FG Münster: Einkünfteerzielungsabsicht bei Darlehensvertrag zwischen nahen Angehörigen
FG Münster, Urteil vom 24.8.2022 – 7 K 1646/20 E, rkr.
ECLI:DE:FGMS:2022:0824.7K1646.20E.00
Volltext des Urteils://BB-ONLINE BBL2023-546-1
Sachverhalt
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 2017 und 2018 und dabei insbesondere über den Ansatz von Einkünften aus Kapitalvermögen.
Die Kläger, die in den Streitjahren zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden, erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb (die Klägerin), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Renteneinkünfte (der Kläger). Die Veranlagungen der Streitjahre erfolgte zunächst (mit geringen Abweichungen bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb) antragsgemäß.
Der Sohn der Kläger war in den Streitjahren Anteilseigner der R GmbH. Aufgrund von Liquiditätsproblemen dieser GmbH beabsichtigte ihr Sohn, Zahlungen in die Rücklagen der GmbH zu leisten. Da er selbst nicht über die entsprechenden finanziellen Mittel verfügte, hat der Kläger seinem Sohn mit Darlehensvertrag vom 30.09.2017 einen Betrag in Höhe von 100.000,00 € zur Verfügung gestellt. Der Kläger refinanzierte diesen Betrag wiederum über ein bei der Bank B aufgenommenes Darlehen. Der Zinssatz betrug in beiden Darlehensverträgen 2,5% per annum. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und seinem Sohn vom 30.09.2017 (Bl. 31, 32 des Rechtsbehelfsordners) sowie dem Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und der Bank B vom 30.10.2017 (Bl. 26 bis 30 des Rechtsbehelfsordners) Bezug genommen.
Die Kläger erklärten im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen keine Einkünfte aus Kapitalvermögen.
Über eine Kontrollmitteilung erhielt der Beklagte Kenntnis darüber, dass der Kläger Kapitaleinkünfte nach § 20 des Einkommensteuergesetzes (EStG) aufgrund der Gewährung eines Darlehens an seinen Sohn erzielt haben solle.
Der Beklagte wertete die Kontrollmitteilung aus und erließ am 04.11.2019 einen Änderungsbescheid für die Einkommensteuer betreffend das Jahr 2017, in dem Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG in Höhe von 625,00 € angesetzt wurden und führte für die Einkommensteuer für das Jahr 2018 erstmalig eine Veranlagung durch, bei der Zinsen in Höhe von 2.500,00 € als Einkünfte aus Kapitalvermögen berücksichtigt wurden. Dabei unterwarf der Beklagte diese Einkünfte in beiden Streitjahren der Abgeltungsteuer nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25%.
Die hiergegen jeweils am 05.11.2019 eingelegten Einsprüche begründeten die Kläger damit, dass die Besteuerung der Zinsen nach dem Teileinkünfteverfahren zu erfolgen habe und Werbungkosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen seien. Aufgrund des Näheverhältnisses zwischen Vater und Sohn habe nämlich eine Besteuerung gemäß § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG nach der tariflichen Einkommensteuer zu erfolgen, die damit einen Werbungskostenabzug zulasse.
Den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 änderte der Beklagte am 14.05.2020 aus anderen – nicht streitigen – Gründen.
Mit Einspruchsentscheidung vom 15.05.2020 fasste der Beklagte die Einsprüche zu einer Entscheidung zusammen und wies diese als unbegründet zurück. Durch die Hingabe des Darlehens in Höhe von 100.000,00 € zu einem Zinssatz von 2,5% pro Jahr an den Sohn habe der Kläger in den Streitjahren Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erzielt. Das Darlehen sei dem Sohn zu fremdüblichen Konditionen gegeben worden. Die Refinanzierung des Darlehens bei der Bank B sei durch den Kläger zu gleichen Konditionen aufgenommen worden, wie es anschließend an den Sohn weitergeleitet worden sei. Darlehenshöhe und Zinssatz seien identisch gewesen. Laut § 4 des Darlehensvertrages vom 30.09.2017 habe sich der Kläger die Option eingeräumt, einen möglichen Verlust des Darlehens absichern zu lassen. Ob der Kläger dies aufgrund der Familienangehörigkeit tatsächlich einfordern würde, sei unerheblich. Durch die Möglichkeit der Sicherung sei das Risiko des Ausfalls des Darlehens minimiert und auf den Sohn übertragen worden. Das Darlehen halte damit insgesamt einem Fremdvergleich stand.
Für Einkünfte dieser Art gelte der gesonderte Steuertarif nach § 32d Abs. 1 Satz 1 EStG in Höhe von 25%. § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG sei vorliegend nicht einschlägig. Denn im Streitfall läge zwischen dem Darlehensgeber (Kläger) und dem Darlehensnehmer (seinem Sohn) kein Näheverhältnis in diesem Sinne vor. Es fehle am Tatbestand des beherrschenden Einflusses.
Nach Aktenlage sei das Darlehen der Bank B ferner nicht vom Kläger selbst, sondern von der GmbH beglichen worden (abgekürzter Zahlungsweg). Dadurch könne auch von einer Überschusserzielungsabsicht des Klägers ausgegangen werden. Der Kläger habe Einkünfte aus Kapitalvermögen durch die Zinszahlungen seines Sohnes an ihn – den Vater – erzielt. Gleichzeitig sei er jedoch nicht mit der Tilgung des Refinanzierungsdarlehens belastet gewesen, da die Rückzahlungen über die GmbH erfolgt seien.
Mit der Klage (Eingang 12.06.2020) verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie begründen diese ergänzend damit, dass seinem – des Klägers – Sohn keine Kreditmittel für die Finanzierung der Rücklage in die GmbH bewilligt worden seien. Die GmbH sei existenziell bedroht gewesen. Die finanzierende Bank, die Bank B, sei lediglich bereit gewesen, den Kläger als Darlehensnehmer zu akzeptieren. Zwischen allen Beteiligten sei vereinbart worden, dass die Darlehnsleistungen direkt von der GmbH an die finanzierende Bank geleistet würden. Unzweifelhaft sei daher ein abgekürzter Zahlungsweg gegeben. Dennoch sei festzustellen, dass weder der Kläger noch sein Sohn eine Einkünfteerzielungsabsicht verfolgt hätten. Denn die Einnahmen aus Kapitalvermögen seien identisch mit den anfallenden Werbungskosten.
Zwischen dem Kläger und seinem Sohn hätten überdies insgesamt betrachtet keine fremdüblichen Konditionen vorgelegen, vielmehr sei das familiäre Miteinander offensichtlich gewesen. Es sei im Vertrag auf die Gestellung einer sofortigen Sicherheit verzichtet worden und in § 4 lediglich eine jederzeitige Verpflichtung des Darlehensnehmers bedungen worden, eine Sicherheit auf Verlangen zu stellen. Diese Klausel sei bei einem Kreditvolumen von 100.000,00 € nicht fremdüblich. Ein ordentlicher Geschäftsmann hätte eine Sicherheitsleistung verlangt, um sie nicht erst im Falle eines Falles einfordern oder einklagen zu müssen. Weiterhin sei ohne jeglichen Aufschlag beim Zinssatz der Vertrag so nicht beschlossen worden. Bei einer fremdüblichen Konstellation sei ein (Risiko–) Aufschlag mit einer Zinsdivergenz von mindestens 1%-Punkten vereinbart worden.
Soweit der Beklagte in der Einspruchsentscheidung behaupte, dass ein fremdübliches Darlehen vorliege, sei dies verwunderlich, da die gleichen Argumente in anderen Fällen gerade solche Vertragsbedingungen für eine fremdunübliche Qualifikation aufgeführt würden. Im Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 23.12.2010 (IV C 6 – S 2144/07/10004) werde grundsätzlich für die steuerliche Anerkennung seitens der Finanzverwaltung unter anderem gefordert, dass der Rückzahlungsanspruch ausreichend gesichert sei. Sofern eines der darin benannten Hauptkriterien nicht erfüllt sei, werde die steuerliche Anerkennung versagt. Als Ausnahme nenne das BMF nur die Konstellation, wenn beide Vertragspartner volljährig und voneinander wirtschaftlich unabhängig seien. Erst dann könne von einer ausreichenden Besicherung und von einer festen Darlehenstilgung abgesehen werden.
Dadurch, dass der Sohn des Klägers in einer finanziell äußerst angespannten Situation gewesen sei, da die GmbH stark insolvenzgefährdet gewesen sei, er selbst keine eigenen Mittel besessen habe und er zu dem Zeitpunkt als kreditunwürdig gegolten habe, sei davon auszugehen, dass er nicht wirtschaftlich unabhängig gewesen sei. Er hätte Ende des Jahres 2017 keinerlei Kreditmittel von einem Dritten erhalten. Insofern sei die Ansicht des Beklagten falsch, der Sohn sei in seiner Entscheidung völlig frei gewesen, von wem er Kreditmittel hätte aufnehmen können. Dies sei zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen gewesen.
Vor diesem Hintergrund sei vielmehr davon auszugehen, dass der Sohn in starkem Maße von seinem Vater – dem Kläger – abhängig gewesen sei. Hätte der Kläger seinem Sohn keine Mittel zukommen lassen, hätte die GmbH ein Insolvenzantrag stellen müssen, der Sohn ebenfalls, der persönlich im Wege von selbstschuldnerischen Bürgschaften für Bankdarlehen gehaftet habe und weiterhin hafte. Somit habe der Sohn faktisch keinen eigenen Entscheidungsspielraum gehabt. Der Kläger sei in der Lage gewesen, die Konditionen völlig eigenständig zu gestalten, mithin sei von einem Beherrschungsverhältnis des Klägers gegenüber seinem Sohn i.S.v. § 32d Abs. 2 Nr. 1a EStG auszugehen.
Die Finanzverwaltung liege überdies in ihrer Behauptung falsch, dass die Darlehenshingabe keine notwendige Bedingung für die Zahlung in die Kapitalrücklage gewesen sei. In § 1 Abs. 1 S. 2 des Vertrages werde der Zweck des Vertrages ausdrücklich erwähnt. Hätte der Sohn die Mittel anderweitig verwendet, läge ein gravierender Verstoß gegen den Vertrag vor, der durchaus zu einer sofortigen Kündigung geführt hätte. Durch den ausdrücklichen Verweis gemäß § 2 Abs. 1 auf den geschlossenen Kreditvertrag mit der finanzierenden Bank sei ein Zusammenhang zur gebotenen Einlage in die GmbH gegeben. Dies zeige sich auch in der (mündlichen und vollzogenen) Vereinbarung zwischen der Bank, dem Kläger und seinem Sohn, dass die GmbH direkt die Darlehnsleistungen habe erbringen müssen.
Der Beklagte behaupte, es bestünde zwischen den Beteiligten keine Interessenidentität, sondern eine Interessenkollision, sodass nicht von einem Näheverhältnis auszugehen sei. Der Kläger wie auch sein Sohn hätten aber vielmehr ein bedeutsames Interesse an dem Fortbestand der GmbH und deren Liquidität zur Aufbringung der Darlehensleistungen, da im Falle der Insolvenz der GmbH auch der Sohn eine (Privat-)Insolvenz hätte anmelden müssen. Der Kläger habe zuvor bereits hohe finanzielle Unterstützungen geleistet. Diese Mittel seien jedoch nicht als Darlehen geleistet worden, sondern als Schenkungen bzw. private Leihgaben. Diese finanziellen Mittel inklusive des vorliegenden Darlehens seien damit im Insolvenzfalle verloren gegangen, es sei denn, dass Sicherheiten vorgelegen hätten. Das Motiv der Darlehensgewährung sei daher nahezu vollständig außersteuerliche geprägt gewesen, sodass der Kläger in keiner Weise die Absicht gehabt habe, hieraus Profit zu schlagen und damit eine Einkünfteerzielungsabsicht aufgewiesen habe. Ausschlaggebend sei die (familiäre) Unterstützung seines Sohnes gewesen.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 04.11.2019 und den Einkommensteuerbescheid 2018 vom 14.05.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2020 dahingehend zu ändern, dass keine Einkünfte aus Kapitalvermögen beim Kläger in Ansatz gebracht werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass die Kapitalerträge mit den besonderen Steuersatz nach § 32d Abs. 1 EStG in Höhe von 25 % zu versteuern seien. Es sei zwar richtig, dass der Kläger und sein Sohn in enger Beziehung gestanden hätten. Ein steuerliches Näheverhältnis im Sinne des § 32d Abs. 2 S. 1 Nr. 1a EStG sei darauf aber nicht begründbar.
Da das Darlehen zu gleichen Konditionen an den Sohn weitergegeben worden sei, sei von einer fremdüblichen Vertragsgestaltung auszugehen. Die Tatsache, dass der Sohn auf die Darlehenshingabe des Klägers angewiesen gewesen sei, da er auf dem freien Markt keine Darlehenszusage erhalten hätte, stehe dazu nicht im Widerspruch und begründe kein Beherrschungsverhältnis. Ein automatisches Abhängigkeitsverhältnis bestehe nicht allein aus der familiären Vater-Sohn-Verbindung. Der Vater sei aufgrund der Volljährigkeit des Sohnes nicht verpflichtet gewesen, diesen wegen der Liquiditätsprobleme seiner GmbH zu unterstützen. Die Darlehenshingabe bewirke auch nicht zwangsläufig eine Einflussnahme auf die GmbH und ein wirtschaftliches Interesse an ihr.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die übersandten Schriftsätze, die Verwaltungsakten sowie die Gerichtsakte verwiesen.
Aus den Gründen
A. Der Senat entscheidet auf der Grundlage von § 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), da beide Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.
B. Die Klage ist begründet. Sowohl der Einkommensteuerbescheid betreffend das Jahr 2017 vom 04.11.2019 als auch der Einkommensteuerbescheid betreffend das Jahr 2018 vom 14.05.2020 jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15.05.2020 sind rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Der Kläger hat in den Streitjahren keine Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Der zwischen ihm und seinem Sohn geschlossene Darlehensvertrag hält einem Fremdvergleich nicht stand (hierzu unter I.). Zudem konnte der Kläger die Vermutung einer Einkünfteerzielungsabsicht bei Einkünften aus Kaptalvermögen widerlegen (hierzu unter II.).
I. Der Darlehensvertrag zwischen dem Kläger und seinem Sohn ist nach Auffassung des Senats überwiegend privat motiviert ist und hält im Ergebnis einem Fremdvergleich nicht stand.
1. Voraussetzung für die steuerliche Anerkennung von Darlehensverträgen zwischen nahen Angehörigen ist, dass der Darlehensvertrag zivilrechtlich wirksam geschlossen worden ist und tatsächlich wie vereinbart durchgeführt wird; dabei müssen Vertragsinhalt und Durchführung dem zwischen Fremden Üblichen entsprechen (sog. Fremdvergleich, z.B. BFH-Urteil vom 18.12.1990 VIII R 290/82, BStBl II 1991, 391). Den Angehörigen steht es im Grundsatz frei, ihre Rechtsverhältnisse untereinander so zu gestalten, dass sie für sie steuerlich möglichst günstig sind. Das Vereinbarte muss jedoch in jedem Einzelfall und während der gesamten Vertragsdauer nach Inhalt und Durchführung dem entsprechen, was fremde Dritte bei der Gestaltung eines entsprechenden Darlehensverhältnisses üblicherweise vereinbaren würden (z.B. BFH-Urteil vom 12.02.1992 X R 121/88, BStBl II 1992, 468). Das setzt insbesondere voraus, dass eine Vereinbarung über die Laufzeit und über Art und Zeit der Rückzahlung des Darlehens getroffen worden ist, die Zinsen zu den Fälligkeitszeitpunkten entrichtet worden sind und der Rückzahlungsanspruch ausreichend besichert ist. Eine ausreichende Besicherung liegt bei Hingabe banküblicher Sicherheiten vor. Dazu gehören vornehmlich die dingliche Absicherung durch Hypothek oder Grundschuld oder auch andere bankübliche Sicherheiten (z.B. Bürgschaften, Forderungsabtretungen etc.). Bei Anschaffungsdarlehen, die nach ihrem Anlass wie von einem Fremden gewährt werden, steht die fehlende Besicherung der Anerkennung der vertragsgemäß geleisteten Zinsen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten dann nicht entgegen, wenn das Rechtsgeschäft von volljährigen und voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen geschlossen wurde (BFH-Urteile vom 04.06.1991 IX R 150/85, BStBl II 1991, 838; vom 18.12.1990 VIII R 1/88, BStBl II 1991, 911; vom 04.03.1993 X R 70/91, BFH/NV 1994, 156; vom 09.10.2001 – VIII R 5/01, BStBl II 2002, 334). Ein Darlehensvertrag zwischen volljährigen, voneinander wirtschaftlich unabhängigen Angehörigen kann daher ausnahmsweise steuerrechtlich dann anerkannt werden, wenn er zwar nicht in allen Punkten dem zwischen Fremden Üblichen entspricht, aber die Darlehensmittel, die aus Anlass der Herstellung oder Anschaffung von Vermögensgegenständen gewährt werden (wie Bau- oder Anschaffungsdarlehen) ansonsten bei einem fremden Dritten hätten aufgenommen werden müssen. Entscheidend ist in diesen Fällen, dass die getroffenen Vereinbarungen tatsächlich vollzogen werden, insbesondere die Darlehenszinsen regelmäßig gezahlt werden. Die Modalitäten der Darlehenstilgung und die Besicherung brauchen in diesen Fällen nicht geprüft zu werden (BFH-Urteile vom 04.06.1991 IX R 150/85, BStBl II 1991, 838 und vom 25.01.2000 VIII R 50/97, BStBl II 2000, 393).
2. Unter Zugrundelegung dieser Rechtsgrundsätze entspricht der Darlehensvertrag vom 30.09.2017 des Klägers mit seinem Sohn nicht dem, was unter fremden Dritten üblich ist.
Der Rückzahlungsanspruch (§ 488 Abs. 1 Satz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB –) des Klägers aus dem Darlehen war ohne gesonderte Sicherheit gefährdet. Die Werthaltigkeit des Rückzahlungsanspruchs hing im Wesentlichen von der wirtschaftlichen Entwicklung der GmbH ab. Der Umstand, dass es nicht die erste Finanzierungshilfe des Klägers im Zusammenhang mit der GmbH-Beteiligung seines Sohnes war und dass offenbar weiterhin Finanzierungsbedarf in der GmbH bestand, ließ es als völlig ungewiss erscheinen, ob der Sohn zu einer Rückzahlung des vom Kläger zur Verfügung gestellten Geldes in der Lage sein würde. Insoweit liegt im Streitfall kein Fall vor, bei dem das Verlangen nach einer Besicherung als Selbstzweck (vgl. BFH-Urteil vom 29.10.1997 I R 24/97, BStBl II 1998, 573) und damit als willkürlich zu beurteilen wäre (BFH-Urteil vom 09.10.2001, VIII R 5/01, BStBl II 2002, 334).
Die dem Kläger durch seinen Sohn eingeräumten „Sicherheiten“ müssen daher als unzureichend bewertet werden, da der Sohn kreditunwürdig und bei einer Bank keinen Kredit (zu vergleichbaren Konditionen) erhalten hätte. Er war selbst nicht zur Leistung einer Kapitaleinlage in die R GmbH in der Lage und hätte von Dritter Seite keine Kreditmittel bewilligt bekommen. Der Sohn war daher auch nicht frei in seiner Entscheidung, das Darlehen bei jemand anderem als seinem Vater, dem Kläger, aufzunehmen. Zwar ist in § 4 des Darlehensvertrags unter dem Punkt „Sicherung“ aufgeführt, dass der Darlehensnehmer sich „auf jederzeit mögliches Verlangen“ „Sicherheiten in Höhe der valutierenden Darlehenssumme zu stellen“ habe. Diese Regelung ist indes zu unbestimmt, um als echte bankübliche und damit fremdübliche Sicherung gewertet werden zu können. Denn im Falle eines solchen Verlangens durch den Kläger, hätte der Sohn ihm ersichtlich keine Vermögenswerte oder andere denkbare Sicherungen gewähren können. Da der Sohn über kein als Kreditsicherheit belastbares eigenes Vermögen verfügte, war er bei der Nachfinanzierung seiner GmbH-Beteiligung wirtschaftlich auf den Kläger angewiesen. Der Kläger und sein Sohn haben daher auch nicht als „wirtschaftlich voneinander unabhängige Angehörige“ im Sinne von Rn 8 des BMF-Schreiben vom 23.12.2010 (IV C 6 – S 2144/07/10004) agiert.
Auch kann für die Fremdüblichkeit nicht darauf verwiesen werden, dass die refinanzierende Bank vom Kläger keine gesonderten Sicherheiten gefordert hat. Die wirtschaftliche Einkommens- und Vermögenssituation des Klägers einerseits und seines Sohnes andererseits waren nicht vergleichbar.
Zudem hätte sich ein fremder Dritter bei Gewährung eines Darlehens einen (Sicherheits-) Aufschlag auf den vereinbarten Refinanzierungszins gewähren lassen. Die Weiterreichung des Darlehens zu den Konditionen der Refinanzierung ist daher unter Berücksichtigung des erhöhten Ausfallrisikos als nicht mehr fremdüblich zu werten.
II. Der Senat gelangt überdies zur Auffassung, dass dem Kläger für die Erzielung steuerbarer Kapitalerträge die Überschusserzielungsabsicht fehlt. Insoweit hat die Klage selbst Erfolg, wenn man entgegen der Ausführungen zu Ziff. I. von einer Fremdüblichkeit ausginge.
1. Da Kapitalerträge gemäß § 20 Abs. 1 bis 3 EStG einem Werbungskostenabzugsverbot (§ 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 20 Abs. 9 EStG) und der beschränkten Verlustverrechnung (§ 20 Abs. 6 EStG) unterliegen, wird die Einkünfteerzielungsabsicht im Rahmen dieser Einkunftsart grundsätzlich vermutet (ständige Rechtsprechung des BFH, siehe hierzu z.B. Urteile vom 14.03.2017 VIII R 38/15, BStBl II 2017, 1040 sowie VIII R 25/14, BStBl II 2017, 1038, BMF-Schreiben vom 12.04.2018 (IV C 1-S 2252/08/10004:021, 2018/0281370, BStBl I 2018, 624 Rn 125; Finanzgericht Münster Urteil vom 29.09.2020 6 K 1176/17 E, EFG 2021, 198). Zwar wird z.T. vertreten, dass es wegen der Nichtabziehbarkeit der Werbungskosten kaum noch Fälle geben werde, in denen die Überschusserzielungsabsicht fehle (z.B. Levedag in Schmidt, EStG, 41. Auflage, 2022, § 20 Rn 20). Dies kann aber nur dann gelten, wenn man die Besonderheiten der Überschussermittlung wie die Nichtabziehbarkeit von Werbungskosten bei der Prüfung der Überschusserzielungsabsicht nicht unberücksichtigt lässt. Nimmt man dagegen an, dass der Zweck des Merkmals darin besteht, steuerlich beachtliches Erwerbshandeln von steuerlich unbeachtlichem Handeln aus privaten Motiven zu unterscheiden, so kann bei von vornherein tatsächlich anfallendem, ggf. auch überschießenden Erwerbsaufwand der vom Steuerpflichtigen erhobene Einwand mangelnder Einkünfteerzielungsabsicht nicht unter Hinweis auf die Nichtabziehbarkeit des Aufwands für unbeachtlich erklärt werden (Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand März 2022, § 20 Rn 45). Wie bei jeder anderen Einkunftsart muss aber auch bei der Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen die Absicht, auf Dauer Einkünfte zu erzielen vorliegen. Die Vermutung einer Einkünfteerzielungsabsicht kann daher widerlegt werden, wenn ein positives Ergebnis aus der Kapitalanlage in Form laufender Kapitalerträge (§ 20 Abs. 1 EStG) oder Gewinne gemäß § 20 Abs. 2, 4 EStG von vornherein wirtschaftlich ausgeschlossen erscheint (Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand März 2022, § 20 Rn 45; auch Levedag, Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 20 Rn 20).
2. Aufgrund des bestehenden Darlehensvertrages zwischen dem Kläger und der Bank B auf der einen Seite und dem Vertrag vom 30.09.2017 zwischen dem Kläger und seinem Sohn auf der anderen Seite, hat der Kläger die Vermutung der bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht nach Auffassung des Senats wiederlegt. Die Erzielung eines – wie auch immer gearteten – Überschusses ist vorliegend ausgeschlossen.
a. Auch bei den Einkünften aus Kapitalvermögen wird die Frage, ob Einkünfteerzielungsabsicht vorliegt, nach der Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat anschließt, danach entschieden, ob während einer Totalperiode ein Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten erzielt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 14.05.2014 VIII R 37/12, BFH/NV 2014, 1883 und vom 14.03.2017 VIII R 25/14, BStBl II 2017, 1038 und VIII R 38/15, BStBl II 2017, 1040). Nach Einführung der Abgeltungsteuer durch das UNtStRefG 2008 vom 14.08.2007 gilt weiterhin eine tatsächliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Mit Einführung der Abgeltungsteuer in § 20 EStG sollten umfassend alle in Betracht kommenden Kapitalanlagen erfasst werden (siehe Gesetzesbegründung unter BT-Drucks. 16/4841, S. 33). Hinzu kommen die Einschränkungen des objektiven Nettoprinzips durch das Werbungskostenabzugsverbot in § 20 Abs. 9 EStG und die Verlustabzugsbeschränkungen gemäß § 20 Abs. 6 EStG (BFH-Urteil vom 14.03.2017 VIII R 38/15, BStBl II 2017, 1040).
Zur Widerlegung der Einkünfteerzielungsabsicht genügt weder das bloße Vorliegen eines negativen Unterschiedsbetrages noch kann auch eine ggf. fehlende Einkünfteerzielung bei Abschluss der Kapitalanlage abgestellt werden (BFH-Urteil vom 14.03.2017 VIII R 25/14, BStBl II 2017, 1038).
Die Einkünfteerzielungsabsicht ist dabei für jede Kapitalanlage getrennt zu beurteilen. Für diese auf einzelne Anlagen bezogene Prüfung ist grundsätzlich nur der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen (BFH-Urteil vom 14.05.2014 VIII R 37/12, BFH/NV 2014, 1883). Die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht erfordert insoweit die Prognose, ob mit der jeweiligen steuerbaren Tätigkeit ex ante in der Totalperiode ein nach den im Rahmen der Einkunftsart maßgeblichen Regelungen zu ermittelnder Überschuss/Gewinn zu erwarten ist (BFH-Urteil vom 25.06.1984 GrS 4/82, BStBl II 1984, 751).
b. Der Kläger hat den bei der Bank B aufgenommenen Kredit mit den dort enthaltenen Regelungen betreffend der Zinshöhe im Darlehensvertrag vom 30.09.2017 an seinen Sohn in den hier maßgeblichen Punkten (Zinshöhe, Vertragslaufzeit) weitergegeben. Die Zinsen aus diesem Vertrag in Höhe von jährlich 2,5%, die der Kläger für sich als vermeintliche Kapitalerträge hätte zufließen können, erhielt im Wege des abgekürzten Zahlungsweges unmittelbar die Bank B, der gegenüber er wiederum zur Zahlung dieses Zinses aufgrund des Darlehensvertrages vom 30.10.2017 verpflichtet gewesen ist. Der Kläger als Schuldner der Zinsen gegenüber der Bank musste an diese die vereinbarten Zinsen zahlen und erhielt diese in gleicher Höhe von seinem Sohn, so dass die Erzielung eines Überschusses aufgrund der bestehenden vertraglichen Regelungen ausgeschlossen ist. Bei der im Rahmen der Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht anzustellenden wirtschaftlichen Betrachtungsweise ist aufgrund der vorliegenden Vertragsgestaltungen ein irgendwie gearteter positiver Ertrag auf Seiten des Klägers daher nicht denkbar. Unter Berücksichtigung der Dauer der Darlehensverträge auf Seiten des Klägers mit der Bank B sowie auf Seiten des Klägers mit seinem Sohn erzielt der Kläger keinen wirtschaftlichen Ertrag. Der insoweit maßgebliche Beurteilungszeitraum (die Totalperiode) umfasst vorliegend den Zeitraum vom 30.09.2017 bis zum 30.10.2019, mithin einen Zeitraum von zwei Jahren. Das Engagement des Klägers im Rahmen seiner Kapitalanlage ist insoweit auf einen relativ kurzen Zeitraum befristet. Das Ende der Laufzeit des Darlehensverhältnisses mit seinem Sohn stellt das Ende der hier maßgeblichen Totalperiode dar. Bereits bei Begründung des Darlehensverhältnisses des Klägers zu seinem Sohn war aus der insoweit maßgeblichen ex ante-Perspektive aufgrund der festgelegten einzelnen vertraglichen Regelungen mit keinem Ertrag auf Klägerseite aus dieser Kapitalanlage zu rechnen.
Der Senat berücksichtigt im Rahmen der Beurteilung eines möglicherweise entstehenden Überschusses auch die beim Kläger angefallenen Werbungskosten.
Nach Auffassung des Senats sind im Rahmen der Ermittlung eines Totalüberschusses zur Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen jedenfalls die Aufwendungen zu berücksichtigen und mit einzubeziehen, die unmittelbar durch die Kapitalanlage selbst verursacht werden (so wohl auch Ratschow in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, Stand März 2022, § 20 Rn 45). Denn der Zweck des Merkmals der Einkünfteerzielungsabsicht liegt nach Auffassung des Senats gerade darin, steuerlich beachtliches Erwerbshandeln von steuerlich unbeachtlichem Handeln aus privater Motivation heraus zu unterscheiden. Der Senat orientiert sich hierbei insoweit auch an der Rechtsprechung des BFH zur Ermittlung eines Totalgewinns bei Gewinneinkünften, in deren Rahmen diejenigen Aufwendungen bei der Ermittlung eines Totalgewinns unberücksichtigt bleiben, die zum einen privat, gemischt privat/betrieblich veranlasst sind oder von Gesetzes wegen als nichtabziehbare Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 5, 6 EStG) eingestuft werden. Die letztgenannten Aufwendungen stellen zwar ihrer Art nach Betriebsausgaben dar, werden aber wegen ihrer Nähe zum Privatbereich „wie“ zur Privatsphäre gehörig behandelt (Musil in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Stand Juli 2022, § 2 Rn 393).
Zwar sind Werbungkosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen ebenfalls von Gesetzes wegen nach § 20 Abs. 9 EStG ausgeschlossen. Da es sich indes weder um private Aufwendungen noch um Aufwendungen handelt, die eine gewisse Nähe zum Privatbereich aufweisen, sondern vielmehr originär durch die vorliegende Kapitalanlage veranlasst sind, sind diese auch – trotz des bestehenden gesetzlichen Abzugsverbots – bei der Beurteilung einer bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht bzw. der Ermittlung eines Totalüberschusses bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zu berücksichtigen. Insoweit können nach Auffassung des Senats die Aufwendungen des Klägers als Schuldner der Zinsen gegenüber der Bank bei der Beurteilung einer bestehenden Einkünfteerzielungsabsicht nicht außer Acht gelassen werden. Wer jedenfalls seinem Sohn – wie vorliegend der Kläger – ein privates Darlehen gewährt, für dessen Refinanzierung er gleich hohe Schuldzinsen zu entrichten hat, dem fehlt die für eine Besteuerung erforderliche Einkünfteerzielungsabsicht.
3. Ausführungen dazu, ob die Voraussetzungen des § 32d Abs. 2 Satz 1 Nr. 1a EStG gegeben sind, erübrigen sich vor diesem Hintergrund.
C. Die Übertragung der festzusetzenden Steuerbeträge auf den Beklagten beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.
D. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.