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Steuerrecht
17.11.2011
Steuerrecht
FG Berlin-Brandenburg: Einheitsbewertung für als Büro genutzten Gebäudeteil

FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 11.5.2011 - 3 K 3037/06 B

Sachverhalt

Die Klägerin ist Eigentümerin des Grundstücks L...-straße .. in 1.... Berlin. Im Jahr 2000 wurden alle auf dem Grundstück befindlichen Gebäude und Außenanlagen abgerissen und es wurde ein neues Verkaufsgebäude für Pkw (Autocenter) mit Werkstattgebäude errichtet. Dieses Gebäude enthielt gemäß der Erklärung zur Feststellung des Einheitswerts auf den 1. Januar 2003 vom 29. Juli 2003 ein Hauptgebäude, dessen Erdgeschoss bis zweites Obergeschoss für Pkw-Handel und Werkstatt genutzt wurden, das dritte bis fünfte Obergeschoss sollte der Büronutzung dienen und im Hofgebäude befanden sich Garagen für Unfallfahrzeuge.

Nachdem der Beklagte den Bericht des Bausachverständigen A.... vom 13. Oktober 2004 erhalten hatte, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird (Bl. 133 ff. Einheitswert- und Grundsteuerakte -EW-Akte-), erließ er am 19. Mai 2005 einen Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2003 (Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung). Die Zurechnungsfortschreibung erfolgte, da die Klägerin das streitbefangene Grundstück durch Einbringung im Wege der Sacheinlage zum 1. Januar 2003 erworben hatte. Die Artfortschreibung erfolgte auf die Grundstücksart Geschäftsgrundstück (zuvor unbebautes Grundstück), das Grundstück wurde als Betriebsgrundstück dem Betrieb der Klägerin zugerechnet. Der Einheitswert wurde auf 1.675.810 € festgestellt. Für das vorliegend streitbefangene Gebäude Nummer 3 im Lageplan, das das dritte bis fünfte Obergeschoss umfasste, (lt. Einheitswertbescheid Gebäudeteil 4; im Folgenden: Gebäudeteil 4) betrug der Gebäudewert 680.977 DM. Entsprechend dem Vorschlag des Bausachverständigen erfolgte die Bewertung wegen des vorgefundenen Ausbauzustands hilfsweise mit dem Raummeterpreis der Gebäudeklasse 2.58. Am Tage der Besichtigung durch diesen hatte gemäß o. g. Bericht der komplette Innenausbau gefehlt, lediglich die Heizung (Heizkörper) und Fenster waren vorhanden. 

Mit Schreiben vom 24. Mai 2005 legte die Klägerin Einspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, aus dem Bericht des Bausachverständigen sei ersichtlich, dass in dem für Büronutzung vorgesehenen Gebäudeteil 4 bis auf die Heizung der komplette Innenausbau fehle. Der daraus abgeleitete Vorschlag, diesen Gebäudeteil hilfsweise mit der Gebäudeklasse 2.58 anzusetzen, da er sich zu Lagerzwecken nutzen lasse, sei unter Berücksichtigung des § 72 Abs. 1 Bewertungsgesetz -BewG- und des Abschnitts 6 der Richtlinien für die Bewertung des Grundvermögens -BewRGr- nicht nachvollziehbar. Sowohl der Gesetz- als auch der Richtliniengeber hätten für die Bewertung von bebauten Grundstücken ausschließlich auf den Zeitpunkt der Benutzbarkeit der Gebäude abgestellt. Es könne daher nicht sein, dass Räume, deren Nutzung laut Bauantrag/Baugenehmigung als Büroräume festgelegt sei und die aufgrund unzureichenden Innenausbaus durch die künftigen Benutzer noch nicht als Büroräume benutzt werden könnten, hilfsweise als Lagerräume zu bewerten seien. Es werde daher beantragt, den Gebäudeteil 4 wegen des unzureichenden Innenausbaus als nicht benutzbar und somit mit 0,- DM zu bewerten.

Sie berufe sich insoweit auch auf die Verfügung der Oberfinanzdirektion Koblenz vom 27. Januar 2005 (Einheitsbewertung, Bedarfsbewertung Nr. 011/05, Az. S 3194 A), mit der die Bezugsfertigkeit bei Bürogebäuden geregelt werde. Das Ergebnis dieser Verfügung sei, dass Bürogebäude ohne Innenausstattung, die in diesem Zustand den potentiellen Mietern angeboten würden, noch nicht als bezugsfertig im Sinne des Bewertungsgesetzes anzusehen seien, so dass die Grundstücke bei der Einheitsbewertung als unbebaut zu bewerten seien. Erst nach Vermietung und Herrichtung erster Teilflächen für die Mieter sei eine Bewertung als bebautes Grundstück vorzunehmen. Dabei beschränke sich die Bewertung als bebautes Grundstück zum jeweiligen Bewertungsstichtag auf die zur Vermietung hergerichteten Gebäudeteile.

Nach Anforderung einer baufachlichen Stellungnahme des Bausachverständigen, die dieser am 31. Oktober 2005 fertigte (Bl. 170 ff. EW-Akte), erließ der Beklagte am 6. Januar 2006 eine zurückweisende Einspruchsentscheidung. Er führte aus, nach § 72 Abs. 1 Satz 3 BewG sei ein Gebäude dann als bezugsfertig anzusehen, wenn den künftigen Nutzern zugemutet werden könne, es zu benutzen. Gemäß Abschnitt 6 Abs. 2 BewRGr sei bei der Entscheidung, ob ein Gebäude bezugsfertig sei, sofern es sich nicht um eine Errichtung in Bauabschnitten handele, auf das gesamte Gebäude und nicht auf einzelne Etagen oder Räume abzustellen. Nach Abschnitt 6 Abs. 3 BewRGr sei die Bezugsfertigkeit von Gebäuden davon abhängig, ob künftigen Nutzern zugemutet werden könne, diese zu benutzen. Wann die Räume bezogen würden, sei dabei unerheblich.

Im Land Berlin würden seit einigen Jahren Baulichkeiten errichtet, deren Räumlichkeiten nach den jeweiligen Wünschen oder Bedürfnissen der späteren Mieter hergerichtet würden, d.h. ein abschließender Innenausbau erfolge erst bei Vermietung. Unter Umständen führe der Eigentümer/Vermieter die weiteren Innenausbaumaßnahmen gar nicht aus, sondern überlasse dem Mieter quasi eine Art fertigen Rohbau als Mietobjekt, den sich dieser nach seinen Vorstellungen ausbauen dürfe (Mietereinbauten). Dieser Umstand könne bei entsprechender vertraglicher Vereinbarung auch dazu führen, dass diese Mietereinbauten als Scheinbestandteile gemäß § 68 BewG in Verbindung mit § 95 Bürgerliches Gesetzbuch -BGB- bei der Einheitsbewertung außer Acht zu lassen seien. In derartigen Fällen habe die Bewertung ohne die entsprechenden Bauteile (Ausstattungsmerkmale) zu erfolgen.

Da es sich vorliegend um einen Kfz-Werkstattbetrieb handele, sei die Bewertung entsprechend der Anlage 14 zu Abschnitt 38 BewRGr vorgenommen worden. Unter der Nummer 3 laut Lageplan (Gebäudeteil 4) sei die Bewertung des im dritten bis fünften Obergeschoss als Büro geplanten Bereichs erfolgt. Dieser Bauteil habe eine Fläche von 643 m² bei einer Gesamtfläche des Gebäudes von 3.154 m². Bei den drei Büroetagen mit einem Gebäudevolumen von 8.618 m³ handele es sich um eine Aufstockung, die sich nur auf einem Teil des Gebäudekomplexes befinde. Nach den Feststellungen des Bausachverständigen seien zum Besichtigungszeitpunkt die Fenster eingebaut gewesen, es hätten sich Heizkörper in den Etagen befunden, die Treppenhäuser und die Aufzugsanlagen seien fertig gestellt gewesen, so dass dieser Bereich als bezugsfertig anzusehen sei. Der übrige Innenausbau habe bei Abschluss von Mietverträgen erfolgen sollen. Da das Grundstück nach Anlage 14 zu Abschnitt 38 BewRGr zu bewerten sei, sei für diesen Bereich eine Bewertung in Anlehnung an die Gebäudeklasse 2.58 erfolgt mit einem Raummeterpreis von rund 75 DM/m³ (69,95 DM/m³ + 8 % Zuschlag für Heizung).

Mit ihrer fristgemäß erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren, für den Gebäudeteil 4 einen Wert von 0 DM anzusetzen, weiter. Sie führt aus, die Gebäudeteile 1, 2, 3, 5 und 6 bildeten ein als "X...." bezeichnetes Autohaus mit integriertem Werkstattbereich, das vom Beklagten als Kfz-Werkstattbetrieb bezeichnet werde, und das als Gesamtheit zum 1. Januar 2003 an die B..... GmbH & Co. KG vermietet gewesen sei. Diese Gebäudeteile erstreckten sich auf das Erdgeschoss sowie das erste und zweite Obergeschoss. Der Gebäudeteil 4 sei zur ausschließlichen Vermietung von Büros an Dritte errichtet worden, wobei eine Vermietung an die B.... KG weder während der Bauplanungsphase noch zu einem späteren Zeitpunkt mangels Bedarfs angedacht gewesen sei. In den durch die X... AG für die Gestaltung von für den Verkauf von X...-Pkw errichteten Gebäuden vorgegebenen Richtlinien seien derartige Büroteile auch nicht vorgesehen. Zum Feststellungszeitpunkt habe der Gebäudeteil 4 einen rohbauähnlichen Zustand aufgewiesen und lediglich für die Frostsicherheit erforderliche Elemente enthalten, nämlich Heizkörper und Fenster. Weitere für die Bezugsfertigkeit eines Gebäudes nach allgemeiner Verkehrsauffassung maßgebliche Bauteile wie Flurwände und Türen für die Flurwände, Bürotrennwände, Malerarbeiten (inklusive Bodenbeläge) usw. hätten gefehlt.

Der Beklagte verkenne vorliegend die Bedeutung des § 72 Abs. 1 Satz 3 BewG, wonach Gebäude als bezugsfertig anzusehen seien, wenn den zukünftigen Benutzern zugemutet werden könne, sie zu benutzen. Das sei regelmäßig dann der Fall, wenn die wesentlichen Bauarbeiten durchgeführt worden seien. Dies sei hinsichtlich des Gebäudeteils 4 zum streitbefangenen Stichtag noch nicht der Fall gewesen. Keinesfalls sei die Bezugsfertigkeit bereits dann gegeben, wenn eine künftige Wohnung oder auch Räume, deren Nutzung laut Bauantrag/Baugenehmigung als Büroräume konzipiert sei, hilfsweise zum Beispiel als Lagerraum benutzt werden könnten. Selbst die vorübergehende Möglichkeit einer Nutzung von für die Bürovermietung vorgesehenen Flächen als Lagerräume scheide aus, da durch eine derartige Lagernutzung in der Regel interessierte Mieter (zum Beispiel allein aus optischer Sicht) von einer Anmietung abgehalten würden.

Unter Berücksichtigung des Abschnitts 6 Abs. 2 Satz 1 BewRGr sei bei der Entscheidung, ob ein Gebäude bezugsfertig sei, grundsätzlich auf das ganze Gebäude und nicht auf einzelne Wohnungen oder Räume abzustellen.

Aufgrund des tatsächlichen zeitlichen Ablaufs der Bebauung und der besonderen baulichen Situation bezogen auf das gesamte Grundstück gehe sie, die Klägerin, davon aus, dass die Errichtung des Gebäudes auf ihrem Grundstück in Bauabschnitten erfolgt sei, so dass gemäß § 74 Satz 2 BewG die Gebäudeteile 1, 2, 3, 5 und 6 zum 1. Januar 2003 als bezugsfertig anzusehen und somit als bebaut zu bewerten seien. Der Gebäudeteil 4 als selbstständiger Bauabschnitt sei aber, da noch nicht bezugsfertig, für die Einheitsbewertung auf diesen Stichtag noch nicht heranzuziehen.

Selbst wenn eine Errichtung des Gebäudes in Bauabschnitten nicht gegeben sein sollte, führe § 91 Abs. 1 BewG letztendlich zum gleichen Ergebnis. Nach dieser Vorschrift blieben für Zwecke der Grundsteuer die nicht bezugsfertigen Gebäude oder Gebäudeteile außer Ansatz, und zwar nach Abschnitt 47 Abs. 2 Satz 3 BewRGr in Abgrenzung zur Errichtung von Gebäuden in Bauabschnitten. Nach der Kommentierung von Gürsching/ Stenger (Kommentar zum Bewertungsrecht, § 91 BewG Rn. 10) liege ein Grundstück im Zustand der Bebauung auch dann vor, wenn sich auf ihm im Feststellungszeitpunkt bereits bezugsfertige Gebäude befänden, darüber hinaus aber noch weitere zur wirtschaftlichen Einheit gehörige nicht bezugsfertige Gebäude oder Gebäudeteile vorhanden seien. Ein solches Grundstück sei zwar ein bebautes Grundstück, es befinde sich aber hinsichtlich des noch nicht bezugsfertigen Gebäudes im Zustand der Bebauung. Zu bewerten seien deshalb der Grund und Boden und die bezugsfertigen Gebäudeteile.

Mit Schriftsatz vom 6. Mai 2011 hat die Klägerin Vermietungsexposés für das streitbefangene Grundstücks übersandt, die u. a. Abbildungen der zur Vermietung angebotenen Büroflächen im Rohbauzustand enthalten. Ergänzend führt sie aus, der zu diesem Zeitpunkt vorhandene Bauzustand habe sich bis heute nicht verändert. Wegen der Einzelheiten des diesbezüglichen Vorbringens wird auf Bl. 88 ff. der Streitakte Bezug genommen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid über den Einheitswert des Grundbesitzes auf den 1. Januar 2003 vom 19. Mai 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 6. Januar 2006 mit der Maßgabe zu ändern, dass für das Gebäude/den Gebäudeteil 4 (Nummer im Lageplan 3) ein Gebäudewert von 0 DM angesetzt wird;

die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Der Beklagte beantragt,

                die Klage abzuweisen.

Er trägt vor, seiner Ansicht nach handele es sich nicht um ein Gebäude im Zustand der Bebauung. Schon aus dem Wortsinn des Gesetzes ergebe sich, dass bei zusammenhängender Bauabwicklung mit nur technisch bedingten oder vorübergehenden Unterbrechungen keine Bauabschnitte gegeben seien. Auch handele es sich bei dem streitbefangenen Gebäudeteil 4 nicht um ein unbebautes Grundstück. Die Benutzbarkeit beginne gemäß der gesetzlichen Regelung im Zeitpunkt der Bezugsfertigkeit, wobei ein Gebäude als bezugsfertig anzusehen sei, wenn den zukünftigen Bewohnern oder sonstige Benutzern zugemutet werden könne, es zu benutzen.

Wenn auch das Gesetz auf die Benutzbarkeit des gesamten Gebäudes, nicht aber auf einzelne Gebäudeteile abstelle, so sei diese Zumutbarkeit einer Nutzung im Streitfall gegeben. In der heutigen Zeit würden Geschäftsgrundstücke fast immer in der gleichen Art und Weise errichtet, dass den zukünftigen Mietern - ohne dass es bei Baubeginn bereits zu einer Mietvertragsabrede gekommen sei - die Innenausstattung nach ihren eigenen Bedürfnissen offen gehalten werde. Daher fehlten häufig insbesondere innere Stellwände, die zur Büroflächeneinteilung erforderlich seien. Zwangsläufig seien auch Dachabhängungen und Wandverkleidungen noch nicht eingebaut, da diese vom Aufstellen der inneren Trennwände abhängig seien. Gleichwohl sei ein solches Gebäude als fertig gestellt zu beurteilen. Denn aus Sicht der Mieter handele es sich bei der Innenausgestaltung um geringfügige Baumaßnahmen, die am gewerblichen Vermietungsmarkt als üblich anerkannt würden und der Benutzbarkeit nicht entgegenstünden.

Dem Gericht hat bei seiner Entscheidung neben der Streitakte die vom Beklagten unter der Steuernummer 715/1012 geführte Einheitswert- und Grundsteuerakte vorgelegen, auf deren Inhalt ergänzend Bezug genommen wird.

Aus den Gründen

Die Klage ist zulässig und begründet.

Der angefochtene Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2003 ist - soweit er den Gebäudeteil 4 betrifft - rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung -FGO-). Der streitbefangene Gebäudeteil 4 ist mit 0,- DM zu bewerten.

Die Benutzbarkeit bzw. Bezugsfertigkeit eines Gebäudes i. S. v. § 72 BewG ist gegeben, wenn die wesentlichen Bauarbeiten durchgeführt worden sind und den künftigen Bewohnern oder Benutzern die Benutzung zugemutet werden kann. Dies ist nach objektiven Merkmalen unter Berücksichtigung der Verkehrsauffassung zu entscheiden (vgl. Gürsching/Stenger, BewG, Erbschaftsteuergesetz, § 72 BewG Rn. 13; Urteil des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 29. April 1987 II R 262/83, Bundessteuerblatt -BStBl- II 1987, 594). Zu den wesentlichen Bauarbeiten bei Gebäuden gehören im Allgemeinen der Einbau von Türen und Fenstern, das Vorhandensein von Anschlüssen für Strom und Wasserversorgung sowie von Heizung, Kochmöglichkeiten und sanitären Einrichtungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. April 1987, a.a.O.;  BFH-Urteil vom 26. Juni 1970 III R 56/69, BStBl II 1970, 769). Auch Abschnitt 6 BewRGr stellt auf die Zumutbarkeit der Benutzung ab. In Abs. 3 S. 4 der Vorschrift ist geregelt, dass bei dieser Beurteilung die sich ändernden Zeitumstände zu berücksichtigen sind.

Selbst wenn in der heutigen Zeit durch die Vermieter vielfach bei der Raumgestaltung auf die besonderen Bedürfnisse von gewerblichen Mietinteressenten Rücksicht genommen wird, so dass Zwischenwände und die Verlegung elektrischer Leitungen veränderbar sind bzw. nach Wunsch eingebaut, entfernt oder versetzt werden, fehlt es nach Auffassung des erkennenden Senats bei dem vorliegend streitbefangenen Gebäudeteil 4 an den Mindestvoraussetzungen für die Bezugsfertigkeit im Sinne der o. g. Anforderungen.

In dem Gebäudeteil 4 waren zum streitigen Feststellungsstichtag lediglich Fenster und Heizung (Heizkörper) vorhanden, Treppenhäuser und Aufzugsanlagen standen zur Verfügung. Flurwände und Türen für die Flurwände, Bürotrennwände, Malerarbeiten (inklusive Bodenbeläge) sowie sämtliche Sanitäranlagen fehlten. Wie auch auf den von der Klägervertreterin mit Schriftsatz vom 6. Mai 2011 eingereichten Abbildungen des streitbefangenen Gebäudeteils ersichtlich ist, befand sich dieser in einem rohbauähnlichen Zustand, in dem ohne weitere Fertigstellungsarbeiten einem künftigen Nutzer die Benutzung nicht zugemutet werden konnte. Vorliegend fehlten zum Bewertungsstichtag nicht nur diejenigen Bauteile - wie Trennwände und die bedarfsgerechte Verlegung der Elektroleitungen -, die die individuelle endgültige räumliche Ausgestaltung der zu vermietenden Gebäudeteile nach den Wünschen der potentiellen Mieter ermöglichten, sondern es waren nicht einmal die für die Nutzung essentiellen Gebäudebestandteile wie sanitäre Anlagen vorhanden. Bei einer derartigen Beschaffenheit ist nicht davon auszugehen, dass - auch aus Sicht der Mieter - nur noch geringfügige Baumaßnahmen erforderlich waren, die der Benutzbarkeit des Gebäudes nicht entgegenstanden.

Soweit der Beklagte hinsichtlich der übrigen von dem streitbefangenen Einheitswertbescheid erfassten Gebäude/Gebäudeteile 1, 2, 3, 5 und 6 eine Bewertung vorgenommen hat, ist dies nicht zu beanstanden, da diese zum Bewertungsstichtag 1. Januar 2003 unstreitig fertig gestellt waren und genutzt wurden. Insoweit findet § 74 Satz 2 BewG Anwendung. Nach dieser Vorschrift ist bei Gebäuden, die in Bauabschnitten errichtet werden, der fertig gestellte und bezugsfertige Teil als benutzbares Gebäude anzusehen. Eine Errichtung in Bauabschnitten liegt vor, wenn ein baurechtlich genehmigtes Gebäude nicht in zusammenhängender Bauentwicklung, d.h. nicht in einem Zug im planmäßig vorgesehenen Umfang bezugsfertig erstellt wird, wobei auch der Innenausbau in die Betrachtung einzubeziehen ist. Bei dieser Beurteilung kommt es nicht darauf an, wie die Bauplanung und die Baugenehmigung ausgestaltet sind, sondern darauf, wie die Planung in die Tat umgesetzt wird, wobei die Gründe unerheblich sind. Kein abschnittsweises Bauen liegt allerdings vor, wenn die Unterbrechung der Bautätigkeit technisch bedingt ist oder nur vorübergehend erfolgt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. April 1987 II R 262/83, BStBl II 1987, 594).

Die genannten Voraussetzungen für eine Errichtung in Bauabschnitten sind vorliegend erfüllt, da die bewerteten Gebäudeteile mit Ausnahme der streitbefangenen Büroetagen vor dem Bewertungsstichtag fertig gestellt waren und es dann zu einem Baustopp hinsichtlich des Gebäudeteils 4 kam. Nach Auskunft des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung dauert dieser Zustand noch immer an, da noch kein Mieter gefunden werden konnte, nach dessen Vorgaben die Errichtung der Büroräume hätte erfolgen können.

Der Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 2003 ist folglich mit der Maßgabe zu ändern, dass für den Gebäudeteil 4 ein Gebäudewert von 0,- DM angesetzt wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren war gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO für notwendig zu erklären, weil die Sach- und Rechtslage nicht so einfach war, dass die Klägerin sich selbst hätte vertreten können.

Das Gericht hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage der Benutzbarkeit von Bürogebäuden bei der Einheitswertfeststellung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Ergänzend wird auch auf das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 28. Oktober 2010 (Az. 11 K 1712/08 BG, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 2011, 409) zur Frage der Bezugsfertigkeit eines Bürogebäudes im Zusammenhang mit der Alterswertminderung nach § 146 Abs. 4 BewG hingewiesen (Az. des BFH: II R 58/10).

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