Niedersächsisches FG: Einheitsbewertung zum 1.1.2013
Niedersächsisches FG, Urteil vom 4.3.2016 – 1 K 302/14
Amtlicher Leitsatz
Wirtschaftsgüter sind dem Betrieb der Land und Forstwirtschaft dann nicht mehr dauernd zu dienen bestimmt, soweit sie im Fall einer auf Dauer angelegten Vermietung ausschließlich durch den Mieter genutzt werden oder auch nur eine gemeinsame Nutzung "nach Absprache" durch den Mieter und den Vermieter erfolgt.
Sachverhalt
Streitig ist, ob eine Reitanlage als Grundvermögen zu bewerten ist.
Die Kläger betreiben auf ca. … ha zuzüglich der in dem angefochtenen Bescheid als Grundvermögen bewerteten 2.310 qm Landwirtschaft in Form einer Pferdezucht im Nebenerwerb. 1995 errichteten sie eine Reitanlage mit Halle. In dem ca. 35 m langen Hallengebäude befinden sich außer der Freifläche zum Reiten an beiden Längsseiten 5,26 m, im Bereich der Nebenräume 6,26 m breite Räumlichkeiten, in denen auf der einen Seite acht Pferdeboxen und die Nebenräume – Futterraum, Aufenthaltsraum, Sattelkammer, WC, Vorraum der Reithalle – untergebracht sind und sich auf der anderen Seite Lagerflächen befinden. An die Stirnseite der Halle wurde 2009 ein Wohnhaus (X-Straße 1) als Betriebsleiterwohnung angebaut. Ertragsteuerlich wird die Pferdezucht seit 2008 als Liebhabereibetrieb gewertet.
Die Kläger hatten Reitanlage und Wohnhaus bereits 2010 an eine Familie Y vermietet. Ende 2011 vermieteten sie mit gesonderten Verträgen Reitanlage und Wohnhaus an die Zeugen Eheleute FZ und HZ mit Wirkung ab 1. Februar 2012. Als Gegenstand des Mietvertrags Reitanlage sind aufgeführt
Reithalle einschließlich des Vorraums zur Reithalle,
ein Aufenthaltsraum, eine Sattelkammer mit Stahlschränken, ein WC,
ein Futterraum mit zwei Silos und einer Haferquetsche,
die Lagerfläche für Heu und Stroh (5 x 12 qm),
… Boxen im Reithallenbereich, … Boxen im Außenbereich,
ein Weideschuppen (5 x 8 qm), ein Außenreitplatz, eine Führanlage sowie Weiden am Hof gemäß einer dem Vertrag beigefügten Anlage.
Die Kläger behielten sich eine Mitbenutzung von Reithalle, Führanlage, Sattelkammer und Futterraum „in geringem Umfang“ vor. Der Vertrag lief auf unbestimmte Zeit. Eine Kündigung konnte am dritten Werktag zum Ende des übernächsten Monats ausgesprochen werden. Als Miete für die Reitanlage waren 1.000 € monatlich zuzüglich der Nebenkosten für Strom, Gas und Wasser vereinbart.
Der Beklagte (das Finanzamt) erließ einen Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2011, in dem es Hallengebäude, Wohnhaus und Außenstall nebst 2.310 qm Grund und Boden als Betriebsgrundstück, Grundstücksart Geschäftsgrundstück, ansah und im Sachwertverfahren bewertete. Die Fläche von ca. 40 x 58 qm wird begrenzt durch die Straße, rückwärtig durch die gedachte Verlängerung der hinteren Wand des Außenstalls, seitlich durch die gedachten Verlängerungen der Seitenwand des Hallengebäudes und des Giebels des nicht vermieteten weiteren Stalls der Kläger. Der Bescheid wurde bestandskräftig.
Die Kläger legten einen mit Wirkung zum 1. August 2012 geänderten Mietvertrag mit den bisherigen Mietern für die Reitanlage vor. Nunmehr war vom Altvertrag abweichend vereinbart, dass der Vorraum zur Reithalle, ein Abstellraum, die Sattelkammer mit Stahlschränken, das WC und die Führanlage von Vermieter und Mieter gemeinsam und die Reithalle „nach besonderer Vereinbarung“ an vier Tagen wöchentlich vom Vermieter und an drei Tagen vom Mieter genutzt werden. Nicht mehr vermietet ist der Futterraum. Die Lagerfläche für Heu und Stroh ist von 5 x 12 qm auf 5,26 x 7 qm verringert. Der Mietzins wie auch die Verpflichtung der Mieter zur Tragung der Nebenkosten blieb unverändert. Beigefügt war eine mit „Nutzungsaufteilung Halle“ überschriebene Berechnung, die für das Hallengebäude unter Einbeziehung der Außenboxen bei einer Aufteilung nach Zeitanteilen (Halle) und im Übrigen nach Quadratmetern als Mittelwert der beiden Nutzungsanteile eine Nutzung von 51,34 v. H. der Kläger auswies. Für die gemeinsam zu nutzenden Gebäudeteile und Flächen war eine je hälftige Nutzung angesetzt. Die Kläger führten aus, die überwiegende Nutzung der Reithalle mit Nebenanlagen liege wie vorher bei ihnen, es müsse sich eine neue Berechnung des Einheitswerts ergeben.
Das Finanzamt lehnte den Antrag auf Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2013 mit Bescheid vom 31. Juli 2013 ab. Es war der Auffassung, es sei nicht nachgewiesen, dass die Reithalle im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 Bewertungsgesetz (BewG) dauerhaft dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sei.
Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos. Das Finanzamt führte im Einspruchsbescheid vom 12. November 2014 aus, nach Aufgabe der Landwirtschaft im Jahr 2008 sei die Reitanlage von dem landwirtschaftlichen Vermögen getrennt und vollständig zu gewerblichen Zwecken vermietet worden. Auch nach dem neuen Mietvertrag werde die Reitanlage vermietet, selbst wenn bestimmte Bereiche durch die Kläger mitbenutzt würden. Diese Bereiche seien nicht räumlich von den anderen getrennt, sondern für den Mieter frei zugänglich. Die Pferdezucht sei 2008 eingestellt worden. Die tatsächliche Nutzung der Reithalle sei nicht durch einen Hallenbelegungsplan nachgewiesen. Nach dem Erlass des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 15. Dezember 2011 S 3131 – 4 – 35.1 (BStBl I 2011, 1213) werde zur Thematik der Mitbenutzung von Wirtschaftsgütern außerhalb der Landwirtschaft Stellung genommen. Danach stelle die Vermietung von Wirtschaftsgütern der Land- und Forstwirtschaft eine gewerbliche Tätigkeit dar, wenn sie an Dritte entgeltlich überlassen würden (Tz. II Abs. 9 Satz 1 des Erlasses). Als Folge sei dann dieses Wirtschaftsgut nicht mehr land- und forstwirtschaftliches Vermögen. Unter den Voraussetzungen der Tz. II Abs. 11 des Erlasses könnten allerdings Mietobjekte noch der Land- und Forstwirtschaft zugerechnet werden, wenn der Einsatz für eigene land- und forstwirtschaftliche Zwecke einen Umfang von 10 v. H. nicht unterschreite. Danach komme es auf den Anteil des Umsatzes aus den gewerblichen Tätigkeiten am Gesamtumsatz und seine absolute Höhe an. Die Kläger hätten die Nachweise für die Prüfung, ob im Streitfall die Umsatzgrenzen eingehalten seien, nicht erbracht. Hiergegen richtet sich die Klage.
Die Kläger meinen weiterhin, die Reitanlage zähle zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen. Das Finanzamt gehe von falschen Voraussetzungen aus. Der Zuchtbetrieb sei nicht eingestellt, sondern im Anschluss an eine Außenprüfung als Liebhabereibetrieb eingestuft worden. Für die Einheitsbewertung sei dieser Vorgang ohne Bedeutung (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1985 II B 35/85, BFHE 145, 440, BStBl II 1986, 282). Die Pferdezucht werde weiter betrieben, wie sich aus der Aufstellung der gehaltenen Pferde ergebe. 2013 seien Pferde mit einem Erlös von 7.750 € veräußert worden. Die Behauptungen des Finanzamts, die Größe der von den Klägern selbst genutzten Lagerflächen im angeschleppten Teil des Reithallengebäudes betrage 28 m x 5,25 und die gesamte Reitanlage sei für die Mieter voll umfänglich frei zugänglich, widerspreche dem Mietvertrag. Die nicht vermieteten Räume seien nicht Gegenstand des Mietvertrages und somit durch die Mieter nicht zu betreten.
Das Finanzamt habe die Reitanlage als Betriebsgrundstück bewertet. Sie hätte aber als sonstiges bebautes Grundstück nach § 75 Abs. 1 Nr. 6 BewG bewertet werden müssen. Der Hinweis auf den Erlass sei nicht zielführend. Er regele die Abgrenzung der Landwirtschaft zur gewerblichen Tätigkeit. Eine Vermietung, die eine Vermögensverwaltung darstelle, falle nicht unter den Erlass. Eine Abgrenzung zum gewerblichen Vermögen sei nicht vorzunehmen, da keine gewerbliche Nutzung auf der Hofstelle stattfinde. Nach Abschn. 1.01 Abs. 1 Richtlinien für die Bewertung des landwirtschaftlichen Vermögens (BewR L) sind Wirtschaftsgüter dem landwirtschaftlichen Betrieb zuzuordnen, wenn ihre Nutzung in dem Betrieb überwiege. Dies sei nach der Berechnung der Kläger der Fall und werde vom Finanzamt auch nicht grundsätzlich bestritten.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 31.07.2013 und des Einspruchsbescheides vom 12.11.2014 zu verpflichten, im Wege der Wertfortschreibung einen Einheitswertbescheid auf den 01.01.2013 für das Grundstück X-Straße 1 zu erlassen, in dem die Reithalle und der Außenstall nicht mehr bewertet sind.
Der Beklagte hält grundsätzlich an seiner Rechtsauffassung fest und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er meint, es sei zwar zutreffend, dass das Grundstück als Grundvermögen, Grundstücksart sonstiges bebautes Grundstück, zu bewerten gewesen wäre. Die abweichenden Feststellungen seien aber in dem Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2011 getroffen und nicht angefochten worden.
Nach dem zitierten Erlass stelle die entgeltliche Überlassung von land- und forstwirtschaftlichen Wirtschaftsgütern an Dritte eine gewerbliche Tätigkeit dar (Tz. II Abs. 9).
Nach Abschn. 1.01 Abs. 2 und 1.03 Abs. 8 BewR L zu § 33 BewG sei eine Mitbenutzung zu anderen als land- und forstwirtschaftlichen Zwecken nur dann unschädlich, wenn diese durch den eigenen Gewerbebetrieb erfolge und die gewerbliche Nutzung nicht überwiege. Im Streitfall liege eine Verpachtung an bzw. eine Mitbenutzung durch einen fremden Dritten vor.
Eine eindeutige räumliche Trennung der vom Mieter bzw. Vermieter genutzten Räumlichkeiten sei mangels Abgeschlossenheit der Bereiche nicht möglich. Eine Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen setze voraus, dass Wirtschaftsgüter dem Betrieb „dauernd zu dienen bestimmt“ seien und „ständig bewirtschaftet“ würden. Da die Räumlichkeiten für Vermieter und Mieter jederzeit frei zugänglich seien, komme eine Zuordnung der Reithalle zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen nicht in Betracht.
Es werde nicht in Abrede gestellt, dass die Kläger bewertungsrechtlich einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft unterhalten.
Der Senat hat Beweis erhoben zu den Mietverträgen durch die Vernehmung der Zeugen FZ und HZ. Sie haben beide bekundet, der Mietzins der Reitanlage beruhe auf der Zahl der vermieteten Pferdeboxen und sei daher anlässlich des Abschlusses des neuen Vertrages unverändert geblieben. Die Reithalle werde nur in geringem Umfang nach mündlicher Absprache genutzt. Wegen der Einzelheiten der Aussagen wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Aus den Gründen
Die Klage ist begründet, soweit Teile der Reitanlage am Bewertungsstichtag nicht an die Zeugen vermietet waren. Im Übrigen ist sie unbegründet.
1. Die Teile der Reitanlage, die die Kläger nicht vermietet haben, zählen zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen.
Sie gehören damit nicht zu der vom Finanzamt auf den 1. Januar 2011 bewerteten wirtschaftlichen Einheit. Da unterschiedliche Vermögensarten nicht in einer wirtschaftlichen Einheit zusammengefasst und bewertet werden können, ist das Finanzamt verpflichtet, im Wege der Wertfortschreibung diese Teile in dem Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2013 unberücksichtigt zu lassen. Im Feststellungsbescheid über einen Einheitswert wird inzidenter auch über die Abgrenzung der wirtschaftlichen Einheit (§ 2 BewG) entschieden. Denn jede Bewertung beginnt mit der Frage, was zu bewerten ist (Halaczinsky in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, § 19, 43).
Der Begriff der wirtschaftlichen Einheit wurde als Typus-Begriff in das Bewertungsrecht eingeführt, um den Bewertungsgegenstand abzugrenzen, d.h. die Bewertungseinheit zu bestimmen (BFH-Urteil vom 3. März 1993 II R 32/89, BFH/NV 1993, 584). Jede wirtschaftliche Einheit ist nach § 2 Abs. 1 BewG für sich zu bewerten. Der Begriff "wirtschaftliche Einheit" bestimmt sich dabei nach den Anschauungen des Verkehrs. Dabei sind örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammenhörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen. Für die Frage, was noch zu einem einheitlichen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gehört, ist deshalb eine Gesamtwürdigung der betrieblichen Verhältnisse vorzunehmen (BFH-Urteil vom 10.04.1997 IV R 48/96, BFH/NV 1997, 749).
Zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind. Betrieb der Land- und Forstwirtschaft ist die wirtschaftliche Einheit des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens. Zu den Wirtschaftsgütern, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft dauernd zu dienen bestimmt sind, gehören insbesondere der Grund und Boden, die Wohn- und Wirtschaftsgebäude, die stehenden Betriebsmittel und ein normaler Bestand an umlaufenden Betriebsmitteln; als normaler Bestand gilt ein solcher, der zur gesicherten Fortführung des Betriebes erforderlich ist (§ 33 Abs. 1 und 2 BewG). Während § 68 Abs. 1 BewG das Grundvermögen zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen negativ im Sinne eines Vorranges des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens abgrenzt, ordnet § 33 BewG positiv an, welche Wirtschaftsgüter dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urteil vom 9. August 1989 II R 116/86, BFHE 158, 90, BStBl II 1989, 870). Auch das Betriebsvermögen umfasst nach näherer Maßgabe des § 95 BewG alle Teile eines Gewerbebetriebs, aber auch nur solche. Als Gewerbebetrieb gilt unbeschadet des im Streitfall nicht einschlägigen § 97 BewG nicht die Land- und Forstwirtschaft, wenn sie den Hauptzweck des Unternehmens bildet (§ 95 Abs. 2 BewG).
Die Kläger unterhalten einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb im Sinne des Bewertungsrechts. Dem steht nicht entgegen, dass er ertragsteuerlich als Liebhabereibetrieb beurteilt wird. Seit der Entscheidung des Reichsfinanzhofs vom 17. Dezember 1931 III A 825/31 (RStBl 1932, 329), die auch für das geltende Recht uneingeschränkte Bedeutung besitzt, ist geklärt, dass der bewertungsrechtliche Begriff der Landwirtschaft und Forstwirtschaft eine Erzeugung des Erwerbs wegen nicht voraussetzt (BFH-Beschluss vom 18. Dezember 1985 II B 35/85, BFHE 145, 440, BStBl II 1986, 282). Das Finanzamt hält, wie es in der mündlichen Verhandlung bestätigt hat, an seiner gegenteiligen Ansicht nicht mehr fest, sodass es insoweit keiner Ausführungen mehr bedarf.
Zu der Frage, ob einzelne Wirtschaftsgüter am maßgeblichen Stichtag dauernd dazu bestimmt sind, einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen, enthält R 125 Abs. 4 der Erbschaftsteuer-Richtlinien (ErbStR) 2003 in Anlehnung an Abschn. 1.01 Abs. 3 der Richtlinien für die Bewertung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens zutreffende Erläuterungen (vgl. BFH-Urteil vom 9. April 2008 II R 24/06, BFHE 220, 508, BStBl II 2008, 951; jetzt – mit geringen Änderungen – R B 158.1 Abs. 5 ErbStR 2011). Nach Satz 1 dieses Absatzes sollen Grund und Boden sowie Gebäude, die einem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu dienen bestimmt sind, auch dann dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zugerechnet werden, wenn der Betrieb ganz oder in Teilen auf eine bestimmte oder unbestimmte Zeit nicht bewirtschaftet wird. Gemäß Satz 2 sollte dies „in der Regel“ der Fall sein, wenn der Betrieb oder der Betriebsteil keine andere Zweckbestimmung erhalten hat. Nach der aktuellen Fassung von R B 158.1 Abs. 4 Satz 2 ErbStR 2011 ist das der Fall, wenn Grund und Boden und Gebäude keine Zweckbestimmung erhalten haben, die zu einer zwingenden Zuordnung zum Grund-oder Betriebsvermögen führen.
Danach sind die Gebäudeteile, die ausschließlich von den Klägern genutzt werden, dem land- und forstwirtschaftlichen Vermögen zuzurechnen. Diese Lagerflächen im Hallenanbau und das Futterlager dienen dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Kläger.
2. Für die von den Klägern an FZ und HZ vermieteten Flächen gilt dies hingegen nicht. Sie sind am Stichtag 1. Januar 2013 nicht dazu bestimmt, dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft der Kläger dauernd zu dienen.
a. Soweit die Kläger den Zeugen Gebäudeteile zur ausschließlichen Nutzung überlassen haben (Pferdeboxen im Hallengebäude, Außenstall und der vermietete Teil der Lagerfläche im Hallengebäude), stehen die Gebäudeteile dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Kläger nicht mehr zur Verfügung.
b. Soweit die Kläger und die Zeugen Gebäudeteile gemeinsam nutzen (Reithalle, Nebenräume ohne Futterlager), dienen die Gebäudeteile auch nicht mehr dauernd dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb der Kläger.
aa. Der neue Mietvertrag ist der Besteuerung am Bewertungsstichtag 1. Januar 2013 zugrunde zu legen. Es handelt sich um einen Vertrag unter fremden Dritten. Es ist zwar ungewöhnlich, dass eine Verkleinerung der vermieteten Räumlichkeiten und im Übrigen eine Erhöhung der Nutzungsmöglichkeit des Mietobjekts durch den Vermieter, insbesondere der Reithalle, nicht mit einer Minderung des Mietzinses und einer Aufteilung der Nebenkosten einhergehen. Die als Zeugen gehörten Mieter haben hierfür aber eine überzeugende Erläuterung gegeben. Nach den übereinstimmenden Aussagen der Zeugen stand für sie die Nutzung der Reithalle nicht im Vordergrund. Als wertbildender Faktor für die Miethöhe sah FZ die Zahl der Pferdeboxen an. Sie war aber bei der Vertragsänderung unverändert geblieben, sodass die Zeugin eine Anpassung des Mietzinses nicht als notwendig erachtete. Die Nebenkosten der Reithallennutzung seien auch gering, da tagsüber geritten werde und keine Stromkosten anfielen. HZ gab an, die Zeugen hätten die Reitanlage auch ohne die Reithalle gemietet, für die züchterische Nutzung seien die Boxen und Flächen wichtig. Der neue Vertrag habe den Vorteil gehabt, dass die Kosten des Austauschs des Hallenbodens den Nutzungsanteilen von Vermietern und Mietern entsprechend verteilt worden seien. Der Senat hat keinen Anlass, die Glaubwürdigkeit der Zeugen oder die Glaubhaftigkeit ihrer Aussagen in Zweifel zu ziehen.
bb. Die gemeinsame Nutzung zusammen mit den Zeugen erfüllt nicht das Tatbestandsmerkmal „dauernd“ des § 33 Abs. 1 BewG.
„Dauernd“ ist grundsätzlich im Sinne von „ständig“ zu verstehen. Der Bundesfinanzhof hat in seinem Urteil vom 9. November 1994 II R 89/91 (BFH/NV 1995, 495) es als maßgeblich für die Zuordnung zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb angesehen, ob ein Gebäude als Altenteilerhaus „ständig“ einem landwirtschaftlichen Betrieb zu dienen bestimmt sei, und die Beantwortung dieser Frage von der beabsichtigten und tatsächlichen Nutzung des Gebäudes abhängig gemacht.
Im Streitfall stehen die zur gemeinsamen Nutzung vermieteten Gebäudeteile dem land- und forstwirtschaftlichen Betrieb aber immer dann, wenn die Zeugen die Wirtschaftsgüter nutzen, nicht und damit nicht ständig zur Verfügung.
cc. Dieser Grundsatz gilt zwar nicht ausnahmslos. Ein vorübergehendes Leerstehen oder eine nicht auf Dauer angelegte Vermietung werden als noch unschädlich angesehen (vgl. BFH-Urteil vom 14. August 1987 III R 89/82, BFH/NV 1988, 52). Hier greift aber keine der zugelassenen Ausnahmen. Die in Rede stehenden Gebäudeteile haben nicht leer gestanden und waren auf Dauer vermietet.
Der auch in R 125 Abs. 4 ErbStR 2003 und R B 158.1 Abs. 4 ErbStR 2011 genannte Sonderfall, dass der Betrieb ganz oder in Teilen auf bestimmte oder unbestimmte Zeit nicht bewirtschaftet wird, liegt nicht vor. Leerstehende, früher land- und forstwirtschaftlich genutzte Wirtschaftsgebäude verlieren mit der Einstellung der aktiven Bewirtschaftung des Betriebs und der nicht langfristigen Verpachtung der Ländereien regelmäßig nicht ihre land- und forstwirtschaftliche Zweckbestimmung im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 BewG (vgl. BFH-Urteil vom 9. November 1994 II R 89/91, BFH/NV 1995, 495). Im Streitfall war bezüglich der hier in Rede stehenden Gebäudeteile die ursprünglich auf den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft gerichtete Zweckbestimmung am 1. Januar 2013 nicht mehr gegeben.
Die Vermietung ist am Bewertungsstichtag auf Dauer angelegt. Der Mietvertrag mit den Zeugen ist auf unbestimmte Zeit geschlossen. Zwar sieht der Mietvertrag keine Mindestlaufzeit und eine nur dreimonatige Kündigungsfrist vor. Die Kläger hatten die Reitanlage am Bewertungsstichtag aber schon seit mehreren Jahren – seit 2010 – vermietet. Anhaltspunkte für eine Absicht, die Vermietung zu beenden, sind nicht ersichtlich. Eine solche Absicht wird von den Klägern auch nicht behauptet. Hierzu passt, dass die Kläger nach dem Bewertungsstichtag keine Anstalten gemacht haben, das Mietverhältnis zu beenden, und es weiterhin besteht.
Die Kläger berufen sich zu Unrecht auf Abschn. 1.01 Abs. 1 Satz 3 BewR L. Auf die Frage der überwiegenden Verwendung eines Wirtschaftsguts kommt es danach erst dann an, wenn es nur vorübergehend außerhalb des Betriebs der Land- und Forstwirtschaft verwendet wird. Angesichts der dauerhaften Vermietung fehlt es hier an einer vorübergehenden anderweitigen Verwendung. Damit kann dahinstehen, ob der von den Klägern vorgenommenen Berechnung des Nutzungsumfangs gefolgt werden könnte.
Es lässt sich auch nicht feststellen, dass die Voraussetzungen für eine Anwendung des Erlasses des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 15. Dezember 2011 S 3131 – 4 – 35.1 (BStBl I 2011, 1213) gegeben wären. Die Kläger haben dazu im außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren nicht vorgetragen und dies trotz des Hinweises des Finanzamts im Einspruchsbescheid auch im Klageverfahren nicht getan.
3. Danach ist gemäß § 22 Abs. 1 und 4 Satz 3 Nr. 1 BewG eine Wertfortschreibung auf den 1. Januar 2013 vorzunehmen.
Die tatsächlichen Verhältnisse haben sich durch den neuen Mietvertrag im Jahr 2012 geändert. Die Fortschreibungsgrenze von mehr als 5.000 DM wird erreicht. Der zu dem von den Klägern allein genutzten Futterraum (Grundfläche 21,19 qm) und den Lagerflächen (Grundfläche 147,28 qm) gehörende umbaute Raum ist anhand der bei der Akte befindlichen Grundrisse des Hallengebäudes zu schätzen. Die Raumhöhe beträgt außen 3,80 m und steigt auf ca. 5 m an.
Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Quader: |
(21,19 qm + 147,28 qm) x 3,80 m = |
640,19 cbm |
Dachgeschoss: |
168,47 qm x 1,20 m : 2 |
= 101,08 cbm |
Sachwert (Preis 29,50 DM/cbm): |
741,27 x 29,50 DM = |
21.867,46 DM. |
Dazugehöriger Grund und Boden: |
168,47 qm x 3 DM/qm = |
505,41 DM |
Summe: |
22.372,87 DM |
Es verbleibt bei der im Bescheid auf den 1. Januar 2011 angewendeten Wertzahl 80 v. H. (§ 90 BewG i. V. m. der Verordnung über die Wertzahlen für die Hauptfeststellung 1964 vom 2. September 1966, BStBl I 1966, 553). Das Grundstück ist auf den 1. Januar 2013 weiterhin als Geschäftsgrundstück zu bewerten. Sollte es als sonstiges bebautes Grundstück zu bewerten sein, wäre zunächst eine Fortschreibung zur Beseitigung eines Fehlers notwendig, bevor eine Änderung der Wertzahl in Betracht käme. Eine Artfortschreibung ist nicht Gegenstand des Verfahrens und dürfte nach § 22 Abs. 1 und 4 Satz 3 Nr. 2 BewG ohnehin nicht auf diesen Stichtag durchzuführen sein.
4. Die Ausrechnung des festzustellenden Einheitswerts wird dem Finanzamt übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).
5. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 Finanzgerichtsordnung - FGO) zugelassen. Die Frage, ob Wirtschaftsgüter dem Betrieb der Land- und Forstwirtschaft auch dann noch dauernd zu dienen bestimmt sein können, wenn im Fall einer auf Dauer angelegten Vermietung eine gemeinsame Nutzung mit einem Mieter erfolgt, ist höchstrichterlich bislang nicht entschieden.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO, die zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 151 Abs. 1 und 3 FGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).