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Steuerrecht
30.03.2017
Steuerrecht
FG Münster: Erlass von Nachzahlungszinsen auf nach § 14c UStG geschuldete Umsatzsteuer

FG Münster, Urteil vom 14.2.2017 – 15 K 2862/14 AO

ECLI:DE:FGMS:2017:0214.15K2862.14AO.00

Volltext: BB-Online BBL2017-790-1

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Leitsätze der Redaktion

Eine unterschiedliche Handhabung einer Rechnung nach § 14c UStG einerseits und einer Rechnungsberichtigung in Bezug auf den Vorsteuerabzug ist wegen der unterschiedlichen Gesetzeszwecke geboten. Mit der Erteilung einer Rechnung im Sinne von § 14c UStG verwirklicht der Rechnungsaussteller einen Gefährdungstatbestand. Ab dem Zeitpunkt der Rechnungserstellung besteht die Gefahr, dass der Rechnungsempfänger – wie im Streitfall durch die B auch erfolgt – einen Vorsteueranspruch geltend macht und auch erhält. Deswegen haftet der Rechnungsaussteller, indem er die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet. Die Haftung entfällt erst in dem Zeitpunkt, in dem die Gefahr vollständig beseitigt ist. Daher kann die Berichtigung einer Rechnung nach § 14c UStG nach Sinn und Zweck dieser Regelung insoweit keine Rückwirkung entfalten. Bei fehlender sachlicher Unbilligkeit der streitigen Zinsfestsetzung nach § 233a AO besteht kein Anlass, die auch dem Sinn und Zweck des § 14c UStG entsprechende Zinsfestsetzung durch Erlass zu beheben.

Sachverhalt

Streitig ist, ob dem Kläger die Zinsen zur Umsatzsteuer für 2008 bis 2011 zu erlassen sind.

Der Kläger, ein Verein, vertritt gemäß seiner Satzung die Interessen der Grundeigentümer im Bundesgebiet, soweit sie durch die Ausübung von Bergbau und die damit zusammenhängende Rechtsordnung berührt werden. Er vertritt außerdem die Grundeigentümerinteressen auf dem Gebiet des Immissionsschutzes. Daraus resultiert als eine der wichtigsten Aufgaben des Klägers die Regulierung von Bergschäden, u. a. – so auch im Streitfall – gegenüber der B, die an Häusern und Grundstücken von Mitgliedern des Klägers aufgetreten sind. Gemäß der Satzung des Klägers haben die Mitglieder zur Deckung der im Einzelfall aufgewendeten Personal- und Sachkosten dem Kläger eine Vergütung zu zahlen. Die seitens der Mitglieder zu zahlende Vergütung ist Teil des insgesamt gegenüber der B bestehenden Bergschadensersatzanspruchs, d.h. die Mitglieder erhalten die entstehenden Kosten durch die B zurück. Aus diesem Grunde besteht zwischen der B und dem Kläger seit langem eine Direktinrechnungstellungsabrede, d. h. der Kläger fordert die Personal- und Sachkostenvergütung direkt bei der B an. Diesbezüglich haben der Kläger und die B ein sog. Bearbeitungsabkommen geschlossen, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird. Darin ist u. a. vereinbart, dass der Kläger der B eine an sie, die B, adressierte Rechnung über die seitens der Mitglieder an den Kläger zu zahlende Vergütung erteilt, „in der die Mehrwertsteuer gesondert ausgewiesen ist.“

Im Rahmen einer Außenprüfung des Finanzamts für Groß- und Konzernbetriebsprüfung I (Bericht vom 16.01.2013) und einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung des Beklagten (Bericht vom 10.09.2013) kamen die Prüfer zu dem Ergebnis, dass die in den Rechnungen des Klägers an die B aufgeführte Umsatzsteuer zu Unrecht ausgewiesen worden sei und daher gemäß § 14c Abs. 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) geschuldet werde. Der Kläger erbringe nicht gegenüber der B, sondern gegenüber seinen, des Klägers, Mitgliedern eine sonstige Leistung.

Der Beklagte folgte der Auffassung der Außenprüfer und erließ unter dem 08.04.2013 für die Streitjahre 2008 bis 2010 und unter dem 27.06.2013 für das Streitjahr 2011 dementsprechende Umsatzsteuerbescheide und setzte zugleich jeweils Zinsen zur Umsatzsteuer fest. Dies führte zu folgenden Nachzahlungen.

Besteuerungszeitraum                            Umsatzsteuer                            Zinsen zur Umsatzsteuer

2008                                                                      xxx €                                                        xxx €

2009                                                                      xxx €                                                        xxx €

2010                                                                      xxx €                                                        xxx €

2011                                                                       xxx €                                                        xxx €

                                                                             xxx €                                                        xxx €

Die genannten Umsatzsteuerbescheide wurden bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 18.04.2013 und 11.07.2013 stellte der Kläger beim Beklagten einen Antrag auf Verrechnungsstundung hinsichtlich der nach § 14c UStG festgesetzten Umsatzsteuer und auf Erlass der festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer und trug vor:

Mit dem Prüfer der Außenprüfung, Herrn E, sei abgesprochen worden, dass ein Antrag auf Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrages nach § 14c Abs. 2 Satz 5 UStG, ein Antrag auf Verrechnungsstundung sowie ein Antrag auf Erlass der Nachzahlungszinsen gestellt werde. Mit Schreiben vom 12.02.2013 und 13.02.2013 an die B habe er, der Kläger, entsprechend der Absprache jahresbezogene Korrekturschreiben mit einer pauschalen Rechnungskorrektur für die Streitjahre versandt, in denen keine Umsatzsteuer ausgewiesen, sondern stattdessen darauf hingewiesen worden sei, dass die gesonderte Ausweisung der Umsatzsteuer entfernt und nur die Brutto-Erstattungsbeträge ausgewiesen würden. Die B habe die aus den ursprünglichen Rechnungen des Klägers gezogenen Vorsteuern im Jahre 2012 zurückgezahlt.

Den Antrag auf Erlass der festgesetzten Zinsen begründete der Kläger wie folgt:

Die Direktversendung von mitgliederbezogenen Rechnungen mit Umsatzsteuer-Ausweis an die B als (gedacht: nur postalischem) Adressaten von ihm, dem Kläger, sei bereits seit Mitte der 70er Jahre auf Grund des seinerzeit mit der B abgeschlossenen und seitdem kontinuierlich geltenden Bearbeitungsabkommens so praktiziert worden. Bei den an die B gesandten Rechnungen handele es sich seiner, des Klägers, Ansicht nach um „Rechnungen an den, den es angehe“, nämlich an seine, des Klägers, Mitglieder. Seit Mitte der 70er Jahre hätten zwei Außenprüfungen stattgefunden, nämlich 1995 und 2008. In beiden sei die vorgenannte Praxis, die jahrzehntelang zwischen ihm, dem Kläger, und der B ausgeübt worden sei, nicht beanstandet worden. Diese Sichtweise sei auch von der Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2011 als vertretbar angesehen worden. Die Außenprüfung selbst habe jedoch eine andere Sichtweise bevorzugt, aber gleichzeitig konzediert, das ihm, dem Kläger, daraus keine Nachteile entstehen sollten, auch nicht in Form von Nachzahlungszinsen.

Mit Bescheid vom 13.05.2013 für 2008 bis 2010 und vom 22.07.2013 für 2011 lehnte der Beklagte den Erlass der festgesetzten Zinsen ab. Die B als Rechnungsempfängerin habe aus dem unberechtigten Umsatzsteuerausweis des Klägers in den Jahren 2008 bis 2011 Vorsteuerabzüge berücksichtigt und nach Angaben des Klägers erst in 2012 zurückgezahlt. Unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sei es nicht ermessensgerecht, dem Antrag auf Erlass der Zinsen zur Umsatzsteuer nach § 227 der Abgabenordnung (AO) aus sachlichen Unbilligkeitsgründen zu entsprechen, da die Zinsfestsetzungen dem Willen des Gesetzgebers entsprächen.

Mit seinen Einsprüchen gegen die Ablehnung des Erlasses trug der Kläger vor:

Die von ihm, dem Kläger, praktizierte Rechnungslegung gegenüber der B sei in den der Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 vorangegangenen Außenprüfungen, in denen ebenfalls Herr E Prüfer gewesen sei und in denen die praktizierte Rechnungslegung bekannt gewesen sei, nicht beanstandet worden. Auch von dem Sachgebietsleiter der Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010, Herrn F, sei eingeräumt worden, dass für die bisherige Praxis eine vertretbare Begründung bestehe. Die Verfahrensweise sei eine erhebliche Verwaltungsvereinfachung gewesen. Er, der Kläger, habe durch die Verfahrensweise keinerlei Liquiditätsvorteil gehabt. Einen Liquiditätsvorteil habe lediglich die B gehabt, indem sie fälschlicherweise Vorsteuern aus den Rechnungen geltend gemacht habe. In der Außenprüfung sei ihm, dem Kläger, erklärt worden, dass ihm aus der Rechnungsberichtigung kein Schaden, insbesondere nicht aus Nachzahlungszinsen entstehen solle, und dass dies gegenüber der zuständigen Veranlagungsstelle im Rahmen eines von ihm, dem Kläger, zu stellenden Erlassantrages befürwortet werden solle. Herr F habe auch telefonisch bestätigt, in der Schlussbesprechung die Zusage einer positiven Stellungnahme betreffend Erlass der Nachzahlungszinsen gemacht zu haben. Es handele sich vorliegend um einen atypischen Fall der Rechnungsberichtigung, den der Gesetzgeber, weil solche Fälle praktisch nie vorkämen, nicht im Auge gehabt haben könne.

Mit Einspruchsentscheidung vom 04.08.2014, auf die Bezug genommen wird, wies der Beklagte die Einsprüche des Klägers als unbegründet zurück und führte zur Begründung aus:

Die Verzinsung gemäß § 233a AO sei gesetzlich vorgeschrieben und stehe nicht im Ermessen der Finanzbehörde.

Soweit der Kläger die Auffassung vertrete, eine Kapitalnutzung durch ihn sei nicht möglich gewesen, weil die Umsatzsteuer immer so abgeführt worden sei, wie sie auch hätte abgeführt werden müssen, könne diese Rechtsauffassung nicht geteilt werden. Der unberechtigte Umsatzsteuerausweis und damit die Voraussetzungen zur Anwendung des § 14c UStG seien bereits mit der Rechnungserteilung an den Adressaten erfüllt gewesen. Insofern sei beim Kläger bereits seit dem Umsatzsteuervoranmeldungszeitraum, in dem diese gem. § 14c UStG geschuldete Steuer nicht angemeldet worden sei, ein eben solcher Liquiditätsvorteil, der durch die Verzinsung gem. § 233a AO ausgeglichen werden solle, entstanden. Bei der B habe sich der Vorteil durch die Möglichkeit und auch vorgenommene Geltendmachung der Vorsteuer und entsprechende Minderung der eigenen Zahllast ergeben. Insofern hätten beide Beteiligten durch die praktizierte Rechnungslegung einen Liquiditätsvorteil erzielt, der bei der Zinsfestsetzung gem. § 233a AO eine sachliche Unbilligkeit ausschließe. Dass die Rechnungslegung zwischen der B und dem Kläger vereinbarungsgemäß so vorgesehen worden sei, sei seitens des Beklagten durchaus nachvollziehbar, da wahrscheinlich die weitaus überwiegende Zahl der Einzelgeschädigten als Privatpersonen zu einem Umsatzsteuerausweis – und in der Konsequenz damit einem fehlenden Vorsteuerabzug bei der B – nicht berechtigt gewesen seien.

Der Erlassantrag sei zudem darauf gestützt worden, dass der Kläger auf die Richtigkeit einer jahrzehntelangen Praxis mit Rechnungen „für den, den es angeht" vertraut habe und diese Praxis selbst durch vorherige Außenprüfungen nicht beanstandet worden seien. Auch die Außenprüfung für 2008 bis 2010 habe nach dem Vortrag des Klägers konzediert, dass keine Nachteile, auch nicht in Form von Nachzahlungszinsen entstehen sollten. Nach Rückfrage bei der Prüfung sei aber dargelegt worden, dass diese Rechnungslegung bei den Vorprüfungen kein Prüfungsgegenstand gewesen sei. Zudem sei durch die Außenprüfung zu keiner Zeit eine Zusage erteilt worden, dass dem Kläger keine Nachteile durch Nachzahlungszinsen entstehen sollten. Vielmehr sei dargelegt worden, für diese Entscheidung nicht zuständig zu sein. Eine sachliche Unbilligkeit durch Schaffung eines Vertrauenstatbestandes sei nicht anzunehmen. Eine Bindung des Finanzamts nach Treu und Glauben wäre ggf. anzunehmen gewesen, wenn ein Antrag auf verbindliche Zusage gestellt worden wäre und diese ohne Einschränkung durch die zuständigen Beamten erteilt worden wäre. Dies liege hier eindeutig nicht vor. Vielmehr sei zutreffend auf die fehlende Zuständigkeit der Außenprüfung bzgl. dieser Frage hingewiesen worden.

Das Finanzamt habe den Antrag auf Erlass der Nachzahlungszinsen ermessensgerecht abgelehnt. Es handele sich um einen Fall der gesetzlich vorgesehenen und auch so gewollten Verzinsung der Nachzahlungen. Der Tatbestand des unberechtigten Steuerausweises und damit der Schuldnerschaft gem. § 14c UStG sei nicht strittig und sei durch alle Beteiligten entsprechend abgewickelt worden. Die Festsetzungen entsprächen den gesetzlichen Vorschriften und erfüllten den Gesetzeszweck. Bezüglich der Festsetzung der Nachzahlungszinsen 2008 bis 2011 ergebe sich aus den vorgebrachten Argumenten keine sachliche Unbilligkeit. Das Finanzamt habe die vorgetragenen Erlassgründe gewürdigt und keine Verstöße gegen die Prinzipien des Vertrauensschutzes und die Grundsätze von Treu und Glauben erkennen können. Es habe insoweit das Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Mit seiner daraufhin erhobenen Klage begehrt der Kläger weiterhin den Erlass der festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer 2008 bis 2011 in Höhe von insgesamt xxx € und hilfsweise eine Neubescheidung durch den Beklagten nach der Rechtsauffassung des Gerichts. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen und trägt ergänzend vor:

Er, der Kläger, halte die erfolgte Art der Rechnungserstellung als einer Rechnung an den, den es angehe, nach wie vor für eine vertretbare, der Vereinfachung dienende Vorgehensweise. In den letzten zehn Jahren seien jährlich zwischen … und … Rechnungen an die B geschickt worden. Es handelte sich somit um ein Massenverfahren. Dass die B den Vorsteuerabzug geltend gemacht habe, obwohl er ihr nicht zugestanden habe, habe außerhalb seines, des Klägers, Einflussbereichs gelegen.

Seit Mitte der 70er Jahre hätten zwei Außenprüfungen bei ihm, dem Kläger, stattgefunden, nämlich 1985 und 2008. In diesen beiden Prüfungen sei die vorgenannte jahrzehntelange Praxis nicht beanstandet worden. Der die Rechnungen betreffende Sachverhalt sei bei den vorherigen Prüfungen auch unzweifelhaft bekannt gewesen. In der Vorprüfung 2008 sei nämlich die Abgrenzung der unfertigen Leistungen ein Prüfungsschwerpunkt gewesen. Da die Abrechnungen ganz überwiegend, nämlich zu 90 % oder mehr, Abrechnungen gegenüber der B gewesen seien, habe die Vorprüfung 2008 nicht durchgeführt werden können, ohne dass ihr entsprechende Rechnungen an die B vorgelegt worden seien. Im Übrigen sei in jeder zurückliegenden Prüfung, nämlich in der Umsatzsteuer-Sonderprüfung 1983 und in der Außenprüfung 1985 jeweils durch das beklagte Finanzamt N sowie in der Außenprüfung 2008 durch das Finanzamt I, in der ebenso wie in der Außenprüfung 2012 Herr E Prüfer gewesen sei, die Umsatzsteuer ein gewichtiger Bestandteil der Prüfung gewesen. Seine, des Klägers, Sichtweise, seine Rechnungen an die B als Rechnungen an den, den es angehe, anzusehen, sei auch mit der Außenprüfung für 2008 bis 2010 besprochen und von dieser auch als vertretbar angesehen worden. Die Außenprüfung habe jedoch die Sichtweise bevorzugt, dass die B Adressat der Rechnungen gewesen sei und dass an die B keine Leistungen erbracht worden seien, so dass § 14c Abs. 2 UStG eingreife. Gleichzeitig habe die Außenprüfung jedoch konzediert, dass ihm, dem Kläger, nach Möglichkeit aus dieser Sichtweise, die ja von den Vorprüfungen nicht geltend gemacht worden sei, keine Nachteile entstehen sollten, auch nicht in Form von Nachzahlungszinsen. Ein Erlass müsse jedoch von dem zuständigen Finanzamt, dem Beklagten, ausgesprochen werden. Entsprechend diesen Besprechungen mit der Außenprüfung, insbesondere in der Schlussbesprechung vorn 18.12.2012, habe er, der Kläger, die Anträge auf Erlass der Zinsen zur Umsatzsteuer gestellt.

Im Streitfall lägen sachliche Billigkeitsgründe für einen Erlass nach § 227 AO hinsichtlich der festgesetzten Zinsen zur Umsatzsteuer vor. Die Festsetzung der Zinsen sei in diesem Einzelfall mit dem Sinn und Zweck der Steuergesetze nicht vereinbar.

Dadurch, dass er, der Kläger, Rechnungen für seine Auftraggeber als Rechnungen für den, den es angehe, unter Ausweis der Umsatzsteuer ausgestellt habe und nach Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen die in den Rechnungen enthaltene Umsatzsteuer abgeführt habe, habe er die Umsatzsteuer in gleicher Höhe berechnet und abgeführt, wie wenn die Rechnungen an die Auftraggeber (Mitglieder) adressiert worden wären. Er habe damit seine Pflichten aus dem Umsatzsteuergesetz nach §§ 1 Abs. 1 Nr. 1, 13, 18 UStG erfüllt. Damit habe er sich in der Vergangenheit, wie dargestellt, auch in Übereinstimmung mit dem zuständigen Finanzamt und den Außenprüfern befunden. Daran ändere sich nicht dadurch etwas, dass sich der Beklagte über die Auslegung der Rechnungen für den, den es angehe, und die bisherige Nichtbeanstandung dieser Rechnungslegungspraxis durch das zuständige Finanzamt und die Vorprüfungen einschließlich der von dem Prüfer E selbst in 2008 durchgeführten Außenprüfung hinweggesetzt und § 14c Abs. 2 UStG angewandt habe. Vielmehr habe er, der Kläger, seine Umsatzsteuerpflicht erfüllt, so dass die streitigen Zinsen zu erlassen seien. Bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise habe er entgegen der formalen Betrachtungsweise des Beklagten aufgrund von § 14c Abs. 2 UStG keine Kapitalnutzung in dem Zeitraum von der Ausstellung der Rechnungen an die B bis zur Festsetzung der streitigen Zinsen gehabt. Die Zahlung der Umsatzsteuer durch ihn sei mit dem Fall der freiwilligen Zahlung einer Steuerschuld durch einen Steuerpflichtigen vor ihrer Festsetzung vergleichbar.

Der Beklagte habe in seiner Entscheidung über den Erlassantrag zwar die wirtschaftliche Betrachtungsweise in der Sachverhaltsschilderung als Aspekt erwähnt. Bei der konkreten Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung sei jedoch die formale Betrachtung, die der Beklagte angestellt habe, mit diesen Aspekten der wirtschaftlichen Betrachtung nicht abgewogen worden. Damit sei die Entscheidung des Beklagten ermessensfehlerhaft. Da die Erhebung der Zinsen mangels Unvereinbarkeit mit Sinn und Zweck des § 233a AO sachlich unbillig sei, bestehe für den Beklagten kein Ermessensspielraum. Es verbleibe ihm, dem Beklagten, vielmehr die einzig mögliche Entscheidung, nämlich dem Erlassantrag stattzugeben.

Auch habe der Beklagte den Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes nicht zutreffend gewürdigt. In der Begründung der Einspruchsentscheidung sei nämlich unzutreffend ausgeführt: „Nach Rückfrage bei der Prüfung wurde dargelegt, dass diese Rechnungslegung bei den Vorprüfungen kein Prüfungsgegenstand gewesen sei.“ Im Übrigen würden die im Rahmen des Erlassantrags von ihm, dem Kläger, vorgebrachten Äußerungen betreffend die Außenprüfung falsch wiedergegeben. Es sei niemals behauptet worden, durch die Außenprüfung sei eine Zusage erteilt worden, dass keine Nachteile durch Nachzahlungszinsen entstehen sollten. Ihm, dem Kläger, und seinen Beratern sei stets bewusst gewesen, dass die Außenprüfung für eine solche Entscheidung nicht zuständig sei. Das sei von den Vertretern der Außenprüfung in der Schlussbesprechung auch so geäußert worden Es sei jedoch die Zusage erteilt worden, einen internen Aktenvermerk zu fertigen, in dem angesichts der von der Außenprüfung verlangten Umstellung der Rechnungslegung und der Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG eine positive Stellungnahme enthalten sein sollte, dass für ihn, den Kläger, keine Nachzahlungszinsen entstehen sollten. Es sei deshalb auch besprochen worden, dass er, der Kläger, im Hinblick darauf einen entsprechenden Erlassantrag stellen solle. Dies sei offenbar von dem Prüfer, dem Zeugen E, später finanzamtsintern in Abrede gestellt worden. Dagegen habe der Sachgebietsleiter F bei einem Anruf der Klägerseite bestätigt, dass in der Schlussbesprechung die Zusage einer positiven Stellungnahme betreffend Erlass der Nachzahlungszinsen gemacht worden sei, und dass er diesbezüglich mit Herrn E sprechen wolle.

Da bei der Ausübung des Ermessens umfassend alle Gesichtspunkte abzuwägen seien, hätte der Beklagte auch aufgrund seiner, des Klägers, Hinweise, insbesondere im Einspruchsverfahren, die Gründe ermitteln müssen, die die Außenprüfung, insbesondere den Sachgebietsleiter F, bewogen hätten, die Zusage eines internen Aktenvermerks zu machen und die dazu geführt hätten, dass auch die Außenprüfung davon ausgegangen sei, dass ein Vertrauenstatbestand aufgrund der bisherigen langjährigen, nicht von der Finanzverwaltung beanstandeten Praxis seiner, des Klägers, Rechnungslegung gegenüber der B entstanden sei, oder dafür gute Gründe gesehen habe. Auch insofern sei die Einspruchsentscheidung ermessensfehlerhaft. Aufgrund der vorliegenden Umstände, nämlich dass die Rechnungslegung gegenüber der B, so wie sie der Außenprüfung vorgelegen habe, seit den 70er Jahren praktiziert worden sei, dass diese Praxis der Finanzverwaltung in zahlreichen Außenprüfungen bekannt geworden sei und sie diese Praxis nicht beanstandet habe, sowie dass der größere Teil seines, des Klägers, Umsatzes sich aus diesen Rechnungen an die B ergebe, habe die von der Außenprüfung für die Jahre 2008 bis 2010 und der nachfolgenden Umsatzsteuer-Sonderprüfung für 2011 und 2012 bewirkte Beanstandung dieser Rechnungslegung für ihn, den Kläger, ein ebensolches Gewicht wie die Änderung von Verwaltungsvorschriften der Finanzverwaltung, auf deren Basis der Kläger Dispositionen getroffen habe. Deshalb sei, wie offensichtlich auch die Außenprüfung in der Schlussbesprechung vom 08.12.2012 erkannt habe, ihm, dem Kläger, diesbezüglich Vertrauensschutz zu gewähren, da er durch die aufgrund der Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG nach § 233a AO entstandenen Nachzahlungszinsen massiv beeinträchtigt worden sei. Dieser Vertrauensschutz könne nur dadurch gewahrt werden, dass dem Antrag auf Erlass stattgegeben werde. Auch unter diesem Gesichtspunkt bestehe eine Ermessensreduzierung auf Null.

Ferner verweist der Kläger zur Begründung seiner Klage auf Urteile des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) und der neueren Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur Rückwirkung einer Rechnungsberichtigung. Grund für die dem Erlassantrag zugrunde liegende Verzinsung nach § 233a AO sei die bisher in Deutschland geübte Praxis, dass einer Rechnungsberichtigung keine Rückwirkung zukomme. Der EuGH gehe jedoch davon aus, dass eine Rechnungsberichtigung auf den Zeitpunkt der erstmaligen Rechnungserteilung zurückwirke (EuGH-Urteile vom 15.07.2010 – C-368/09 Pannon Gép, Deutsches Steuerrecht – DStR – 2010, 1475; vom 08.05.2013 – C-271/12 Petroma Transports, Mehrwertsteuerrecht – MwStR – 2013, 272; vom 15.09.2016 – C-518/14 Senatex, Umsatzsteuer-Rundschau – UR – 2016, 800, und vom 15.09.2016 – C-516/14 Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, UR 2016, 795). Das gelte jedenfalls dann, wenn dem Finanzamt die berichtigte Rechnung vor der endgültigen behördlichen Entscheidung zugehe, was im Streitfall geschehen sei. Die Festsetzung der Zinsen sei in der Annahme der ex nunc Wirkung einer Rechnungskorrektur erfolgt, was aber mit der Rechtsprechung des EuGH und der neueren Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 20.10.2016 V R 26/15, Sammlung der Entscheidungen des BFH – BFHE – 255, 348, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH – BFH/NV – 2017, 252) nicht vereinbar sei. Dem stehe auch das BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 43/14, DStR 2017, 258, nicht entgegen, weil dieses Urteil nur besage, dass nach Auffassung des BFH einer Rechnungsberichtigung i. S. d. § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG keine Rückwirkung zukomme. Dieses BFH-Urteil äußere sich nicht dazu, inwieweit dies dazu führe, dass eine Zinszahlungspflicht entstehe. Vielmehr verstoße die Festsetzung von Zinsen gegen den Neutralitätsgrundsatz und sei unbillig, so dass die Zinsen zu erlassen seien. Die Festsetzung der Zinsen verstoße ferner jedenfalls bei gutgläubigem Handeln des Rechnungsausstellers – was bei ihm, dem Kläger, vorliege – nach Stadie in: Rau/Dürrwächter, Kommentar, UStG, § 14c UStG, Anm. 227, 228, gegen das Übermaßverbot.

Der Kläger beantragt,

die Bescheide des Beklagten vom 13.05.2013 und 22.07.2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 04.08.2014 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die mit den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2008, 2009 und 2010 vom 08.04.2013 und mit dem geänderten Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 27.06.2013 festgesetzten Zinsen zu erlassen,

hilfsweise, den Beklagten zu verpflichten, ihn, den Kläger, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er im Wesentlichen auf die Einspruchsentscheidung und trägt ergänzend vor: Er habe ergänzend Stellungnahmen des Prüfers, Herrn E, und des Sachgebietsleiters, Herrn F, auf die Bezug genommen wird, eingeholt. Diese nähmen insbesondere zu den Prüfungsabläufen und zu den erfolgten Besprechungen Stellung. Das Finanzamt vertrete die Auffassung, dass auch danach ein Vertrauensschutztatbestand schon aus dem Grunde nicht gegeben sei, weil unzweifelhaft auf die fehlende Zuständigkeit der Prüfung für die Erlassfrage hingewiesen worden sei. Eine nach Treu und Glauben bindende Zusage durch den zuständigen (Prüfungs-)Beamten habe somit gar nicht erteilt werden können. Die eigentliche umsatzsteuerrechtliche Problematik nach der Prüfung sei akzeptiert und umgesetzt worden. Die strittige Zinsfestsetzung berühre nur die reine Möglichkeit der Kapitalnutzung bzw. Verfügbarkeit eines Kapitalbetrages. Diese sei dem Fiskus durch die praktizierte Rechnungslegung eindeutig entzogen worden. Die B habe in Bezug auf die Kapitalnutzung von einem überhöhten Vorsteuerabzug und der Kläger von einer bis zu den durchgeführten Berichtigungen nicht erhobenen § 14c UStG-Steuer profitieren können. Insofern bleibe das Finanzamt bei der bereits in der Einspruchsentscheidung dargelegten Auffassung, dass insofern auch nicht von einer „Doppelverzinsung" als unbillige Härte ausgegangen werden könne.

Darauf hat der Kläger erwidert, dass entgegen dem Vortrag des Beklagten seitens des Klägers nie vorgetragen worden sei, dass die Außenprüfung für die Frage des Erlasses zuständig sei. Es sei nur um eine positive Stellungnahme der Außenprüfung gegenüber der beim Beklagten für den Erlassantrag zuständigen Stelle gegangen. Hierzu wiederholt und vertieft der Kläger nochmals seinen Vortrag.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die vom Beklagten übersandten Verwaltungsvorgänge verwiesen.

Aus den Gründen

Die Klage ist unbegründet.

Die Bescheide des Beklagten vom 13.05.2013 und 22.07.2013 sowie die Einspruchsentscheidung vom 04.08.2014 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 S. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat ermessensfehlerfrei den Erlass der in den geänderten Umsatzsteuerbescheiden 2008, 2009 und 2010 vom 08.04.2013 und in dem geänderten Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 27.06.2013 gem. § 233a AO festgesetzten Zinsen abgelehnt, so dass der Klage weder hinsichtlich des Hauptantrags noch des Hilfsantrags stattzugeben ist.

Nach § 227 AO können die Finanzbehörden Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis ganz oder zum Teil erlassen, wenn deren Einziehung nach Lage des einzelnen Falles unbillig wäre. Zu den Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis gehören nach     § 37 Abs. 1 AO auch Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen, zu denen wiederum nach § 3 Abs. 4 AO auch Zinsen (§§ 233 bis 237 AO) zählen. Dem Erlass von Nachforderungszinsen nach § 233a AO steht nicht entgegen, dass diese Vorschrift im Gegensatz zu § 234 Abs. 2 AO für Stundungszinsen und § 237 Abs. 4 AO für Aussetzungszinsen keine ausdrückliche Ermächtigung zu Billigkeitsmaßnahmen enthält (BFH-Urteil vom 03.07.2014 III R 53/12, BFHE 246, 203, BStBl II 2017, 3; BFH-Beschluss vom 29.10.2014 X B 32/14, BFH/NV 2015, 336).

Die Entscheidung über den Erlass ist eine Ermessensentscheidung der Behörde (Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 19.10.1971 GmS-OGB 3/70, BFHE 105, 101, BStBl II 1972, 603) und unterliegt deshalb gemäß § 102 FGO lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Zu prüfen ist daher bei einer Erlassablehnung nur, ob die Finanzbehörde bei ihrer Entscheidung die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von ihrem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Im Einzelfall kann der Ermessensspielraum allerdings so eingeengt sein, dass nur eine Entscheidung ermessensgerecht ist (sog. Ermessensreduzierung auf Null).

Eine Unbilligkeit aus sachlichen Gründen ist nach ständiger BFH-Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis zwar nach dem gesetzlichen Tatbestand besteht, seine Geltendmachung aber mit dem Zweck des Gesetzes nicht (mehr) zu rechtfertigen ist und dessen Wertungen zuwiderläuft (vgl. BFH-Urteile vom 11.07.1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; vom 26.08.2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401; vom 01.06.2016 X R 66/14, BFH/NV 2016, 1668). Das setzt voraus, dass der Gesetzgeber eine andere Regelung getroffen hätte, wenn er die zu beurteilende Frage als regelungsbedürftig erkannt hätte (BFH-Urteil vom 21.10.2009 I R 112/08, BFH/NV 2010, 606). Umstände, die der Gesetzgeber bei der Ausgestaltung des gesetzlichen Tatbestands bewusst in Kauf genommen hat, können keinen Billigkeitserlass rechtfertigen. Die Billigkeitsprüfung darf die generelle Geltungsanordnung des den Steueranspruch begründenden Gesetzes nicht unterlaufen (BFH-Urteil vom 26.08.2010 III R 80/07, BFH/NV 2011, 401), sich andererseits auch nicht in Überlegungen zur richtigen Rechtsanwendung erschöpfen, da dann ein auf sachliche Billigkeitsgründe gestützter Erlass nach § 227 AO niemals möglich wäre (vgl. BFH-Urteil vom 11.07.1996 V R 18/95, BFHE 180, 524, BStBl II 1997, 259; BFH-Beschluss vom 29.10.2014 X B 32/14, BFH/NV 2015, 336). Diese Grundsätze gelten auch für den Erlass nach § 233a AO festgesetzter Zinsen (BFH-Urteile vom 08.10.2013 X R 3/10, BFH/NV 2014, 5; vom 03.07.2014 III R 53/12, BFHE 246, 203, BStBl II 2017, 3). Die Verzinsung nach § 233a Abs. 1 AO und die Karenzzeiten des § 233a Abs. 2 AO bezwecken einen typisierten Ausgleich für die Liquiditätsverschiebungen, die aus dem individuell sehr unterschiedlichen Verlauf des Besteuerungsverfahrens entstehen können.

Nach diesen Grundsätzen ist die vom Beklagten erfolgte Ablehnung des Erlasses der gem. § 233a AO gegenüber dem Kläger festgesetzten Zinsen rechtlich nicht zu beanstanden. Der Beklagte hat zutreffend einen sachlichen Billigkeitsgrund für den vom Kläger begehrten Erlass verneint – persönliche Billigkeitsgründe sind nicht vorgetragen worden und auch nicht ersichtlich – und den Erlass ermessensfehlerfrei abgelehnt.

Die den Nachzahlungszinsen zugrunde liegende Umsatzsteuer ist mit den unter dem 08.04.2013 für die Streitjahre 2008 bis 2010 und unter dem 27.06.2013 für das Streitjahr 2011 ergangenen und bestandskräftig gewordenen Umsatzsteuerbescheiden des Beklagten verbindlich festgesetzt worden. Ein Billigkeitserlass von Nachzahlungszinsen kann grundsätzlich nicht mit Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerfestsetzung erreicht werden (BFH-Beschluss vom 05.06.2003 V B 59/02, BFH/NV 2003, 1531).

Entgegen der Auffassung des Klägers ist die Entscheidung des Beklagten, die streitbefangenen Zinsen nicht zu erlassen, auch sehr wohl mit dem Zweck der einschlägigen Gesetze zu vereinbaren und läuft deren Wertungen nicht zuwider.

Die den streitbefangenen Zinsen zugrunde liegende Umsatzsteuer resultierte aus – zu Unrecht – der B statt den Mitgliedern des Klägers mit Umsatzsteuerausweis erteilten Rechnungen. Damit schuldete der Kläger die zu Unrecht ausgewiesene Umsatzsteuer nach § 14c UStG seit der Rechnungsausstellung (jedenfalls) bis zur erfolgten Berichtigung der Rechnungen, wenn nicht (sogar) bis zur erfolgten Rückzahlung der Vorsteuerbeträge durch die B (vgl. zum Stand der BFH-Rechtsprechung zu dieser Problematik: BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 43/14, Rn. 41, DStR 2017, 258).

Nach § 14c Abs. 1 UStG schuldet ein Unternehmer, wenn er in einer Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach diesem Gesetz für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen hat (unrichtiger Steuerausweis), den Mehrbetrag. Berichtigt er den Steuerbetrag gegenüber dem Leistungsempfänger, ist § 17 Abs. 1 UStG entsprechend anzuwenden.

Nach § 14c Abs. 2 UStG schuldet, wer in einer Rechnung einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er zum gesonderten Ausweis der Steuer nicht berechtigt ist (unberechtigter Steuerausweis), den ausgewiesenen Betrag. Das Gleiche gilt, wenn jemand wie ein leistender Unternehmer abrechnet und einen Steuerbetrag gesondert ausweist, obwohl er nicht Unternehmer ist oder eine Lieferung oder sonstige Leistung nicht ausführt. Der nach den Sätzen 1 und 2 geschuldete Steuerbetrag kann berichtigt werden, soweit die Gefährdung des Steueraufkommens beseitigt worden ist. Die Gefährdung des Steueraufkommens ist beseitigt, wenn ein Vorsteuerabzug beim Empfänger der Rechnung nicht durchgeführt oder die geltend gemachte Vorsteuer an die Finanzbehörde zurückgezahlt worden ist. Die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags ist beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 eingetreten sind.

Diese Vorschriften beruhen unionsrechtlich auf Art. 203 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL), wonach jede Person, die die Mehrwertsteuer in einer Rechnung ausweist, die Mehrwertsteuer schuldet (BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 43/14, DStR 2017, 258).

Einer Rechnungsberichtigung i.S. des § 14c UStG kommt keine Rückwirkung zu.

Wie sich aus der Verweisung in § 14c Abs. 1 Satz 2 UStG auf § 17 Abs. 1 UStG ergibt, wirkt die Rechnungsberichtigung erst für den Besteuerungszeitraum der Berichtigung ohne Rückwirkung auf den Besteuerungszeitraum der Rechnungserteilung. Jede andere Auslegung wäre mit dem Normzweck des § 14c UStG und des Art. 203 MwStSystRL, einer Gefährdung des Steueraufkommens durch einen unzutreffenden Steuerausweis in Rechnungen entgegenzuwirken (vgl. BFH-Urteil vom 25.09.2013 XI R 41/12, BFHE 243, 69, BStBl II 2014, 135), nicht zu vereinbaren (vgl. BFH-Urteile vom 26.01.2012 V R 18/08, BFHE 236, 250, BStBl II 2015, 962; vom 16.09.2015 XI R 47/13, BFH/NV 2016, 428; BFH-Beschluss vom 19.05.2015 V B 133/14, BFH/NV 2015, 1116 und BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 43/14, DStR 2017, 258). Dasselbe gilt hinsichtlich § 14c Abs. 2 UStG, da nach dessen Satz 5 die Berichtigung des geschuldeten Steuerbetrags beim Finanzamt gesondert schriftlich zu beantragen und nach dessen Zustimmung in entsprechender Anwendung des § 17 Abs. 1 UStG für den Besteuerungszeitraum vorzunehmen ist, in dem die Voraussetzungen des Satzes 4 des § 14c Abs. 2 UStG eingetreten sind.

Ohne Erfolg beruft sich der Kläger auf die von ihm zitierte EuGH-Rechtsprechung, nämlich die EuGH-Urteile vom 15.07.2010 – C-368/09 Pannon Gép, DStR 2010, 1475, und vom 08.05.2013 – C-271/12 Petroma Transports, MwStR 2013, 272. Diese Entscheidungen sind ebenso wie die EuGH-Urteile vom 15.09.2016 – C-518/14 Senatex, UR 2016, 800, und vom 15.09.2016 – C-516/14 Barlis 06 - Investimentos Imobiliarios e Turisticos, UR 2016, 795, zur Rechnungsberichtigung hinsichtlich des Vorsteuerabzugs ergangen und stehen der hier vorzunehmenden Beurteilung von Rechnungen im Sinne von § 14c UStG nicht entgegen (BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 43/14, DStR 2017, 258). Dasselbe gilt in Bezug auf das BFH-Urteil vom 20.10.2016 V R 26/15, UR 2017, 60, in dem der BFH unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden hat, dass die Berichtigung einer Rechnung nach § 31 Abs. 5 UStDV auf den Zeitpunkt zurückwirkt, in dem die Rechnung erstmals ausgestellt wurde, und dass die Berichtigung bis zum Schluss der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Finanzgericht vorgenommen werden kann. Auch diese BFH-Entscheidung ist in Bezug auf einen Vorsteuerabzug ergangen und mit der hier streitigen Problematik einer Rechnung nach § 14c UStG nicht gleichzusetzen. Eine unterschiedliche Handhabung einer Rechnung nach § 14c UStG einerseits und einer Rechnungsberichtigung in Bezug auf den Vorsteuerabzug ist wegen der unterschiedlichen Gesetzeszwecke geboten. Mit der Erteilung einer Rechnung im Sinne von § 14c UStG verwirklicht der Rechnungsaussteller einen Gefährdungstatbestand. Ab dem Zeitpunkt der Rechnungserstellung besteht die Gefahr, dass der Rechnungsempfänger – wie im Streitfall durch die B auch erfolgt – einen Vorsteueranspruch geltend macht und auch erhält. Deswegen haftet der Rechnungsaussteller, indem er die in der Rechnung ausgewiesene Umsatzsteuer schuldet. Die Haftung entfällt erst im dem Zeitpunkt, in dem die Gefahr vollständig beseitigt ist (BFH-Urteil vom 12.10.2016 XI R 43/14, DStR 2017, 258. Daher kann die Berichtigung einer Rechnung nach § 14c UStG nach Sinn und Zweck dieser Regelung insoweit keine Rückwirkung entfalten. Die Sachlage ist jedoch in Bezug auf einen Vorsteueranspruch, dem eine Lieferung oder sonstige Leistung und lediglich keine ordnungsgemäße Rechnung zugrunde liegt, anders. Hier wird ein nach Sinn und Zweck von Anfang an bestehender Anspruch durch eine berichtigte Rechnung auf eine korrekte Grundlage gestellt, so dass es in dem Fall vertretbar ist, der Rechnungsberichtigung Rückwirkung beizumessen.

Der Kläger kann den Erlass der gem. § 233a AO festgesetzten Zinsen auch nicht aus anderen Gründen verlangen und auch nicht mit Erfolg eine erneute Ermessensentscheidung des Beklagten erstreiten.

Dem Kläger ist keine verbindliche Zusage erteilt worden, dass die streitigen Zinsen nicht festgesetzt oder jedenfalls erlassen würden. In der Außenprüfung für die Streitjahre 2008 bis 2011 ist dem Kläger nach seinem Vortrag zwar erklärt worden, dass ihm aus der Rechnungsberichtigung kein Schaden, insbesondere nicht aus Nachzahlungszinsen entstehen solle, und dass dies gegenüber der zuständigen Veranlagungsstelle im Rahmen eines von ihm, dem Kläger, zu stellenden Erlassantrages befürwortet werden solle. Dem Kläger ist aber – auch nach seinem eigenen Vortrag – in dieser Außenprüfung auch eindeutig erklärt worden, dass ein Erlass von dem zuständigen Finanzamt, dem Beklagten, ausgesprochen werden müsse. Dem Vortrag des Klägers lässt sich ferner entnehmen, dass dem Kläger auch stets bewusst war, dass nur der Beklagte für den Erlass zuständig war und nur dieser folglich verbindlich einen Erlass aussprechen konnte. Der Kläger konnte daher auch aus der nach seinem Vortrag erfolgten Zusage in der Außenprüfung, einen internen Aktenvermerk zu fertigen, in dem angesichts der von der Außenprüfung verlangten Umstellung der Rechnungslegung und der Anwendung des § 14c Abs. 2 UStG eine positive Stellungnahme enthalten sein sollte, dass für ihn, den Kläger, keine Nachzahlungszinsen entstehen sollten, rechtlich für einen Erlass der Zinsen nichts herleiten.

Dass in den sogenannten Vorprüfungen die Rechnungserteilung des Klägers an die B nicht beanstandet worden ist, vermag der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Aufgrund der abschnittsweisen Besteuerung ist grundsätzlich jeder Besteuerungszeitraum für sich zu beurteilen. Aus einer Nichtbeanstandung der fehlerhaften Rechnungslegung in Vorprüfungen kann der Kläger folglich keinen Vertrauensschutz ableiten. Der Beklagte war wegen seiner Bindung an Recht und Gesetz im Zeitpunkt des Erkennens der fehlerhaften Rechnungslegung vielmehr gehalten, die rechtlich gebotenen Konsequenzen einschließlich der Zinsfestsetzung – wie geschehen – daraus zu ziehen. Ein Erlassgrund besteht aufgrund des Nichtaufgreifens der fehlerhaften Rechnungslegung in den Vorprüfungen nicht.

Es liegt auch kein Ermessensfehler vor, weder in Form eines Ermessensnichtgebrauchs noch in Form eines Ermessensfehlgebrauchs oder einer Ermessensüberschreitung.

Der Beklagte hat ausweislich der Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden erkannt, dass es sich bei § 227 AO um eine Ermessensnorm handelt und er hat dieses Ermessen fehlerfrei ausgeübt.

Angesichts der fehlenden sachlichen Unbilligkeit der streitigen Zinsfestsetzung nach § 233a AO bestand kein Anlass, die auch dem Sinn und Zweck des § 14c UStG entsprechende Zinsfestsetzung durch Erlass zu beheben. Die Zinsfestsetzung war nicht unverhältnismäßig und verstieß entgegen der Ansicht des Klägers und der von Stadie in: Rau/Dürrwächter, Kommentar, UStG, § 14c UStG, Anm. 227, 228, vertretenen Auffassung insbesondere nicht gegen das Übermaßverbot. Im Gegenteil ist aufgrund der Regelungen in § 14c UStG und insbesondere wegen der darin enthaltenen Verweisungen auf § 17 UStG und dem bereits dargestellten Sinn und Zweck des § 14c UStG und des § 233a AO in Fällen wie dem Streitfall kein Raum für den vom Kläger begehrten Erlass der streitbefangenen Zinsen.

Der Beklagte war im Rahmen der Bescheidung der Erlassanträge des Klägers auch nicht gehalten, weitere Sachverhaltsermittlungen durchzuführen und darauf bezogene weitere Ermessenserwägungen anzustellen. Das gilt insbesondere in Bezug auf Äußerungen in den Außenprüfungen und speziell im Hinblick auf die gemachte Zusage eines positiven Aktenvermerks zu den vom Kläger beabsichtigten Erlassanträgen. Sowohl die Äußerungen als auch die Zusage eines Aktenvermerks waren für die Erlassentscheidung nämlich unerheblich, weil nicht nur seitens der Außenprüfung dem Kläger gegenüber unmissverständlich geäußert worden ist, dass nicht die Außenprüfung, sondern der Beklagte für den Erlass zuständig war und darüber zu entscheiden hatte, sondern weil dies auch dem Kläger – auch nach seinem eigenen Vortrag –  stets vollkommen klar war. Aus denselben Gründen bestand auch für den erkennenden Senat kein Anlass zu weiterer Sachaufklärung.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO liegen nicht vor.

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