erbracht hat, die dem ermäßigten Umsatzsteuersatz unterlagen.
a) Der Senat ist der Überzeugung, dass es sich bei den an den Imbisswagen des Klägers vom Wagenhersteller angebrachten "Verzehrtheken" und dem jeweiligen "Deichselschutz" um Vorrichtungen handelte, die dazu geeignet und bestimmt waren, Kunden den Verzehr der Speisen an Ort und Stelle zu ermöglichen.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung finden sich Vorrichtungen dieser Art auf Wochenmärkten typischerweise bei Verkaufswagen, die Waren zum sofortigen Verzehr anbieten und ihrer Kundschaft die Möglichkeit eröffnen wollen, an Ort und Stelle die Speisen zu sich zu nehmen. Sie wurden auch von einer Vielzahl der Kunden des Klägers tatsächlich zum Verzehr an Ort und Stelle genutzt, wie die Beteiligten übereinstimmend erklärten. Während der ca. 1 1/2-stündigen Besichtigung des Standes durch den Betriebsprüfer benutzten sogar alle Kunden die Einrichtungen, um an Ort und Stelle die gekauften Speisen zu verzehren.
b) Gleichwohl überwiegt bei wertender Betrachtung bei den Leistungen des Klägers das Element der Lieferung verzehrfertig zubereiteter Speisen.
aa) Der Senat schließt sich nicht einer in der Literatur vertretenen Auffassung an, nach der die Zubereitung von Mahlzeiten grundsätzlich eine dem Regelsteuersatz unterliegende Dienstleistung sei, unabhängig davon, ob ein Verzehr an Ort und Stelle i.S.d. § 3 Abs. 9 Sätze 4 und 5 UStG a.F. stattfinde; für die Abgrenzung sei regelmäßig das entscheidende Dienstleistungselement die verzehrfertige Zubereitung der Speisen (so Klenk, UR 2008, 20 ff.; Weiß, UR 1996, 221).
Gegen diese Auffassung spricht zum einen, dass Lebensmittelzubereitungen in Nummern 28, 31, 32 und 33 der Anlage 2 zum UStG ausdrücklich als potenzielle Objekte einer steuerbegünstigten Lieferung aufgeführt sind. Vor allem entspricht es nicht der o.g. Rechtsprechung des EuGH, die verzehrfertige Zubereitung von Lebensmitteln als das entscheidende Abgrenzungskriterium zwischen Lieferungen und sonstigen Leistungen anzusehen. Vielmehr ist die Zubereitung der Lebensmittel nach Auffassung des erkennenden Senats eines von mehreren Kriterien bei der Abgrenzung zwischen einer Lieferung oder einer sonstigen Leistung (ebenso Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Anm. 3741 und 3771).
bb) Der Senat vermag sich insoweit nicht der Rechtsprechung des BFH anzuschließen, die die Zubereitung der Speisen im Rahmen der Gesamtbetrachtung gar nicht berücksichtigt, da die Zubereitung einer Speise die notwendige Vorstufe ihrer Vermarktung sei (BFH-Urteil vom 26.10.2006 V R 58/04, BStBl. II 2007, 487).
Der BFH verweist zur Begründung seiner Auffassung auf das Urteil des EuGH in der Rechtssache Hermann (EuGH-Urteil vom 10.03.2005 - Rs. C-491/03, BFH/NV Beilage 2005, 210, Rn. 22 u. 26 - 28). Der EuGH bezog sich jedoch lediglich auf "minimale Dienstleistungen wie dem Darbieten der Waren in Regalen, dem Ausstellen einer Rechnung usw.", die notwendigerweise mit der Vermarktung eines Gegenstands verbunden sind (aaO. Rn. 22). Mit derartigen "minimalen Dienstleistungen" ist die Zubereitung warmer Speisen jedoch nicht zu vergleichen. Der EuGH nahm in der Rechtssache Hermann nicht zu der Frage Stellung, ob die Zubereitung von Speisen bei der Gesamtwürdigung komplexer Tätigkeiten als Dienstleistungselement zu berücksichtigen ist, da sich seine Ausführungen auf einen Sachverhalt bezogen, bei dem keine Speisen zubereitet, sondern Getränke im Rahmen einer Bewirtungstätigkeit verkauft wurden.
Dagegen führte der EuGH in der Rechtssache Faaborg-Gelting ausdrücklich aus: "Die Abgabe von Speisen und Getränken zum sofortigen Verzehr ist das Ergebnis einer Reihe von Dienstleistungen vom Zubereiten bis zum Darreichen der Speisen" (EuGH-Urteil vom 02.05.1996 C-231/94, UR 1996, 220 - Rn. 13). Der erkennende Senat entnimmt diesem Urteil, dass die Zubereitung von warmen Speisen ein Dienstleistungselement ist, das im Rahmen der Gesamtwürdigung einer Tätigkeit als Lieferung oder sonstige Leistung zu berücksichtigen ist (aaO. Rn. 12 - 14; iE ebenso Birkenfeld, USt-Handbuch § 66 Rn. 178 f. u. 186; Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Anm. 3741 u. 3771).
cc) Der Senat hält nicht mehr an seiner früheren Rechtsprechung (zuletzt Urteil des erkennenden Senats vom 23.02.2006 5 K 681/02, n.v. unter Hinweis u.a. auf die frühere Rechtsprechung des BFH in dessen Urteil vom 16.03.2000 V R 27/99, BStBl. II 2000, 482) fest, nach der die Abgabe von Speisen durch die Betreiber von Imbissständen dem vollen Steuersatz unterliegt, wenn der Unternehmer Vorrichtungen zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle bereithält und die Ware nach Art ihrer Verpackung zum sofortigen Verzehr in räumlicher Nähe des Abgabeortes abgegeben wird.
Nach dieser Auffassung, die sich insbesondere auf den Wortlaut des § 3 Abs. 9 Satz 4 und 5 UStG a.F. stützte, ist unerheblich, inwieweit die Kunden vorhandene Verzehrvorrichtungen tatsächlich nutzen. Dem ermäßigten Steuersatz unterliegt nach dieser Auffassung bei Imbissständen, die Einrichtungen zum Verzehr an Ort und Stelle bereithalten, allein die Abgabe von Speisen, die "zum Mitnehmen" verpackt sind und die damit durch die Art ihrer Abgabe nicht zum sofortigen Verzehr an Ort und Stelle bestimmt sind. Alle unverpackt abgegebenen Lebensmittel würden dagegen dem vollen Steuersatz unterworfen, unabhängig davon wo diese verzehrt werden (so Flückiger in Plückebaum/Malitzky, § 3 Abs. 9 UStG Rn. 185 u. 190; Fritsch in Reiß/Kraeusel/Langer, § 3 UStG Rn. 681.5, 682.1 u. 682.3). Damit würde auf ein Abgrenzungskriterium abgestellt, das dem Unternehmer im Zeitpunkt des Umsatzes bekannt ist und es ihm erlaubt, im Zeitpunkt des Umsatzes die von § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG geforderten getrennten Aufzeichnungen anzufertigen. Allerdings entspricht diese frühere Rechtsprechung aus den unter ee) genannten Gründen nach Auffassung des Senats nicht den Abgrenzungskriterien, die sich aus der Rechtsprechung des EuGH ergeben.
dd) Der Senat vermag sich ebenfalls nicht der neueren Rechtsprechung anzuschließen, in der als maßgebliches Abgrenzungskriterium darauf abgestellt wird, inwieweit "Verzehrvorrichtungen" an einem Imbisswagen tatsächlich von der Kundschaft zum Verzehr an Ort und Stelle genutzt werden.
Der Senat versteht das Urteil des BFH vom 26.10.2006 (V R 58/04, BStBl. II 2007, 487) dahin, dass bei Imbisswagen, die - wie diejenigen des Klägers - der Kundschaft die Möglichkeit zum Verzehr an Ort und Stelle bieten, entscheidendes Abgrenzungskriterium für die Anwendung des Regelsteuersatzes ist, inwieweit die Kundschaft die Möglichkeit, die Speisen an Ort und Stelle zu verzehren, tatsächlich in Anspruch nimmt. In diesem Sinne wurde das vorgenannte Urteil auch vom FG Münster ausgelegt, wobei sich das FG Münster diese Rechtsprechung zu eigen machte (Urteile vom 13.11.2007, EFG 2008, 644 u. 647, Revisionsverfahren XI R 37/08 u. XI R 38/08 anhängig, zu Imbisswagen, die über eine vergleichbare Ausstattung wie diejenigen des Klägers verfügen).
Bei einer solchen Auslegung würde der maßgebliche Umsatzsteuersatz davon abhängen, wie sich der Kunde nach Abschluss des Umsatzgeschäftes verhält. Dem Unternehmer wäre es nicht möglich, im Zeitpunkt des Umsatzes die von § 22 Abs. 2 Nr. 1 UStG geforderten getrennten Aufzeichnungen anzufertigen, da die Höhe des Steuersatzes von einem zukünftigen Verhalten des Kunden abhinge. Vielmehr würde dem Unternehmer eine Verpflichtung auferlegt, das Verzehrverhalten seiner Kundschaft nach Abschluss des Umsatzes zu beobachten, um anschließend rückblickend den zutreffenden Umsatzsteuersatz festzuhalten.
ee) Stattdessen ist der erkennende Senat der Ansicht, dass die Abgabe von Speisen durch Imbisswagen wie diejenigen des Klägers, die lediglich über eine "Verzehrtheke" nebst "Deichselschutz" verfügen, bei denen der Unternehmer aber ansonsten - außer der Zubereitung der Speisen - keine weiteren Dienstleistungen erbringt, bei wertender Betrachtung als bloße Lieferung der Speisen anzusehen ist.
Außer der Zubereitung der Speisen besteht die einzige Dienstleistung des Klägers darin, dass er überdachte Ablageflächen an seinem Imbissstand bereithält, auf denen die Speisen zum Zweck des Verzehrs abgestellt werden können. Ferner stellt der Kläger einen Abfalleimer zur Verfügung. Andere Dienstleistungselemente, die bei einem Restaurantbesuch das Gesamtbild der angebotenen Leistungen des Gastwirts prägen (Bedienung, Sitzgelegenheit, geschlossene und temperierte Räume bzw. ansprechende Verzehrgelegenheiten im Freien, Vorhandensein von Garderobe und Toiletten usw.) fehlen dagegen bei den Imbisswagen des Klägers. Der Kläger erbringt dadurch keine Dienstleistungen, die den Verzehr an Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium EuGH-Urteil vom 02.05.1996 C-231/94 --Faaborg-Gelting Linien A/S--, UR 1996, 220 - Rn. 14). Insgesamt sind die Dienstleistungselemente bei den Leistungen des Klägers im Vergleich zu der Lieferung der Speisen von so untergeordneter Bedeutung, dass das Lieferelement qualitativ überwiegt. Der Kläger erbringt bei der Gesamtbetrachtung seines Umsatzes keine Dienstleistungen im Darreichungsbereich, die seiner gesamten Leistung das Gepräge geben (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Anm. 3781, 3834, 3871 f., 3883 und Anm. 3901 "Imbiß-Stand").
ff) Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob anders zu entscheiden wäre, wenn der Kläger seiner Kundschaft Stehtische zur Verfügung gestellt hätte (vgl. hierzu Martin in Sölch/Ringleb, § 3 UStG Rn. 550 "Imbiss-Stand"; Nieskens in Rau/Dürrwächter, § 3 UStG Anm. 3901 "Imbiß-Stand").
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
5. Die Revision wurde gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zugelassen.