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Steuerrecht
10.01.2019
Steuerrecht
FG Münster: Enteignung ist keine Veräußerung

FG Münster, Urteil vom 28.11.20181 K 71/16 E

ECLI:DE:FGMS:2018:1128.1K71.16E.00

Volltext BB-Online BBL2019-86-5

Sachverhalt

Die Beteiligten streiten in materiell-rechtlicher Hinsicht über die Frage, ob die durch einen Sonderungsbescheid angeordnete Übertragung des Eigentums an einem Grundstück auf eine öffentlich-rechtliche Körperschaft (Stadt) ein privates Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) darstellt und demzufolge in den Jahren 2009 und 2012 (Streitjahre) ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn nach § 22 Nr. 2 EStG anzusetzen ist. Ferner ist in verfahrensrechtlicher Hinsicht streitig, ob der Beklagte die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2009 ändern durfte.

Die Kläger sind Eheleute und werden in den Streitjahren mit Einkünften aus Gewerbebetrieb (Ehemann), Einkünften aus Kapitalvermögen (Ehemann und Ehefrau), Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Ehemann und Ehefrau) und sonstigen Einkünften (Ehemann und Ehefrau) zusammen zu Einkommensteuer veranlagt.

Der Kläger ist beruflich als selbständiger Anlageberater tätig. Die aus dieser Tätigkeit resultierenden Einkünfte sind im vorliegenden Verfahren nicht streitbefangen. Anfang der 1990er Jahre erwarben er und ein Herr Dr. U. jeweils einen hälftigen Miteigentumsanteil an dem unbebauten Grundstück O in M-Stadt, eingetragen im Grundbuch des Amtsgerichts M-Stadt (nachfolgend „Grundstück“). Das Grundstück sollte ursprünglich mit einem Bürogebäude bebaut und sodann vermietet werden. Dieses Vorhaben ließ sich allerdings nicht realisieren. Im Jahr 2005 geriet Herr Dr. U. in finanzielle Schwierigkeiten, woraufhin die finanzierende Bank das Grundstück zwangsversteigern ließ. Am 20.06.2005 erhielt der Kläger den Zuschlag für das Grundstück für ein Gebot in Höhe von 50.000 EUR und war fortan Alleineigentümer. Das Grundstück blieb weiterhin unbebaut.

Im Jahr 2008 führte die Stadt M-Stadt ein Bodensonderungsverfahren durch und erließ am 11.09.2008 in Bezug auf das Grundstück einen Sonderungsbescheid gegenüber dem Kläger. Als Entschädigung für den Übergang des Eigentums an dem Grundstück setzte die Stadt M-Stadt eine Entschädigung in Höhe von 470.000 EUR zu Gunsten des Klägers fest, die Anfang des Jahres 2010 auf ein Bankkonto des Klägers überwiesen wurde. Gegen den Sonderungsbescheid legte der Kläger Widerspruch ein. In dem sich anschließenden Klageverfahren einigten sich der Kläger und die Stadt M-Stadt auf eine Erhöhung der Entschädigungssumme um 130.000 EUR auf 600.000 EUR. Der Erhöhungsbetrag wurde in zwei Raten an den Kläger ausgezahlt. Im Jahr 2012 erhielt er einen Teilbetrag in Höhe von 87.000 EUR; der Restbetrag in Höhe von 43.000 EUR wurde im nicht streitbefangenen Jahr 2014 ausgezahlt.

In ihrer am 30.12.2010 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2009 gaben die Kläger bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung (Anlage V) hinsichtlich des Grundstücks einen Werbungskostenüberschuss (Verlust) in Höhe von 18.887 EUR an. Das Grundstück war (auch) zu diesem Zeitpunkt weder bebaut noch vermietet. Der Beklagte bat deshalb mit Schreiben vom 01.02.2011 um Mitteilung, wann bei dem Grundstück mit der Erzielung von Mieteinnahmen gerechnet werden könne, woraufhin der Kläger – vertreten durch seinen damaligen Verfahrensbevollmächtigten – mit Schreiben vom 10.02.2011 ausführte, dass das Grundstück im Jahr 2010 von der Stadt M-Stadt enteignet worden sei und dagegen zur Zeit prozessiert werde.

Mit Bescheid vom 04.04.2011 setzte der Beklagte die Einkommensteuer 2009 aufgrund eines Verlustvortrags auf 0 EUR fest und legte dabei den von den Klägern hinsichtlich des Grundstücks angegebenen Werbungskostenüberschuss zugrunde. Die Steuerfestsetzung erfolgte nach § 165 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Abgabenordnung (AO) vorläufig. In den Erläuterungen des Bescheides wies der Beklagte darauf hin, dass sich die Vorläufigkeit bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auf das Objekt Grundstück O in M-Stadt beziehe, weil hier die zukünftige Einnahmeerzielungsabsicht noch nicht ersichtlich sei. Ferner wurde darum gebeten, im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2010 die entsprechenden Unterlagen (Gerichtsunterlagen, etc.) vorzulegen und den Sachstand zu erläutern.

Gegen den vorstehend genannten Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 21.04.2011 wegen hier nicht streitbefangener Punkte Einspruch ein. Der Beklagte berücksichtigte die Einwendungen und erließ daraufhin am 29.07.2011 unter Aufrechterhaltung des Vorläufigkeitsvermerks einen Änderungsbescheid, gegen den die Kläger mit Schreiben vom 30.08.2011 einen weiteren Einspruch einlegten. Zur Begründung führten sie an, dass ein zusätzlicher Verlust nach § 17 EStG anzusetzen sei. Am 12.12.2012 erließ der Beklagte einen weiteren, mit derselben Vorläufigkeit versehenen Änderungsbescheid. In den Erläuterungen des Bescheides wird darauf hingewiesen, dass sich hierdurch der Einspruch vom 30.08.2011 nicht erledige.

Noch während des Einspruchsverfahrens gegen die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2009 ordnete der Beklagte mit Prüfungsanordnung vom 25.03.2013 eine Betriebsprüfung für Einkommen-, Gewerbe- und Umsatzsteuerzwecke für die Jahre 2009 bis 2011 an. In dem Betriebsprüfungsbericht vom 28.08.2013 stellte die Betriebsprüfung fest, dass die Enteignung des Grundstücks durch die Stadt M-Stadt ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle und der – zwischen den Beteiligten der Höhe nach nicht streitige – Veräußerungsgewinn 175.244,97 EUR betrage. Der Veräußerungsgewinn sei im Jahr 2010 zu erfassen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Betriebsprüfungsbericht vom 28.08.2013 (dort Ziffer 2.11) verwiesen.

Mit geändertem Einkommensteuerbescheid vom 23.12.2013 setzte der Beklagte die Feststellungen der Betriebsprüfung für das Jahr 2009 um. Der Vorläufigkeitsvermerk wurde aufrechterhalten. In den Erläuterungen des Bescheides wies der Beklagte darauf hin, dass sich der Einspruch des Klägers vom 30.08.2011 hierdurch nicht erledige, sondern das Einspruchsverfahren fortgesetzt werde. Mit Einspruchsentscheidung vom 07.01.2014 wies der Beklagte den Einspruch vom 30.08.2011 sodann als unbegründet zurück und führte aus, dass der Bescheid weiterhin vorläufig gemäß § 165 AO bezüglich der im angefochtenen Bescheid angeführten Punkte ergehe.

Die Feststellungen der Betriebsprüfung für das Jahr 2010 setzte der Beklagte mit geändertem Einkommensbescheid vom 12.12.2013 um und legte dabei den vorstehend genannten Veräußerungsgewinn in Höhe von 175.244 EUR der Besteuerung zugrunde. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 10.01.2014 (Eingang beim Beklagten am selben Tag) Einspruch ein und führten zur Begründung an, dass eine Enteignung nicht die Voraussetzungen eines steuerpflichtigen Veräußerungsgeschäfts erfülle. Eine Veräußerung i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG erfordere die entgeltliche und vor allem willentliche Übertragung des Eigentums an einem Grundstück. Die Grundstücksübertragung müsse daher von einem rechtsgeschäftlichen Willen getragen sein. Dieses Merkmal sei bei einer Enteignung gerade nicht gegeben. Eine Enteignung stelle vielmehr das Gegenteil einer Veräußerung dar; sie – die Enteignung – beruhe auf einem hoheitlichen Akt und werde gegen den Willen des Eigentümers durchgeführt. Der Grundstückseigentümer verliere aufgrund einer staatlichen Zwangsmaßnahme gegen seinen Willen das Eigentum an dem betreffenden Grundstück.

Ferner machten die Kläger geltend, dass der angefochtene Bescheid bereits deshalb aufzuheben sei, weil die für das Grundstück (zunächst) festgesetzte Entschädigung in Höhe von 470.000 EUR dem Kläger nicht erst im Jahr 2010, sondern bereits im Jahr 2009 zugeflossen sei. Hierzu schilderte der Kläger erstmals den folgenden zwischen den Beteiligten unstreitigen Sachverhalt: Mit Schreiben vom 24.11.2008 wies die Stadt M-Stadt den Kläger daraufhin, dass der Sonderungsbescheid vom 11.09.2008 aufgrund des Widerspruchs nicht bestandskräftig geworden sei. Es sei allerdings beabsichtigt, die in dem Sonderungsbescheid enthaltene Entschädigung in Höhe von 470.000 EUR vor einer bestandskräftigen Entscheidung über den Widerspruch als Vorab-Zahlung an den Kläger zu überweisen. Die Stadt M-Stadt bat den Kläger diesbezüglich um die Mitteilung einer Kontoverbindung. Da der Kläger auf dieses Schreiben nicht reagierte, hinterlegte die Stadt die Entschädigungssumme wegen Annahmeverweigerung beim Amtsgericht M-Stadt und verzichtete auf das Recht der Rücknahme. Mit Schreiben vom 17.12.2008 informierte die Stadt den Kläger über die Hinterlegung und wies darauf hin, dass der Gelbetrag unter der Hinterlegungsnummer xxx ab ca. 20.01.2009 zur sofortigen Verfügung stünde.

Ausgehend hiervon, liege der Zufluss der Entschädigungszahlung bereits im Jahr 2009 und nicht im Jahr 2010 (dem Jahr der Überweisung des Betrages auf das Bankkonto des Klägers), da die Stadt M-Stadt den Leistungserfolg mit der Hinterlegung herbeigeführt habe und er – der Kläger – ab dem 20.01.2009 über den Betrag habe verfügen können.

Die Schreiben der Stadt M-Stadt sowie eine Abschrift des Hinterlegungsantrags fügten die Kläger ihrem Einspruchsschreiben bei.

Der Beklagte schloss sich letztendlich den Rechtsausführungen der Kläger zum Zeitpunkt des Zuflusses der Entschädigung an und erließ am 17.06.2015 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2010, in dem der Veräußerungsgewinn nicht mehr angesetzt wurde.

Mit Bescheid vom 17.06.2015 änderte der Beklagte ebenfalls die Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2009 dahingehend, als dass der streitgegenständliche Veräußerungsgewinn in Höhe von 175.244 EUR nunmehr diesem Jahr zugeordnet wurde. Als Änderungsnorm gab der Beklagte die Vorschrift des § 174 AO an. Der bis dato in den Einkommensteuerbescheiden 2009 enthaltene Vorläufigkeitsvermerk wurde aufrechterhalten.

Gegen den geänderten Einkommensteuerbescheid 2009 vom 17.06.2015 legten die Kläger vertreten durch ihren derzeitigen Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 13.07.2015 (Eingang beim Beklagten am 15.07.2015) Einspruch ein und begründete diesen damit, dass die Voraussetzungen eines Änderungstatbestandes des § 174 AO nicht erfüllt seien und der angefochtene Einkommensteuerbescheid unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt hätte geändert werden dürfen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 24.07.2015 verwiesen.

Mit Einspruchsentscheidung vom 16.12.2015 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger vom 13.07.2015 als unbegründet zurück und führte zudem aus, dass der Bescheid weiterhin vorläufig gemäß § 165 AO bezüglich der im angefochtenen Bescheid aufgeführten Punkte ergehe.

Die Versteuerung des Spekulationsgewinns sei rechtmäßig. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid habe auch nach § 174 Abs. 3 AO geändert werden können. Im Streitfall sei ein bestimmter Sachverhalt – die Enteignung – in einem Steuerbescheid – hier der Einkommensteuerbescheid 2009 – erkennbar in der Annahme nicht berücksichtigt worden, dass er in einem anderen Steuerbescheid – hier in dem Einkommensteuerbescheid 2010 – zu berücksichtigen sei. Diese Annahme habe sich im Einspruchsverfahren gegen den Einkommensteuerbescheid 2010 als unrichtig herausgestellt. Somit könne die Steuerfestsetzung, bei der die Berücksichtigung des Sachverhalts unterblieben sei – hier die Einkommensteuerfestsetzung 2009 – insoweit nachgeholt werden. Möglich sei jedoch in jedem Fall eine Änderung des Bescheides gemäß § 174 Abs. 4 AO. Dieser Absatz beschreibe genau den vorliegenden Sachverhalt. Da der streitgegenständliche Bescheid lediglich gemäß § 174 AO geändert worden sei, müsse sich das Finanzamt nicht auf einen bestimmten Absatz festlegen. Selbst eine falsche Berichtigungsvorschrift ließe sich nachträglich richtigstellen. Hinzukomme, dass der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2009 vorläufig ergangen sei in Bezug auf das Objekt Grundstück O in M-Stadt. Diese Vorläufigkeit ließe die Möglichkeit offen, den Bescheid gemäß § 165 AO zu ändern.

Zwischenzeitlich hatte der Beklagte die Veranlagung für das Jahr 2012 durchgeführt. Mit Einkommensteuerbescheid vom 06.01.2015 legte er im Hinblick auf die weitere Entschädigungszahlung der Stadt M-Stadt einen – der Höhe nach unstreitigen – Veräußerungsgewinn nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 43.500 EUR (1/2 von 87.000 EUR) der Besteuerung zugrunde. Gegen diesen Bescheid legten die Kläger mit Schreiben vom 14.01.2015 (Eingang beim Beklagten am 15.01.2015) Einspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass es sich bei dem angesetzten Veräußerungsgewinn um eine nachträglich gezahlte weitere Entschädigung für die Enteignung des Grundstücks in M-Stadt handele. Eine Enteignung sei – wie bereits im Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide 2009 und 2010 ausgeführt – kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft.

Mit Einspruchsentscheidung vom 26.04.2016 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 als unbegründet zurück. Entgegen der Auffassung der Kläger sei die Versteuerung des Spekulationsgewinns zu Recht erfolgt. Ein unter Zwang erfolgtes Veräußerungsgeschäft sei nach der Rechtsprechung des BFH – in Bezug genommen wird insofern das BFH-Urteil vom 16.01.1973 VIII R 96/70 – nur dann nicht steuerpflichtig, wenn der Steuerpflichtige unmittelbar im Anschluss eine Ersatzbeschaffung tätige. Dies sei vorliegend nach Aktenlage nicht geschehen.

Die Kläger haben am 11.01.2016 Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 16.12.2015 und den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 17.06.2015 und am 20.05.2016 Klage gegen die Einspruchsentscheidung vom 26.04.2016 und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 06.01.2015 erhoben. Mit Beschluss vom 09.06.2016 hat der Senat auf Antrag der Kläger beide Verfahren unter dem Aktzeichen 1 K 71/16 E verbunden.

Die Kläger halten in materiell-rechtlicher Hinsicht weiterhin an ihrer Rechtsauffassung fest, dass eine Enteignung kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG darstelle. Zur Begründung wiederholen und vertiefen sie ihre diesbezüglichen Ausführungen aus dem Einspruchsverfahren. Darüber hinaus sind sie der Auffassung, dass der Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, den nach der Betriebsprüfung erlassenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 12.12.2013 mit dem angefochtenen Änderungsbescheid vom 17.06.2015 zu ändern. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz des Prozessbevollmächtigten vom 09.03.2016 verwiesen.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 vom 17.06.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 16.12.2015 sowie den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2012 vom 06.01.2015 und die Einspruchsentscheidung vom 26.04.2016 dahingehend zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen um 175.244 EUR (2009) bzw. 43.500 EUR (2012) reduziert und die Einkommensteuer 2009 und 2012 entsprechend herabgesetzt wird,

hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

                            die Klage abzuweisen,

                            hilfsweise die Revision zuzulassen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen im Rahmen des Einspruchsverfahrens.

Der Senat hat am 28.11.2018 mündlich verhandelt. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Aus den Gründen

34        Die Klage ist begründet.

35        I. Die Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre vom 16.12.2015 (2009) und 06.01.2015 (2012) sowie die Einspruchsentscheidungen vom 16.12.2015 und 26.04.2016 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung – FGO). Der Beklagte hat die in dem Sonderungsbescheid vom 11.09.2008 angeordnete hoheitliche Übertragung des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück auf die Stadt M-Stadt (Enteignung) zu Unrecht als Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeordnet. Die dem Kläger in den Streitjahren für die Enteignung zugeflossenen Entschädigungszahlungen sind demzufolge nicht gemäß § 22 Nr. 2 EStG steuerbar. Die streitgegenständlichen Bescheide sind daher antragsgemäß zu ändern, d. h. das zu versteuernde Einkommen der Kläger ist um 175.244 EUR (2009) bzw. 43.500 EUR (2012) zu reduzieren.

36        Da die angefochtenen Bescheide bereits aus materiell-rechtlichen Gründen zu ändern sind, kommt es vorliegend nicht darauf an, ob der Beklagte den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2009 in verfahrensrechtlicher Hinsicht überhaupt ändern durfte.

37        1. Gemäß § 22 Nr. 2 EStG gehören zu den der Einkommensteuer unterliegenden sonstigen Einkünften auch Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i. S. des § 23 EStG. Private Veräußerungsgeschäfte i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG sind Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten nicht mehr als zehn Jahre beträgt.

38        Unter Anschaffung oder Veräußerung i. S. des § 23 EStG ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) die entgeltliche Übertragung eines Wirtschaftsguts auf einen anderen Rechtsträger zu verstehen (BFH-Urteil vom 27.06.2006 IX R 47/04, BFHE 214, 267, BStBl. II 2007, 162 m. w. N.). Ob die Veräußerung eines Wirtschaftsguts (Grundstücks) darüber hinaus erfordert, dass der Eigentumsübergang auf dem Willen des Veräußernden beruht und daher bei einer Enteignung ausscheidet, da der Eigentumswechsel durch Hoheitsakt bewirkt wird, ist bislang – soweit ersichtlich – weder höchstrichterlich noch erstinstanzlich entschieden worden und in der Literatur umstritten (vgl. zum Meinungsstand: verneinend Schmidt/Weber-Grellet EStG § 23 Rz. 55; Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz. 146; wohl auch Kube in: Kirchhof, Einkommensteuergesetz, 17. Aufl. 2018, § 23 EStG Rz. 14; bejahend Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 73, Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz § 23 B 202).

39        2. Der Senat ist der Auffassung, dass ein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG voraussetzt, dass die Eigentumsübertragung auf eine wirtschaftliche Betätigung des Veräußernden zurückzuführen ist und dass hierzu regelmäßig ein auf die Veräußerung gerichteter rechtsgeschäftlicher Wille des Veräußernden vorhanden sein muss.

40        a) Für diese Auslegung des Besteuerungstatbestandes spricht zunächst der in § 23 EStG verwendete Begriff des privaten Veräußerungsgeschäfts. Zwar ist der Begriff der Veräußerung nicht (ausschließlich) zivilrechtlich, sondern im Zweifel wirtschaftlich zu verstehen. Gleichwohl deutet der Zusatz „Geschäft“ darauf hin, dass einseitig durch den Erwerber herbeigeführte Eigentumsübertragungen nicht von § 23 EStG erfasst werden sollen. In diesem Sinne hat der BFH zwar andere marktoffenbare Vorgänge wie beispielsweise den Tausch eines Fremdwährungsguthabens oder das Glattstellungsgeschäft eines Optionsberechtigten als Veräußerung i.S. von § 23 Abs. 1 EStG beurteilt (vgl. BFH-Urteil vom 27.06.2006 IX R 47/04, BFHE 214, 267, BStBl. II 2007, 162 m. w. N.). Hätte der Gesetzgeber allerdings auch den durch einen einseitigen Hoheitsakt (Verwaltungsakt) herbeigeführten Eigentumswechsel besteuern wollen, hätte es im Rahmen der grundlegenden Umgestaltung des § 23 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999 ff. vom 22.12.1999 (BGBl. I 1999,2601) wohl nahegelegen, den bis dato verwendeten Begriff des Spekulationsgeschäfts durch den Begriff „private Veräußerungen“ zu ersetzen anstatt den nunmehr geltenden Begriff „private Veräußerungsgeschäfte“ zu verwenden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber die Enteignungsproblematik spätestens seit der Entscheidung des BFH vom 29.06.1962 VI 82/61 U, BFHE 75, 330, BStBl. III 1962, 387, in der die vorliegend streitentscheidende Frage ausdrücklich offengelassen worden ist, bekannt war.

41        Die vom Senat vertretene eher enge Auslegung des Veräußerungsbegriffs im Rahmen des § 23 EStG ist auch deshalb angezeigt, weil nach der Konzeption des EStG Wertveränderung von Wirtschaftsgütern des Privatvermögens – im Unterschied zu Wertzuwächsen bei Wirtschaftsgütern eines Betriebsvermögens – grundsätzlich nicht der Besteuerung unterliegen (sog. Dualismus der Einkünfte). Zwar hat der Gesetzgeber zuletzt mit dem Unternehmenssteuerreformgesetz vom 14.08.2007 (BGBl. I 2007, 1912) die Besteuerung von Wertzuwächsen im Privatvermögen erheblich ausgedehnt, indem Wertpapiergeschäfte einheitlich in den Anwendungsbereich von § 20 EStG fallen. Gleichwohl folgt hieraus nicht die Umkehrung des Grundsatzes in eine Ausnahme. Vielmehr bleibt es insbesondere bei Grundstücken und sonstigen Wirtschaftsgütern des Privatvermögens dabei, dass (realisierte) Wertveränderungen des Privatvermögens nur dann steuerpflichtig sind, wenn ein Steuertatbestand dies (ausnahmsweise) bestimmt. Im Rahmen der Auslegung des § 23 EStG ist diesem Regel-Ausnahme-Verhältnis und der gesetzgeberischen Grundentscheidung für einen Einkünftedualismus (Gewinn- und Überschusseinkünfte) Rechnung zu tragen.

42        b) Das Erfordernis einer wirtschaftlichen Betätigung des Veräußernden lässt sich nach Auffassung des Senats ferner aus der Rechtsprechung des BFH zum Begriff der Anschaffung i. S. des § 23 EStG ableiten. Ein Anschaffungsvorgang liegt hiernach nicht vor, wenn kraft Hoheitsakt Grundbesitz entzogen und Ersatzland zugewiesen wird (BFH-Urteil vom 29.03.1995 X R 3/92, BFHE 177, 418). Vielmehr verlangt ein Anschaffungsgeschäft, dass die Erwerbshandlung des Steuerpflichtigen wesentlich von seinem Willen abhängt (BFH-Urteil vom 19.04.1977 VIII R 23/75, BFHE 122, 453, BStBl. II 1977, 712, bestätigt durch BFH-Urteil vom 13.04.2010 IX R 36/09, BFHE 229, 193, BStBl. II 2010, 792). Eine Steuerverstrickung des in § 23 EStG genannten Wirtschaftsguts des Privatvermögens besteht nur, wenn der gesetzlich bestimmte Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung des Wirtschaftsguts nicht überschritten wurde. Bei der Ermittlung des maßgebenden Zeitraums zwischen Anschaffung und Veräußerung ist es sachgerecht, wenn die Tatbestandsmerkmale der „Anschaffung“ und „Veräußerung“ i. S. v. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG im Wesentlichen nach den gleichen Grundsätzen bestimmt werden (so auch Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 288. Lieferung 10.2018, § 23 EStG, Rn. 90). Für den Zeitpunkt der Anschaffung wie der Veräußerung ist grundsätzlich der Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags maßgebend.

43        Dies hat z. B. bei der Zuteilung eines Grundstücks im Umlegungsverfahren zur Konsequenz, dass bei einer späteren Veräußerung des zugeteilten Grundstücks bei der Fristberechnung nicht auf den Zeitpunkt der Zuteilung des Grundstücks, sondern auf den Zeitpunkt der Anschaffung des in das Umlageverfahren eingebrachten Grundstücks abgestellt wird.

44        Der Senat vermag keinen überzeugenden Grund zu erkennen, warum beim Ausscheiden des Wirtschaftsguts aus dem (Privat-)Vermögen des Steuerpflichtigen ein anderer Wertungsmaßstab gelten sollte, wenn das den Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG in diesem Fall unmittelbar auslösende Moment – dort das Umlegungsverfahren und hier die Enteignung – außerhalb des Einflussbereichs des Steuerpflichtigen liegt. Zwar erhöht sich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen in gleicher Weise unabhängig davon, ob ihm der Wertzuwachs eines Wirtschaftsguts aufgrund einer rechtsgeschäftlichen Veräußerung in Form eines Kaufpreises oder aufgrund einer Enteignung in Form einer Entschädigung zufließt; die Erhöhung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit allein vermag den Tatbestand einer Veräußerung jedoch nicht zu begründen (vgl. Wernsmann in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, 292. AL 10/2018, g) Sonstige Einkünfte (§ 2 Absatz 1 Satz1 Nummer 7) zum vergleichbaren Fall der Einziehung einer Forderung).

45        Der Senat ist vor diesem Hintergrund der Auffassung, dass nicht nur das Anschaffungs- sondern auch das Veräußerungsgeschäft im Rahmen des § 23 EStG auf eine wirtschaftliche Betätigung des Steuerpflichtigen zurückzuführen sein muss.

46        Dem steht auch die Rechtsprechung des BFH zum Veräußerungsbegriff i. S. des § 17 EStG nicht entgegen. Bei der Veräußerung von Anteilen i. S. des § 17 Abs. 1 EStG geht der BFH davon aus, dass es unerheblich ist, ob die Übertragung freiwillig oder unfreiwillig erfolgt und ob ihr ein Rechtsgeschäft oder z. B. ein hoheitlicher Eingriff zugrunde liegt (BFH-Urteil vom 21.10.1999 I R 43/98, BFHE 190, 377, BStBl. II 2000, 424). Diese Rechtsprechung kann auf § 23 EStG nicht angewendet werden, weil der Veräußerungsbegriff nach § 17 EStG ein Begriff eigener Art und damit ein anderer ist als bei § 23 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 30.06.1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl. II 1983, 640 m. w. N.).

47        c) Anders als der Beklagte meint, ergibt sich aus der Rechtsprechung des BFH zu den subjektiven Voraussetzungen des § 23 EStG kein anderes Auslegungsergebnis. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH sind zwar die Beweggründe bzw. Motive für eine Veräußerung (Spekulation, Notlage, drohende Enteignung und ähnliche Zwangslagen) grundsätzlich unbeachtlich (siehe BFH-Urteil vom 16.01.1973 VIII R 96/70, BFHE 108, 502, BStBl. II 1973, 445 m. w. N.), d. h. Gewinne aus der Veräußerung eines steuerverstrickten Wirtschaftsguts unterliegen auch dann der Besteuerung nach § 23 EStG, wenn der Steuerpflichtige seinen Veräußerungsentschluss nicht frei von Zwängen gefasst hat. Eine Ausnahme macht der BFH nur für den Fall, dass der Steuerpflichtige unter dem Zwang einer bevorstehenden Enteignung ein Wirtschaftsgut veräußert und den Veräußerungserlös zur Anschaffung eines Ersatzwirtschaftsguts verwendet, wobei die Veräußerung und die Anschaffung des Ersatzwirtschaftsguts das Bild einer Einheit im Wesen einer der freien Entschließung des Steuerpflichtigen entzogenen Auswechselung von Wirtschaftsgütern ergeben müssen (BFH-Urteil vom 16.01.1973 VIII R 96/70, a. a. o., bestätigt durch BFH-Urteil vom 07.12.1976 VIII R 134/71, BFHE 120, 531, BStBl. II 1977, 209).

48        Die zitierte Rechtsprechung bezieht sich allerdings auf Fälle, bei denen der Übergang des Eigentums an einem Grundstück auf eine wirtschaftliche Betätigung des Steuerpflichtigen, mithin auf dessen (rechtsgeschäftlichen) Willen zurückzuführen ist, dieser Wille aber aufgrund einer Zwangslage nicht (fehler-)frei oder nicht zu einem vom Steuerpflichtigen frei gewählten Zeitpunkt gebildet wurde. Der Enteignungsfall unterscheidet sich hiervon, da der Eigentumsübergang – unabhängig von dem Willen des Steuerpflichtigen – ausschließlich und unmittelbar auf einem Hoheitsakt beruht. Es liegt hier keine durch eine Zwangslage des Steuerpflichtigen ausgelöste Veräußerung vor, deren Motive ggf. zu hinterfragen sind, sondern ein einseitig durch staatliches Handeln herbeigeführter Eigentumswechsel, der allenfalls durch Rechtsbehelfe angefochten werden kann.

49        d) Das Erfordernis einer wirtschaftlichen Betätigung des Steuerpflichtigen kann nach Auffassung des Senats nicht mit einem Verweis auf die sich hieraus ergebende unterschiedliche Behandlung von Wirtschaftsgütern des Privat- und Betriebsvermögens verneint werden (so aber wohl Blümich/Ratschow, § 23 EStG Rz. 146). Zwar hängt das gewinnrealisierende Ausscheiden eines Wirtschaftsguts aus einem Betriebsvermögen nicht von einem entsprechenden Handlungswillen des Steuerpflichtigen ab (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 10.06.1992 I R 9/91, BFHE 169, 31, BStBl. II 1993, 41), so dass Enteignungsentschädigungen regelmäßig als betriebliche Einnahmen steuerlich zu erfassen sind. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass es bei privaten Veräußerungsgeschäften – im Unterschied zu den Gewinneinkunftsarten – nicht allein auf die Gewinnverwirklichung, sondern auch darauf ankommt, dass das betreffende Wirtschaftsgut mit dem Willen des Steuerpflichtigen übertragen wird. Hinge die Besteuerung nach § 23 Abs. 1 EStG ausschließlich von der Gewinnverwirklichung ab, hätte der Gesetzgeber – wie bei den übrigen Einkünften – folgerichtig auch den Verlustausgleich und Verlustabzug mit anderen Einkünften als solchen i. S. des § 23 EStG zulassen müssen (vgl. Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, § 23 EStG Anm. 73). Die in § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG genannten Vermögensgegenstände sind daher nicht bis zum Ablauf der „Haltefristen“ des § 23 EStG (10 Jahre bzw. 1 Jahr) steuerverstrickt, ohne dass es auf das Vorliegen einer Veräußerung ankäme.

50        3. Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt der durch den Sonderungsbescheid der Stadt M-Stadt vom 11.09.2008 herbeigeführte Übergang des Eigentums an dem Grundstück kein steuerpflichtiges Veräußerungsgeschäft i. S. des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG dar. Der Kläger als vormaliger Eigentümer des Grundstücks hat in Bezug auf den Eigentumswechsel keine wirtschaftliche Betätigung entfaltet. Der Eigentumswechsel hat sich gegen bzw. ohne seinen Willen ereignet. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass er sich mit seinem Widerspruch möglicherweise nicht gegen den in Ziffer 4 angeordneten Eigentumsverlust, sondern ausschließlich gegen die Höhe der Entschädigungszahlung gewendet hat und der Bescheid hinsichtlich des Eigentumsverlustes nach Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig geworden ist. Indem der Kläger davon abgesehen hat, (außer-)gerichtlichen Rechtsschutz gegen den Rechtsverlust in Anspruch zu nehmen, hat er den Eigentumsübergang jedenfalls nicht willentlich herbeigeführt, sondern lediglich nicht verhindert.

51        4. Der Senat weist abschließend darauf hin, dass unbeschadet der Frage, ob eine Veräußerung i. S. des § 23 EStG eine wirtschaftliche Betätigung des Veräußernden erfordert, ein steuerpflichtiger Veräußerungsgewinn vorliegend auch deshalb ausscheiden könnte, weil dem Kläger in Bezug auf den durch die Enteignung (bzw. durch die Entschädigungszahlung) realisierten Wertzuwachs die Einkünfteerzielungsabsicht fehlte.

52        Nach der Rechtsprechung des BFH ist die Einkünfteerzielungsabsicht – wie bei allen anderen Einkunftsarten – auch bei § 23 EStG Voraussetzung für die Verwirklichung des Steuertatbestands. Allerdings wird sie im Rahmen des § 23 EStG durch die (Nichteinhaltung) der Haltefristen in typisierender Weise objektiviert, was ausdrückliche Feststellungen hierzu i. d. R. entbehrlich macht (siehe hierzu BFH-Urteil vom 20.08.2013 IX R 38/11, BFHE 242, 386, BStBl. II 2013, 1021, BFH-Urteil vom 25.08.2009 IX R 60/07, BFHE 226, 252, BStBl. II 2009, 999). Im Falle der Enteignung beruht die Nichteinhaltung der Haltefristen jedoch nicht auf einem Entschluss des Steuerpflichtigen. Vielmehr wird dem Steuerpflichtigen durch eine staatliche Maßnahme die Möglichkeit genommen, den Ablauf der Haltefristen des § 23 Abs. 1 Nr. 1 EStG abzuwarten. Der von der Rechtsprechung angenommenen Typisierung könnte damit die Grundlage entzogen sein, mit der Folge, dass die Einkünfteerzielungsabsicht positiv festzustellen wäre. Dies dürfte bei einem derart schweren Grundrechtseingriff wie einer Enteignung kaum gelingen.

53        II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

54        III. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) zuzulassen.

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